Filmfest 1097 Cinema
Sweet Home Alabama ist eine US-amerikanische romantische Filmkomödie von Regisseur Andy Tennant aus dem Jahr 2002.
Die Handlung in einem Satz: Eine vielversprechende Modedesignerin mit Südstaaten-Hintergrund will in New York einen prominenten Politiker-Sohn heiraten und fährt zwecks Klärung letzter Altlasten zurück nach Alabama, ihrer Heimat und wird dort von dieser alten Heimat und den Ex- / Nicht-Ex-Ehemann in ein Dilemma verwickelt, das sich nach einigem Hin und Her emotional und faktisch lösen lässt.
Handlung (1)
Melanie Carmichael, eine junge Frau aus einer einfachen Familie, hat den Sprung aus der Kleinstadt Pigeon Creek in Alabama nach New York geschafft. Sie ist erfolgreich als neue Designerin in die Modeszene eingestiegen, feiert einen beruflichen Erfolg nach dem anderen – und nicht nur dort. Denn Andrew, der Sohn der Bürgermeisterin, macht ihr beim bekannten Juwelier Tiffanys einen Heiratsantrag. Melanie nimmt diesen überglücklich an, verschweigt aber, dass sie noch in ihre Heimatstadt zurück muss, um ihre Scheidung zu regeln, denn sie ist noch immer mit ihrem Jugendfreund Jake, der damals ein echter Versager war, verheiratet. Dieser weigerte sich bisher, einer Scheidung zuzustimmen.
Als Melanie dort mit ihren Eltern und alten Freunden zusammentrifft, haben diese erst wenig Verständnis für ihre Wandlung von einem Südstaatenmädchen zur Yankeefrau. Doch auch Melanie entdeckt, dass sich in ihrer Heimat einiges geändert hat. Jake hat nämlich sein eigenes Geschäft aufgebaut und ist damit ebenfalls sehr erfolgreich, auch wenn er dies zunächst vor ihr erfolgreich zu verstecken versucht. (…)
F
akten
– Bei angenommenen Produktionskosten von ca. 38 Mio. US-$ und einem Einspielergebnis allein in den USA von 127 Mio. $ kann man von einem ansehnlichen Erfolg sprechen. Dieser Erfolg belegt, wie schön das immer selbe Muster funktioniert, zumal, wenn eine kapable Hauptdarstellerin das Muster durchexerziert.
– Regisseur Andy Tennants wohl bekanntester Film neben „Sweet Home Alabama“ ist wohl „Hitch – der Date Doktor“ mit Will Smith, der drei Jahre nach „Sweet Home Alabama“ entstand (2005). Im Wesentlichen ist Tennant aber ein Fernsehregisseur, dessen Werke nicht zu den Meilensteinen selbst des Mainstream-Kinos gehören.
– Reese Witherspoon wurde bekannt durch Filme wie „American Psycho“, durch Auftritte in der berühmten Fernsehserie „Friends“, die unter anderem die Karriere von Jennifer Aniston ins Laufen brachte. Ihre beste Rolle dürfte die der June Carter in „Walkt the Line“ sein (dem filmischen Porträt des Sängers Johnny Cash aus dem Jahr 2005). Seit diesem Film gehört sie als Oscar-Gewinnerin für die beste weibliche Hauptrolle zu den Größen im Business und ist nach wie vor an vielen Filmprojekten beteiligt.
Plusminus
+ Reese Witherspoon verleiht „Sweet Home Alabama“ ein Gesicht und produziert so viel Charme, dass das nicht allzu üppige Werk (108 Minuten) nicht trotzdem langgezogen und zu banal wirkt.
– Der Film strotzt vor Klischees und hat eine unübersehbar reaktionäre Tendenz, die gut in die Zeit kurz nach 9/11 und der Bush junior-Administration passt. Unfreiwillig verrät er aber auch schon etwas über diese Administration selbst und den kurz nach der Jahrtausendwende herrschenden amerikanischen Zeitgeist. Politik ist dreckig, die Großstadt ist eitel und tricky und überheblich, jedoch auf dem Land, da liegen die Wurzeln des Lebens und da kann man sich auch gut begraben lassen. Leider ist jenes Land, das in „Sweet Home Alabama“ gezeigt wird, keines, in dem man begraben sein möchte.
