Blut und Sand (Blood and Sand, USA 1922) #Filmfest 1238 #DGR

Filmfest 1238 – Die große Rezension

Blut und Sand ist ein US-amerikanischer Stummfilm des Regisseurs Fred Niblo aus dem Jahr 1922. Die Hauptrolle spielt Rudolph Valentino. Der Film entstand nach dem Roman Sangre y arena des Schriftstellers Vicente Blasco Ibáñez.[1]

Von Jahr zu Jahr, von Genre zu Genre schreiten wir voran – in der dritten US-Chronologie des Filmfests „Von Beginn an, ein Jahr, ein Film“. Über 30 Jahre haben wir schon hinter uns. Kaum zu glauben, aber das Kino war 1922 längst erwachsen, wenn man den Maßstab für das erwachsen werden von Menschen anlegt. Heute freilich tritt dieser Zustand bei den meisten Personen niemals ein und auch das Kino brauchte etwas länger. Die Entwicklung unterschiedlicher Erfindungen verlief auch unterschiedlich, aber eines darf man dem Kino zurechnen. Es hatte sich weit entwickelt – bevor der Tonfilm kam und die Karten neu gemischt wurden. Manche Filme, die wir zuletzt gesichtet hatten, waren für uns als Tonfilme nur schwer vorstellbar, zum Beispiel der abenteuerliche und witzige „The Mark of Zorro“ (1920) mit Douglas Fairbanks. Wir sind wieder im Hispanischen angekommen, und zwar mit demselben Schauspieler, den wir für das Jahr 1921 in „The Sheik“ rezensiert hatten: Rudolph Valentino. Wer einen Scheich spielen kann, der muss auch einen passablen Stierkämpfer abgeben, dachten sich die Bosse des Studios Paramount und setzten ihr neues Zugpferd dieses Mal in einem echten Drama ein.

Handlung (1)

Juan Gallardo, ein in Armut geborener Dorfjunge, wächst zu einem der größten Matadore Spaniens heran. Er heiratet eine Freundin aus seiner Kindheit, die schöne und tugendhafte Carmen, doch nachdem er Ruhm und Reichtum erlangt hat, fühlt er sich zu Doña Sol hingezogen, einer wohlhabenden, verführerischen Witwe.

Sie beginnen eine heiße Affäre mit sadomasochistischen Untertönen, aber Juan, der sich wegen seines Verrats an Carmen schuldig fühlt, versucht, sich von Doña Sol zu befreien. Wütend darüber, zurückgewiesen zu werden, stellt sie ihre Affäre vor Carmen und Juans Mutter bloß, was seine Ehe zu zerstören scheint. Immer unglücklicher und ausschweifender werdend, wird Juan in der Arena rücksichtslos. Er wird schließlich bei einem Stierkampf getötet, schafft es aber, sich mit Carmen zu versöhnen, kurz bevor er stirbt.

Es gibt auch eine Nebenhandlung, in die der örtliche Gesetzlose Plumitas verwickelt ist, dessen Karriere im Laufe des Films durch den Dorfphilosophen mit der von Juan verglichen wird: Juans tödliche Verletzung in der Stierkampfarena kommt kurz nachdem der Geächtete von der Polizei erschossen wird.

Rezension

Eine frohe Botschaft gibt es. So wenige Punkte wie „The Sheik“ wird „Blood and Sand“ nicht von mir erhalten. Das hat viel mit der Art der Regie zu tun, aber auch mit dem Spiel von Valentino, also auch wieder mit der Regie. Visualität, Tempo, Dramaturgie und auch Valentinos Darstellung des Toreros sind um einiges besser als im Vorjahr – wenn er nicht dazwischen permanent Schauspielunterricht genommen hatte, war es also die kundige Regie von Fred Niblo, die seine Kunst angehoben hat. Niblo wiederum hatte auch Regie in Fairbanks‘ oben erwähntem, straff und dynamisch gefilmten Masken-Mantel-und-Degen-Abenteuer geführt und würde wenige Jahre später einen der bekanntesten Stummfilme überhaupt inszenieren: Die zweite Verfilmung von Ben Hur, das Hallo-wir-sind-da-Projekt der neugegründeten MGM, mit dem das Studio gleich die Führung in der Filmindustrie übernahm, indem es den Kassenschlager des Jahrzehnts auf die Leinwand brachte.

