Filmfest 1112 Cinema – Die kurze Rezension
Die Addams Family in verrückter Tradition (Addams Family Values) ist eine US-amerikanische Filmkomödie von Barry Sonnenfeld aus dem Jahr 1993. Der Film ist eine Fortsetzung der Komödie Addams Family aus dem Jahr 1991.
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Die Fortsetzung von „The Addams Family“ (1) ist genauso überdreht wie das zwei Jahre ältere Werk und entstand im Wesentlichen mit derselben Besetzung und wieder unter der Regie von Barry Sonnenfeld.
Der unansehnliche Glatzkopf Fester, Bruder des Hausherrn Gomez Addams, ist mittlerweile ins Leben der Gothic-Familie integriert, bei der alles genau anders herum ist als bei normalen Leuten. Deshalb kann die Gefahr dieses Mal nicht von ihm ausgehen, wie im ersten Film, sondern muss von jemandem kommen, der von außen Gefahr bringt.
In diesem Fall jemand, der sich Fester angeln will. Was uns beim ersten Mal nur in Ansätzen klar wurde, hier wird es auf Magazincovern verifiziert – dieser Fester ist einer der reichsten Männer überhaupt und ein natürliches Opfer für eine Schwarze Witwe. Eine Spinnenart, die ihr Männchen nach dem Geschlechtsakt, noch während der Hochzeitsnacht, tötet. In „Addams Family Values“ ist die Spinne allerdings blond und ein ziemlich überdrehtes Kindermädchen.
– Die Fortsetzung ist fünf Minuten kürzer als der ohnehin schon knappe Vorgänger und passt mit 94 Minuten beinahe ins Primetime-Fernsehformat.
– Ein weiteres Familienmitglied kommt hinzu, das Baby Pubert, gespielt von Zwillingsmädchen. Pubert ist seinem Vater Gomez aus dem Gesicht geschnitten, inklusive schmalem Oberlippenbart. Mit diesem Kind wird ziemlich fies umgegangen – nämlich seitens der älteren Geschwister Wednesday (Christina Ricci) und Pugsley, die sehr eifersüchtig auf den Neuankömmlings sind. Die makaberen Gags um das Kind herum sind nicht konsistent. Normalerweise passiert immer noch etwas sehr Zufälliges, damit es gerettet wird, aber wenn das nicht hilft, wie im Fall der Guillotine, hält der Säugling das niedersausende Fallbeil mit einem Fingerchen auf.
– Wie im ersten Film von 1991 gibt es eine Schüler-Aufführung. Während damals noch Theaterblut spritzte und die Szene echt komisch war, wirkt die neue Variante, in der Wednesday als Pocahontas vom dummen Text des Stücks abweicht, um die wahre Geschichte von Native Americans und Weißen erzählen zu können, wie eine Reflektion des Machtwechsels im Weißen Haus und der aufkommenden Political Correctness und dementsprechend etwas zu sehr à la mode.
– Eine Oscar-Nominierung gab es auch für den zweiten Addams-Film wieder. Nicht für die Kostüme, wie 1991, sondern für die Sets, die in der Tat in ihrer Gruftigkeit, soweit es ums Haus der Addams geht bzw. ihrem Bombast (das Haus von Fester und seiner erbschleichenden Frau betreffend) vorzüglich übertrieben geraten sind.
– Ein erstaunlich dummer Witz ist uns besondes im Gedächtnis geblieben, weil wir uns gewundert haben, dass der schon 1994 ging, also nicht erst nach 2003, als die Kontinentaleuropäer in den USA in ein schiefes Licht gerieten, weil sie beim zweiten Irak-Krieg nicht mittun wollten. Der Gag im Original-Dialog:
– Debbie Jellinsky: You know, when I first saw him, I thought he was from Europe.
– Uncle Fester: You did?
– Debbie Jellinsky: It’s true.
– Uncle Fester: But, I took a bath.
