Briefing Geopolitik, USA, Gesellschaft, Migration, Einwanderung, Einsatz des Militärs an der Grenze, Staatsbürgerschaft, Jus solis, Jus sanguinis, Deutschlands Doppelstaatsbürgerschaft, Donald Trump
Hier hatten wir gestern zusammengefasst, was Donald Trump in den ersten zwei Tagen seiner Präsidentschaft bereits alles angeordnet oder angerichtet hat. Seine außenpolitischen Executive Orders sind vorsichtiger als die innenpolitischen und es ist oft ein Überprüfungszeitraum enthalten, der offenbar Deals ermöglichen soll. Dort, wo die USA einseitig handeln können, ohne Folgen befürchten zu müssen, schöpft er aber seinen Spielraum aus und geht vielleicht sogar darüber hinaus. Richtig bedrängend sind vor allem seine innenpolitischen Richtlinien, auch wenn sie nicht alle unverändert den Realitäts- und / oder Justiztest bestehen dürften.
Im Moment befasst sich wohl mehr als die Hälfte aller erscheinenden Artikel des Verfassungsblogs mit den USA, um diese Flut von Dekreten und andere Erscheinungen, die mit der neuen US-Regierung einhergehen, einigermaßen abbilden zu können. Es geht aber, wenn man dies juristisch aufzubereiten versucht, immer nur mit Einzelthemen. Eines der härtesten dieser Themen ist die Migration, und da hat Trump bereits Zeichen gesetzt, die schrittweise besprochen werden müssen.
Außerdem schließt immer der Satz an: Was in den USA läuft, was dort geht oder nicht, hat auch Auswirkungen bei uns, obwohl das Grundgesetz in vielen Punkten von der US-Verfassung und der Rechtswirklichkeit in den USA abweicht. Der Einsatz des Militärs an der Südgrenze zu Mexiko und die Abschaffung der amerikanischen Bürgerschaft durch Geburt in den USA sind der Teil des Themas, der im Folgenden besprochen wird. Wir verfassen drei zudem drei kurze Infoblocks zum Staatsbürgerschaftsrecht mit einer Berichtung an einer Stelle und den Kommenar.
***
„Das Militär einzusetzen ist eine echte politische Zäsur“ – Verfassungsblog
Fünf Fragen an Amanda Frost, Professorin für Rechtswissenschaft an der Universität von Virginia
Trump unterzeichnete unmittelbar nach seiner Amtseinführung eine Reihe von Dekreten – viele davon mit dem Ziel, das Einwanderungs- und Einbürgerungssystem der USA grundlegend zu verändern. Dazu gehören drei Dinge: ein besonders medienwirksames Dekret, demzufolge künftig Kinder, deren Mütter sich ohne legale Genehmigung oder mit einem temporären Visum in den USA aufhalten, die US-Staatsbürgerschaft nicht mehr erhalten sollen („ending birthright citizenship“); ein Dekret, das „die Einreise von Personen, die an der Invasion der USA beteiligt sind“, aussetzt, was faktisch Asyl für Menschen verhindert, die an der Südgrenze ankommen; und zuletzt ein Dekret, das Übertritte von Migrant*innen entlang der US-mexikanischen Grenze zu einem nationalen Notstand erklärt, was dem Präsidenten erlaubt, einseitig Bundesmittel für den Bau einer Grenzmauer freizugeben, die Haftkapazitäten auszuweiten und den Einsatz des Militärs an der Grenze anzuordnen.
Wir haben mit Amanda Frost gesprochen, Professorin an der University of Virginia und Direktorin des dortigen Programms für Immigration, Migration und Menschenrechte.
Nach unserem Interview hat ein Gericht das erste Dekret zur Staatsbürgerschaft ausgesetzt.
- Wieso kann der Präsident das Immigrations- und Asylsystem der USA allein durch Dekrete so stark verändern?
