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Avatar – Aufbruch nach Pandora (Originaltitel: Avatar, auch bekannt als James Cameron’s Avatar) ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Film des Regisseurs James Cameron, der weltweit am 17. und 18. Dezember 2009 startete. Der Film vermischt real gedrehte und computeranimierte Szenen. Große Teile des Films wurden in einem virtuellen Studio und mit neu entwickelten digitalen 3D-Kameras gedreht.
Avatar spielte weltweit über 2,92 Milliarden US-Dollar ein[4] und war damit bis Juli 2019 der erfolgreichste Film weltweit nach Einspielergebnis. Seit März 2021 ist Avatar nach einer Wiederveröffentlichung in China wieder der Film mit dem weltweit höchsten Einspielergebnis.[5][6]
Der Stand Mitte 2015 erfolgreichste Film der Welt reizt wie kaum ein anderer der letzten Jahre zu umfangreichen philosophischen Betrachtungen. Man kann dieses optische Wunderwerk, diesen Meilenstein des 3D-CGI-Kinos aber auch strippen, indem man hinter die visuelle Pracht schaut und versucht, das staunende Kind für ein paar kritische Sätze zur Ruhe zu bringen. Dann stellt man fest, dass alles schon einmal da war. Das ist die erste Erkenntnis. Weitere Überlegungen lesen Sie in der Rezension.
Handlung (1)
Im Jahr 2154 sind die Rohstoffe der Erde erschöpft. Der Konzern Resources Development Administration baut auf dem erdähnlichen, fernen Mond Pandora im Alpha-Centauri-System den begehrten Rohstoff Unobtanium ab und gerät dabei in Konflikt mit einer humanoiden Spezies namens Na’vi, die sich gegen die Zerstörung ihrer Umwelt verteidigt. Pandora ist von erdähnlichen Lebensformen besiedelt (grüne Pflanzen und an irdische Säugetiere erinnernde Tiere), hat aber eine Atmosphäre, die für Menschen tödlich ist.
Der frühere US-Marine Jake Sully, der seit einem Kampfeinsatz von der Hüfte abwärts gelähmt ist, wird nach Pandora geschickt, um seinen verstorbenen Zwillingsbruder bei einer diplomatischen Mission zu ersetzen: Mithilfe künstlich hergestellter Na’vi-Körper, sogenannter Avatare, die sich durch Gedankenübertragung steuern lassen, soll er Kontakt zu den Ureinwohnern herstellen und sie davon überzeugen, ihre Heimat und den Widerstand gegen den Abbau des Rohstoffs aufzugeben. Während das zuständige Team um Dr. Grace Augustine vor allem wissenschaftliche Ziele verfolgt und auf Vermittlung aus ist, will der militärische Leiter der Basis, Oberst Miles Quaritch, dass Sully ihm Informationen bezüglich der Verteidigungsstrategien und Schwachstellen der Na’vi zuspielt. Quaritch verspricht ihm, für seinen verdeckten Einsatz die Kosten einer Wirbelsäulenoperation zu übernehmen, und Sully sagt zu.
Bei einer Expedition in seinem Avatar wird Sully von der Gruppe getrennt und ist im dichten Dschungel Pandoras auf sich allein gestellt. Dort wird er von Raubtieren angegriffen, jedoch von der Na’vi Neytiri gerettet, die ihn zu ihrem Stamm, den Omaticaya, führt. Nach anfänglichen Bedenken beschließen die Anführer des Clans, Sully mit ihrer Lebensweise und Kultur vertraut zu machen, auch um über ihn die Menschen besser kennenzulernen. Trotz anfänglicher Probleme fassen die Na’vi und insbesondere Neytiri, die Häuptlingstochter, Vertrauen zu Sully, und zwischen den beiden entsteht eine Liebesbeziehung. Sully durchläuft die Ausbildung zum Krieger und wird schließlich in den Stamm aufgenommen. Dem ehemaligen Marine wird klar, dass die Na’vi ihre Heimat niemals aufgeben werden, da ihre Existenz eng mit ihren heiligen Stätten verbunden ist, von denen eine greifbare, spirituelle Kraft ausgeht. Als es zur militärischen Eskalation kommt, läuft Sully zu ihnen über. Mit der Bändigung der mächtigen Riesenflugechse Toruk gelingt es ihm, einen alten Mythos zu beschwören und alle Stämme der Na’vi zu vereinen. Nach verlustreichem Kampf können die Invasionstruppen besiegt werden und müssen den ihnen fremden Mond Pandora verlassen. Sully verlässt mithilfe des „neuronalen Netzwerkes“ Pandoras seinen menschlichen Körper und wird, endgültig mit seinem Avatar vereint, ein Na’vi.