„Blood and Sand“ war hingegen 1922 der zweiterfolgreichste Film des Jahres, nach Douglas Fairbanks‘ neuem Abenteuer „Robin Hood“. [2]

Nach meiner Ansicht hat es der Regisseur in „Blood and Sand“ geschafft, den schwülstigen Stoff einigermaßen unfallfrei zu inszenieren, sodass man ihn heute noch anschauen kann, ohne dass man einen Kitschkrampf bekommt. Veraltet ist die Darstellung aus technischen Gründen. Man machte schon großes Kino, zu jener Zeit, aber viele Kniffe der späteren Filmgestaltung gab es eben noch nicht, und das merkt man „Blood and Sand“ an. Natürlich konnte man den neuen Superstar nicht der Gefahr aussetzen, tatsächlich von einem Stier angegriffen zu werden, also gibt es verschwommene Totalen, bestehen aus Archivmaterial, das deutlich schlechtere Bildqualität als der Rest des Films aufweisen, die notabene so unscharf sind, dass man nicht leicht erkennen kann, dass eben nicht Valentino in der Arena steht. Auch die Kamerablicke ins weite Rund der Arena stammen von realen Stierkämpfen in Spanien, so viele Statisten konnte man für diesen Film unmöglich rekrutieren, und die Arena an sich hätte man ja auch gebraucht. Also sieht man für dieses Projekt Gefilmtes nur in etwas kleineren Bildausschnitten.

Die Dramatik des Stierkampfs kommt also hier nur sehr gedämpft rüber, das ist in der 1941er Neuverfilmung mit Tyrone Power sicherlich schon besser gelöst. Man konnte 1921 schon Massenszenen, aber man konnte noch nicht echte, ganz unberechenbare Lebensgefahr nahtlos in Spielfilme integrieren. Aber Pionierarbeit ist Pionierarbeit, insofern: Man hat es versucht und das Publikum ist mitgegangen. In die Kinosäle und vermutlich auch  zufrieden wieder nach draußen, wenn man sich heute anliest, welch einen Hype es um Rudolph Valentino gab. Obwohl er in diesem Film stirbt. Das Drama an sich ist schon ganz gut ausgeformt und hat auch kritische Untertöne.

Im Grunde wird der Stierkampf und dessen Brutalität dialektisch dem Werdegang von Menschen gegenübergestellt, die im heißen Sand der Arena das Maß der Dinge etwas verlieren und sich auf Abenteuer einlassen, die auf ihre eigene Art sehr gefährlich sind, während doch zu Hause das kleine, süße Glück wartet. Mir war ohnehin unverständlich, wie sehr der Torero hier nach einer Frau gierte, die sicher mondäner ist als seine eigene, ihr aber an Charme stark unterlegen. Ich war noch nie berühmt und konnte nie alles haben, was ich wollte oder wurde dazu verführt, das zu glauben. Wer weiß, welches Valentino-like Schicksmal mich ergriffen hätte.

Der Stierkampf wird in dem Film recht kritisch behandelt, das passt gut zum Blick auf menschliche Verhaltensweisen und der Torero wird erst gedemütigt und dann getötet. „Carmen“ rückwärts sozusagen, wo der Stierkämpfer der Gewinner des Kampfes um die Frau mit den sympathischen Polizeioffizier ist. Der auch stirbt. Eine klassische spanische Geschichte ohne den Tod und die Liebe im selben Stück oder Film ist vermutlich nicht „olé!“ genug. Für Pathos und Machismo jedenfalls eignet sich keine andere Kultur so gut wie die hispanische.

