Der nackte Mann auf dem Sportplatz ist eine Tragikomödie des Regisseurs Konrad Wolf aus dem Jahr 1974.
Bisher haben wir von Konrad Wolf „Solo Sunny“ und „Der geteilte Himmel“ rezensiert und letzterem einen besonderen Ehrenplatz unter den bisher besprochenen deutschen Filmen zuerkannt (1), einige seiner wichtigen Werke wie „Sterne“ kennen wir noch nicht. „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ hat uns einerseits überrascht, weil er kritische Untertöne zeigt, aber Konrad Wolf, Leiter der Akademie der Künste in der DDR, war wohl einer der wenigen, der sich solche erlauben durfte, wenn sie so vergleichsweise subtil vorgetragen wurden wie in diesem kleinen, feinen Film.
Handlung (1)
Der Film schildert ein paar Wochen aus dem Leben des (fiktiven) Bildhauers Kemmel. Er macht es sich und seiner Umwelt nicht immer einfach. Zudem werden viele seiner Werke von seiner Umgebung nicht angenommen. So landet ein von ihm geschaffenes und seinem Dorf geschenktes Relief in einem Abstellraum. Bei seiner neuen Arbeit möchte er eine Skulptur schaffen, hat aber Schwierigkeiten, das richtige Modell zu finden. Als er es endlich in dem Arbeiter Hennes findet, möchte dieser nicht Modell stehen. Er kann mit dem Künstler nichts anfangen, ist ein bodenständiger Typ. Nach einiger Überzeugungsarbeit kann Kemmel Hennes doch überzeugen. Während der Arbeit kommen die beiden Männer sich näher. Doch auch diese Arbeit hilft ihm nicht aus der Krise, zudem misslingt die Arbeit. Ein Besuch in seinem Heimatdorf beschert ihm einen neuen Auftrag. Er soll eine Skulptur zum Jubiläum des örtlichen Sportklubs erschaffen. Kemmel nimmt an. Doch bei der Enthüllung des Werkes erntet er erst einmal Ablehnung. Die Honoratioren des Klubs hatten sich einen bekleideten Fußballer vorgestellt – bekommen haben sie jedoch einen nackten Läufer. Erst nach und nach können sie sich mit dem Werk anfreunden
Rezension
Und genau darum geht es in diesem kurzen Ausschnitt aus dem Leben eines Bildhauers: Wie kann man Kunst machen unter den Bedingungen des real existierenden Sozialismus? Und wie kann man eine Botschaft so formulieren, dass sie verstanden wird, ohne dass die Zensur selbst bei einem Staatskünstler wie Wolf eingreift? Gewiss kam ihm zustatten, dass er das System so gut kannte, dass er selbst ein Teil davon war, dass er dessen Grenzen haargenau ausloten und ihre Überschreitung vermeiden konnte.
Der Beginn des Films ist eintönig. Wir müssen ohnehin immer einen Anlauf nehmen, immer wieder Filme aus anderen Ländern im Wechsel anschauen, beim Durcharbeiten der deutschen Nachkriegs-Filmgeschichte, insbesondere der DEFA-Filme. Mit den frühen Werken ist es noch recht einfach, weil sie sehr eindeutig Stellung beziehen und nicht viel der Interpretation überlassen. Doch in den 1970ern nahm der DEFA-Film eine Entwicklung hin zum Minimalistischen und Privaten, zu verdeckten oder nur halb offenen Aussagen, die Zeugnis davon geben, dass der quasi-revolutionäre Schwung der ersten Jahre sich verflüchtigt hatte. Sie berichten darüber, dass der Alltag sehr alltäglich war, und dass er nur in der Nische erträglich war. Noch einen Schritt weiter als in „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“, der die offizielle Kulturpolitik immerhin noch am Beispiel eines Sportler-Denkmals einbindet, ging Wolf dann in „Solo Sunny“, in dem er nur noch das Leben einer Frau zeigt, die nicht im System beheimatet ist.
Das Künstlerleben wirkt in diesen sorgfältig inszenierten Filmen sehr detailorientiert, eng gestrickt und von vielen Kleinigkeiten geprägt. Aber speziell „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ hat auch keinen biografischen, sondern eher einen dokumentarischen Ansatz, der durch die Person des sympathischen Bildhauers Kemmel gerade so viel Identifikationspotenzial schafft, dass man als Zuschauer Interesse an dem Film gewinnt, wenn es schon mit dem Beginn so schwierig ist. Man verliert aber nicht die kritische Distanz. Für uns heute ist es ohnehin kaum möglich, sie aufzugeben, weil man in einem Werk wie diesem so vieles sieht, was letztlich zu einer anhaltenden Spaltung zwischen Ost und West in Deutschland geführt hat. Was immer man dem kapitalistischen System vorwerfen kann, solange es mit der Freiheit verbunden ist, seine Meinung offen aussprechen zu dürfen, erlaubt es eine gewisse Entwicklung der Persönlichkeit und auch Widerstand. Außerdem hatte es in den 1970ern, als „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ in der Willy-Brandt-Ära herauskam, den Anschein, als näherten sich beide Systeme einander an und die geballte negative Energie, die der Kapitalismus nach dem Zerfall seines Gegenmodells nun produziert, war gerade in den 1970ern nicht abzusehen – vom westdeutschen Standpunkt aus betrachtet.
