Full Metal Jacket (USA 1987) #Filmfest 1084 #Top250 #DGR

Filmfest 1084 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (158) – Die große Rezension

Nach über dreißig Jahren wieder ein Kriegsfilm

Full Metal Jacket ist ein britischamerikanischer Antikriegsfilm aus dem Jahr 1987 und der vorletzte Film von Stanley Kubrick. Der Name Full Metal Jacket bezieht sich auf die englischsprachige Bezeichnung für das Vollmantelgeschoss (full metal jacket bullet). Der Film, der in einem Ausbildungslager der US-Marines und in Vietnam spielt, wurde großteils in der Umgebung von London gedreht; zur Ergänzung wurden Archivmaterial und Luftaufnahmen eingearbeitet.

Der Anfangsgedanke? Stanley Kubrick hat es schwer – mit uns. Daran ist er selbst schuld, denn er hat 30 Jahre vor „Full Metal Jacket“ den grandiosen „Wege zum Ruhm“ gedreht. Und obgleich wir keine Kriegsfilm-Fans sind, haben wir „Wege zum Ruhm“ als zweitem Film überhaupt die 9,5/10 zugesprochen (Anmerkung: fürs Filmfest des „neuen“ Wahlberliners haben wir diese Rezension noch nicht veröffentlicht, die Punktzahl kann im 100er-Schema leicht abweichen). Es werden noch einige kommen, die vielleicht sogar 10/10 erhalten, aber im Moment steht Kubriks Abhandlung über das Schlachtgetöse des Ersten Weltkrieges ganz vorne. Und natürlich muss „Full Metal Jacket“ sich daran messen lassen, denn immerhin sind wir 30 Jahre weiter und die Möglichkeiten zur filmischen Darstellungen haben sich immer weiter verbessert. Mehr dazu lesen Sie in der Rezension.

Handlung (1)

Paris Island, Ausbildungskaserne einer Einheit der US-Marines: Aus einem Haufen vorher nach der Mode der Zeit langhaariger Typen von großer Unterschiedlichkeit formt Drill Sergeant Hartmann eine Gruppe von Kampfschweinen – und eines davon gerät außer Kontrolle. Schnitt. Die übrigen Marines sind in Vietnam angekommen und wir sehen alles aus der Perspektive von „Joker“, einem Private aus Hartmans Ausbildungsgruppe, denn „Joker“ ist der Kriegsberichterstattungseinheit 40212 zugeordnet und schreibt für die „Stars und Stripes“. Aber er will an die Front, kommt an die Front und wird in die Schlacht um die Einnahme der Stadt Hué involviert, wo zuletzt ein einziger Vietkong-Heckenschütze eine Gruppe von Marines herausfordert.

Rezension 

Vor allem aber gab es 1957 den Vietnamkrieg noch nicht, während Ende der 1970er dessen Aufbereitung einsetzte (zunächst mit „Die durch die Hölle gehen“ und „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola), aber auch kurz vor dem Erscheinen von „Full Metal Jacket“ mit „Platoon“ von Oliver Stone. Ein unglückliches Zusammentreffen, da Platoon konventioneller ist und mehr unseren Wunsch nach Identifikation mit Einzelpersonen erfüllt, gerade in so schwierigen Situationen wie der des US-Einsatzes in Vietnam ist das besonders wichtig. Noch wichtiger für die Amerikaner als für uns, für sie stellt der Vietnamkrieg das zweite Nationaltrauma nach dem Kennedy-Mord dar, mit einem nahtlosen Übergang, da Kennedy im Wesentlichen die Weichen für diesen Kriegseinsatz gestellt hatte – von Dallas zum Ende des Kriegs in Südostasien spannt sich ein ganz kurzer Zeitraum von nur 12 Jahren und doch hatte sich in dieser Zeit die Welt für de Amerikaner stärker verändert als jemals zuvor in ihrer Geschichte.

