Thirteen Days (USA 2000) #Filmfest 1070

Filmfest 1070 Cinema

Der US-amerikanische Spielfilm Thirteen Days ist ein Politthriller aus dem Jahr 2000, der sich mit den 13 Tagen der Kubakrise aus der Sicht der Amerikaner beschäftigt. Der Film orientiert sich weitgehend an den historischen Fakten und arbeitet punktuell mit realen Einspielern aus der damaligen Zeit. Die Hauptpersonen des Films sind der politische Berater John F. Kennedys, Kenneth „Kenny“ O’Donnell, gespielt von Kevin Costner, Präsident John F. Kennedy selbst, dargestellt von Bruce Greenwood, und dessen Bruder Robert „Bobby“ Kennedy, gespielt von Steven Culp. Regie führte Roger Donaldson. (1)

Von Regisseur Roger Donaldson habe ich zuletzt „The Bounty„, die dritte wichtige Verfilmung des Stoffes aus dem Jahr 1984, rezensiert. Ob er einen guten Politthriller machen kann, ließ sich daraus für mich nicht schließen, denn gegenüber den älteren Bounty-Filmen wirken die Typen in dem Werk eher zurückgenommen. Historische Authentizität war Donaldson aber schon damals wichtig und vermutlich ist die eher unspektakuläre Verfilmung der Bounty-Meuterei auch diejenige, die sich bis dahin am deutlichsten an der Realität orientierte. Die Kubakrise von 1962 ist allerdings weitaus besser dokumentiert und ein herausragender Stoff für einen politischen Film. Ist es gelungen, diese Momente am Rande des atomaren Abgrunds, packend und authentisch darzustellen? Darüber steht mehr in der –> Rezension.

Handlung (1)

Oktober 1962. Die Amerikaner finden heraus, dass die Sowjetunion nukleare ballistische Boden-BodenMittelstreckenraketen auf Kuba stationiert hat. Diese Kernwaffen bedrohen weite Teile der USA.

Unter zunächst strengster Geheimhaltung schart John F. Kennedy einen Beraterstab um sich. Während eine Vielzahl von Politikern und besonders das Militär für einen Luftangriff und eine anschließende Invasion Kubas sind, um die Raketen zu beseitigen, versucht Präsident Kennedy die Lage möglichst ohne den Einsatz von Gewalt zu entschärfen. Die Situation spitzt sich jedoch immer weiter zu, weil es von Tag zu Tag wahrscheinlicher wird, dass die Raketen startbereit gemacht werden können.

Schließlich entscheidet man sich für eine Blockade Kubas. Diese wird als Quarantäne bezeichnet, weil eine Blockade als kriegerischer Akt angesehen würde. Das bedeutet, dass jedes Schiff, das sich auf dem Weg nach Kuba befindet, egal aus welchem Land es stammt, vor der Küste gestoppt und durchsucht wird. Wenn festgestellt wird, dass es Waffen an Bord hat, wird es abgewiesen und zurückgeschickt.

Währenddessen wird eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York abgehalten. In dieser kann der Vertreter der Vereinigten Staaten, Adlai Stevenson, die Welt davon überzeugen, dass es die Raketen auf Kuba gibt.

Die Quarantäne zeigt zunächst Erfolg, doch eskaliert die Situation, als eines der Schiffe sich vehement weigert, sich durchsuchen zu lassen. Kennedy erhält einen Brief des sowjetischen Regierungschefs Chruschtschow, in dem dieser anbietet, es zu unterlassen, Schiffe mit Nuklearwaffen nach Kuba zu schicken, wenn die Amerikaner sich im Gegenzug dazu verpflichten, auf eine Invasion Kubas zu verzichten. Später trifft allerdings ein weiterer – dem ersten inhaltlich widersprechender – Brief ein, dessen Urheber aber gleichfalls Chruschtschow sein soll. Der amerikanische Krisenstab ist verunsichert, ob dieser Brief authentisch ist und Chruschtschow die Zügel wirklich noch selbst in der Hand hält. US-Präsident Kennedy hält den Luftschlag und die Invasion daraufhin weiterhin für unter Umständen zwingende Optionen.

