Bundestagswahl 2025 PPP Politik, Personen, Parteien, Demokratie

Wir hoffen, dass wir Ihnen einen unterhaltsamen Liveticker zur Bundestagswahl liefern werden – mit vielen Themen und natürlich mit persönlicher Kommentierung, dieses Mal in Form eines Interviews.
Das erste Update schreiben wir zunächst weiter, es wird also ständig in diesm Artikel ergänzt.
Die Vorwahlberichterstattung »X Tage vor der Wahl« haben wir gestern abgeschlossen.
Und hier direkt zu den aktuellen Daten, anschließend die Kommentierung der Einlassungen der Politiker:innen als vermutlich letztes Update für heute.
23.02.2025
18.00 Die erste ARD-Prognose ist da / dann die Hochrechnung von 18:22 Uhr / von 18:37 Uhr / von 19:00 Uhr / von 19:28 Uhr / 19:59 Uhr / 21:11 Uhr. Weitere Hochrechnungen werden wir nicht darstellen, sondern das amtlliche Endergebnis abwarten und am morgigen Nachmittag kommentieren, was wir in den Sendungen beobachtet haben, die man früher „Elefantenrunde“ genannt hat und bei „Caren Miosga“.
CDU/CSU 29 / 29 / 28,9 / 28,9 / 28,8 / 28,6 / 28,5 Prozent
SPD 16 / 16 / 16,1 / 16,2 / 16,2 / 16,3 / 16,4Prozent
AfD 19,5 / 19,6 / 19,7 / 19,9 / 20,2 / 20,4 / 20,5 Prozent
Grüne 13,5 / 13,3 / 13,2 / 13,0 / 12,7 / 12,3 / 12,0 Prozent
Linke 8,5 / 8,6 / 8,6 / 8,5 / 8,5 / 8,5 / 8,6 Prozent
FDP 4,9 / 4,9 / 4,9 /4,9 / 4,9 / 4,7 / 4,6 Prozent
BSW 4,7 / 4,7 / 4,8 / 4,8 / 4,9 / 4,9 / 4,9 Prozent
Sonstige 5,9 Prozent (18:00) / 4,3 Prozent (19:59 Uhr)
Die Wahlbeteiligung ist jetzt auch da: 84,2 Prozent. Auch dies ist sensationell und ist das beste Ergebnis seit 1987 (84,3). Die Demokratie wird zumindest nicht an Desinteresse sterben, wenn dies mit geringer Wahlbeteiligung gliechsetzen kann.
Während des Abends verändern sich die Umfragewerte doch noch um einiges. Die Grünen verlieren permanent, die AfD steigt fast ebenso viel. Die FDP dürfte raus sein, das BSW steht weiter auf der Kippe.
Kurzkommmentierung.
Die Union schafft es demnacht nicht über 30 Prozent, das ist für Merz eine Klatsche. Wir müssen uns rasch korrigieren: Bei dem Ergebnis könnte die Union mit der SPD regieren, wenn FDP und BSW den Einzug nicht schaffen, ansonsten ist eine Dreierkonstellation notwendig.
Wir haben uns heute dafür entschieden, nur einen Sender zu nehmen, um nicht ständig switchen zu müssen, wir haben sowieso schon wieder das Problem, dass der Ton weg ist und wir die Untertitel verwenden müssen.
Das Ergebnis der Linken liegt etwa auf der Höhe dessen von 2013 und nur knapp unter dem von 2017, als Wagenknecht Spitzenkandidatin war und man noch dachte, sie macht linke Politik (damals 9,2 Prozent).
FDP-Kubicki macht schon einmal die Deutschland-Koalition mit Union und SPD auf. Die FDP hat 800.000 Wähler an die AfD verloren. Überrascht uns absolut nicht, prozentual ist die Austauschstituation viel größer als bei CDU und AfD.