Das exekutive Ermessen bei Entscheidungen zur Immigration hat der Oberste Gerichtshof im 19. Jahrhundert begründet. Insbesondere bei der Immigration hat die Exekutive die sog. plenary power, eine zusätzliche Sphäre an Ermessen und Autorität. Das liegt teilweise daran, dass Einwanderung die Außenpolitik, Diplomatie und nationale Sicherheit betrifft – Themen, die die Gerichte traditionell der Exekutive überlassen. Dennoch hat der Oberste Gerichtshof der Exekutive nie einen Freibrief erteilt, um allein darüber zu entscheiden, wer ins Land kommen darf. Der Kongress spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, das zentrale Gesetz ist hier der Immigration and Nationality Act von 1952. Und die Gerichte spielen selbstverständlich eine Rolle, wenn die Exekutive Verordnungen erlässt, die offensichtlich gegen Bundesrecht verstoßen, sei es gegen verfassungs- oder einfachrechtliche Vorgaben. Während Trump also über ein erhebliches Maß an Autorität verfügt, sind seine Dekrete eindeutig nicht das letzte Wort.
- Welches der Dekrete ist Ihrer Meinung nach das bedeutendste und warum?
Vieles, was Trump tut, ähnelt dem, was er schon mal getan hat – aber das Militär einzusetzen ist eine echte politische Zäsur, ebenso bedeutend wie besorgniserregend. Zwar kann die Exekutive das Militär einsetzen, doch diese Befugnis ist nicht unbegrenzt, und rechtliche Verfahren sind hier sowohl wahrscheinlich als auch erfolgversprechend. Trump will vor allem deshalb das Militär einsetzen, weil er seine Abschiebungsagenda ohne zusätzliche Ressourcen nicht umsetzen kann. Da der Kongress offenbar nicht bereit ist, ihm diese Mittel zu geben, muss er sie an anderer Stelle umleiten – etwa vom Militär. Doch dessen Mittel und Truppen fehlen dann logischerweise bei Themen, die viele Menschen für wichtiger halten, etwa bei tatsächlichen Risiken für die nationale Sicherheit.
- Welches der Dekrete wird am schwersten umzusetzen sein?
Das Dekret, das das Recht auf US-Staatsbürgerschaft durch Geburt („birthright citizenship“) einschränkt, wird am ehesten vor Gericht scheitern. So breit, wie das Dekret formuliert ist, scheint die Trump-Regierung selbst davon auszugehen, dass das Dekret scheitert. Die citizenship clause des 14. Verfassungszusatzes ist eindeutig, und es gibt eine gefestigte Rechtsprechung, die das Geburtsrecht unabhängig vom Staatsbürgerschaftsstatus der Eltern bestätigt. Als Trump vor einigen Jahren erstmals ankündigte, das Geburtsrecht per Dekret abschaffen zu wollen, hielt ich das für undenkbar. Doch der Oberste Gerichtshof der USA und die Politik funktionieren so, dass Ideen verbreitet werden, Debatten beginnen und die öffentliche Meinung sich langsam verändert. Wir haben das bei den Meinungen zu Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe und Waffenrechten gesehen, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte radikal verändert haben. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass dasselbe auch beim Geburtsrecht passiert. Momentan gibt es nicht die notwendigen fünf Stimmen im Obersten Gerichtshof, um das Geburtsrecht zu kippen. Aber Trump wird wahrscheinlich weitere Richter*innen ernennen, was es weniger undenkbar macht. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, aber es steht jetzt mehr denn je als legitime Idee im Raum.
Das Geburtsrecht aufzuheben wäre auch aus bürokratischer Perspektive enorm problematisch. Es würde eine große Zahl von Menschen ohne Papiere schaffen und Chaos für Bürger*innen, die glauben, dass sie davon nicht betroffen sind. Denn alle – einschließlich Bürger*innen, die nie das Land verlassen haben und deren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern US-Bürger*innen sind – müssten dann ihren eigenen Status nachweisen, bevor ihr Kind die Staatsbürgerschaft erhalten könnte.
- Warum ist es besonders im US-Kontext problematisch, das Geburtsrecht abzuschaffen?