Bei einem weiteren Aufklärungsflug wird ein Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen und der Pilot getötet. Ein Krieg scheint nun nahezu unausweichlich. Doch es keimt noch einmal Hoffnung auf: John F. Kennedy schickt seinen Bruder Robert Kennedy zu dem sowjetischen Botschafter Dobrynin, um noch einmal zu verhandeln. Als Robert Kennedy und der politische Berater Präsident Kennedys Kenny O’Donnell am Botschaftsgebäude ankommen, sehen sie, dass aus einem Schornstein Rauch aufsteigt und vermuten daher, dass die Sowjets offenbar Dokumente verbrennen. Das würde bedeuten, dass die Sowjets von einem unmittelbar bevorstehenden Krieg ausgehen. Robert Kennedy schlägt dem sowjetischen Botschafter vor, innerhalb von sechs Monaten US-amerikanische Jupiter-Raketen aus der Türkei abzuziehen und auf eine Invasion Kubas zu verzichten, wenn die Sowjetunion ihre Raketen von dort abzieht. Zugleich müsse diese Vereinbarung streng geheim bleiben, damit die USA in der Öffentlichkeit nicht als zu nachgiebig erscheinen. Ob ein Krieg ausbricht, hängt jetzt von der sowjetischen Reaktion auf das Angebot Kennedys ab.

Am nächsten Morgen ist die Krise beendet. Chruschtschow hat befohlen, die Raketen abzubauen und zurück in die Sowjetunion zu verfrachten. In der letzten Szene sieht man Präsident Kennedy, seinen Bruder Robert Kennedy und seinen politischen Berater Kenny O’Donnell auf einer Veranda des Weißen Hauses stehen. Im Hintergrund hört man im Original einen Ausschnitt der Rede A Strategy of Peace, die Kennedy am 10. Juni 1963 bei der Entlassungsfeier für Absolventen der American University gehalten hat.

Rezension

Der Film hatte bei den Filmfestspielen in Berlin seine Europa-Premiere. Die Afterparty fand in einem ehemaligen Luftschutzbunker statt. 

„Brillant fotografierte Bilder, perfekte Ausstattung und eine geschmeidige Verdichtung der historischen Ereignisse aus US-Sicht, die Abiturienten mit Leistungskurs Geschichte oder Politik nicht verpassen sollten.“ – Cinema

„Der Film konzentriert sich ganz auf die amerikanische Seite, wobei ihm das Kunststück gelingt, eine Politik, die in erster Linie von der Sprache bestimmt wird, durch eine stimmige dramaturgische Form überzeugend und spannend darzustellen.“ – Lexikon des internationalen Films

Hauptdarsteller Kevin Costner war Mitproduzent des Films und zu der Zeit einer der größten Stars des US-Kinos, trotz des Mega-Flops mit seinem Film „Waterworld“. Authentizität war auf mehreren Ebenen ein wichtiges Thema.
 
President John F. Kennedy very frequently set up recording machines during meetings at the White House. Much of the dialogue from the movie is taken directly from Kennedy’s tapes. (2)
 
The fact that John F. Kennedy agreed to secretly remove US missiles from Italy and Turkey did not become public knowledge until many years later.
 
The pilots of the RF-8 Crusader which were shot at by the Cubans were played by actors with a connection to the real people involved – David O’Donnell, who plays Lt. Bruce Wilhemy, is the real-life grandson of Kenny O’Donnell, while Christopher Lawford, who plays Cmdr. William B. Ecker, is the real-life nephew of President Kennedy & Robert Kennedy.
 
Es gibt aber auch bezüglich dieses Films Hinweise darauf, dass Kevin Costern hin und wieder über das Ziel hinausschießt und es liest sich witzig.
 
In Boston, Kevin Costner’s attempt at a Boston accent is so notorious that a „Kevin Costner accent“ is an accepted slang term for a non-Bostonian’s unsuccessful attempt at a Boston accent.
 
Da fragt man sich natürlich, wer unbedingt einen Bostoner Akzent erlernen will, wenn dies nicht einer Rolle geschuldet ist. Aber in der Gegend wird in der Tat das für uns am leichtesten zu verstehende Englisch innerhalb der USA gesprochen, sofern wir auf englisches Englisch geschult wurden. An der Sprache und deren Inhalten wurde aber noch auf andere Weise gearbeitet:
 
According to the filmmaker’s commentary, Bruce Greenwood and Steven Culp, who portray John F. Kennedy and Robert F. Kennedy, respectively, would engage each other in arguments off screen in their Kennedy personas to help keep in character.
 
Und hier erfahren wir, warum auch Kostner unbedingt bostonisch können wollte:
 
When Bruce Greenwood and Steven Culp were cast as JFK and RFK respectively, weeks ahead of the start of filming, they would call each other on the phone to practice their Boston accents. They called it playing „Dueling Kennedys“, according to special features in the DVD version of the film.
 