Rezension
Wir kennen die Vorlagen nicht, die James Cameron anscheinend aus der Literatur seiner Kindheit verwendet hat, speziell die Kurzgeschichte „Call Me Joe“, in der ein invalider Mann sich per Telepathie eines anderen Wesens bedient oder „Joe Carter from Mars“ aus dem Jahr 1912 (!), geschrieben von Tarzan-Autor Edgar Rice Burroghs (!).
Aber die kurze Beschreibung in der Wikipedia, die von einem Mann berichtet, der auf dem Mars in eine Einheimischen-Kultur einheiratet, definiert das Weltbild, das „Avatar“ in nicht geringem Maß prägt. Diese Geschichte wiederum wirkt wie eine SF-Ausgabe von „Pocahontas“, und wer den Disney-Film „Pocahontas“ kennt, weiß, wie ein englischer Soldat im 17. Jahrhundert von einer indianischen Ökoprinzessin zur Naturliebe bekehrt wird – und natürlich für diese selbst entflammt. Genau so läuft es in „Avatar“, und die Ausbeuter-Company, die auf dem Mond Pandora die menschliche Spezies vertritt, ähnelt nicht wenig den englischen Eindringlingen an einem idyllischen Strandflecken der heutigen US-Ostküste. Und der böse Mann, welcher Gouverneur des neuen Territoriums werden soll, ist dem Oberst Quaritch, einem militärischen Hardliner, an dem George W. Bush seine helle Freude gehabt hätte.
Zu Recht wurde von einigen Kritikern, in Deutschland u. a. von der ZEIT, angemerkt, dass es schlussendlich doch wieder ein Erdling ist, der die edlen Wilden retten muss, da war der Science Fiction in den 1970ern schon viel weiter. Bei aller Zivilisationskritik, die „Avatar“ auf eine sehr trendige Weise auch enthält, das Ende ist klassisch fantastisch gut und natürlich siegt vor allem die Liebe. Der Film ist, wenn man die Optik beiseite lässt, in weiten Teilen stockkonservativ, inklusive des humanozentrischen Weltbildes. Und vor allem ist das zuckersüße Ende mehr als fraglich. Wenn wir die Pocahontas-Geschichte weiterspinnen endete sie nicht mit Völkerfrieden, sondern mit der Besetzung des Lebensraumes der Native Americans und deren überwiegender Vernichtung durch die Weißen. Und ob die Erdlinge nach dieser ersten Niederlage gegen die N’avi wirklich nicht wiederkommen, wer will das mit Sicherheit behaupten? Es könnten einfach immer mehr von ihnen kommen, sodass auch die schiere Zahl von sich über das Land ergießenden Feiglingen mit überlegener Waffentechnik die Tapfersten der Tapferen in den Untergang treiben wird – ganz so wie einst bei der Besiedlung der heutigen USA.
Aber wie steht es mit der Ausbeutung, die in „Avatar“ angeprangert wird? Auf einer oberen Ebene ist die Botschaft okay, die Zerstörung der Natur, die Vertreibung von Menschen aus ihren Lebensräumen zwecks Rohstoffgewinnung – man muss nicht in die Ferne schweifen, hin zu den Regenwäldern, die jeden Tag kleiner werden, aller wunderbar imagewirksamen Aktionen zum Stopp des Raubbaus zum Trotz, man muss nicht nach China schauen, wo neue Viertel in Städten dadurch entstehen, dass die Einwohner älterer Viertel brutal zwangsumgesiedelt werden – man kann auch zwei, drei Stunde mit dem Auto fahren und ist in Braunkohlerevieren, wo sich genau das abspielt, was wir in „Avatar“ sehen.
Auch die Zerstörung der Natur, nebst den Dörfern und ihren Strukturen, ist ähnlich dramatisch. Dass Deutschland sich im 21. Jahrhundert Energieträger leistet, die buchstäblich die Erde aufreißen, sagt einiges – und deswegen muss man alles, was wir über die USA noch schreiben werden, auch unter dem Aspekt sehen, dass es eben eine Menge Völker gibt, die nichts dazulernen und dadurch tatsächlich Gefahr laufen, ihre Seele und vielleicht ihre Lebensgrundlagen zu verlieren. Bei den Deutschen ist das allerdings kein Thema mehr, deren Seele ist im 20. Jahrhundert schon aus anderen Gründen über den Jordan gegangen, und da hilft auch kein Öko-Ersatzkult, der ohnehin sehr oberflächlicher Natur ist.