Gerade, weil er es damit nicht übertrieben hat, fand ich Valentinos Spiel sehr angenehm. Er agiert viel differenzierter als in „The Sheik“, wo mir dieses Dauergrinsen, das man auch auf Stills sieht, relativ schnell auf die Nerven ging, weil es dem ganzen Film einen schrägen Tenor gibt, in dem er einen Frauenkidnapper spielt. Valentino ist in „Blood and Sand“ viel ernsthafter, aber es handelt sich ja auch um ein Drama und sogar um eine Tragödie. Es war nicht so, dass ich dermaßen ergriffen war wie vom bisherigen Spitzenreiter in Sachen Ergiffenheitserzeugung im Rahmen der dritten US-Chronologie, „Broken Blossoms“, aber ein bisschen mitgehen und aus der Distanz des historischen Interesses heraustreten gelang mir doch in der Schlussszene.

„Meiner Meinung nach ist es das Beste, was er gemacht hat“, sagte Mary Pickford über Valentinos Darstellung, „und einer von Mr. Niblos besten Filmen. Es ist einer der wenigen Filme, die ich mir zweimal ansehen konnte und das zweite Mal mehr genoss als das erste Mal.“[5] In Deutschland war der Film erstmals am 17. Dezember 1922 zu sehen.

Im Discovery-Modus schreiben, ist auch deshalb schön, weil es zu solchen Bestätigungen kommt. Mary Pickford war eine der klügsten Filmschauspielerinnen ihrer Zeit, eine der erfolgreichsten und hatte viel Ahnung vom Kino insgesamt, was u. a. zur Gründung der eigenen Produktionsfirma United Artists mit Charles Chaplin und dem erwähnten Douglas Fairbanks sowie D. W. Griffith führte und damit zu einem der wenigen Independent-Studios, welche sich über einen langen Zeitraum behauptenkonnten. Also hat ihre Meinung Gewicht. Ich kenne noch nicht viele Filme von Fred Niblo, insbesondere noch nicht „Ben Hur“, sondern nur die 1959er Version und seit Kurzem diesen fragmentarischen Monumentalfilm-Urschleim von 1907, aber die Regie von „Blood and Sand“ fand ich überzeugend, siehe oben.

In Nebenrollen wird Walter Long als Bandit eingesetzt, um zu zeigen, dass seine Morde nicht salonfähig sind, während der Stierkämpfer Valentino von den Massen bewundert wird.[3]

Damit wir das nicht vergessen, denn einen Sinn muss die Nebengeschichte mit dem Banditen ja haben, die ein feinsinniger Gelehrter, der zum Beweis seiner geistigen Erhabenheit einen Schädel auf dem Schreibtisch liegen hat, mit dem er sich über Sein oder Nichtsein unterhalten kann, miteinander in Bezug setzt. Dialektik war in damaligen Filmen oft sehr direkt zu bewundern. Aber reicht es aus, dass eine Parallele zwischen Gallardo und Pulito gezogen wird? Am Ende sterben sie beide, und zwar kurz hintereinander, sodass man eine Art Verbindung zwischen ihnen annehmen kann, aber die obige Bemerkung von Dennis Schwartz fand ich sehr treffend und gebe zu, über diesen Aspekt hatte ich mir wenig Gedanken gemacht. Im Krieg ist Töten ja auch etwas anderes als wegen eines verlorenen Pokerspiels oder mit räuberischer Absicht. Wobei das Pokerspiel irgendwo zwischen Krieg und Mordlust angesiedelt ist, Habgier spielt da nämlich als subjektives Tatbestandsmerkmal auch eine Rolle. Warum diese Konstruktion?