– Solche Dialoge aus den eher einfachen Unterhaltungsfilmen entlarven, dass die Amerikaner immer noch einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber den Ländern haben, aus denen sie weit überwiegend stammen. Es gibt in den Sitcoms der Zeit ähnlich gehaltvolle Europa-Witze und auch in weiteren Filmen, deren Namen uns gerade nicht einfallen. Dafür verwenden Morticia und Gomez aber Italienisch und Französisch, um ihre romantische Liebe füreinander in die richtigen Sätze zu fassen. Es fährt ihn zwar die böse Figur, aber einen Mercedes gibt’s auch.
– Michael Jackson sollte einen Song zum Film beisteuern und in einem Video promoten, doch aufgrund der gegen ihn wegen Kindesmissbrauchs erhobenen Vorwürfe wurde der Song nicht verwendet – er kam heraus mit dem 1997er Album „Blood on the Dance Floor: History in the Mix“ und im Kurzfilm „Ghosts“ aus demselben Jahr.
– Wie schon der erste Addams-Film von 1991 ist auch die Fortsetzung ein Frauenfilm, folgt man den Nutzerwertungen in der IMDb (2). Vor allem junge Frauen können sich offenbar gut mit der Figur der gothischen Addams-Tochter Wednesday identifizieren, der Außenseiterin, die allen anderen Mädchen die Show stiehlt und im Unterschied zum ersten Film sogar einmal lächeln darf.
– Die Kritik an der Dramaturgie, die wir beim ersten Film geübt haben, gilt uneingeschränkt für die Fortsetzung – der einfachere und etwas logischere Plot lässt mehr Raum für das sinnvolle Ausspielen von Gags, zum Ausgleich entbehrt er jeder überraschenden Wendung.
– Das Stück, das die Kinder im Sommercamp aufführen, ist absichtlich historisch inkorrekt, um dessen mindere Qualität zu zeigen und die kitischige Art, wie mit den Native Americans umgegangen wird. Die Siedler der Mayflower sind während ihres ersten Thanksgiving-Days in Amerika nicht auf Pocahontas getroffen, die wiederum keine Chippewa war (der Stamm lebte im Mittleren Westen der heutigen USA), sondern Angehörige eines in Virginia beheimateten Stammes.
– „Debbie Jellinsky“ erinnert uns sofort an Monica Lewinsky, über die Bill Clinton beinahe gestolpert wäre. Er war Präsident der USA, während „Addams Familiy Values“ entstand. Die Affäre Lewinsky, der wohl berühmtesten Praktikantin bis heute, entwickelte sich aber erst 1995, zwei Jahre nach dem Dreh.
Finale
Plus und Minus gegenüber dem ersten Film halten sich etwa die Waage – nette, für Kinder vielleicht etwas makabere Unterhaltung, deshalb in den USA erst ab 13 Jahren freigegeben. Die Figuren sind witzig und markant, aber das zu Überdrehte des ersten Films hat sich erhalten und verhindert ein echtes Loslachen. Die Gags sind auch dieses Mal nicht getimt, die Action etwas willkürlich.
Wer über die seltsame Addams-Family echt lachen will, sollte sich die originale Schwarzweiß-Fernsehserie aus den 1960er Jahren ansehen, in der die Addams noch Munsters hießen, womit auch klarer wird, was sie sind. Die hat auch den Vorzug, dass die Addams immer wieder mit der realen Welt ihre liebe Müh und Not haben und nicht so über den Dingen stehen wie in den Filmen, weshalb man die TV-Stories neben ihren Vorzügen in Sachen Witz auch als tiefgründiger bezeichnen muss.
63/100
(1) In der Kritik zum Vorgänger haben wir u. a. die Neuausrichtung der Addams Family mit der ursprünglichen Aufstellung der Fernseh- und Comicvorlage („The Munsters“) verglichen.
(2) „Addams Familiy Values“ in der IMDb und die Nutzerwertungen.
© 2024, 2014 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
| Regie | Barry Sonnenfeld |
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| Drehbuch | |
| Produktion | |
| Musik | |
| Kamera | Donald Peterman |
| Schnitt | Jim Miller, Arthur Schmidt |
| Besetzung | |
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