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Das hätten wir auch nicht gedacht. Dass wir zuletzt über eine Koalition zwischen der CDU und den Grünen vor so langer Zeit zuletzt geschrieben haben. Es war vor einer Bundestagswahl. So wie jetzt, und es ging um das Jahr 2021.
Damals sah es stark nach Jamaika aus, weil die SPD am 1. Juli 2021, als wir den Beitrag veröffentlicht hatten, noch weit davon entfernt war, die Union in Umfragen zu überholen. Nicht so weit wie gerade jetzt, aber doch so, dass Jamaika eher wahrscheinlich war als die Ampel, die dann letztlich die neue Bundesregierung wurde. Wie anders ist die Welt und ist die Stimmung heute als 2021. Oder doch nicht so sehr? Wir erinnern uns gut daran, wie damals die Menschen sich in Sachen Corona zerstritten hatten, so wie jetzt wegen der Wirtschaftslage und des Ukrainekriegs. Aber es war trotzdem ein leiser Hauch von Optimismus vorhanden, der Glaube, dass es wieder besser wird, der aktuell ganz und gar verschwunden zu sein scheint. Kann eine Koalition von Union und Grünen daran etwas ändern? Stimmen Sie gerne schon ab, es kommen aber noch interessante Textpassagen.
Begleittext von Civey
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz wurde Wirtschaftsminister Robert Habeck am Wochenende zum Spitzenkandidaten der Grünen gewählt. Anschließend sagte er im ZDF, dass er eine schwarz-grüne Koalition nach den nächsten Wahlen nicht ausschließen würde. „Dass die Grünen und die CDU erfolgreich miteinander reagieren können, beweisen wir in vielen Bundesländern“, so der Vizekanzler. Auch CDU-Chef Friedrich Merz fand jüngst anerkennende Worte angesichts der reibungslosen Zusammenarbeit von Union und Grünen in NRW.
„Dieses Tabuisieren, das eigentlich nur noch Markus Söder macht, sollten Demokraten nicht tun“, so Habeck. Kurz zuvor hatte sich Söder in der Bild gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausgesprochen, da die Partei in den Augen des bayerischen Ministerpräsidenten immer linker werde. Zudem warf er Habeck vor, als Wirtschaftsminister für die Wirtschaftskrise mit verantwortlich zu sein. Eine Zusammenarbeit käme für ihn nur infrage, wenn Habeck zurücktreten würde. FDP-Chef Christian Lindner rechne zwar mit einer CDU-geführten Regierung, allerdings nicht zusammen mit den Grünen. „Wenn man sich die Programme ansieht, ist das so wie Lakritz und Spinat. Das zusammen ist Geschmacksache“, sagte er letzte Woche beim Handelskongress in Berlin.
Der Unionskanzlerkandidat Merz hat sich in letzter Zeit mal offener, mal verschlossener zum Thema geäußert. Als er jüngst vom Stern gefragt wurde, ob er sich eine Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen könnte, bezeichnete er Habeck als „angenehmen Gesprächspartner”. Er betonte aber, dass die politischen Ansichten weit auseinander liegen würden. Die FR sieht bei Habeck und der Union indes einige Schnittmengen bei der Energiepolitik. Bisher hatte sich NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst (CDU) für ein schwarz-grünes Bündnis ausgesprochen, da er hier viel Potential sehe. „Wir brauchen diese Verbindung von Ökologie und Ökonomie“, sagte auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der ARD. Er schätze die Chancen für ein solches Bündnis Anfang des Jahres noch als „sehr groß“ ein.
Kommentar
Nicht alles, was wir 2021 in einem sehr knackig formulierten Artikel geschrieben hatten, ist heute ganz anders. Wir hatten zum Beispiel angemerkt, wenn Annalena Baerbock sich in einem wichtigen Amt so verhält, wie sie das damals im Wahlkampf getan hat, dann wird das problematisch mit der Aufgabenerfüllung. Genau so ist es gekommen, das Außenministerium ist eine Schwachstelle in einer Zeit, in der die Außenpolitik so extrem wichtig ist und möglichst professionell ausgeführt werden sollte. Wer nicht im Blick hat, wie Deutschland seine eigene Position in den letzten Jahren geschwächt hat, der versteht nicht, wie tiefgreifend die negativen Ampel-Effekte sind. Es ist auch daran nicht alles neu, aber würde die Union wieder in einer Koalition mit den Grünen das Außenministerium einer Amateurin überlassen? Im Grunde müsste das koalitionstechnisch so sein. Vizekanzler:in, Außenminister:in, das ist das klassische höchste Ding für den kleineren Koalitionspartner. Und das Wirtschaftsministerium oder das Finanzministerium wird die Union ganz sicher nicht an die Grünen abtreten. Wahrscheinlich wäre es dann so wie in der Zeit von Angela Merkel: Wer unter mir Außenminister:in ist, ist egal.