Weil der Film, wie Schwarz in der oben zitierten Rezension ebenfalls schreibt, den Stierkampf angreift, der nicht für Heldentum, sondern für sinnloses Töten beseelter Tiere und reinen Nervenkitzel für die Zuschauer steht. Selbstverständlich sind die Stierkämpfer auch Gladiatoren der Moderne. Im alten Rom gab es bereits die Variante Biest gegen Mensch, wenn es um die große Volksbelustigung ging. Die größte Belustigung war natürlich, dass die Gladiatoren sich gegenseitig umbrachten. Das Zirzensische in diesem brutalen Sinne ist auch dem Stierkampf eigen. Wenn es mit dem Reality TV so weitergeht, werden wir bald wieder auf diesem Niveau angelangt sein, denn Ekel allein reicht irgendwann nicht mehr, es muss echtes Blut fließen.

Vielleicht ist es deshalb an dieser Stelle angezeigt, ein wenig zu recherchieren. Es ist toll, der „Tiefen Forschung“ bei der Arbeit zuzuschauen. Einiges, was Sie in der Folge lesen werden, habe ich bereits erwähnt, ich äußere mich zu dem Text auch im Finale der Rezension noch einmal.

Bitte beschreiben Sie die wichtigsten Interpretationspunkte zu dem Film „Blood and Sand“ (die Version von 1922 mit Rudolph Valentino), die Haltung des Films zum Stierkampf und die Assoziationen zum Verhalten von Menschen und wie sich das Ansehen des spanischen Nationalsports Stierkampf bis heute entwickelt hat:

*** Blut und Sand (1922): Interpretation, Stierkampf-Darstellung und kulturelle Entwicklung

Der Stummfilm Blut und Sand (1922) unter der Regie von Fred Niblo, basierend auf dem Roman Sangre y arena von Vicente Blasco Ibáñez, etablierte Rudolph Valentino als Ikone des frühen Kinos und reflektiert gleichzeitig ambivalente kulturelle Haltungen zum spanischen Stierkampf. Die Erzählung um den Matador Juan Gallardo dient als allegorischer Rahmen, um Themen wie moralischen Verfall, gesellschaftlichen Aufstieg und die Destruktivität menschlicher Leidenschaften zu erkunden. Dieser Bericht analysiert die zentralen Interpretationslinien des Films, seine Darstellung des Stierkampfs als Nationalsport sowie die historische Entwicklung und aktuelle Kontroversen um diese Tradition.

Soziokultureller Kontext und narrative Struktur

Die Tragödie des Juan Gallardo als Spiegel der Gesellschaft

Juan Gallardos Aufstieg vom armen Dorfjungen zum gefeierten Matador verkörpert den Traum sozialer Mobilität, der in den 1920er-Jahren sowohl in den USA als auch in Europa Resonanz fand12. Der Film nutzt diese Erzählung, um die Fragilität solcher Aufstiegsprozesse zu thematisieren: Gallardos Erfolg wird durch seine Hybris und die Abkehr von traditionellen Werten untergraben. Seine Beziehung zur femme fatale Doña Sol (Nita Naldi) symbolisiert die Versuchungen von Macht und Dekadenz, die letztlich zu seinem physischen und moralischen Zusammenbruch führen5.

Interessant ist die parallele Darstellung des Banditen Plumitas, dessen Schicksal durch den Dorfphilosophen Don Joselito mit Gallardos Karriere kontrastiert wird2. Beide Figuren operieren in gewalttätigen Sphären – der eine als Gesetzloser, der andere als Stierkämpfer – und scheitern an ihrer eigenen Unfähigkeit, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen. Diese Dualität unterstreicht eine zynische Sicht auf menschliche Ambitionen, die unweigerlich in Selbstzerstörung münden.