Zum Ersten Weltkrieg hatte man in den USA eine gewisse Distanz, als 40 Jahre nach deren Eintritt ein so epochaler Film wie „Wege zum Ruhm“ auf die Leinwand kam, aber wie an den Vietnamkrieg herangehen, der bewies, dass Amerikaner genauso brutal sein können und jenseits jeder Moral kämpfen wie zum Beispiel die Nazis im Zweiten Weltkrieg? Der Unterschied liegt im Grunde nur darin, dass die Schoah anders organisiert und durch eine von  Beginn an rassistisch Ideologie ermöglicht war, der Massenmord am Mekong aber all das zutage brachte, was auch die Amerikaner an persönlichem Rassismus drauf haben und dass man die Zivilisten auf den Feldern erschoss, anstatt sie vorher umständlich und beinahe bürokratisch in Lager zu sperren. Wie geht ein großer Regisseur wie Stanley Kubrik damit um, nachdem wieder gerade erst 12 Jahre vergangen waren, seit die Amerikaner aus Vietnam abzogen? Im Grunde hatte er’s leicht, denn er war längst jenseits des Hollywood-Studiosystems zuhause, das ihm Kompromisse abverlangt hätte und filmte alles von England aus, wo auch die Außenaufnahmen beinahe ausnahmslos entstanden. Er war ein intellektueller Außenseiter, von dem man etwas Ungewöhnliches erwartete, gleich, welchem Genre und Thema er sich annimmt, und das belastet dann doch wieder. Es kann aber auch zu Höchstleistungen anspornen.

Wir folgen der üblichen Einteilung des Films, wie andere Kritiker sie vornehmen, obwohl wir ursprünglich an eine Dreiteilung dachten (Paris Island – die Etappe – der Kampf). Normalerweise wird der Film in „Paris Island“ und „Vietnam“ getrennt.

Der erste Teil ist ein ganzer Kubrick, daran besteht kein Zweifel. Sergeant Hartman ist der ultimative Drill Instructor, der zur Ikone geworden ist. Die Ausbildung, die miesen, sexistischen Sprüche, die Idee, alles Menschliche, Reflektive, Zögernde aus den jungen Männern zu eliminieren, um sie zu perfekten Kampfmaschinen zu machen, ist typisch für Stanley Kubrik. Alles entfernt sich vom Menschlichen und der Mensch selbst gerät in eine beinahe abstrakt wirkende Lage, die ihn zu einem Wesen minderer Ordnung macht – also genau das Gegenteil dessen, was der Sergeant seinen Leuten einbläut: Sie sind anfangs Individuen, manche erlauben sich sogar, selbstständig zu denken, am Ende sind sie ein geölter Mechanismus im Dienst, im Sinn und im Geist der US-Kriegsmaschinerie. Darin liegt schon eine erste Ironie, die leicht zu erkennen ist, ohne dass man dafür besonders elaboriert mit dem Medium Film zugange sein muss. Kubrick setzt generell nichts auf Subitlität, sondern auf knackige Momente, und die beherrscht er so gut, dass man meinen könnte, er sei selbst beim US-Marinecorps ausgebildet worden. In Wirklichkeit hat wohl R. Lee Ermey, der Darsteller des Sgt. Hartman, viel zur Authentizität der Drillszenen beigetragen, denn er war wirklich Ausbilder bei der US-Army und konnte Kubrick dementsprechend beraten.