Ich finde es immer schwierig, dermaßen bekannte Persönlichkeiten wie John F. und Bob Kennedy darzustellen.  Immerhin gibt es zahllose Bilddokumente von ihnen und nach allem, was man über sie weiß, müsste John F. etwas schillernder und Robert F. etwas dezidierter und schärfer gewesen sein, als sie im Film rüberkommen. Dort werden sie, nicht nur physisch, zu sehr von Kevin Kostner und seiner Rollenfigur dominiert, die einen wirklich massiven Einfluss auf die Brüder gehabt zu haben scheint. Die US-Kritik zeigt einen Metascore von 67/100, die IMDb-Nutzer geben aktuell 6,6/10. Unter den Kritiken finden sich Schmankerl wie dieses:
Dealing with all these crises and decisions gives Thirteen Days a surprising amount of tension and watchability for a story whose outcome we already know. – Mike Clark, USA Today

Es sind so viele durchaus spannende Filme über den amerikanischen Bürgerkrieg gemacht worden. Nicht nur weiß jeder in den USA, wie es ausging, hinzu kommt, dass sehr viele im Süden noch immer nicht damit einverstanden sind, wie es ausging und die Flagge er Konföderierten hochleben lassen. Insofern dürfte man aus verschiedenen Gründen, wegen der Spannung, wegen der alten Wunden, keinen Film über historische Tatsachen drehen und dabei einigermaßen bei der Wahrheit bleiben. Negative Kritiken zu „Thirteen Days“ beziehen sich vor allem auf eine zu plane Gestaltung des Films und auf seine Funktion als Vehikel von Kevin Costner, die dazu führt, dass er Berater kompetenter wirkt als der Präsident und sein Bruder. Sicher aren die Berater, auf die Kennedy sich verließ, und er hatte herausragende Berater, auf Einzelfeldern und vor allem an Erfahrung dem jungen Präsidenten und seinem noch jüngeren Bruder überlegen und die Last, die auf dem Präsidenten während dieser heißen Tage im August 1962 lastete, war enorm, aber dennoch hielten sie letztlich die Fäden in der Hand. Kritisiert wurde teilweise auch der Rhythmus des Films, aber hier kann ich mitgehen, wie häufig bei Roger Ebert:

I call the movie a thriller, even though the outcome is known, because it plays like one: We may know that the world doesn’t end, but the players in this drama don’t, and it is easy to identify with them. Read full review

Es handelt sich in der Tat um einen Politthriller, der mit der Zeit seinen Rhythmus findet, wie ein weiterer Kritiker schreibt. Auch diesbezüglich bin ich d’accord, das Kinostück braucht in der Tat eine Zeit, um sich mit sich selbst einzugrooven, aber man wollte ersichtlich auch eine dramaturgische Steigerung innerhalb von 13 Tagen, die im Ganzen sehr aufregend waren. Dadurch, dass der Film aus amerikanischer Sicht gefilmt ist und sich sehr eng an historischen Aufzeichnungen orientiert, kommt es allenfalls zu kleineren Interpretationsabweichungen oder dramaturgischen Anpassungen, scheint es, so wie diese:

Robert Kennedy did not mention in his memoir that, at the start of the crisis, he was one of those „hawks“ in the administration who called for an attack on Cuba. Most hawks wanted to carry out some sort of air strike that would destroy the missile sites, but there was a ’super-hawk‘ position in favor of a full-scale invasion of the Caribbean Island, and that was the position RFK initially took.

Wie oben geschrieben, ich hatte Robert F. Kennedy mehr Schärfe zugerechnet, als er im Film zeigt. Die Basis des Films wird in der IMDb so beschrieben:

While this movie carries the same name as the book „Thirteen Days“ by former Attorney General Robert F. Kennedy, it is in fact based on a different book, „The Kennedy Tapes: Inside the White House During the Cuban Missile Crisis“ by Ernest R. May and Philip D. Zelikow. In contrast to The Missiles of October (1974), which was based on Kennedy’s book, this film contains some newly declassified information not available to the earlier production, but takes greater dramatic license, particularly in its choice of Kenneth P. O’Donnell as protagonist.