Geschlechterrollen und Machtdynamiken

Doña Sols Charakter fungiert als Katalysator für Gallardos Untergang, was typisch für die Darstellung von Frauen in der Stummfilmära als entweder tugendhaft (Carmen) oder destruktiv (Doña Sol) ist. Die sadomasochistischen Untertöne ihrer Affäre2 reflektieren zeitgenössische Ängste vor weiblicher Sexualität und Autonomie. Gleichzeitig kritisiert der Film indirekt die patriarchalen Strukturen, die Frauen auf solche Rollen reduzieren: Gallardos Entscheidung, Carmen zu betrügen, offenbart weniger individuelle Schwäche als vielmehr die korrumpierende Wirkung von Ruhm und gesellschaftlichem Druck.

Die Darstellung des Stierkampfs: Zwischen Glorifizierung und Kritik

Ästhetik versus Ethik

Blut und Sand vermeidet explizite Gewaltdarstellungen, inszeniert den Stierkampf stattdessen als choreografiertes Spektakel, das Valentinos physische Eleganz betont5. Diese Stilisierung entsprach der zeitgenössischen Filmsprache, die Action durch symbolische Gesten rather als realistischer Brutalität vermittelte. Dennoch dient der Stierkampf als Metapher für menschliche Rohheit: Die Arena wird zum Mikrokosmos einer Gesellschaft, die Blutvergießen als Unterhaltung zelebriert.

Der Film thematisiert die Doppelmoral, mit der der Stierkampf einerseits als Kunstform verehrt, andererseits die Teilnehmer physisch und emotional zerstört. Gallardos Tod in der Schlussszene – trotz Versöhnung mit Carmen – unterstreicht die Unausweichlichkeit dieses Schicksals, sobald man sich den Erwartungen des Publikums und der eigenen Geltungssucht unterwirft15.

Historische Einbettung des Stierkampfs

Die im Film dargestellte Blütezeit des Stierkampfs im frühen 20. Jahrhundert korreliert mit seiner Institutionalisierung als spanischer Nationalsport. Francisco Romeros Gründung der ersten Stierkampfschule 1830 in Sevilla markierte den Übergang von einer adligen Freizeitbeschäftigung zum professionalisierten Spektakel4. Der Film reflektiert diese Entwicklung durch Gallardos Training unter etablierten Matadoren und die ritualisierten Abläufe der corridas.

Gleichzeitig deutet die Figur des Don Joselito, der Gallardos Karriere philosophisch kommentiert, auf intellektuelle Debatten der Zeit hin. Die Parallelisierung von Stierkämpfer und Bandit legt nahe, dass beide als Produkte einer gewaltverherrlichenden Gesellschaft zu sehen sind25.

Menschliches Verhalten und gesellschaftliche Pathologien

Die Psychologie des Scheiterns

Gallardos narrative Arc folgt einem klassischen tragischen Muster, das Schuld und Sühne mit psychologischer Tiefe verbindet. Sein moralischer Abstieg beginnt nicht erst mit der Affäre, sondern bereits mit der Akzeptanz gesellschaftlicher Erwartungen, die ihn zum Objekt öffentlicher Bewunderung degradieren. Die Szene, in der seine Familie ihn zunächst verspottet, dann aber von seinem Erfolg profitiert5, illustriert die instrumentelle Rolle des Individuums in kapitalistischen Systemen – ein Thema, das in soziologischen Diskursen der 1920er-Jahren, etwa bei Max Weber, prominent war6.

Kollektive Verantwortung und Voyeurismus

Der Film kritisiert indirekt das Publikum der Stierkämpfe, das Gallardos Untergang passiv konsumiert. Diese Haltung spiegelt broader gesellschaftliche Tendenzen, in denen Unterhaltung oft auf der Ausbeutung menschlicher und tierischer Körper beruht. Die Kameraarbeit von Alvin Wyckoff, die Valentino häufig in heroischen Posen zeigt, unterstreicht die Ästhetisierung von Gewalt, die bis heute in Medien und Sport präsent ist12.