Wenn man die deutsche Bundeswehr kritisiert, merkt man aber, wie sich die Verhältnisse verändert haben. Wenn alles gut läuft mit der Inneren Führung verstehen sich die Soldaten als „Bürger in Uniform“ und mussten jahrzehntelang nicht beweisen, ob und in welcher Art sie in einem möglichen Ernstfall im Sinn der „FDGO-GG“ (der Freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes) handeln können. Jedenfalls ist die Ausbildung dort weit entfernt von dem, was wir in „Full Metal Jacket“ sehen. Nicht so sehr der physische und waffentechnische Drill, aber die Art des Umgangs. Es gibt in jeder Armee Befehlsstrukturen, aber sie müssen nicht auf persönlicher Erniedrigung gestützt werden, wie in „Full Metal Jacket“, wo es wirklich darum geht, Menschen zu brechen, um sie auf ihre Überlebensinstinkte zurückführen zu können. Hintersinnig ist, dass dadurch ihre Überlebungschancen in jedem Krieg, besonders aber im mörderischen Dschungelkampf erhöht werden, wie er in Vietnam gegen einen Gegner geführt wurde, für den der lange Zeit unsichtbare Heckenschütze sinnbildlich steht: Listig, ideologisch hoch motiviert, mit dem Gelände und dem Partisanenkampf vertraut. Wir werden im zweiten Teil noch sehen, dass die Amerikaner trotz ihrer massiven Indoktriantion große Probleme haben, sich in diesen speziellen Krieg einzufinden.

Ein Problem gibt es auch im ersten Teil, das sich nicht dadurch beiseite schieben lässt, dass man Kubrick ein hohes Maß an Stilisierung zubilligt. Private Paula, der übergewichtige und geistig retardierte Soldat, der mit „Joker“ sogar einen eigenen Trainer zur Seite gestellt bekommt, mit dem er sozusagen ein Zwei-Mann-Mini-Einheit innerhalb der Gruppe bildet, ist dermaßen ungeeignet für den Kriegsdienst, dass er auch unter hiesigen Verhältnissen vermutlich ausgemustert worden wäre, und ausgerechnet ihn schleppt Sgt. Hartman in einem geradezu unmäßigen persönlichen Engagement tatsächlich bis zum Ende durch. Wir befinden uns in einer Elite-Einheit. Jemand wie Paula, der bis zum Ende so beleibt bleibt, dass er seine Stärke, das Präzisionsschießen, erst einsetzen kann, wenn die anderen ihn zur Front geschleppt haben, kann normalerweise nicht nach Vietnam geschickt werden. Dazu kommt es auch nicht, denn Paula dreht durch und erschießt erst  den Drill Instructor und dann sich selbst. Das ist ein echter Knalleffekt, obwohl er in dem Moment, als Paula in den WC-Räumen mit dem Gewehr herumspielt, erahnbar ist. Trotzdem ist das blutige Ende der Hassliebe des Sgt. Hartman zum Private Paula heftig und man setzt sich unwillkürlich in die Rolle des zusehenden Private „Joker“ und wie das alles auf ihn wirken muss.

Aber die neuen Marines gehen nach Vietnam, werden in verschiedenen Einheiten tätig, verlieren einander aus den Augen, „Joker“, der im richtigen Leben J. T. Davis heißt, trifft aber einen anderen Soldaten namens „Cowboy“ wieder, zu dem er schon während der Ausbildung ein gutes Verhältnis hatte – das einzige private Verhältnis, das im ersten Teil überhaupt kurz angedeutet wird, wenn man von Jokers vom Ausbilder verordneter Beschützerrolle für Paula absieht.