Falls die FDP auch gebraucht wird, um eine Regierungsmehrheit zusammenzubekommen, sieht es noch einmal anders aus. Wir tippen gegenwärtig eher auf eine große Koalition unter Unionsführung, dafür würde es nach aktuellen Umfragen knapp reichen, ohne dass ein dritter Partner gebraucht würde.
Aber wie tickt die Welt heute bezüglich einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene? Wir zitieren uns mal selbst und binden dabei einen Teil des damaligen Civey-Textes ein:
„Sowohl Grünen-Co-Chef Robert Habeck als auch CSU-Chef Markus Söder haben sich gegen eine schwarze-grüne Koalition ausgesprochen. Söder erklärte im Mai, die Grünen würden der „Union auf Dauer fundamentalen Schaden zufügen“. Politologen wie Frank Decker in der Tagesschau glauben aber, dass die Union die Grünen braucht, da es vermutlich nicht für Schwarz-Gelb reichen wird. Zudem kündigte die SPD an, diesmal nicht für eine GroKo bereitzustehen.
Der Kommentar von uns unter dem obigen Text beginnt so:
Wollen wir sie beim Wort nehmen, Habeck und Söder? Ehrlich, Söder hätte in Bayern auch mit den Grünen regiert, wenn es mit den Freien Wählern nicht gereicht hätte, denn alles geht mit der CSU, aber nie etwas ohne sie. Daher darf man Aussagen wie diese als Geplänkel ansehen. Und die meisten politischen Beobachter:innen sind sich einige, dass die Grünen sich sehr stark auf ein Mitregieren mit der CDU / CSU vorbereiten. Sie hätten natürlich lieber die Kanzlerin gestellt, aber davon sind sie derzeit nach Umfragen zu weit entfernt, als dass sich dies bis zur Wahl noch aufholen ließe. (…)“
Jetzt mäkeln die Grünen an der Ausschließeritis von Söder herum, die natürlich wieder nur Schaumschlägerei ist. Auch bei uns hat sich etwas verändert. Scharfe Ironie ist einer Haltung gewichen, die man beinahe als Abwinken bezeichnen kann. Noch nie hatten wir den Eindruck, es lohnt sich so wenig, sich über Prolitik überhaupt noch Gedanken zu machen. Wir schreiben jetzt sozusagen dagegen an, damals waren wir noch richtig on Fire. Die Pandemiekrise war irgendwie anders als diese unsägliche und nie endende politische Gestochere, das wir jetzt haben. Fehler wurden damals gemacht, Fehler werden heute gemacht, aber mittlerweile wirkt alles wie eine Endlosschleife ohne jede Aussicht auf echten Fortschritt.
Und daran sind auch die Grünen erheblich beteiligt, über die wir 2021 geschrieben haben:
„Viele sehen eine grün-schwarze Koalition als Katastrophe an. Sie liegen damit richtig, sofern ihnen eine rasche ökologisch-soziale Wende am Herzen liegt. Denn unter einem Regierungschef Armin Laschet von der Union werden die Grünen zeigen, was sie alles nicht können, nämlich dem Kapitalismus einen Schubs in Richtung echter Begrünung verpassen. Das wäre selbst dann schwierig geworden, wenn die nächste Kanzlerin Annalena Baerbock gewesen hätte. Noch schwieriger wäre es mit innovativen systemverändernden Ansätzen gewesen. Freuen können sich über Schwarz-Grün nur Strategen, die gerne hätten, dass die Grünen sich in dieser Koalition so weit beschädigen, dass 2025 ganz neu gedacht wird. Dann hätten wir aber wieder vier Jahre verloren, in denen sich nicht viel zum Guten getan hat. Wir haben nicht strategisch gedacht, sondern sind an einer raschen Politikveränderung interessiert, daher haben wir mit „klar nein“ gestimmt. Eine solche Koalition wäre nicht gut für das Land. Dieser Ansicht sind ca. 45 Prozent derer, die bisher mitgemacht haben, weitere 15 Prozent sagen „eher nein“. Dem Wähler:innenwillen entspricht eine solche Koalition also nicht. (…)“
Weiterhin haben wir geschrieben, die Grünen können sich in der Opposition viel besser mästen als in einer Regierung, und auch dieses Mal wieder kam es so. Es ist nicht gesagt, dass sie ihr Ergebnis von 2021 nicht wiederholen können, aber dazu später.