Es handelt sich um den bekanntermaßen reaktionären Süden, der wieder einmal von Hollywood gehätschelt wird, weil er das offenbar 150 Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg immer noch nötig hat – zumindest suggeriert der Film eine so brachiale Rückständigkeit, wie man sie den vielen Menschen jederzeit zurechnet, die G. W. Bush zum Präsidenten gewählt haben.
– Die Rassenthematik spielt im Film vordergründig keine Rolle, auch wenn ein schwuler Großstadt-Afroamerikaner aus dem ohnehin glitschigen und eitlen Modebusiness auftritt, der den weißen Fundis im Süden auch nach dem Millennium noch die Haare zu Berge stehen lassen dürfte. Er gehört zu den Eindringlingen aus der neuen Welt der Hauptfigur Melanie Smooter (Witherspoon), die im Süden Station machen, als diese den Großstädter, den sie ursprünglich zu ehelichen gedachte – nicht heiratet. Wie auch, sinnvollerweise.
Das sind diese manchmal gar nicht subtilen Manipulation gegen den liberalen und verdächtig intellektuellen Nordosten. Die Geschichte Alabamas, des gewählten Orts von Glück und neuer Liebe zwischen Nerds und ungewaschenen Startup-Unternehmern, die ehrliche Produkte herstellen, spricht für sich. Alabama ist der Staat, in dem in den 1960ern wie sonst nirgendwo die Rassenunruhen hochkochten und in dem die USA sich von ihrer allerhässlichsten, dumpfsten und rassistischsten Seite zeigten. Aber es soll nicht verschwiegen werden, dass Alabama auch für den Erfolg der gewaltfreien Bürgerrechtsbewegung steht. Im Jahr des Marsches auf Washington erreichte die Bewegung unter ihrem Führer Martin Luther King Jr. die offizielle Aufhebung der Rassentrennung – in Birmingham, AL.
– Ein weiterer Subtext, der mit dem Stadt-Land-Kontrast korrespondiert, liegt in der Hymne auf den Individualismus und das freie Unternehmertum. Man gewinnt aus dem Film den Eindruck, dass ihr Ex die erfolgreich gewordene Melanie niemals hätte zurückgewinnen können, wenn er einfach nur ein netter Kerl geworden wäre. Vielmehr war es notwendig, dass er eine innovative Glasmanufaktur auf die Beine stellt, mit welcher er ihre Bewunderung erringen kann. Das ist Produktion zum Anfassen und Staunen, nützlich, ästhetisch sauber und bodenständig zugleich, geboren in Gewittern am Strand, ein Urknall, der Selfemade-Karrieren auf den Weg bringt – während in New York die filzige Politik und die elitäre Modebranche Kreise um sich selbst ziehen. „Sweet Home Alabama“ ist mit einer ähnlichen Sichtweise und Botschaft ausgestattet wie die deutschen Heimatfilme der 1950er Jahre und die heutigen Rosamunde Pilcher-Verfilmungen.
– Alle Darsteller außer Witherspoon kommen nicht über Mittelmaß hinaus und vermögen keine eigenen Akzente zu setzen. Das gilt auch für Patrick Dempsey, der durch seine Dauerrolle in „Grey’s Anatomy“ bekannt wurde und hier eine ziemlich unglückliche Rolle als verschmähter New Yorker spielen muss, der gar nichts dafür kann, dass die Frau aus Alabama einen Rückfall ins Ländliche erleidet – aber auch nicht die Bohne um sie kämpft, sondern in geradezu verabscheuungswürdiger Großzügigkeit, die ans Blasierte grenzt, beliebig wirkt. Ursula Andress als Politikerin chargiert mehr als zu spielen, ebenso gilt dies für die Schauspieler, die Melanies Eltern darstellen – die Charaktere wirken sehr flach und einseitig. Jedoch bringt die Regie das Kunststück fertig, besonders die Mutter gleichwohl dissonant erscheinen zu lassen.