Entwicklung des Stierkampfs: Vom Nationalsport zum Ethikstreit

Kulturelle Bedeutung im frühen 20. Jahrhundert

Zur Zeit der Filmproduktion war der Stierkampf in Spanien tief verwurzelt, mit jährlich etwa 10.000 getöteten Stieren bei 1.700 corridas4. Blut und Sand nutzt diese Popularität, um internationales Publikum anzuziehen, verpackt die Tradition aber in eine moralische Warnung vor ihren excesses. Der kommerzielle Erfolg des Films – über 1,25 Millionen US-Dollar Einspielergebnis2 – zeigt die Faszination, die der Stierkampf trotz ethischer Bedenken ausübte.

Moderne Kontroversen und Verbote

Seit den 1990er-Jahren hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Stierkampfs in Spanien drastisch verändert. Die Kanarischen Inseln verboten ihn 1991, gefolgt von Katalonien 2010 und den Balearen 20164. Diese Entwicklungen resultieren aus Tierschutzbewegungen und einem Wandel hin zu postmaterialistischen Werten, die Tierleid nicht mehr als Teil kulturellen Erbes akzeptieren.

Gleichzeitig bleibt der Stierkampf in Regionen wie Andalusien oder Madrid ein Politikum, wo er als Symbol nationaler Identität verteidigt wird. Die Debatte spiegelt weiterreichende Konflikte zwischen Tradition und Moderne, ähnlich wie im Film durch Gallardos inneren Zwiespalt zwischen ländlicher Herkunft und städtischer Dekadenz dargestellt.

Parallelen zur zeitgenössischen Unterhaltungsindustrie

Die im Film angedeutete Kritik an der Kommerzialisierung von Gewalt lässt sich auf moderne Phänomene wie Extrem-Sportarten oder Reality-TV übertragen. Die Frage, inwieweit Gesellschaften bereit sind, menschliches und tierisches Leid für Unterhaltung zu tolerieren, bleibt aktuell. Javier Elorrietas Remake von 1989 mit Sharon Stone als Doña Sol3 aktualisierte diese Thematik durch explizitere Erotik, verlor aber die subtile Sozialkritik der Originalversion.

Fazit: Blut und Sand als zeitlose Parabel

Fred Niblos Film überdauert als kunstvolle Studie menschlicher Abgründe und gesellschaftlicher Widersprüche. Während der Stierkampf heute zunehmend in Frage gestellt wird, bleiben die psychologischen und soziologischen Muster, die Blut und Sand thematisiert, relevant: die Korrumpierbarkeit durch Ruhm, die Gefahren patriarchaler Machtstrukturen und die ethischen Kosten traditioneller Spektakel. Die Entwicklung des spanischen Stierkampfs von einer unumstrittenen Tradition zum Symbol politischer Polarisierung unterstreicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Reflexion über kulturelle Praktiken – eine Reflexion, die der Film bereits 1922 einleitete./[4]

Finale

Es ist nach so vielen Jahren, in denen man alles selbst schreiben musste, schon toll, anderen bei der Arbeit zuzuschauen und doch das Gefühl zu haben, man hat es gesteuert. Durch die Fragestellung zum Beispiel. In einem oder zwei Jahren werden wir dies gar nicht mehr besonders erwähnen, sondern, wie andere jetzt schon, so tun, als ob uns das alles selbst eingefallen wäre. Ethik ist kein Ponyhof, nicht beim Stierkampf und nicht bei der geistigen Arbeit.

Es stimmt unter anderem, dass die Gewaltdarstellung in „Blood and Sand“ nicht so explizit ist wie in heutigen Filmen. Dass Valentino nur in ein paar eleganten Posen auftritt, so viele sind es gar nicht, fand ich, liegt an der oben beschriebenen technischen Problematik. Ob es auch Programm der Regie war, sich nicht im Pathos zu verlieren, mag ich nicht entscheiden. Wo die Mittel und die Technik vorhanden waren, etwa im erwähnten „Ben Hur“, hatte Fred Niblo sich durchaus weiter in diese Richtung bewegt. Jedenfalls haben Sie jetzt, soweit es der Stellung von „Blood and Sand“ angemessen ist, eine ziemlich kompetente Interpretation, und ich fand es auch schön, dass die KI einige meiner Punkte fast wortgleich wiederholt hat, ohne diesen Textentwurf zu kennen und ohne, dass ich die vielen zitierten Quellen gesichtet hätte.