70 Prozent haben in einer Nachwahlbefragung geäußert, dass sie die AfD nicht in einer Regierung sehen will.
Die Vorwahlumfragen sind im Grunde recht gut gewesen, nur sehr starke, neue Trends wie das Nachgeben der CDU und der Aufstieg der Linken sind vor ein paar Tagen noch nicht vollständig erfasst worden.
Merz bejubelt das zweitschlechteste CDU-Ergebnis aller zeiten (nach 2021), die SPD hat, wenn das, was die Konkurrenz sagt, das schlechteste Ergebnis seit 138 Jahren eingefahren. Auf jeden Fall das deutlich schlechteste seit dem Bestehen der BRD.
Die Hochrechnungen deuten darauf hin, dass möglicherweise alle oben genannten Parteienin den Bundestag kommen werden, denn gerade bei den „Kippeligen“ geht es am Ende oft noch etwas nach oben.
Olaf Scholz übernimmt Verantwortung für das Desaster und sagt, er werde sich mit einem Wahlergebnis, wie die AfD es jetzt hat, nie abfinden. Die Ampel hat ihren Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet, und damit werden wir uns nicht abfinden und sind letztlich froh, keine Ampelpartei gewählt zu haben. Zumal Habeck gerade eine ziemlich schlechte Figur macht und versucht, die Linke mehr oder weniger wieder als außerhalb des demokratischen Spektrums darzustellen. Sehr peinlich, dieses Rechtsbürgerliche. Macht noch nachträglich ein schlechtes Karma, die Grünen haben in der letzten Umfrage wieder 0,2 Prozent verloren. Bisher die unsympathischste Darstellung heute Abend, auch rhetorisch, ex AfD. Das Hufeisen ist nie zu billig, lieber mit AfD-Freund Merz sich in eine Koalition hineinschleimen.
Da hat mir Baerbocks Statement besser gefallen, weil es dieses Wurschtige ihres Parteifreundes ermieden hat, das ziemlich kindisch wirkte. Zusammen stand ja auch unter ihrem Konterfei auf den Wahlplakaten, wegen des Zusammenhalts. Ob das Menschen zusammenführen in den letzten Jahren von der Wirklichkeit gedeckt war, ist eine andere Frage.
Markus Söder will plötzlich nicht mehr auf jeden Fall ohne die Grünen regieren. Das kennen wir schon von ihm, er ist ein wendefähiger Generalpragmatiker.
Als ein Unternehmervertreter sagt, wenn die Politik es nicht schafft, nach den Wünschen der Wirtschaft zu handeln, dachte ich, jetzt kommt, dann gehen wir halt. Vorgeblich geht es um eigenständige Handelspolitik durch die Unternehmen selbst. Das geht aber nicht ohne Rahmenbedingungen. Ich verstehe seine Aussagen unterschwewellig sehr wohl als Erpressungsversuch. Das muss aufhören durch eine andere Form von Wirtschaftsverfassung, dieses immer weiter nach rechts ausgreifen mit erpresserischen Tendenzen, das der AfD ebenfalls in die Karten spielt. Wir sind gespannt, wann der Schulterschluss zwischen dem Kapital und der AfD erfolgt. Jedenfalls wird die neue Regierung gleich mal unter Druck gesetzt, das hätte es früher nicht gegeben und es zeigt, wie die Politik ihre Primat ein Stück weit verloren hat. Die Unternehmen sind für die Menschen da, nicht umgekehrt, das muss endlich wieder klargemacht werden. Mit Habeck-Grünen wird das schwierig, lediglich die SPD kann da vielleicht eine etwas ausgeglichenere Haltung erwirken.
Christian Lindner heroisiert seine Ampel-Disruption als Dienst an Deutschland. Ja, sicher, ein Dienst für die kleine Klasse der Vielbesitzenden war es gewiss.