– Genreseitig ist dies eine romantische Komödie mit leichten Humoreinsprengseln, die vor allem aus nachgestellten Bürgerkriegsschlachten-Szenen resultieren, in denen die Südstaatler wieder mal auf heroische Art eins auf die Mütze bekommen. Man kann eine liebevolle Ironie auch auf den Film an sich sehen, dieser Part ist daher auch irgendwie okay. Allerdings funktioniert die Romantik nicht, weil Melanie und ihr Ex oder Nicht-Ex als Paar kaum Funken sprühen, weil die Regie zu hölzern ist und es der gesamten Inszenierung schlicht an Charme mangelt. Filmisch kommt „Sweet Home Alabama“ kaum über eine Fernsehsoap hinaus.
Fazit
Die überwiegend schwachen Kritiken, die der Film auch in den USA erhielt, sowohl von Profis als auch von den etwas freundlicheren Nutzern der größten Filmdatenbank der Welt (Quelle: IMDb), können wir nachvollziehen.
Vor Geldverschwendung in Form von Kinokarten müssen wir zehn Jahre nach dem Entstehen des Werkes nicht mehr warnen. Wer keine Lebenszeit vertun will, sollte sich nicht alleine, in gerader Haltung und mit gespitzter Feder und in Erwartung einer wie auch immer gearteten Herausforderung auf die Couch setzen, sondern sich an einen romantischen Menschen kuscheln, möglichst an die Person, die schon das erreicht hat, was Smooters Ex erst noch vollbringen muss, mit der man also durch dick und dünn und auch durch seichtes Entertainment kann, ohne sich betrogen oder gar beschissen zu fühlen – und sich dabei am besten in liegende Stellung bringen.
Anmerkung anlässlich der Republikation des Textes im Jahr 2024, die Kritik wurde ursprünglich im „ersten Wahlberliner“ im Jahr 2013 veröffentlicht.
Wenn man nur die Handlung liest, könne man meinen, es handele sich um eine Fortsetzung der „RomCom“-Tradition der 1990er. Auch diese Filme waren furchtbar systemaffin, aber auf eine manchmal verlogene, manchmal ehrlicher wirkende Weise weltoffen. Hier wurde nur der Stil in etwa beibehalten, nicht aber der wenigstens auf den ersten Blick versöhnliche Inhalt.
Offenbar hatten wir uns den Film damals angeschaut, weil er mit Reese Witherspoon ist, die damals ziemlich hip war, aber seinerzeit war es noch möglich, zwischen verschiedenen Rezensionsgrößenordnungen zu wählen, „Filmcheck“ ist die schmalste Variante gewesen (jetzt gibt es nur noch die Unterscheidung zwischen #DGR (ab 3.000 Wörtern, „Die große Rezension“) und weniger, wobei wir aufgrund zunehmender Einbindung von Fremdtext überlegen sollten, ob wir nicht die Wörterzahl anheben müssen. Dies nur am Rande. Meist wurde die kleine Variante damals gewählt, wenn der Film für mehr Zeitaufwand nicht stand. Der Artikel wurde während der zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama verfasst. Wenn man sich den Zustand der USA heute anschaut, muss man sagen, solche Filme waren reaktionäre Trendsetter und die Obama-Zeit nur eine Zwischenphase. Niemals hätten wir uns 2013 träumen lassen, dass es einen Präsident Donald Trump geben würde und dass wir 2024 bangen müssen, dass sich dieser Rückfall ins Vorzivilisatorische sogar wiederholen könnte. Natürlich hatte Alabama, wie quasi alle Südstaaten Trump gewählt.
Wir haben die Regel ausgeschöpft, ohne Neusichtung eine Bewertung maximal um zwei Punkte ändern zu können, die ursprüngliche Bewertung war 50/100.
48/100
© 2024, 2013 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Andy Tennant |
|---|---|
| Drehbuch | Douglas J. Eboch C. Jay Cox |
| Produktion | Neal H. Moritz Stokely Chaffin |
| Musik | George Fenton |
| Kamera | Andrew Dunn |
| Schnitt | Troy Takaki Tracey Wadmore-Smith |
| Besetzung | |
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