Finale

Wir haben dieses Mal besonders viel Fremdtext verwendet, aber man muss, um ihn wiederum hinterfragen zu können, schon ein Spezialist für die Kubakrise sein, und der bin ich trotz meines Interesse an der Weltgeschichte nicht in der Form, dass ich nun alles mit öffentlich zugänglichen Quellen abgleichen möchte, was der Film gezeigt hat, zumal ich ihn bereits vor einigen Tagen angeschaut habe. Er ist packend, weil die historische Situation packend ist, hat in etwa den Stil eines Dokudramas, ohne dass zwischendurch eine Narration stattfindet, ist ordentlich gespielt, aber nicht herausragend, folgt dem Konzept einer formatierten Wirklichkeit eher als einer stark subjektivierenden Sicht, man geht sozusagen davon aus, dass die Perspektive des Kennedy-Beraters Gordon eine so weit wie möglich objektive ist. Es gibt aber in der IMDb auch einen Blick über das hinaus, was wir im Film sehen:

John F. Kennedy may have caused the Cuban Missile Crisis by ordering the unsuccessful Bay of Pigs invasion in April 1961, which compelled Castro to seek nuclear protection from the Soviet Union to deter a future invasion. It is now known that the Kennedy administration was still planning a military invasion of Cuba as late as August 1962. Kennedy had refused to provide air support for the Bay of Pigs invasion, even though Eisenhower had provided air support for the 1954 Guatemalan coup d’état.

Danach hatte Kennedy sich tatsächlich daran gehalten, Kuba nicht mehr erobern zu wollen. Seitdem blockieren die USA die Insel wirtschaftlich und wenn diese ökonomisch doch noch zusammenbrechen sollte, dann wäre das nicht etwa ein Hinweis darauf, dass Sozialismus nicht funktionieren kann, sondern dass eine kleine Insel wie Kuba dem imperialen Druck der USA ohne starke Freunde wie die Sowjetunion im Rücken nicht standhalten kann. Derzeit wird gemutmaßt, dass Joe Biden Kuba sozusagen wie eine reife Tropenfrucht in die Hände fallen könnte, aber auch dieser erpresste Sieg wäre kein Beweis dafür, wie die Systemfrage beantwortet werden muss. Das muss Präsident Biden schon selbst tun, indem er die USA endlich mehr sozialdemokratisiert, die Exzesse des Mega-Reichtums unterbindet, und es zulässt, dass andere Länder den Kapitalismus noch etwas mehr zügeln. Zu Kennedys Zeiten waren die USA weitaus sozialdemokratischer als heute und es ging fast allen recht gut. Der Druck, zum Beispiel die Einkommentsteuern auf einem recht hohen Niveau zu belassen, um das Land sozial voranbingen zu können, wenn von Druck die Rede ist, kam auch von den sozialistischen Ländern. Heute steht Kuba vor einer Wende, weil die Castro-Brüder nicht mehr als Bindeglied zwischen der Revolution, dem Abgehen von der Fahne einer wirtschaftlichen US-Kolonie und der aktuell schwierigen Lage dienen können. Selbstverständlich werden diese Aspekt in „Thirteen Days“ ausgeblendet. Das ist vielleicht auch gut so, denn ein Nachdenken über die Systeme aus amerikanischer Sicht nach dem vorgeblichen „Ende der Geschichte“ und vor den Erschütterungen seit 2001, ganz im Zeichen des Neoliberalismus, hätte sicher nicht zu gerechten Ergebnissen geführt. So bleibt, dass in einem enorm wichtigen Moment der Geschichte ein junger Präsident, von wem auch inmmer beraten, kühlen Kopf bewahrte und letztlich auch Nikita Chruschtschow einen Atomkrieg nicht riskieren wollte.

Kevin Kostner spielte bereits vor „Thriteen Days“ in einem Film über John F. Kennedy, dessen Handlung sich nach Kennedys Ermordung zuträgt. Als Ermittler, der sich nicht mit einfachen Erklärungen der Tat zufriedengibt und nicht an die Alleintäter-Version glaubt, die bis heute die offizielle ist. Ein spekulativer Film, ein langer Film, aber von Oliver Stone packend und provokant inszeniert.

Anmerkung anlässlich der Publikation 2024: Anlässlich der aktuellen Weltlage werden Filme wie dieser und die Erinnerung an frühere Krisen und wie sie gelöst wurden, immer wichtiger. Falls wir keinen Fehler bei der Widergabe der IMDb-Durchschnittswertung im Jahr 2021 gemacht haben, muss man von einem der rasantesten Aufstiege für einen bereits seit 20 Jahre etablierten Film sprechen, den wir bisher gesehen haben. Aktuell steht „Thirteen Days“ bei 7,3/10.

77/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2021)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Roger Donaldson
Drehbuch David Self
Produktion Peter O. Almond
Armyan Bernstein
Kevin Costner
Musik Trevor Jones
Kamera Andrzej Bartkowiak
Roger Deakins
Christopher Duddy
Schnitt Conrad Buff IV
Besetzung

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