Filmfest 1171 Cinema
„Fencing“ („Fechten“) ist ein Kurzfilm von William K. L. Dickson aus dem Jahr 1892, erstellt in der Experimentierphase des Kinos unter der Ägide der Edison Company.
Mit den ganzen frühen US-Filmen hatten Edison als der Unternehmer, unter dessen Dach Dickson arbeitet und dieser selbst sehr viel zu tun, um nicht zu sagen, alles. Wir haben bisher vorgestellt:
- Monkeyshines (1889-90)
- Dickson Greeting (1891)
- Newark Athlete (1891)
Nun kommen wir also in das Jahr, in dem Dickson begann, weiter kurze Bewegungsabläufe von bekannten Sportarten zu filmen, nachdem er 1891 bereits einen Keulenschwinger abgelichtet hatte. Nicht alle diese Filme sind erhalten und wir werden auch nicht alle besprechen, weil wir sonst irgendwann entscheiden müssen, wie lange wir es durchhalten wollen, alle US-Filme eines Jahres auf dem Filmfest vorzustellen. „Fechten“ ist aber ein sehr stylischer Film, finden wir. Die weiteren sind: „Boxen“, „Mann am Barren“, also Geräteturnen und „Ringen“. Dazu kommt noch „Ein Handschlag“ oder „ein Hände schütteln“.
Handlung
Man sieht eine etwas zweisekündige Fechtszene, die aber nur das Kreuzen der Klingen beinhaltet, keinen Stoß.
Wir haben den Film in dieser Version gesehen:
Zwei Männer üben das Fechten. Es handelte sich um einen Experimentalfilm, um das neue Kinetoskop zu testen. Ursprünglich nur eine Sekunde lang, wurde diese Version in einer Schleife gespielt und schrittweise von einer normalen Startgeschwindigkeit auf eine 8-fach langsame Geschwindigkeit verlangsamt.[1] Dadurch war diese Digitaldatei 41 Sekunden lang.
Rezension
Der Film ist noch einmal etwas kürzer und läuft in Varianten, die ich mir anschauen konnte, so unrund, dass man meinen könnte, hier sei kein perforierter Film verwendet worden, obwohl William Dickson diesen schon bei „Dickson Greeting“ und vermutlich auch bei „Newark Athlete“ aus dem Vorjahr angesetzt hat. Andererseits verlangte das Kinetoskop, das er entwickelt hatte, nach einem solchen Film. Die weißen Herren mit den Masken vor dunklem Hintergrund sind einerseits sehr attraktiv, andererseits ist der Film bildtechnisch ein Rückschritt gegenüber „Dickson Greeting“ und „Newark Athlete“, die Figuren sind undeutlicher, außerdem hat man wohl das Publikum nicht mit einem Stoß erschrecken wollen und nur das Kreuzen der Klingen gefilmt. En garde!
Wir haben den Film in dieser Version gesehen:
In der IMDb gibt es mehrere Benutzerrezension zu „Fencing“:[2]
Ein weiterer sehr früher extrem kurzer Film der Edison Manufacturing Company. Es handelt sich um zwei anonyme Fechter, die gegeneinander antreten. Der Sport war eine der Gründungsdisziplinen der Olympischen Spiele der Neuzeit, also wer weiß. Auf jeden Fall war es damals viel populärer als heute, so dass man verstehen kann, warum diese Disziplin als würdig genug erachtet wurde, um auf Band aufgenommen zu werden.
Auch bei so kurzer Länge ist es extrem ästhetisch, die beiden in ihren ästhetischen Uniformen zu sehen, die eigentlich nicht viel anders aussehen als die heutigen, und ich hätte sicherlich nichts dagegen gehabt, wenn dies eine längere Laufzeit gehabt hätte, vielleicht ähnlich der des Newark Athlete.
Diese Kritik ähnelt unserer Meinung, geht aber nur auf 4/10, was ich für zu wenig halte. Wenngleich ich auch berücksichtigen werde, dass der Film weiterhin nur ein Experimentalfilm ist, nicht zur Veröffentlichung gedacht, und bezüglich der Bildqualität eher hinter die beiden im Vorjahr entstandenen Werke von Dickson zurückfällt.