Konservative Kreise in den Vereinigten Staaten haben sich an Pandora deshalb gestört, weil das Militär, das von der Minen-Produktionsgesellschaft eingesetzt wird, sehr amerikanisch wirkt und von deutlicher Unsensibilität gegenüber den Ureinwohnern von Pandora, den N’avi, geprägt ist. Wie schnell die „Kreise“ Vietnam doch vergessen haben, wo unzählige unschuldige Zivilisten und auch die im Film ausdrücklich erwähnten Mütter und Kinder getötet wurden, als der Dschungelkrieg eskalierte. Und die Golfkriege, besonders der zweite, sind eben nicht so klinisch abgelaufen, wie gerne suggeriert wird. Von den immer schmutzigeren Methoden im sogenannten Terror-Abwehrkampf fangen wir gar nicht erst an, Manches, was wir heute wissen, war 2009 noch nicht allgemein bekannt, als „Avatar“ in die Kinos kam.
Ein Satz hat uns wirklich gefallen: „Willst du was von jemandem, mach ihn zu deinem Feind und nimm es dir“. Der Krieg ums Öl im Nahen Osten und der ums Wasser, der wohl bald folgen wird, mutiert auf Pandora zum Kampf um ein seltenes Gestein, das pro Kilo sagenhafte 20 Millionen Dollar wert sein soll. Kein Wunder, dass Hardliner in den USA sich über die Darstellung der USA in „Pandora“ aufregen. Nachdenklichere Stimmen reflektieren eher die Kollektivpsychologie hinter solchen simplifizierten Darstellungen, wie wir sie in „Pandora“ sehen.
Wir sehen es auch so, dass in einem Film wie diesem viel mehr über den Zustand eines Landes und seiner Gesellschaft ausgesagt wird als in offiziellen Verlautbarungen und politischen Statements. Zuletzt hat Präsident Obama einige Erfolge im Kampf gegen den Rassismus erzielt – verbal. Er hat die Homo-Ehe auf Bundesebene gerichtsweise geschenkt bekommen und es gibt ein Atom-Abkommen mit dem Iran.
Das klingt nach den besten Monaten für die USA und für die Welt seit langem. Aber ist der Riss, der durch das riesige mentale und wohlstandseitige Gefälle in den USA entstanden ist, dadurch verheilt? Sicher nicht. Sind die ökonomischen Probleme einer immer noch viel zu expansiven und auf freidrehendem Bankenkapitalismus der zerstörerischsten Art fußende Wirtschaftsverfassung auch nur ansatzweise verändert worden? Bis auf ein paar Beruhigungspillen nicht. Die Schulden der Menschheit, die in Wirklichkeit Schulden bei der Erde sind, steigen immer weiter. Man darf nicht vergessen, dass „Pandora“ schon nach dem Einsetzen Bankenkrise von 2008 bzw. auf deren Höhepunkt 2009 entstanden ist. Insofern drückt der Film sehr genau das aus, was die Amerikaner wohl tief im Inneren wissen: So kann es nicht weitergehen. So, wie auf Pandora oder in der realen Welt. Mangels Mut zur Alternative geht es aber so weiter. Und es gibt keinen weißen Ritter aus den eigenen Reihen wie den bekehrten Ex-Marinecorps-Angehörigen Jake Sully, der den Wahnsinn stoppt.
Was also nützt ein Film wie „Pandora“, wenn er ohnehin vor allem Geld in die Kassen des Systems spült, das hier als genau so ausbeuterisch beschrieben wird, wie es tatsächlich ist? In dem Punkt gehen wir dann aber nicht den ganzen Weg, denn die Tendenz eines schöpferischen Werkes seht für sich und muss unabhängig von seinen Finanzquellen gesehen werden. Trotzdem wirkt jenes Gutmenschentum, das am Ende für die N’avi siegt, ein wenig heuchlerisch.
Finale
Die Besetzung und die Schauspielleistungen sind nicht das, worauf man bei „Avatar“ das hauptsächliche Augenmerk richtet, eine Rolle mit Bezug gibt es aber: Dr. Grace Augustine, die von Sigourney Weaver gespielt wird. Und die kennt sich mit Aliens bekanntlich aus und auch mit fremden Wesen, die man im Urwald belauscht.