Heute ist das Meinungsbild noch viel eindeutiger. Natürlich haben wir wieder klar mit nein gestimmt. Und mit uns nicht weniger als aktuell 61 Prozent derer, die an der noch sehr frischen Umfrage bereits teilgenommen haben. Nur ganze 10 Prozent fänden eine Union-Grünen-Koalition wirklich gut, auf Seiten der „eher“ Zustimmenden und Ablehnenden kommen jeweils noch 10 Prozent hinzu.
Damit zu den Chancen der Grünen. Viele glauben, dass Robert Habeck als Kanzlerkandidat die Grünen zu einem Ergebnis von 15 bis 18 Prozent führen wird. Es gibt bereits eine Kehrtwende zum Guten für die Grünen in Umfragen, weil auch für sie, wie vermutlich bald für die FDP, obwohl sie den Blamed Boy als Rolle im Theaterstück Koalitionsende gewählt hat. Nur die SPD, die sich am wenigsten vorzuwerfen hat, schaut besonders trüb aus der Wäsche. Gerechtigkeit ist kein individueller Anspruch, nicht für Kanzler Scholz, nicht für die Politik, nicht im Leben. Robert Habeck, der als Wirtschaftsminister schon einigen Schaden angerichtet hat, könnte die SPD also überholen.
Wie kann das sein? Bei der Ablehnung, die Habeck im Land auch persönlich erfährt? Das kann sehr wohl sein, ist unsere Meinung. Denn die Habeck-Hasser sind hier nicht ausschlaggebend. Dass eine Mehrheit ihn nicht zum Kanzler wählen würde, ist klar, auch wenn er – siehe oben, Gerechtigkeit -in aktuellen Umfragen auf Rang drei vor Olaf Scholz liegt (hinter Boris Pistorius und Friedrich Merz).
Es geht aber um diejenigen, die a.) grüne Stammwähler sind und denen es herzlich wurscht ist, dass Habeck wenig soziales und noch weniger wirtschaftliches Profil zeigt und b.) um ökonomisch eher unbedarfte Wechselwähler, die schon 2021 grün gewählt hatten, weil es irgendwie schick war, siehe auch Klimabewegung, um ein Klientel, das ihn irgendwie immer noch ganz nett und ansehnlich findet, den Robert – nicht um Menschen, die, wie es heute als Überschrift in jedem zweiten Artikel heißt, der online lanciert wird, die nicht „knallhart“ sind. In dem Fall in Sachen Analyse dessen, was in den letzten drei Jahren gelaufen ist. Die Grünen haben ein Stammwähler:innenpotenzial von etwa 9 bis 10 Prozent, darüber ist aber viel Luft, wie man an den Umfragewerten vor der Wahl 2021 gesehen hat, die bis auf 20 Prozent gingen. Jetzt ist die Luft zwar ziemlich raus, aber um die SPD zu schlagen, wenn sie den Kandidaten nicht wechselt, könnte es reichen. Davon wird auch noch einiges abhängen, wie die SPD sich aufstellt, denn mit keiner anderen Partei haben die Grünen traditionell einen so großen Wähleraustausch (prozentual, nicht in absoluten Zahlen, ist er im Verhältnis zur Linken ähnlich groß).
Das heißt, Habeck muss sich wünschen, dass Scholz SPD-Kanzlerkandidat bleibt. Das Verhältnis zur Union ist hingegen abgesteckt, da wird sich nicht mehr sehr viel bewegen bis zur Wahl. Immer vorausgesetzt, es kommt nicht zu ganz unvorhergesehenen Ereignissen, die dann aber eher der CDU schaden müssten. Die Grünen werden ihre Stimmen überwiegend nicht von den Konservativen erobern können, die sie brauchen, um wieder auf ein Ergebnis wie 2021 zu kommen. Das war damals ein enttäuschendes Ergebnis, nach den vorherigen Höhenflügen, jetzt wäre es fast ein Jackpot, wenn man bedenkt, dass die Grünen die Prügelknaben und -mädchen der Nation geworden sind. Aber es geht eben nicht darum, was Konservative und Rechte bei der nächsten Wahl tun werden, ob sie lieber AfD, Union oder FDP wählen.
