Das Gespensterhaus (CH 1942) #Filmfest 1148

Filmfest 1148 Cinema

Das Gespensterhaus ist ein Film des Regisseurs Franz Schnyder. Die Filmkomödie wurde im Frühling 1942 in Bern und Zürich gedreht und am 28. August in Bern uraufgeführt. Produziert wurde sie von Lazar Wechslers Praesens-Film.[1][2]

Vor einigen Jahren hat 3Sat einmal eine Reihe mit wichtigen Werken aus der Geschichte des Schweizer Films gezeigt. Nach »Die mißbrauchten Liebesbriefe«  von Leopold Lindtner stellen wir hier die Rezension zum zweiten Film aus dieser Reihe vor, das Drehbuch stammt, wie bei dem vorgenannten Film, von Kurt Guggenheim. Da wir die Schweizer Chronologie in die des gesamten DACH-Raums eingliedern, kommen nicht alle Filme jetzt schon zum Filmfest, die wir uns damals angeschaut haben. Regisseur Franz Schnyder wurde vor allem in den 1950er Jahren bekannt mit »Uli, der Knecht« (1954) und der Fortsetzung »Uli, der Pächter« (1955).

Mehr zu »Das Gespensterhaus« von uns nach der Handlungsangabe.

Handlung (Wikipedia): In der Berner Altstadt steht ein verlassenes Haus, in dem verstorbene Bewohner spuken sollen. Der frischgebackene Journalist Rico Häberli erhält von Redaktor Oppliger den Auftrag, das Haus auszukundschaften. Er verbringt eine Nacht in dem Gebäude und entdeckt ein Gespenst. Zusammen mit der jungen Besitzerin des Hauses versucht er der Sache auf den Grund zu gehen. 

Anni und Tom über »Das Gespensterhaus«:

Anni: 
Ich bin ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits ist der Film etwas steif, andererseits bildet er herrlich den Schweizer Materialismus ab. Mir hat zuletzt »Die missbrauchten Liebesbriefe« filmisch besser gefallen, weil er diese Leichtigkeit hatte, die wohl dem Wiener Regisseur Leopold Lindtberg zu verdanken war.

Tom: Andererseits hat Franz Schnyder sowohl ein Jahr vorher den sehr bekannten »Gilberte de Courgenay« inszeniert als auch die Uli-Filme (»Uli, der Knecht« und »Uli, der Pächter«) in den 1950ern, mit Liselotte Pulver als weiblichem Star. Letztere sind wohl die berühmtesten Schweizer Filme überhaupt, der Regisseur gehört also zum Inventar des eidgenössischen Kinos. Mir wurde schwindelig bei diesen eigentlich sehr schönen Aufnahmen vom Berner Münster herab, und es ist eine tolle Idee, die junge Sängerin da wohnen zu lassen, sowas habe ich noch in keinem Film gesehen. Dafür waren die Nachtaufnahmen teilweise viel zu hell beleuchtet und auch die Tageszeiten haben nicht immer gepasst. Bei einigen Szenen, die hätten Abends oder Nachts spielen müssen, war es gleißend hell.

Anni (Achtung, ab hier Angaben zur Auflösung): Einen Pluspunkt hab ich auf jeden Fall auch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Tyffel selbst  hinter dem Spuk steckt. Und das, obwohl wir so viele Krimis zusammen anschauen. Aber es ist die absolut logische Variante und ich finde sie sogar ökonomisch gut motiviert, sowas können die Schweizer super, finde ich. Alles, was mit Geld zu tun hat, vielleicht war auch deswegen für mich »Die missbrauchten Liebesbriefe« so ungewöhnlich – obwohl selbst da natürlich ein Kaufmann hineinmusste und wie dessen Vermöge eigentlich seiner Frau gehörte.

Tom: Der Umgang der Schweizer mit diesem Thema ist eben sehr unverkrampft. Emotionale Aspekte und Sätze zum Pekuniären können die quasi in derselben Dialogzeile unterbringen, das würdest du so bei uns oder in den meisten anderen Ländern nicht finden. Im selben Film schon, keine Frage, aber nicht so übergangslos. Als Hintergrund, aber überwiegend, dann wieder getrennt nach Figuren, die fürs romantische Prinzip stehen und den vornehmlich älteren, die auf die Börse gucken. Die Frage ist jetzt, was ist ehrlicher?

Anni: Die Frage lässt sich doch nicht ohne Weiteres beantworten, es hängt von den Personen ab. Die Schweizer stilisieren das aber nicht so voneinander weg, und das finde ich ehrlicher. Es wirkt natürlich, siehe oben, nicht so elegant, die Realität auf diese Weise ungeschminkt zu zeigen. Spätestens in der Séance wird aber auch technisch etwas gehudelt, mit diesem Mini-Filmprojektor und dem Qualm, der aus der Glaskugel steigt. Aber vielleicht nochmal zur Hypothek, wenn wir schon einen Film haben, der wirtschaftliches Anschauungsmaterial bildet – erklär das mal.