Von diesem Standpunkt aus wirkt es auch befremdlich, wie zum Beispiel in einem VEB erst eine Sitzung aller Verantwortlichen einberufen wird, damit geklärt werden kann, ob sich einer der Arbeiter bereitfinden darf, eine Büste von sich anfertigen zu lassen, seine Gesichtszüge sollen dem Bildhauer Kemmel als Vorbild für die seiner Sportlerstatue dienen. Dass ein Kunstwerk zudem von offiziellen Stellen genehmigt werden muss, wird gar nicht als unfreundlicher Vorgang gezeigt, aber die Tatsache an sich, dass bis in die Provinz hinein eine Ostberliner Zentrale jede einzelne schöpferische Äußerung absegnen muss, damit sie in der Öffentlichkeit präsentiert werden kann, ist bereits ein Kommentar. Es kann ja auch in einem Land, in dem der Staat alles bestimmt, keine freien Mäzene geben, und auch keine Sportvereine, bei denen die Mitglieder beispielsweise das Geld sammeln, um eine Plastik zu bestellen, mit der ein verdienter Sportler geehrt werden soll. Der Bildhauer wirkt auch gleich darauf hin, dass nicht ein bestimmter, hervorragender Spieler des Vereins im Sinn eines klitzekleinen Personenkults als Standbild verewigt wird, sondern dass das Allgemeine, der Arbeiter-Sportler an sich, betont wird.
Kemmel weiß, wie man Kunst machen muss, damit sie den Oberen gefällt – und wird doch bei einem anderen Auftrag Opfer der Zensur, weil er ein Relief anfertigt, dessen Figuren zu melancholisch wirken. Obwohl dieses Werk an die harten Zeiten des Zweiten Weltkrieges gemahnt und immer wieder das Massaker von Babyn Jar eine Rolle spielt, kann in den 1970ern keine Kunst gemacht werden, die vielleicht sogar die zunehmend bedrückende Stimmung in der DDR widerspiegelt und dadurch eine entlarvende Verknüpfung zwischen dem schlimmen Gestern und dem vorgeblich viel besseren heute erlaubt.
Finale
In „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ steckt noch viel mehr, weil er ein Schlaglicht auf den Umgang der Menschen wirft, auch in Beziehungen, weil er einige offene satirische Momente enthält, wie „den Besuch“, der zu einem Picknick führt, welches geradezu Renoir’sche Gestaltungskraft aufweist und einen unendlich ironischen Blick auf einige Wessis wirft, die sich den Sozialismus „als gewaltiges Experiment“ vorstellen. Allein in dem Wort „Experiment“ steckt 25 Jahre nach der Staatsgründung der DDR schon eine Menge an Satire, und das Gewaltige, das Wolf selbst in „Der geteilte Himmel“ noch in fantastische Bilder zu fassen vermochte, war ihm wohl zehn Jahre später nicht mehr viel. Ansonsten hätte er ein Werk mit mehr Appellfunktion geschaffen, anstatt dieser famosen Kleinplastik, die den Künstler in seiner schwierigen Lage zwischen Ausdruck und Einwirkung erfasst. Die Schnitttechnik und die Bildkonzeptionen des Films lassen allerdings durchblitzen, dass Wolf immer noch das große Besteck beherrschte und sich formal nicht so reduzierte wie inhaltlich. Das irritiert manchmal etwas, aber kommt dem Betrachter insgesamt zugute, weil er das Gefühl gewinnt, dass hier ein erstrangiger Filmemacher mit sicherer Hand arbeitet und dass jede Szene exakt und damit der Botschaft dienlich gestaltet ist.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung der Kritik im Jahr 2025: Wir haben bis auf kleine Korrekturen orthografischer und stilistischer Art keine Veränderung an diesem Text vorgenommen, der im Jahr 2015 erstellt wurde. Er spiegelt also nicht weitere Vertiefungen in den DDR-Alltag seitdem, nicht politische Erfahrungen ab 2016 und Angaben, die sich auf andere Rezensionen beziehen, sind nicht mit einem Link versehen, weil diese noch nicht für das Filmfest des neuen Wahlberliners republiziert wurden („Der geteilte Himmel“ u. a.), grundsätzlich sind alle Bezüge auf dem Stand von 2015, als das heutige Filmfest im „ersten Wahlberliner“ (2011 bis 2016) noch Filmanthologie hieß und insgesamt nur auf ca. 255 Beiträge kam.
75/100
© 2015 Der Wahlberliner, Alexander Platz
(1) Bis zur kürzlichen Rezension von „Das Boot“ (9/10) war „Der geteilte Himmel“ in der FilmAnthologie des Wahlberliners mit 8,5/10 das führende deutsche Filmkunstwerk, einschränkend sei darauf verwiesen, dass die vielen deutschen Klassiker der 1920er und frühen 1930er Jahre noch nicht Eingang in die Anthologie gefunden haben.
| Regie | Konrad Wolf |
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| Drehbuch | Wolfgang Kohlhaase, Gerhard Wolf |
| Musik | Karl-Ernst Sasse |
| Kamera | Werner Bergmann |
| Schnitt | Evelyn Carow |
| Besetzung | |
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