Wir geben Roger Ebert recht, wenn er sagt, diese unglaubliche sexuelle Aufladung des ersten Teil wird überhaupt nicht in den zweiten Teil mitgenommen. Mit fast 30 Jahren Abstand schreibt sich manches aber leichter und kühner als in einer zeitgenössischen Kritik, deswegen gehen wir einen Schritt weiter: Nicht nur diese Liebe zur Braut des Marines und des Soldaten allgemein, dem Gewehr, die von Sgt. Hartman wirklich sehr drastisch als eine Art Ersatzbefriedigung inthronisiert wird, diese perverse Umpolung von im Grunde friedlichen Trieben auf ein Stück aus Stahl und Holz, das den Tod bringt, ist im Krieg dann nicht mehr wirklich zu erkennen. Bis auf einen Ausnahmefall, wo ein Soldat wirklich in seine Waffe verliebt ist werden auch die Beziehungsstrukturen aufgelöst. Die Soldaten, vor allem Joker als Bezugsperson, finden sich in anderen Situationen und mit anderen Menschen wieder, zu denen sie erneut eine Verbindung aufbauen müssen. Im Grunde diskreditiert die Beliebigkeit auch den Corpsgeist, der während der Ausbildung aufgebaut wurde – mindestens teilweise. Außerdem hat Joker sich nie gänzlich ins Nicht-Denken hineingefunden, weswegen er ja auch als Schreiber arbeitet und mitbekommt, wie man Nachrichten so manipuliert, dass sie von den Soldaten und an der Heimatfront nicht als zu düster aufgenommen werden und doch den vielen Kriegsgegnern weltweit in die Karten spielt. „Joker“ bleibt kritisch.

Während der erste Teil von starken Szenen wie der Rede von Sgt. Hartmann dominiert wird, in der er frühere Marines erwähnt und wie gut sie mit der Waffe umgehen konnten, ist der zweite genau umgekehrt eingestellt: Gegenüber einem echten Offizier der alten Garde bleibt Joker cool, als der sein „Peace“ Abzeichen an der schusssicheren Weste moniert und ihn fragt, wie dazu die Aufschrift „Born to Kill“ auf seinem Helm passt. Joker erwidert, er spiele auf den Dualismus in uns allen an, von dem aber der Offizier noch nie gehört hat – eine Schlüsselszene, genau wie die erwähnte Rede von Hartman, in welcher er erläutert, wie z. B. der Ex-Marinesoldat Lee Harvey Oswald es geschafft hat, aus großer Entfernung Präsident Kennedy höchst präzise zu erschießen. Wir dürfen davon ausgehen, dass dieser Satz nicht nur wegen der politischen affirmativen Haltung zu Oswald vor Ironie trieft, sondern auch deswegen, weil heute kaum noch jemand glaubt, dass Oswald tatsächlich Kennedy im Alleingang erschossen hat, mithin konnte er nicht so gut auf große Entfernung treffen, wie es der Ausbilder erläutert. Das Unreflektierte gehört zum Kriegsgeschäft, sonst wäre es, wie alles brutale Business, nicht durchführbar. Aus Sicht der Armee ist es logisch, die Soldaten nicht zu Taktikern und Strategen, sondern zu reflexartig handelnden Killern zu erziehen.

Wie wenig das letztlich funktioniert, zeigt der zweite Teil des zweiten Teils oder der dritte Teil – die Schlacht, die Einnahme einer Stadt, die komplett zerstört ist und brennt, durch eine Panzereinheit, die von Fußtruppen begleitet und beschützt wird, damit die Panzer nicht aus dem Hinterhalt mit Panzerfäusten angegriffen werden. Ganz gewiss gibt es hier einen inhaltlich-stilistischen Bruch, dies im Grunde bereits zuvor bei der Nachrichteneinheit. Da sitzen wieder ganz normale Leute, die sich verhalten, wie auch wir uns in etwa verhalten würden, nämlich geradezu enthusiastisch darüber, dass wir über den Krieg schreiben dürfen, wenn wir schon dorthin müssen, anstatt in vorderster Front den Kopf für etwas hinzuhalten, was sich ohnehin, und das wissen auch die Soldaten, längst verselbstständigt hat. Falls jemand zu Anfang wirklich für die Freiheit der Vietnamesen vom Kommunismus kämpfen wollte, hat sich das  Handeln längst von diesem Ziel entfernt und der Kampf ist ein Mittel ohne wenigstens einen halbwegs rechtfertigenden Zweck oder Grund geworden.