Die Erstwähler werden anylsiert. 19 Prozent für die AfD sind nicht gut, aber nicht mehr als über alle Altersgruppen hinweg. Aber 27 Prozent für die Linke sind das klarste prodemokratische Statement, das ich seit Langem in diesem Land gesehen habe. Hut ab vor diesen jungen Menschen und ihren Glaubne an die Zukunft. Alle anderen Parteien sehen dagegen richtig alt aus. Wie Jan van Aken, einer der beiden Vorsitzenden neben Heidi Reichinnek, vorhin sagte (das haben wir unterschlagen): Diese Partei hat sich fast explosionsartig verjüngt, auch durch viele neue Mitglieder. Damit kann man für die nächsten Jahre arbeiten und noch mehr daraus machen.
Auch der Fraktionsvorsitzene der FDP, Dürr, pflegt den Opfermythos. Meine Interpretation: Die FDP hatte gehofft, dass ihr das Ampel-Aus bei der marktradikalen Kernwählerschaft so massiv hilft, dass sie dadurch wieder sicher ins Parlament kommt, was ihr bei einer regulären Wahl im September vermutlich nicht gelungen wäre. Mal sehen, ob die Wette aufgeht. Auf jeden Fall war dies sehr wohl vor allem eine kalkulierte Entscheidung für die eigene Partei und für bestimmte Partikularinteressen, nicht für Deutschland. Denn jetzt hatten wir monatelang weitgehenden Stillstand, anstatt eine Regierung, die es anständig zu Ende bringt. Eine Pro-Deutschland-Haltung hätte außerdem bedingt, dass Lindner seinen vorgeblichen Fetisch Schuldenbremse für Deutschland mit den anderen zusammen an die Lage anpasst. Das wird nämlich jetzt sowieso kommen, auch, wenn die FDP in einer „Deutschland-Koalition“ landen sollte, aber eben verzögert, und die Zeit rennt davon.
Und natürlich die FDP-Aktienrente als weiterer Kapitalisierungsturbo. Dies mit einem US-Präsident Trump, der gerade Ketten in Gang setzt, die einen gewaltigen Aktiencrash auslösen könnten, nach dem die Märkte jahrzehntelang brauchen könnten, um wieder ihr jetziges, ohnehin von den Fundamentaldaten total entkoppeltes Niveau zu erreichen. Schön, dass gerade eine Grafik zu den Kompetenzwerten kommt. Die FDP als „kompetenzarme Zone“, auch und gerade in der Wirtschaftspolitik, wie Jörg Schönborn sagt.
Bisher haben die FDP-Leute und Habeck heute Abend den meisten Hokuspokus von sich gegeben oder am wenigsten performt.
Dass die AfD mit Chrupalla hingegen sagt, die zweitstärkste Kraft muss an der Regierung beteiligt werden, gehört zum politischen Geschäft. Zu Recht wurde er vom Moderator darauf hingewiesen, dass die CDU als zweitstärkste Kraft des nun beendeten Bundestages auch in der Opposion war. Wie während der gesamten Geschichte der BRD dieses Wechselspiel stattrfand, von den Großen Koalitionen abgesehen. Es ist auch wichtig in einer Demokratie, dass nicht alle komplett austauschbar miteinander kungeln.
Die AfD ist im Osten stärkste Kraft geworden. Das war zu erwarten. Aber da drei Viertel der Wahlberechtigtenim Westen leben, muss das Ergebnis auch dort gut zweistellig gewesen ein, überschlägig betrachtet. So dramatisch ist das vielleicht gar nicht, weil es auch bedeutet, dass der Westen weiterhin einigermaßen stabil geblieben ist. Darauf können wir uns verlassen, und vielleicht wird sich bald totlaufen, mit AfD wählen Proteststürme erzeugen zu können. Den Status einer Protestpartei hat sie für mich ohnehin schon verloren, seit sie von Merz eingeladen wurde zum Mitmachen bei Abstimmungen und die Union und die AfD dabei kollaboriert haben.
17:00 Die Wahlberichterstattung von ARD und ZDF beginnt.
Ich hatte überlegt, ob wir die Grafiken der ARD abfotografieren sollen, aber vorerst nicht, wir referieren die wichtigsten Zahlen.
