Welche EU-Länder sind von islamistischem Terror betroffen? | Briefing 484 | Geopolitik, Gesellschaft

Briefing 484 | Geopolitik, Gesellschaft, Terror, IS, radikaler Islamismus

139 Todesopfer hat der Terroranschlag in einer Konzerthalle nahe Moskau gefordert, der nach  aktuellem Erkenntnisstand von einer IS-Organisation verübt worden ist.  Und wie sieht es in der  EU aus? Die letzten Jahre sind in dieser Grafik zusammengefasst worden:

Welche EU-Länder sind von islamistischem Terror betroffen?

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Nach dem Anschlag von Moskau – verübt von einem Ableger des „Islamischen Staats“ – ist das Thema islamistischer Terrorismus in den Fokus der Öffentlichkeit zurückgekehrt. Dabei hat es in der EU bis zuletzt immer wieder Anschläge oder Planungen zu Anschlägen gegeben, wie der aktuellste Terrorism Situation and Trend Report aus dem Juni 2023 zeigt. Diesem zufolge zählt Europol für den Zeitraum 2020 bis 2022 30 vollendete (14) und vereitelte (16) dschihadistische Terroranschläge in acht Ländern der Staatengemeinschaft. Für Deutschland sind in diesem Zeitraum insgesamt fünf Vorfälle verzeichnet.

Der letzte vollendete Anschlag, der in den Zahlen des Berichts berücksichtigt ist, fand am 6. November im ICE auf der Fahrt nach Nürnberg statt – dabei griff der in Syrien aufgewachsene Palästinenser Abdalrahman A. vier Männer mit einem Messer an und verletzte drei von ihnen schwer. Während 2022 hierzulande keine terroristischen Vorfälle verzeichnet wurden, hat es laut wikipedia.de 2023 und 2024 mehrere Festnahmen von Islamisten gegeben, die Anschläge geplant haben sollen.

Die mit Abstand meisten Vorfälle ereigneten sich indes in Frankreich. Dass es dort entsprechend eine andere Wahrnehmung des Themas gibt, zeigen auch Daten der Statista Consumer Insights.

In unserem gestrigen Hauptartikel haben wir uns etwas ausführlicher mit dem Gazakrieg befasst, als wir das hier mit dem islamistischen Terror tun, aber es zeigt sich immer wieder, dass alles miteinander verwoben ist. Man muss davon ausgehen, dass die aktuelle politische Weltlage auch die Terrorgefahr in Europa wieder ansteigen lässt. In letzter Zeit sind viele Anschläge offenbar verhindert worden, die es nicht bis in die Schlagzeilen gebracht haben. Es ist schön, dass die Terrorabwehr anscheinend besser wird, aber noch vor wenigen Jahren sah es umgekehrt aus.

Es hängt vieles wohl nach wie vor davon ab, wer wann und wie professionell zuschlägt. Vor dem Anschlag in Moskau gab es Warnungen seitens westlicher Geheimdienste, aber trotzdem hat Wladimir Putin recht: Es gibt kein Land, das vor Terroranschlägen sicher ist. Wir sollten nicht glauben, die hiesige Politik ließe sich komplett schadensfrei stellen. Wir meinen damit durchaus mehrere sehr unterschiedliche Aspekte deutscher Politik der letzten Jahre und Monate. Am Ende sind unschuldige Opfer zu beklagen. Unschuldig am konkreten Vorgang, denn wenn Politikgestaltung zu Gefahrensituationen führt, dann sind wir als diejenigen, die sich diese Politik gewählt haben, nicht in jeder Hinsicht von jeder Verantwortung freizustellen. Selbstverständlich hoffen wir ungeachtet dieser Erkenntnis, dass es, ob in Deutschland oder anderswo, immer weniger Terror und immer weniger Gründe für Terror geben wird.

Im Moment ist das ein ziemlich frommer Wunsch und deshalb müssen wir ehrlich zugeben, dass wir schon ganz dankbar wären, wenn es nicht uns treffen würde. In Deutschland hat sich herausgestellt, dass die Hauptstadt nicht unbedingt das Zentrum des Terrors sein muss, wenn man vom Attentat 2016 auf dem Breitscheidtplatz absieht. Es gibt hierzulande viele kleine Terrorakte, oft von fanatischen Einzelpersonen begangen. Hingegen kam es noch nicht zu Ereignissen in Größenordnungen wie jetzt bei Moskau, das wiederum mit Anschlägen während der 2010er Jahre in Frankreich am besten vergleichbar ist, wenn es um Terror in Europa geht. Wachsam sein ist in diesem Fall ein unsinniger Tipp, denn wir sind als Zivilpersonen kaum in der Lage, eine Terrorgefahr frühzeitig zu erkennen. Wir sollten auch nicht anfangen, jeden Nachbarn der Nähe zum Terror zu verdächtigen, der einer islamischen Gemeinschaft angehört und vielleicht sogar recht gläubig ist. Letztlich geht es nur mit mehr, nicht mit weniger gegenseitigem Vertrauen, wenn diese Gesellschaft nicht endgültig auseinanderbrechen soll. 

Wachsamer könnten wir aber sein, was den Terror fördernde Politik angeht. Je mehr die Politik für den Frieden arbeitet, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Terrorakten kommt, denn es gibt nicht den „grundlosen Terror“, sofern es sich nicht um psychisch erkrankte Einzeltäter handelt. Selbst sie haben sich häufig in ihr Weltbild eine Begründung eingebrannt, die sie nicht alleine für sich beanspruchen können. Ansichten, Friktionen, die weit verbreitet ist, die bei vielen Menschen zu viel Unmut, aber aufgrund ihrer höheren Hemmschwelle der Gewalt gegenüber nicht zu Tötungen oder Tötungsversuchen führt. 

Wir müssen an dieser Stelle all jenen danken, die berechtigen Anlass zu Ärger und Wut haben, sich aber nicht zu Gewalt hinreißen lassen. Wäre das Geschehen bei uns ein direkter Spiegel internationaler Politik, inklusive der hiesigen Außenpolitik, dann wäre niemand von uns mehr einigermaßen sicher.  Die große Aufnahmebereitschaft gegenüber Geflüchteten kann man natürlich als Argument dafür ins Feld führen, dass wir uns eine faire Behandlung von dieser Seite verdient haben. Wir meinen aber, es ist keineswegs selbstverständlich, dass es hierzulande doch überwiegend friedlich zugeht. Nicht nur, ob man etwas tut, sondern auch, wie es ausgeführt wird, wie es entwickelt wird, spielt eine Rolle, und, wie eigentlich auf allen Feldern der Politik, hapert es hierzulande auch an zukunftsträchtigen Strategien der Integration. Aus diesem Grund und weil die Verstrickungen der deutschen Politik in unheilvolle Vorgänge eher zunehmen, können wir festhalten, dass wir bisher sehr viel Glück hatten.

TH

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