„Full Metal Jacket“ wäre ja auch kein Anti-Kriegsfilm, wenn er das Morden nicht von seiner ideologischen Rechtfertigung entkleiden würde. Er tut allerdings auch nicht das Gegenteil, „Full Metal Jacket“  zeigt eher, als dass er etwa anklagen würde. Wen oder was, in einer Welt, in der die einen so brutal sind wie die anderen und auf die Zivilbevölkerung sowieso niemand Rücksicht nimmt. Doch, es gibt diese Anklage, während des Hubschrauberflugs, als ein Soldat von oben auf wehrlose Menschen schießt, die verzweifelt versuchen, durch die Reisfelder davonzurennen. Warum sie das parallel zum Flugweg des Hubschraubers tun und nicht von ihm weg, gehört zu den kleinen Geheimnissen des Regisseurs, wie auch die Eignung von Private Paula zum Soldaten.

Im Grunde sollten wir doch bei der Dreiteilung bleiben, denn er mittlere Teil dient der ideologischen Frontenstellung in der Form, dass Kubrick hier alles infrage stellt, wofür die Soldaten ausgebildet wurden.

Alles relativiert sich und wird beliebig, wie die sehr unterschiedlichen Statements der Soldaten belegen, die sie für eine Dokumentarfilmeinheit in die Kamera sprechen. Da ist keinerlei Linie zu erkennen und man merkt, wie die Realität die Menschen wieder zurückführt auf die Ansichten, die sie vermutlich schon vor ihrer Ausbildung hatten. Der ideologische Überbau des Drills ist quasi nutzlos und nicht nur dieser: Auch die Art zu kämpfen, die die Marines im „dritten Teil“ offenbaren, ist nicht besonders klug und hätte so schon in einem Western gezeigt werden können. Sie entspricht jedenfalls nicht dem, was heute im Häuserkampf trainiert wird, sonst hätte es niemals so weit kommen können, dass ein Heckenschütze mehrere Marines ungehindert erschießen kann. Einem „Sniper“ muss mit entsprechender Taktik begegnet werden und eine weitere Kritik des Films liegt wohl darin, dass die Soldaten diese erst einmal nicht beherrschen. Auch die Befehlsstrukturen funktionieren nicht, als nach Todesfällen immer der dann Dienstälteste der kleinen Gruppe übernehmen muss: Ein, zwei Übermotivierte und Rambo-Typen sorgen dafür, dass keine koordinierte Aktion möglich ist und die Verluste daher nicht so gering wie möglich gehalten werden können.

Manche Kritiken weisen denn auch darauf hin, dass die Kampfszenen nicht die Qualität haben wie in anderen Kriegsfilmen der Zeit, etwa in „Platoon“. Das lässt zwei Deutungsmöglichkeiten zu. Kubrick ist kein absoluter Spezialist für solche Szenen, oder er wollte ganz bewusst nicht zu perfekt sein und damit im Grunde den Krieg doch wieder verherrlichen. Vielmehr lässt er uns in einer rudimentären Situation allein mit den Soldaten und da passiert jenseits der Perfektion etwas anderes: Wir beginnen uns mit den GI s zu solidarisieren, die aus dem Hinterhalt immer wieder angegriffen werden. Was während der Ausbildungsstation nicht funktioniert hat und was auf uns als Zivilisten kurios wirkte, geht über in eine ganz und gar überzeitliche Situation, in der jedermann, der nicht komplett verkopft ist und der noch Instinkte hat, unbedingt will, dass der Heckenschütze gestellt wird. Dass es eine junge Frau ist, die angeschossen am Boden liegend um den Gnadenschuss bittet, ist wieder ein Schockeffekt, der uns klar macht, wie relativ alle Perspektiven sind, die man in einem Krieg und während eines Films einnehmen kann. Joker ist es, der die Frau dann erschießt, ein erkennbar sensibler Soldat, der als Fotograf in der Nachrichteneinheit arbeitet und Joker begleitet hat, sagt daaufhin „Stark, Mann, das war wirklich stark“. Im Gegensatz zu dem Autor, der die Inhaltsangabe zum Film in der Wikipedia verfasst hat, meinen wir sehr wohl zu erkennen, dass das ironisch gemeint ist. Und wie auch das wieder relativ ist: Die Frau war dem Tod geweiht und es war ein Gnadenschuss ähnlich dem bei einem schwer verletzten Pferd. Die Fronten in diesem Nahkampf sind nicht klar zu ziehen und Joker hat die Frau wohl nicht erschossen, um auch endlich eine Kerbe in den Gewehrkolben ritzen zu können. Aber am Ende erweist sich, dass dies eine Initialzündung war, denn auf dem Heimweg erzählt er uns als Narrator, wie er keine Angst mehr hat. Er ist ein Teil dieses Krieges geworden, nicht mehr nur distanzierter Beobachter in grüner Uniform.