- Nie zuvor gab es vor Wahlen so viel Beunruhigung und so wenig Zuversicht: 83 zu 12 Prozent.
- Migration, wirtschaftliche Lage, bewaffnete Konflikte liegen bei den Sorgenbringern ganz vorne (28/27/20 Prozent).
- Wie üblich gibt es die riesige Diskrepanz zwischen der Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen und der persönlichen wirtschaftlichen Lage, die nicht einfach dadurch erklärt werden kann, dass die Menschen Angst haben, dass es nicht so gut bleibt. Nach miner Ansicht ist dies ein Thema für Psychologen, esmit Abspaltung zu tun hat. Vielleicht bin ich durch die Berliner Verhältnisse etwas geprägt und sehe objektiv keine über 80 Prozent Menschen, denen es wirtschaftlich gutgeht, aber da liegt auch etwas wie die eigene Situation beschönigen und relativieren vor, damit es nicht zu tief geht.
- Soziale Sicherheit und Klima / Umwelt sind in der Prioritätenliste der Menschen weit zurückgefallen. Das ist fatal für die Zukunftssicherung, aber nur Menschen mit viel Kapazität in jeder Hinsicht konnten in diesen Dingen während der letzten Jahre Kurs wahren.
- Die Ampelregierung war die unbeliebteste, seit solche Daten erhoben werden – Beliebtheitsgrad 17 zu 82 nach dem Aus. „Ein vernichtendes Urteil“ ohne historisches Beispiel, lautet das Urteil des erfahrenen ARD-Datenexperten Jörg Schönborn.
- Bei der SPD haben sie tatsächlich Angst, hinter die Grünen zurückzufallen, obwohl diese nach Umfragen nur mit durchschnittlich etwas über 13 Prozent in den letzten Wahlumfragen.
- Die Beliebtheitswerter der führenden Ampelpolitiker Scholz, Habeck und Lindner haben sich seit 2021 quasi halbiert. Das ist bisher in Deutschland ebenfall einmalig. Aus einem Regierungsbonus, den es üblicherweise für Amtsinhaber gibt, wird dieses Mal ein Malus.
- Die Grünen wollen unbedingt mitregieren, auch wenn das unter Merz die Grünen zerstören könnte, wenn sie quasi nichts umsetzen können, was ihnen wichtig ist. von der CDU in Bayern kommt dann: gerade dies nicht. Das Mitregieren der Grünen ist gemeint.
- Vor dem AfD-Veranstaltungsort eine kleine Gegendemo. #Wirsindmehr war gestern. Eigentlich vorgestern.
- Die Grafik, die über die Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete Auskunft gibt, ist mittlerweile ein Deaster, die Ablehnung geht seit 2014 ständig nach oben. Ganz sicher sind nicht nur AfD-Wähler:innen an der Gestaltung dieser Kurve beteiligt.
- Merz erhält inhaltlich für seinen Fünfpunkte-Plan, den wir auch schon besprochen und für, vorsichtig ausgerückt, so nicht durchführbar angesehe haben, überwiegend Zustimmung, aber seine Eignung als Kanzler wird weitaus kritischer gesehen, ebenso wie seine Fähigkeit, das Land durch eine Krise zu führen (64/43/39). Einige merken schon, dass zwischen Ansicht und Ausführung eine Diskrepanz liegen könnte.
- Merz‘ Werte sind insgesamt etwas gestiegen, aber nur, weil er im eigenen Lager gepunkt hat, das Ergebnis bei den Anhängern aller anderen Parteien, also auch jenen, mit denen er koalieren muss, ist ein weiteres Desaster an einem Abend mit vielen schrecklichen Zahlen über Politiker in diesem Land.
- Die Linke konzentriert sich im Grunde auf Themen, die sie immer schon im Programm hatte, aber der Stil hat sich offenbar geändert, sie dringt damit wieder mehr durch und braucht vielleicht nicht mehr so viele alte Promis. Sicher haben die aber auch geholfen.