Das Geburtsrecht hat in den USA eine besondere Geschichte, die es deutlich von dem feudalen jus soli-Prinzip in Europa unterscheidet. Die US-Verfassung erwähnte zwar die Staatsbürgerschaft, definierte sie jedoch zu Beginn nicht. Es folgte eine Phase, in der darüber gestritten wurde, wer Bürger*in war, wobei es vor allem um Sklaverei, „free Blacks“ und die Frage ging, ob die USA eine weiße Nation seien. Schwarze Amerikaner*innen setzten sich für die Anerkennung ihrer Rechte ein. Dies gipfelte in der berüchtigten Dred Scott-Entscheidung, die festschrieb, dass keine Schwarze Person – ob Sklave oder frei – Bürger sein könne. Damit übernahm das Gericht eine kastenbasierte Sicht auf Amerika. Nach dem Bürgerkrieg verankerte der Reconstruction Congress das Geburtsrecht mit dem 14. Verfassungszusatz in der Verfassung, um Dred Scott zu kippen und ehemalige Sklav*innen als Bürger*innen zu integrieren. Doch es ging noch weiter. Der Kongress diskutierte darüber, ob die Kinder von Einwanderern (einschließlich chinesischer Einwanderer, die damals eine unpopuläre Gruppe waren), Bürger*innen sein könnten, und bejahte das. Im Fall Wong Kim Ark von 1873 wies der Oberste Gerichtshof das Argument der US-Regierung zurück, dass die Geburtsrechtsklausel der Verfassung nicht für Kinder gelten solle, deren Eltern keine Bürger*innen seien. Das ist bis heute geltendes Recht. Das Geburtsrecht ist integraler Teil des amerikanischen Verständnisses davon, was es heißt, Amerikaner*in zu sein. Unser Land macht vieles falsch, aber eines haben wir wirklich gut gemacht: die Kinder von Einwanderern mit dem Geburtsrecht in unsere Nation zu integrieren. Das würde verloren gehen, wenn das Dekret Erfolg hätte.
- Für Trumps Kampagne waren Massendeportationen zentral. Welche – sowohl rechtlichen als auch praktischen – Hindernisse gibt es dabei?
Es gibt viele Hindernisse, die schwer zu überwinden sein werden. Als Trump das letzte Mal Präsident wurde, sagte er, dass er alle 11 Millionen undokumentierten Einwanderer abschieben werde. Doch die Zahl der Abgeschobenen war am Ende seiner Amtszeit die gleiche wie zu Beginn. Weil seine Regierung jetzt erfahrener ist und über mehr Ressourcen verfügt, wird es ihr wahrscheinlich gelingen, mehr Menschen abzuschieben – aber sicherlich nicht die gesamte Bevölkerung von 11 Millionen. Soweit ihr das gelingt, wird es interessant sein zu sehen, wie die amerikanische Öffentlichkeit reagiert. Denn es gibt Missverständnisse darüber, wer genau ohne Erlaubnis in den USA ist, wie diese Familien und Menschen aussehen und wie wichtig sie für die Wirtschaft sind. Es ist wichtig zu betonen, dass niemand – auch nicht Trump – gegen die Arbeitgeber vorgeht, die undokumentierte Einwanderer beschäftigen, obwohl dies eine sehr effektive Methode wäre. Wenn sie wirklich undokumentierte Einwanderer aus der Lebensmittelindustrie abschieben, würden die Amerikaner beispielsweise mehr für Lebensmittel zahlen müssen. Und das würde der nächsten republikanische Wahl erheblich schaden.
*
Dieser Beitrag wurde unter einer Lizenz CC BY-SA 4.0 Legal Code | Attribution-ShareAlike 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben ihn gemäß den Vorgaben der Lizenz unter gleichen Bedingungen weiter. Wir stellen die von uns verfassten Textteile unter dasselbe Recht.
Infoblock: ius soli vs. ius sanguinis.
An einer Stelle gibt es in dem Artikel vielleicht einen Übertragungsfehler. Mit „feudal“ ist wohl das Jus sangiuinis gemeint, das in Europa überwiegend gilt und auch in Deutschland früher ausschließlich angewendet wurde. Es wurde aber um Komponenten des amerikanischen Prinzip des – sic! – Jus soli mittlerweile ergänzt. In einem Punkt übrigens so weit, dass wir da nicht ganz mitgehen, wie wir die Doppelstaatsbürgerschaft prinzipiell für nicht unproblematisch halten:
Was ist das Jus Soli und findet es in Deutschland Anwendung?
Das Jus soli, auch als Geburtsortsprinzip bekannt, ist ein Rechtsprinzip, nach dem ein Kind die Staatsangehörigkeit des Landes erhält, in dem es geboren wurde, unabhängig von der Staatsangehörigkeit seiner Eltern[2][7]. In Deutschland findet das Jus soli in einer modifizierten Form Anwendung:
Seit der Staatsangehörigkeitsreform im Jahr 2000 gilt in Deutschland ein ergänzendes Jus soli neben dem traditionellen Abstammungsprinzip (Jus sanguinis)[1][4]. Ein Kind erwirbt automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt in Deutschland, wenn mindestens ein Elternteil bestimmte Voraussetzungen erfüllt:
- Der Elternteil muss sich seit mindestens fünf Jahren (bis zum 26. Juni 2024 waren es acht Jahre) rechtmäßig in Deutschland aufhalten[1][3].