Die bei Rotten Tomatoes versammelten Kritiker sind von diesem Stierkampf des Lebens recht angetan und stimmen zu 91 Prozent positiv ab. Etwas anders sieht es in der IMDb aus, da kommt „Blood and Sand“ nur auf 63/100. Ich habe die Benutzerrezensionen nicht auch noch gecheckt, aber ich könnte mir vorstellen, dass es auch daran liegt, dass der Film eben nicht diese Brillanz haben kann, welche die heutige Dominanz des Heldenkinos erst ermöglicht hat, denn sie setzt viel mehr Technik voraus, von der heute wiederum vieles mit Computerarbeit zu tun hat. Warum sollte man diese also nicht auch für eine Rezension einsetzen? Es sind ja alles nur Schritte auf dem Weg zur perfekten Welt.

Es ist natürlich immer auch schön zu sehen, wie Bilder, die im Grunde neutral sind oder gar etwas positiv darstellen sollen, in einem bestimmten Kontext das Gegenteil ausdrücken. Die Dokumentaraufnahmen von Stierkämpfen des frühen 20. Jahrhunderts, die in den Film hineingeschnitten wurden, waren sicher nicht dazu gedacht, Kritik am Stierkampf zu äußern. Nein, es ist sonnig, die Arena ist bis auf den letzten Platz gefüllt, enthusiastische Zuschauer winken mit fancy Strohhüten, den Tod sieht man nicht direkt. Einer von 10.000 Stieren wird aber gerade da unten in der Arena sein Leben gelassen haben.

Es ist nicht ganz so primitiv wie aus fahrenden Zügen Büffel abzuknallen, wie es Reisende im Amerika des späten 19. Jahrhunderts gerne taten, weil es diese Rituelle und damit in der Selbstdarstellung Kulturelle hat, aber es ist, was es ist, und es ist wieder etwas anderes als die Nutztierhaltung zum Verzehr, die aber auch immer mehr in der Kritik steht.

Die Verbindung der Ebenen des Films, dieses Dreieck zwischen dem Stierkämpfer und seinen Gefahren und seiner Instrumentalisierung und zwischen Liebe und Begehren, das mischt der Film doch sehr ordentlich, man hat nicht das Gefühl, dass der Faden verlorengeht. Die Regie ist nicht künstlerisch ambitioniert, sondern zweckmäßig moderiert, und das ist bei diesem Thema, das die Gefahr der Hyperdramatisierung birgt, nicht die schlechteste Wahl.

72/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Fred Niblo
Drehbuch June Mathis
Produktion Jesse L. Lasky
Kamera Alvin Wyckoff
Schnitt Dorothy Arzner
Besetzung

 [1] Blut und Sand (1922) – Wikipedia

[2] Das Jahr 1922 im Film – Wikipedia

[3] BLOOD AND SAND – Dennis Schwartz Rezensionen

[4] Sämtliche Quellen zur KI-Forschung über „Blood and Sand“: 