16:00. Wahlbeteiligung: Hier die aktuellsten Zahlen. Um 14 Uhr lief es auf ein sagenhaftes Plus von 16 Prozent gegenüber 2021 hinaus (52 zu 36).
Wenn tatsächlich im ganzen Land die Wahlbeteiligung um 14 Uhr so weit über der von 2021 lag, müsste ja ein Ergebnis von 90 Prozent am Ende stehen. Oder alle, die wählen wollten, waren früher dran als bei der damaligen Septemberwahl, haben es gar nicht abwarten können, ihre Sitmme abzugeben. Leider steht nicht dabei, ob dabei auch Briefwähler berücksichtigt sind und ob es jetzt schon möglich ist, sie zu berücksichtigen. Ich vermute, eher nicht, denn es ist ja immer von jenen die Rede, die im Wahllokal waren, um ihre Stimmen abzugeben.
15:00 Hier etwas, das extrem gut z um Thema unten von vor einer Stunde passt und es in einem größeren Zusammenhang stellt: Das Erfolgsrezept der AfD ist die Extreme Mitte. Die „Mitte“ sind die wahren Extremisten?
So, wie sie in dem Artikel beschrieben werden, auf jeden Fall. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich mich in ähnlicher Richtung geäußert habe. Das gibt es auch eine Schlagseite im Kampf gegen rechts: Wer die sozialen Umstände nicht als generisch für diesen Rechtsruck mitdenkt, denkt zu kurz. Gesellschaften werden nicht dadurch so, dass sie so glücklich sind. Ich habe es weiter unten beschrieben, auch der Zeitpunkt der Wende zum Neoliberalismus stimmt fast exakt überein.
Das heißt aber auch, die echte soziale Marktwirtschaft war nur eine kurze Episode in der Geschichte.
Wenn wir nicht endlich ernsthaft dagegenhalten, ist das so. Ich tausche mich im Moment mit Menschen aus, die sagen, wir müssen das klein und von unten aufbauen. Ich halte ein Scheitenr von solidarischen Strukturehn für leider sehr wahrscheinlich, weil ihr Erfolg sofort Druck seitens einer entarteten herrschenden Klasse erzeugt. Im Grunde müsste man im Tarnanzug gehen und es wie x-beliebiges Business wirken lassen, das in Wirklichkeit deinen wirtschaftsdemokratischen Ansatz hat, wenn man ernsthaft etwas bewegen wollte. Das genaue Gegenteil einer revolutionären Situation. Jede Solidarität ist mittlerweile Untergrundarbeit.
14:00 In Berlin lag die Wahlbeteiligung um 12 Uhr fast 8 Prozent höher als 2021 (33 gegenüber 25,4 Prozent).
Hier noch ein paar Anmerkungen zur Stimmung und zur Wahlbeteiligung: „Trotzdem deutet, wie bei den vorangegangenen Wahlen, alles auf eine hohe Beteiligung hin. Die Wählerinnen und Wähler spüren den Druck der Probleme, sie wollen verantwortlich mit ihren Stimmen umgehen und sind deshalb häufig unsicher mit ihrer Entscheidung.
In der Woche vor der Wahl sehen 83 Prozent der Befragten mit Beunruhigung auf die Verhältnisse im Land, nur 12 Prozent mit Zuversicht. Eine ähnlich pessimistische Grundstimmung wurde zuletzt vor über 20 Jahren gemessen.“ (Quelle).
Vor über 20 Jahren, das war, als ein gewisser Proto-Disrupteur namens Gerhard Schröder das Land erstmals nach dem letzten Krieg so richtig in die Spaltung trieb. 2005 verlor er dann die Wahl trotz seiner gewaltigen Beiträge zur Zukunftssicherung durch die Einrichtung eines Sektors für Armutslöhne gegen ein Mauerblümchen namens Angela Merkel, jener bis dahin größte Menschenverächter im Kanzleramt.
Adenauer soll auch nicht gerade ein Menschenfreund gewesen sein.