- Der Elternteil muss ein Daueraufenthaltsrecht besitzen[1][3].
Ursprünglich gab es eine Optionspflicht, nach der sich die Person bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden musste. Diese Pflicht wurde jedoch schrittweise gelockert und zum 27. Juni 2024 vollständig abgeschafft[1].
Diese Regelung ermöglicht es Kindern ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, was zu einer doppelten Staatsbürgerschaft führen kann[1][9]./[1]
Ist die US-Staatsbürgerschaft nach dem Jus Soli eingerichtet?
Ja, die US-Staatsbürgerschaft ist nach dem Jus Soli (Geburtsortsprinzip) organisiert. Dies ist ein fundamentales Prinzip des US-amerikanischen Staatsbürgerschaftsrechts:
- Gemäß dem 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten erhält jede Person, die auf US-amerikanischem Boden geboren wird, automatisch die US-Staatsbürgerschaft[1][5].
- Dies gilt unabhängig von der Nationalität oder dem Einwanderungsstatus der Eltern[1].
- Das Jus Soli umfasst Geburten in den 50 Bundesstaaten, im District of Columbia sowie in US-Territorien wie Puerto Rico, Guam, den Amerikanischen Jungferninseln und den Nördlichen Marianen[1][5].
Allerdings gibt es aktuelle politische Entwicklungen, die dieses Prinzip in Frage stellen:
- Der ehemalige Präsident Donald Trump hat am 22. Januar 2025 angekündigt, das Geburtsrecht einschränken zu wollen[2].
- Trump behauptet fälschlicherweise, dass die USA das einzige Land seien, das das Jus Soli praktiziere[8].
Es ist wichtig zu beachten, dass neben dem Jus Soli auch das Abstammungsprinzip (Jus Sanguinis) in den USA Anwendung findet, wodurch Kinder von US-Bürgern unter bestimmten Bedingungen auch im Ausland die US-Staatsbürgerschaft erwerben können[1][3].
Trotz der aktuellen politischen Diskussionen bleibt das Jus Soli zum jetzigen Zeitpunkt (26. Januar 2025) ein grundlegendes Prinzip des US-amerikanischen Staatsbürgerschaftsrechts./[2]
Wir haben eine dritte Frage gestellt, bei der es darum geht, wie uneingeschränkt oder auch extrem das Jus soli bisher in den USA zugunsten von Menschen angewandt wird.
Stimmt es, dass man die US-Staatsbürgerschaft erwirbt, weil man in einem Flugzeug geboren wird, das gerade die USA überfliegt?
Ja, es stimmt, dass ein Kind die US-Staatsbürgerschaft erwirbt, wenn es in einem Flugzeug geboren wird, das gerade den US-amerikanischen Luftraum überfliegt[2][3][5]. Dies basiert auf dem in den USA geltenden Geburtsortsprinzip (Jus Soli):
- Wenn sich das Flugzeug zum Zeitpunkt der Geburt im Hoheitsgebiet der USA befindet, erhält das Kind automatisch die US-Staatsbürgerschaft[5].
- Das US-Recht geht sogar noch weiter: Ein Kind bekommt die US-Staatsbürgerschaft auch dann, wenn es in einem in den USA registrierten Flugzeug geboren wird, das sich auf dem Weg in die USA befindet, selbst wenn es sich zum Zeitpunkt der Geburt über dem Hoheitsgebiet eines anderen Landes befindet[2][5].