Von all der tollen Fauna und Flora am besten gefallen hat uns die Plug-In-Verbindung zum Weltbewusstsein. Wir stellen uns vor, dass die Menschen endlich so ausgestattet sind, dass sie per Steckverbindung globales Denken anschalten können. Welch eine Idee. Die Assoziationen zum umweltbewussten Autofahren per Strom aus der Steckdose kommt unweigerlich, und das war von den Filmemachern sicher auch gewollt. Strom ist nur leider nicht philosophisch oder ökologisch, sondern das, woraus er hergestellt wird, und da sieht’s nicht so doll aus.
Die N’avi sind ebenfalls schön gemacht und haben durchaus Sexappeal, insofern fördert der Film ja doch die Toleranz für Wesen, die etwas anders aussehen als wir und trotzdem talentiert sind – und die erwähnte Steckverbindung, von der wir nicht einmal träumen können. Denn die Evolution hatte sich wohl nicht träumen lassen, dass wir den Kontakt zur Natur dergestalt verlieren, dass eine technische Verbindung notwendig wäre, damit wir ihre Wunder sehen und ihren Geschichten lauschen können. Ein Miteinander wie bei den N’avi, die als Järger im tiefen, reichen Wald leben, kann es in einer konkurrenzgesteuerten Ordnung nicht geben, das liegt auf der Hand. Und damit auch keinen Frieden mit uns, mit anderen, nicht einmal mit dem Typ am nächsten Schreibtisch, der auf dieselbe Beförderung scharf ist wie wir. So richtig die Botschaft von „Avatar“ grundsätzlich ist, so naiv und einfallslos sind wieder einmal die Lösungen, die angeboten werden: heldenhafter physischer Kampf, schön am Computer generiert. Krieg ist eben doch eine gute Sache, wenn sie dem Guten dient – diese Volte haben die Hardliner in den USA wohl nicht bemerkt, die den Film so schrecklich fanden.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Beitrags im Jahr 2024.
Weil wir Filme mit einer starken geopolitisch-soziologischen Tendenz kommentieren, sind die Rezensionen natürlich auch stark zeitgebunden. Das macht sie nicht schlechter, im Gegenteil: Der Nachkommentar, den Sie gerade lesen, fügt eine weitere Zeitebene hinzu, nämlich die Retrospektive auf die Rezension selbst. Denken Sie darüber nach, was in den letzten neun Jahren passiert ist. Sind wir dem Ende des Films nähergekommen oder haben wir uns weiter davon entfernt? Ist irgendetwas an der obigen Darstellung überholt oder ist es aktueller denn je? Abgesehen natürlich von Fakten wie der Präsidentschaft von Barack Obama. Was danach kam, wissen wir ja. Filme wie dieser machen die Welt leider nicht besser, und selbst das Etchische an ihnen wirkt oft sehr, sehr kalkuliert. Die Superheldenwelle, die im Grunde dem offiziellen Geist von „Avatar“ zuwiderläuft, ist immer noch nicht abgeebbt und die politische Realität, die 2009, wenn man sehr wohlmeinend ist, noch eine Art Idee für eine tatsächliche Zukunft sein konnte, wirkt heute wie aus einer anderen Epoche.
Als „Avatar“ 2009 gestartet wurde, war er nicht nur kommerziell sehr erfolgreich, sondern auch ein Publikumsliebling, er stieg damals hoch in die IMDb-Top-250-Liste ein, erreichte Platz 21 – und ist seit 2012 daraus verschwunden. Das ging schon einigen Filmen so, aber es hat auch Gründe. 7,9/10 im Jahr 2024 sind immer noch sehr gut, der Metascore der Kritiker:innen von 83/100 ebenfalls beachtlich, aber der Weltrettungsfilm ist „Avatar“ erkennbar nicht geworden. Aufgrund der jüngeren Entwicklungen der Zivilisation nehmen wir die ursprünglich vorgesehene Bewertung um 2 Punkte zurück, mehr geht nicht ohne Neusichtung und es ist nicht gesagt, dass der Film uns heute nicht gefallen würde. Als die Utopie, die er letztlich darstellt, nicht als eine Bedienungsanleitung für die menschliche Weiterentwicklung. Deswegen zeigen wir auch auf dem Titelbild keine Menschen.
73/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | James Cameron |
|---|---|
| Drehbuch | James Cameron |
| Produktion | James Cameron, Jon Landau |
| Musik | James Horner |
| Kamera | Mauro Fiore |
| Schnitt | John Refoua, Stephen E. Rivkin, James Cameron |
| Besetzung | |
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