Adenauer hat den Menschen vor allem nicht vertraut. Das halte ich für nachvollziehbar, nach den damals ganz frischen Erfahrungen der NS-Zeit. Außerdem sieht man ja jetzt, wie „die Leute“ wählen, wo mal nicht mehr alles wie von selbst läuft. Adenauer hat die CDU groß gemacht. Schröder war ein knallharter Sozialdarwinist, von dem sich die Sozialdemokratie bis heute nicht erholt hat. Das ist schon auf zwei wichtigen Ebenen nicht gerade das Gleiche, es gibt noch mehr Unterschiede.
Schröder lebt noch.
Aber es geht ihm schlecht. Wir haben mal etwas zusammengetragen:
Gerhard Schröder sollte vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommern zur Klimastiftung und Nord Stream 2 aussagen. Der ehemalige Bundeskanzler war als Zeuge geladen, um Fragen zum Einfluss Russlands auf das Handeln der Landesregierung in Schwerin und zur Rolle der Klimastiftung bei der Fertigstellung der russischen Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu beantworten.
Schröder sagte seine Aussage, die ursprünglich für den 24. Januar 2025 geplant war, kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen ab. Später wurde bekannt, dass er an einem schweren Burn-out-Syndrom leidet und sich in klinische Behandlung begeben hat. Ein Arzt attestierte ihm eine „tiefgreifende Erschöpfung und stark ausgeprägten Energiemangel“ sowie Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, Schlafstörungen und eine verringerte emotionale Belastbarkeit.
Aufgrund seines Gesundheitszustands wird Schröder auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen. Ein für den 7. März angesetzter Ersatztermin wird ebenfalls nicht wahrgenommen werden können. (Zusammengefasst von Perplexity)
Ist das nicht ein Jammer? Er wirkte immer so kraftvoll und energiegeladen.
Ich bin auch tief erschüttert. Das hat er davon, dass er andere jahrelang ausgepowert hat, jetzt hat es ihn selbst erwischt. Ausgerechnet, just, als er vor einem Ausschuss aussagen sollte. Das Leben kann grausam sein. Kein Mensch sah es ihm zuvor an. Dieser Burnout wird vermutlich exakt so lange dauern, wie der Ausschuss arbeiten wird. Das kann für Schröders Privatversicherung noch teuer werden.
War da nicht was mit Nord Stream 2?
Auch Kanzler Scholz wird ja gerne mal vor Ausschüsse geladen, weil er in alle möglichen Sachen verwickelt war, um es in der Vergangenheitsform auszudrücken. Im Moment wird spekuliert, was geschehen wird, wenn Trump und Putin sich über die Ukraine einigen und die Russen als Bestandteil dieser Einigung auf einer Untersuchung des Vorfalls Sprengung von Nord Stream 2 bestehen. Dann werden sich ermutlich einige aus der Ampelregierung glücklich schätzen, nicht mehr im Amt zu sein. Auch Scholz, der große Schweiger mit den immer genau in leider wichtigen Momenten auftretenden Erinnerungslücken. Er weiß nicht einmal mehr, mit welchen Bankern er sich in Sachen Cum-Ex getroffen hat.
Da werden aber auch die USA wohl nicht gut aussehen, den Anschlag auf Nord Stream 2 betreffend, das muss Trump bedenken.
Trump denkt vor allem daran, wie er nach seiner eigenen Wahrnehmung selbst aussieht. Wenn sich herausstellen sollte, dass die vorherige Biden-Administration von der Spregungsabsicht wusste oder sogar in die Sache involviert war, dann kann er den Demokraten noch richtig eins mitgeben, und es passt genau in seine Erzählungen über die korrupten alten USA vor seinem reinigenden zweiten Machtantritt. Wäre günstig für ihn, wenn eine so gestaltete Wahrheit kurz vor den Midterms aufpoppen würde. In diesem Fall wäre das Bashing der Demokraten sogar berechtigt. Es würde zum Beispiel zeigen, dass Trump nicht der erste und einzige ist, der rüde mit Verbündeten wie Deutschland umgeht. Das sage ich, obwohl ich gewiss kein Trump-Fan bin.