Es ist wichtig zu beachten, dass in solchen Fällen das Kind möglicherweise mehrere Staatsbürgerschaften erwerben kann:
– Die US-Staatsbürgerschaft aufgrund des Geburtsortes (Jus Soli)
– Die Staatsbürgerschaft der Eltern aufgrund des Abstammungsprinzips (Jus Sanguinis)[3]
Diese Regelung ist Teil des komplexen internationalen Luftrechts und kann zu interessanten rechtlichen Situationen führen, bei denen ein Kind mehrere Staatsbürgerschaften besitzen kann[4]./[3]
Kommentar
Ohne, dass wir danach gefragt hätten, hat die KI uns also auch eine Meinung zum Stand der Diskussion um das US-Staatsbürgerschaftsrecht geliefert. Festzuhalten ist, dass, jeweils erweiternd, nicht einschränkend, in Deutschland das Jus soli mittlerweile auch angewendet wird, während in den USA das Jus sanguinis dort eingesetzt wird, wo US-Bürger:innen, die im Ausland leben oder sich nur dort aufhalten, nach einem ausschließlichen Jus soli Nachkommen zeugen würden, die keine US-Bürgerschaft hätten. Andererseits ist das Prinzip, wie wir am Beispiel der Geburt während eines Fluges sehen, sehr weit gedehnt und spricht von einer Großzügigkeit, die sicherlich weltweit einmalig ist. Insofern verbreitet Trump wieder einmal Unwahrheiten, aber dass die USA eine Ausnahmestellung bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft einnehmen, ist richtig.
Diese tatsächliche Willkommenskultur, die zur Genetik der US-Demokratie zählt, steht also auf der Kippe, und nach unserer Ansicht geht es Trump und seinen Strategen genau darum. Selbst, wenn sein Dekret vor Gericht scheitern sollte, war seine Agendasetzung erfolgreich, weil die Diskussion auf Hochtouren läuft und er sich eine konservative Verschiebung des Meinungsbildes erhofft. Er kann auch wieder einmal auf die Justiz oder die Institutionen im Allgemeinen schimpfen, wenn er auf dieser Ebene gestoppt wird. Vielleicht kommt es auch zu einem Kompromiss, der die bisherige, äußerst liberale Praxis einschränkt, wie einst beim Asylrecht in Deutschland, als der Artikel 16a des Grundgesetzes eingeführt wurde, um den großherzigen Artikel 16 in seiner Anwendung zu begrenzen. Das gewährte Asylrecht bedingt noch keine Staatsbürgerschaft, geht ihr aber in vielen Fällen voraus.
Mit einer der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts würden die USA auf jeden Fall etwas verlieren, was bisher konstitutiv für das Verständnis als Land der Freiheit war, mit unabsehbaren Folgen für andere Bestandteile der Demokratie, aber unter Ausschluss der negativen Formen der Freiheit, die würden erhalten bleiben, wie etwa die schlecht ausgeprägten Rechte des Individuums dem Kapital gegenüber, sofern es nicht gerade um astronomische Schadensersatzsummen geht. Das Mindset der Rechten, auch rechter Kapitalisten wie Elon Musk, würde mit Änderungen am Jus soli ein Stück weit mehr Mainstream werden.
Parallel dazu läuft in Deutschland eine Diskussion um Ausbürgerung, die keine Realitätsüberprüfung standhält. Gerade einmal 300.000 Menschen haben eine doppelte Staatsbürgerschaft, die den ethnischen Gruppen angehören, die Friedrich Merz ins Visier nimmt. Davon ist die weit überwiegende Mehrheit integriert und begeht keine Kapitalverbrechen. Es gibt noch eine interessante Parallele: Während im Artikel ausgesagt wird, Trump wird niemals an Arbeitgeber herangehen, die „Illegale“ beschäftigen, weil es die Inflation möglicherweise anheizen würde, diese prekär und günstig arbeitenden Menschen auszuweisen, die natürlich keinen Mindestlohn und keine soziale Absicherung beanspruchen können, wird die CDU niemals das echte Problem der Bandenkriminalität und der Schwarzarbeit angehen, weil sie bereits in die legale Wirtschaft hineingewurzelt hat, das Gleiche gilt für die FDP und vermutlich auch für die AfD, für die übrigen Parteien sowieso.
Wird also populistisch ein Popanz aufgebaut oder müssen wir uns wirklich Sorgen um Millionen von Menschen machen, die in den USA oder hierzulande einen wackeligen oder gar keinen Aufenthaltsstatus haben oder gar um Staatsbürger:innen, dass sie ihre Rechte verlieren oder keine erhalten? Das Problem, das wir sehen, ist: eben wegen jenes billigen Populismus werden Menschen Nachteile erleiden, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, während diejenigen, die für riesige Schäden sorgen, unbehelligt bleiben werden. Am Ende steht auf jeden Fall eine negative Entwicklung. Ob wirklich Millionen ihre neue Heimat verlieren oder ob nur weiter an Feindbildern und der Aufputschung der Gesellschaft gearbeitet wird, diese Diskussionen haben immer etwas Schädliches für den Zusammenhalt und die Solidarität zur Folge. Wem das nützt, müssen wir hier nicht mehr ausführen, wir haben es oft genug beschrieben.