Finale

„Full Metal Jacket“, was auf Deutsch „Vollmantelgeschoss“ heißt und auf die Struktur der großkalibrige Munition der M14-Sturmgewehre anspielt (mit einem Kaliber von 7,62 mm, eine Patronengröße, mit der auch das frühere G3-Standardgewehr der Bundeswehr bestückt war) ist ein wichtiger Beitrag zum Thema Vietnam und zum Krieg allgemein. Er ragt aber nicht unter den besten Filmen dieser Art noch einmal heraus wie der eingangs erwähnte „Wege zum Ruhm“. Wir geben 8,5/10 Punkten und damit einen weniger als Kubricks Weltkriegsdrama von 1957. Damit liegen wir ziemlich genau auf der Linie der IMDb-Nutzer, die derzeit (6. Juni 2014) im Durchschnitt bei 8,4/10 liegen – was „Full Metal Jacket“ im Moment Rang 85 unter den 250 besten Filmen aller Zeiten gemäß IMDb-Topliste einbringt. Mit unserer Wertung ist der Film ein möglicher Kandidat für unsere „digitale Anthologie“, in diese haben wir ihn als neunten Film aufgenommen.

Anmkerung anlässlich der Veröffentlichung des Beitrags im Jahr 2024, 11 Jahre und 11 Monate nach dem Entwurf: Der Film liegt aktuell bei 8,3/10 und auf Platz 109 der besten Filme aller Zeiten, er hat in den letzten 15 Jahre eine Art Kurve bei der Platzierung vollzogen. Wir meinen, zumindest ein Platz unter den Top 250 ist gerechtfertigt. Unsere 86/100 wirken auf den ersten Blick mehr, das stimmt insfoern nicht, als wir selten, nur bei begründeten Ausnahmen, unter 50/100 gehen – einer der Gründe ist, dass wir bisher nicht bewusst Trash rezensiert haben. Ausnahmen  können durch veraltete kulturelle Darstellungen, Rassismus, politische Ablehnung entstehen, wie bei „Rambo II„; es gibt also auch einen Vietnam-Film, der unter diese Sonderrubrik der ideologischen Abwertung fällt, er entstand zwei Jahre vor „Full Metal Jacket“.

Damit haben wir nun im Wesentlichen die großen Vietnamkriegs-Filme rezensiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich große Regisseure und Darsteller in herausragenden Werken darin verewigt haben. Bei diesem Thema gibt es keinen Mittelweg, entweder sind die Filme überwiegend kritisch oder vollkommen dumm, wie die Rambo-Filme. Eine genaue Trennung zwischen Krieg- und Antikriegsfilm ist bei den hochwertigen Produktionen wie „Full Metal Jacket“ nicht einfach. 

86/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Regie Stanley Kubrick
Drehbuch Stanley Kubrick,
Michael Herr,
Gustav Hasford
Produktion Stanley Kubrick
Musik Vivian Kubrick,
(als Abigail Mead)
Kamera Douglas Milsome
Schnitt Martin Hunter
Besetzung

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