Sehr informativ fand ich diese Rezension:
In den ersten drei Jahren in der Filmindustrie widmete sich Thomas A. Edison ganz der Veränderung und Erprobung seiner Erfindung des Kinetoskops, der Filmkamera, mit der die allerersten in Amerika gedrehten Filme gedreht wurden. Filme wie „Men Boxing“, „Dickson Greeting“ und „Newark Athlete“ sind alle als solche in Erinnerung geblieben, da sie im Internet und auf einer DVD mit Edison-Kurzfilmen weit verbreitet sind. Von der verschwommenen Monkeyshines-Trilogie bis hin zur gestochen scharfen Qualität der Filme von 1891 fand Edison endlich die Lösung, um Bewegungen auf Zelluloid festzuhalten.
Was jedoch seltsamerweise in der Filmgeschichte nicht so gut in Erinnerung geblieben ist, sind Edisons Kurzfilme aus dem Jahr 1892, in denen „Fencing“ enthalten ist. Viele dieser späteren Experimente sind entweder verloren gegangen, kaum gesehen oder leider in Vergessenheit geraten. In der Tat scheint es, dass die beiden Edison-Filme von 1892, die online verfügbar sind, entweder nicht gut gealtert sind oder von vornherein schlecht gemacht wurden. „Fechten“ ist ein Beispiel dafür. Von dem sehr stationären, bereinigten Filmmaterial von vor einem Jahr ist das Filmmaterial, aus dem dieses buchstäblich zweitlange Stück besteht, verschwommen, verwackelt und tatsächlich ein Rückschritt gegenüber den vorherigen Kurzfilmen. Entweder versuchte Edison, seine Erfindung immer besser als zuvor zu verbessern und machte sie am Ende noch schlimmer, oder sie bauten eine zweite Kamera mit billigeren Teilen, die sich als nicht so gut konstruiert erwies.
Dennoch ist dies aus einem Grund immer noch ein wenig in Erinnerung gebliebener historischer Meilenstein: Es ist das erste Remake, das ich in der Geschichte des Films gesehen habe. Wenn man bedenkt, dass fast niemand wirklich so viel erfand wie Edison zu dieser Zeit, könnte man meinen, dass das erste Remake Jahre später kam, aber wenn man das glauben würde, würde man sich irren. Der Franzose Etienne-Jules Marey, der etwa zur gleichen Zeit mit seiner chronofotografischen Waffenerfindung experimentierte, hatte bereits im Jahr zuvor eine Aufnahme von Fechtern in Bewegung gemacht (in „Zwei Fechtern“ von 1891). Dieser Film ist etwas länger als dieser, überlebt in einem schärferen und sichtbareren Zustand und zeigt sogar mehr Geschick der Fechter. Es ist unmöglich, dass Edison den Film wirklich vorher gesehen haben kann, da er sich im Jahr zuvor mit dem Kinetoscope beschäftigt hatte, aber das Thema bleibt genau dasselbe. Es muss also ein seltsamer Zufall gewesen sein, dass er genau das gleiche Motiv zum Fotografieren wählte.
Finale
Alle Beobachtungen, die ich oben schon aufgeschrieben habe, sind in dieser ausführlichen Rezension (in Relation zu einem zwei Sekunden langen Film) ebenfalls zu lesen – und einige mehr, die von einem sehr präzisenBeobachtung und Einordnung zeugen. Ein echtes Remake ist „Fencing“ also nicht, aber da Fechten, wie wir gelesen haben, damals einen viel höheren Stellenwert unter den Sportarten hatte als heute und außerdem hervorragend als Bewegungsmotiv geeignet ist, ist es kein absolut verrückter Zufall, dass zwei frühe Filmemacher in zwei aufeinanderfolgenden Jahren diese Bewegung auf Zelluloid bannten.
Dieses Mal ist das, was wir sehen, zwar, siehe oben, einer, wie ich finde, sehr schönen und in der Tat ästhetischen Sportart gewidmet, aber das ruckelige Bild nimmt doch einiges von der Eleganz weg und verglichen mit dem französischen Film, den ich mir soeben angeschaut habe, sieht man deutlich weniger Aktion und Versiertheit – aber Frankreich ist ja auch u. a. das Land des Fechtens, die Fachbegriffe der Sportart sind demgemäß in französischer Sprache gehalten. Da schaut das Talent auch aus einem Film des Jahres 1891 schon heraus.
Dicksons Version ist weniger epochal, auch weniger als die Filme des Jahrs zuvor, die ich gesehen habe. Daher zehn Punkte weniger als für „Dickson Greeting“ und „Newark Athlete“.
58/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
[2] Fencing (Kurzfilm 1892) – Benutzerrezensionen – IMDb
Regie: William K. L. Dickson
Land: USA
Jahr: 1892
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