Aber wie wäre es inhaltlich? Denn was vor vier Jahren Phase war, gilt ja nun wieder. Würden sich die Grünen jetzt endgültig ins Abseits stellen, wenn sie mit der Union koalieren würden? Außenpolitisch passt es, da können wir schon einen Haken machen, aber Bundesregierungen sind kein Landesregierungen. Nicht nur deswegen nicht, weil es die Geopolitik zu berücksichtigen gilt, sondern weil hier die großen Linien gezogen werden. Haben Sie mitbekommen, wie Friedrich Merz sich über Windräder auslässt und die Atomkraft am liebsten wiederbeleben würde?
Eine erneute Energiewende würde die Grünen ihr letztes Pfund kosten, das sie sich real erarbeitet haben. Wir gehen aber von einem verblüffenden Szenario aus: Merz wird sich anpassen, nicht die Grünen. Es ist jetzt so vieles schon in die Wege geleitet, energiepolitisch, das kann man nicht einfach umdrehen, auch wenn es in Sachen Populismus gerade Spaß macht und sogar Sinn ergibt, auf wirklich jeden Fortschritt einzudreschen. Denn die Wähler:innen sind so, die meisten jedenfalls, die finden das im Moment gut.
Das hat etwas mit Zerstörungswut zu tun, das muss man leider so klar sagen, denn es hat nicht nur ökologisch, sondern auch demokratietechnisch möglicherweise erhebliche Folgen. Aber so schnell ist eine abermalige Wende nicht organisiert und wäre auch ökonomisch ein Desaster. Falls Merz Ökonomie so gut kann, wie es ihm zugeschrieben wird, weil er als Kapitalvertreter tätig war, dann weiß er das auch.
Migrationspolitisch würde sich hingegen Merz weitgehend durchsetzen. Er muss den rechten Wählern, wenn schon die Energie künftig richtigerweise nicht mehr aus der Verfeuerung endlicher fossiler Ressourcen kommt, eine restriktivere Migrationspolitik als Ausgleich anbieten können. Da werden die Grünen weiter Federn lassen müssen, wie schon in der laufenden Diskussion. Da würden sie im Diskurs Schwierigkeiten bekommen, auch mit ihrer eigenen Basis.
Aber wäre das so schlimm? Denn was würde tatsächlich geschehen? Die CDU-Politiker nehmen gegenwärtig den Mund sehr, sehr voll und werden zum Glück auch auf diesem Feld nicht das umsetzen können, was sie jetzt versprechen oder androhen, je nachdem, wie man selbst dazu steht. Weder im sozialen Bereich, wo irgendwelche Irrlichter aus der Partei geradezu abenteuerliche Rechnungen aufmachen, was man alles beim Bürgergeld sparen könnte (zum Beispiel mehr, als es insgesamt überhaupt kostet), noch in Sachen Migration. Die Fakten sind anders und sie werden anders bleiben. Vor allem das große Abschieben wird nicht stattfinden, ebenso wenig wie das komplette Versiegen der Zugänge. Allenfalls wäre künftig eine bessere Verteilung Schutzsuchender in der EU ein Erfolg, da könnte Merz beweisen, dass er sich so richtig durchsetzen kann gegen Renegaten wie Viktor Orban. Aber das hieße, rechts gegen ganz rechts, und daran glauben wir nicht so – recht.
Wir glauben, dass die Grünen und die CDU durchaus miteinander könnten, aber wir lehnen das aus einem ganz schlichten Grund ab: Wir wollen beide nicht mehr in der Regierung sehen, wir haben lange genug gegen Angela Merkels Ignoranz gegenüber drängenden Problemen angeschrieben, wir haben uns genug über die Ampel geärgert. Am meisten über die FDP, vor allem zum Ende hin, aber an zweiter Stelle eben auch über die Grünen. Wir wissen, es ist utopisch. Wenn wir zum Beispiel die SPD wählen, wählen wir Merz mit, und wenn wir grün wählen würden, wäre das ebenfalls so. Zumindest in der Möglichkeitsform, beide würden ohne viel Federlesens mit der Union koalieren, jetzt noch deutlicher als 2021. Dass eine dieser Parteien die Union innerhalb von drei Monaten abfängt, ist ausgeschlossen, es sei denn, Friedrich Merz stellt sich als Mädchen heraus und seine Ehe wäre nur (noch) eine Fassade. Nach einem Outing würden ihm die vielen Rechtswähler in Scharen davonlaufen, während eher fortschrittliche Politiker dadurch nicht so stark verlieren. Aber machen wir uns nichts vor, der nächste Kanzler steht fest.