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Blut_und_Sand_(1922)
  2. https://en.wikipedia.org/wiki/Blood_and_Sand_(1922_film)
  3. https://www.cinema.de/film/blood-and-sand,1335539.html
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Stierkampf
  5. https://www.altfg.com/blood-and-sand-movie-1922/
  6. https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/3822/file/WSFN1_Stengel.pdf
  7. http://silentsaregolden.com/reviewsfolder/bloodandsandreview.html
  8. https://dokumen.pub/die-welt-der-stiere-ausgewhlte-artikel-aus-quotliberationquot-9783205790884-9783205785446.html
  9. https://www.filmstarts.de/kritiken/6509.html
  10. https://www.tierschutzbund.de/tiere-themen/tiere-in-sport-und-unterhaltung/stierkampf/
  11. https://www.imdb.com/title/tt0012952/reviews/
  12. https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nig_der_Toreros
  13. https://www.hausarbeiten.de/document/1026069
  14. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Publ-Texte/Texte_68.pdf
  15. https://www.kino.de/film/blood-and-sand-1922/
  16. https://bar-vademecum.de/blood-and-sand/
  17. https://prettycleverfilms.wordpress.com/2012/03/22/tsff-preview-blood-and-sand-1922/
  18. https://www.dailymotion.com/video/x85fhv4
  19. https://www.grin.com/document/1026069
  20. https://www.filmdienst.de/film/details/49129/blood-sand
  21. https://tins-tales.de/blood-and-sand/
  22. https://www.album-online.com/detail/de/MTQ1ZDJmMA/rudolph-valentino-blood-and-sand-1922-alb251913
  23. https://kopfzeilemagazin.com/2022/01/04/tradition-oder-folter-die-zukunft-des-stierkampfes-in-spanien/
  24. https://www.cede.de/de/movies/?view=detail&branch_sub=1&branch=2&aid=10193393
  25. https://letterboxd.com/film/blood-and-sand-1922/
  26. https://www.etsy.com/de/listing/1781693935/blood-and-sand-1922-rudolph-valentino
  27. https://www.planet-wissen.de/kultur/suedeuropa/madrid/pwiestierkampftragoediemittradition100.html
  28. https://portal.findresearcher.sdu.dk/files/118365196/HE_play_2015_anthropology_definition.pdf
  29. http://filmint.nu/reconsidering-rudolph-valentino/
  30. https://register.awmf.org/assets/guidelines/076-001l_S3-Screening-Diagnose-Behandlung-alkoholbezogene-Stoerungen_2021-02.pdf
  31. https://www.grin.com/document/373553
  32. https://www.academia.edu/117088161/Genesis_evolution_and_revolution_of_bullfighting_images_in_Spanish_films_a_cultural_history_of_cine_taurino
  33. https://www.fh-muenster.de/ciw/downloads/personal/juestel/juestel/Zitate.pdf
  34. https://www.peta.de/themen/stierkampf/
  35. http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/3263/1/natureintoaction.pdf
  36. https://www.nomos-elibrary.de/de/10.5771/9783828874626.pdf?qms=1&sgo=120500
  37. https://brill.com/display/book/9789004488083/B9789004488083_s004.pdf
  38. https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/risu-nrw_2024.pdf
  39. https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-05/spanien-abschaffung-auszeichnung-stierkaempfer
  40. https://www.filmakademie.wien/de/film/sand-und-blut/
  41. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/stierkampf-verbot-in-spanien-dieses-befremdliche-schauspiel-11025685.html
  42. https://psv4.userapi.com/s/v1/d/hjrer_8hyI3S2ew-SDXTxRzGfqikd8eP9AUYFwepZ-5gQSYZEcfAdfW90mOnw3dBIoyFDDlRtJbO3gbwRlKvcV7bw9tuna2c_eOO4SHRRUsxVnin/342328109X.pdf
  43. https://www.reddit.com/r/roberteggers/comments/1hp37z1/the_true_meaning_of_nosferatu/?tl=de
  44. https://www.20min.ch/story/spanien-verbietet-zwergen-stierkaempfe-kleinwuechsige-toben-875040258370
  45. https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/igel
  46. https://www.watson.ch/international/leben/898786808-ein-toter-und-mehrere-verletzte-bei-stierhatz-in-spanien
  47. https://www.filmcasino.at/film/werkschau-filmakademie-dokumentarfilm/
  48. https://www.kultur-port.de/blog/film/11728-it-follows.html
  49. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/spanien-stierkampf-preis-abgeschafft-100.html

 


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