TH
Artikel des Verfassungsblogs mit Auslandsbezug, die wir bisher republiziert und besprochen haben:
- [1] Artikel des Verfassungsblogs mit internationalem Bezug, die wir republiziert und besprochen haben
- Das Militär einzusetzen ist eine echte politische Zäsur (Trumps Migrations- und Grenzregime und Anmerkungen zum Staatsbürgerschaftsrecht)
- Es sieht eher nach einem gesteuerten Übergang als nach einer Revolution aus (zum Regimewechsel in Syrien)
- Der Messias und seine Oligarchen (US-Präsidentschaftswahl 2024)
- Auf Messer Schneide (US-Präsidentschaftswahl 2024)
- Navigieren durch die Dunkelheit (in erster Linie zum Nahostkonflikt)
- Im Grunde war das eine für österreichische Verhältnisse ganz normale Wahl
- Trump vs. United States und Roe vs. Wade
- Von verfasstem Recht und verstecktem Gift – ein Brief aus London
- Taiwans verfassungsrechtlicher Showdown
- Das EU-Projekt auf der langen Bank?
- Georgiens Rechtsstaatskrise
- Unboxing the EU Body for Ethical Standards
- Unfrei, Unfair und Unsicher – ein Brief aus Ankara
- Herkules oder Sisyphus? Vom Erbe des gesetzlichen Unrechts im post-autokratischen Polen
- Argentiniens gefährliches Experiment
- Netanjahu in Berlin, Scholz besorgt -> “In der Existenz bedroht“ – Israel auf dem Weg zur faschistischen Theokratie?
[1] Referenzen Staatsbürgerschaftsrecht Deutschland:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Geburtsortsprinzip
[2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/glossar-migration-integration/272005/ius-soli/
[3] https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon.html?lv2=9391108&lv3=9398138
[6] https://verfassungsblog.de/staatenlos-ab-geburt/
[7] https://www.britannica.com/topic/jus-soli
[8] https://www.auswaertiges-amt.de/de/staatsangehoerigkeitsrecht/2088844
[9] https://www.juwiss.de/113-2014/
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/Jus_soli
[12] https://de.wiktionary.org/wiki/ius_soli
[2] Referenzen Staatsbürgerschaftsrecht in den USA
[1] https://www.anwalt.de/rechtstipps/wer-wird-als-us-buerger-geboren-234307.html
[2] https://www.zeit.de/familie/2025-01/us-staatsbuergerschaft-geburtsortprinzip-ius-soli-donald-trump
[3] https://www.visum-usa.com/visum-blog/us-staatsbuergerschaft.html
[4] https://nl.usembassy.gov/child-citizenship-act/
[5] https://americansoverseas.org/de/wissenscenter/wann-sind-sie-amerikanischer-staatsbuerger/
[6] https://charlys-tiger.de/kampf-um-geburtsrechtsstaatsbuergerschaft-in-den-usa/
[7] https://se-legal.de/doppelte-staatsbuergerschaft-deutschland-usa/
[8] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/trump-geburtsrecht-101.html
[9] https://budding-legal.net/amerikanische-staatsbuergerschaft-durch-geburt/
[10] https://www.visum-usa.com/visum-blog/us-geburtsortprinzip-trump.html
[3] Referenzen Staatsbürgerschaft der USA durch Überflug bei Geburt
[1] https://www.n-tv.de/ratgeber/Welche-Staatsbuergerschaft-fuer-das-Kind-article20098507.html
[2] https://www.bild.de/reise/fluege/flugzeuge/geburt-im-flugzeug-schwanger-fliegen-45752638.bild.html
[3] https://www.travelbook.de/fliegen/baby-flugzeug-geburt
[4] https://www.quint-online.ch/territorialrecht-in-der-luft/
[5] https://web.de/magazine/reise/geburt-wolken-staatsangehoerigkeit-kind-31566370
[6] https://www.stern.de/reise/service/geburt-im-flugzeug–welchen-pass-erhalten-air-babys–7408794.html
[7] https://de.usembassy.gov/de/birth-abroad-and-eligibility-for-u-s-citizenship-de/
[8] https://www.dw.com/de/usa-gehen-gegen-geburtstourismus-vor/a-52131016
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