Wir dürfen uns immerhin wünschen, dass weder die SPD noch die Grünen sich auf Merz einlassen. Sie werden es beide tun, wenn sie gerufen werden. Sollte anders nach dem Bürgerentscheid am 23. Februar 2025 keine Regierungsmehrheit zustande kommen, werden sie es sogar beide tun. Kenia-Koalition wird diese Zusammenstellung genannt, in der sich das ganze „alte“ Spektrum der BRD zum Regieren versammeln würde – außer dem Spaltpilz FDP, der sich gerade wieder von allen am meisten disqualifiziert hat, gleich, ob das Ampel-Aus ein theatralisch-spontanes „Ich stehe hier und kann nicht mehr, denn mein Fetisch Schuldenbremse …“ war oder eine Inszenierung. Was wir übrigens nicht so unnormal fänden, weil es zur Politik gehört, sich so zu verhalten und in der FDP schon immer angelegt war. Franz-Josef Strauß hatte einmal gesagt, bei der FDP kann man sich auf (nur?) auf eines verlassen: auf ihre Charakterlosigkeit. Der musste es wissen, er hatte in Bayern vorsorglich darauf hingearbeitet, sie dort nicht zum Regieren zu benötigen. Daran sollte die CSU heute anknüpfen, nicht sich dieses schale Grünen-Bashing abhalten, das in der Nachwahl-Realität obsolet werden könnte.
Wir sind der Ansicht, dass die Union die SPD als Regierungspartner vorziehen würde. Aber wenn diese schlauerweise nicht mitmachen sollte oder beide „Altparteien“ gebraucht werden, dann wird es selbstverständlich eine demokratische Mehrheit geben, die entweder schwarz-grün sein oder tatsächlich das gesamte frühere politische Spektrum des Westens umfassen wird. Damit werden sich viele Grünwähler wohler fühlen, als sie im Moment vielleicht selbst glauben. Denn das eine ist vielleicht Attitüde und wünsch dir was, das andere ein globales Umfeld, das zum Weglaufen ist, das eine Gesinnung, das andere Verantwortung, und beides liegt im Moment bezüglich seiner Realisierungsmöglichkeit eminent weit auseinander. Das ist sehr bedauerlich, aber wenn man nicht bereit für Solidarität und Aufbruch ist, dann wählt man eben alle diese Parteien und bekommt, was man gewählt hat und leider bekommen es auch diejenigen, die es nicht gewählt haben. Vielleicht werden wir zu dieser Gruppe zählen. Wenn wir gesinnungsethisch wählen, dann nicht. Wenn es um die Verantwortung geht, dann vermutlich doch, mit einem Zähneknirschen, das man durch den ganzen Bezirk hören wird.
Aber dann lieber SPD und Union als Grüne und Union, trotz der Erfahrungen mit den GroKo-Zeiten. Die SPD hat am Ende mehr Substanz, um die Unionspolitik zu korrigieren, als die Grünen sie im Moment aufweisen. Trotz der vielen neuen Mitglieder, die bei ihnen mitmachen wollen, wirken die Grünen auf uns personell so ausgezehrt wie ansonsten nur die Linke. Bei der Art, wie in diesen beiden Parteien Politiker:innen nach vorne kommen, gibt es ja auch strukturelle Gemeinsamkeiten, die in Zeiten wie diesen ein Nachteil sind.
Obwohl kaum jemand diese Koalition will: Sollten die Grünen stärker werden als die SPD und es dadurch für Union und SPD oder Union, SPD und FDP nicht reichen, wird es zu Schwarz-Grün kommen oder zu „Jamaika“.
Und was machen wir, wenn die Union folgt und eine Koalition mit der AfD eingeht? Das wäre doch demokratisch, oder nicht? Es wäre im Moment die beliebteste Koalition, Umfragen zufolge. Nicht im Sinne einer absoluten Mehrheit, aber relativ im Vergleich zu anderen Optionen. Nun ja. Die AfD sich beim Regieren blamieren zu sehen, könnte auch eine Strategie sein. Hat schon bei den Nazis im Jahr 1933 nicht funktioniert, diese Strategie hatten die sogenannten bürgerlichen, also Rechtsparteien, nämlich im Sinn. Angeglich. Kaum hatten sie ihren Fehler bereut, waren sie auch schon abgeschafft. Dann lieber Schwarz-Grün. Aber wirklich nur dann, und ohne immer weiter zu assoziieren und es aufzuschreiben. Es muss hier Schluss sein, sonst wird das Grauen zu groß.
TH
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