Tom: Nach unserer Begrifflichkeit ist Tyffel als Testamentsvollstrecker und Treuhänder eingesetzt, um das Vermögen für die vermutlich zum Zeitpunkt des Ablebens des alten Hausbesitzers minderjährige Jeanette zu verwalten, also im Wesentlichen das Haus. Ob der gleichzeitig Gläubiger sein darf, nach Schweizer Recht, also Inhaber der Hypothek, weiß ich nicht. Vielleicht haben wir auch deshalb die Auflösung nicht vorgesehen, weil wir unser Verständnis zu sehr im Blick hatten, obwohl es ja entsprechende Hinweise auf das gab, was für mich eine Art Funktionskollsion ist. Tyffel hat für sich selbst ein gegensätzliches Interesse zu dem, das er für seine Partei, Jeanette,   wahrzunehmen hat. Er muss darauf achten, das Haus gut zu verkaufen, um Jeanettes Vermögensinteresse zu dienen und gleichzeitig will er möglichst billig herankommen, um es selbst übernehmen zu können und dann mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen.

Anni: Auch dieses Werk stammt wieder von der Praesens-Film unter dem Produzenten Lazar Wechsler, der damals wichtigsten schweizerischen Filmgesellschaft, zu ihr haben wir uns ja in der Rezension von »Die missbrauchten Liebesbriefe« schon geäußert. Das Bild haben sie dieses Mal noch besser restauriert als bei »Liebesbriefe«, vielleicht war es das vom Ausgang her schon, der Sprechton ist wieder klasse – dafür haben sie zwecks Rauschunterdrückung die Musik jetzt eindeutig zu sehr abgewürgt. Dieses Abgehackte und Dumpfe klingt richtig hässlich, da wäre mir etwas Rauschen lieber gewesen. Aber wir haben ja sowieso eine gewisse Aversion gegen Überrestaurierungen, nach denen die Filme viel jünger wirken, als sie sind. Und ist das jetzt ein Film gegen den Aberglauben oder eher eine Satire auf den Materialismus?

Tom: Beides, denke ich. Recht gut gemacht, weil das eine fürs andere eingesetzt wird – der Aberglaube von Menschen wird zu Geld gemacht, könnte man sagen. Die Schauspielleistungen fand ich ganz ansprechend, vor allem Blanche Aubry als Jeannette und Therese Giehse, die ich immer mal wieder mit Anni Rosar verwechsle …

Anni: Bei den drei Hallodris im Wirtshaus war mir dann dieser rätoromanische Dialekt oder was es war zu stark ausgeprägt, aber den hat ja auch der junge Journalist nicht verstanden. Insgesamt siehst du etwas, was man sich endlich mal für heutige Schweizer Tatorte als Vorbild nehmen könnte: Es wird sehr wohl Schweizerdeutsch gesprochen, hier Berner Dialekt, aber nicht so, dass du es hierzulande nicht verstehst. Ähnlich, wie die Österreicher das Wienerisch ein wenig ebnen, damit die Filme nicht synchronisiert werden müssen. Aber nee, jeder besteht auf seinem Ding und so wirken die Dialoge immer total steif, weil sie nicht den originalen Sprachklang haben.

Tom: Auf 3Sat, das diese Reihe von Schweizer Filmen im Sommer 2017 gezeigt hat, werden aber auch die Schweizer Nachrichten mit Untertiteln versehen, die österreichischen nicht.

Anni: Nur die Interviews, die Ansagen und Berichte nicht, die sind schon angepasst. Aber die schweizerischen Tatorte zielen doch auf den gesamten deutschen Sprachraum, da muss man doch nicht so eigensinnig sein und sich immer schwache Bewertungen einhandeln, weil die Synchro den Filmen viel von ihrer Lebendigkeit nimmt.

Tom: Das ist aber zum einen das Problem aller Synchronisationen, zum anderen wäre ja eine Art Mischung auch nicht natürlich, sondern ein Eingriff in die Sprachautonomie.

Anni: In den Münchener Tatorten wird doch auch nicht tiefstes Bayerisch gesprochen oder in den norddeutschen volles Platt. Kompromiss heißt das Zauberwort. Das ist was anderes wie bei fremdsprachigen, englischen oder französischen Filmen. Einige französische Ausdrücke waren ja übrigens hier auch drin, wobei ich mir nicht sicher war, ob das der Figur geschuldet war oder ob auch im Berner Deutsch einige französische Begriffe enthalten sind. Ich gebe 7/10.

Tom: 6,5/10. Damit liegen wir in etwa auf Höhe der IMDb-Nutzerwertung, die allerdings nur aus wenigen Stimmen zusammengesetzt ist (6,3/10 im Jahr 2024).

68/100


© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

Regie Franz Schnyder
Drehbuch Kurt Guggenheim und Richard Schweizer nach einem Roman von Ulrich Wichelegger
Produktion Lazar Wechsler
Musik Robert Blum
Kamera Emil Berna
Schnitt Hermann Haller
Besetzung

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