Das heißt, man hält Informationen zurück, um die Unterstützung der Ukraine nicht zu gefährden?
Ich bin auch kein Putinfreund, aber ich fand es immer unlogisch, dass er diesen Anschlag hat selbst ausführen lassen, wie einige es mühevoll zusammenkonstruiert haben.
Das sind alles Demokratieschäden, die mutwillig verursacht werden. Dieser beständige Verdacht, von hochrangigen Politikern hinter die Fichte geführt zu werden, nagt an der Substanz dieses Systems. Auch die Ampel hat die Demokratie nicht wirklich gut geschützt. In vielerlei Hinsicht, aber die Aspekte kann ich nicht schon wieder alle aufzählen. Im Fall Schröder, auf den wir uns assoziativ zubewegt hatten, bot es sich an, eventuelle Auswirkungen der neuesten Tendenzen zu besprechen. Hier diejenige, dass der Ukrainekrieg bald enden könnte – zu welchen Bedingungen auch immer –, und dass dies bei uns zu heiklen Erkenntnissen führen könnte.
13:30. Die Wahlbeteiligung könnte höher ausfallen als im Jahr 2021, als sie bereits die höchste seit 2005 war.
In vielen Regionen haben nach einem schleppenden Auftakt mehr Menschen ihre Stimme abgegeben als 2021. Die Briefwählenden sind dabei nicht mitgerechent, ihr Anteil wächst bekanntlich von Wahl zu Wahl.
12:30. Derweil scheint der Demokratie-Totalschaden in Österreich erst einmal abgewendet. FPÖ-Chef Kickl wird nicht Kanzler werden. Vorbild für die nun folgenden Koalitionsverhandlungen in Deutschland?
Hoffentlich nicht. Erst haben sich ÖVP, SPÖ und die anderen nicht gegen die FPÖ zusammenraufen können, dann hat es mit der ÖVP und der FPÖ auch nicht geklappt, jetzt der zweite Anlauf der sozusagen Volksfront gegen ganz rechts. Man müsste sich die Positionen der dortigen Parteien mal genauer anschauen, ob die auch alle so nach rechts gewandert sind wie hier, aber die FPÖ war bei den letzten Wahlen schon stärkste Partei und ist viel länger etabliert und tiefer im System verwurzelt als die AfD, im Grunde schon seit der Zeit von Jörg Haide in den 2000ern, der sie nach rechts getrieben hat. Damals gab es in Deutschlandn noch gar keine relevante ganz rechte Partei.
Eine Bewegung, die die FDP übrigens nachvollzieht, aber um auch so zu wachsen wie die FPÖ nach diesem Wandel, ist leider die AfD im Weg. Der Platz des Originals ist jetzt besetzt, und die Union wird sich noch wundern, wie es ihr bei kommenden Wahlen schaden wird, dass sie vesucht hat, von der AfD abzuschreiben. Aber vielleicht haben einige ihrer Politiker schon ein Ticket für einen Wechsel zur AfD in der Schublade und verhalten sich deshalb bewusst so, dass sie nicht nur das Land, sondern auch ihre Partei spalten. Die AfD braucht nur noch etwas mehr Hoffähigkeit bei den eher elitären Rechten aus dem Erbmilliardärswesen und den Konzernen, die sich immer so zieren, wenn es darum geht, direkt zuzugeben, was sie von der Demokratie halten. Es drückt sich aber in ihren Forderungen gegenüber der arbeitenden Bevölkerung gut aus.
Dass da AfD drinsteckt, wird nicht direkt gesagt, es gibt noch ein schmales Deckmäntelchen. Die AfD weiß schon, warum sie diesen Leuten buchstäblich das Blaue vom Himmel verspricht. Wenn das auch bei den verkappteren Snob-Rechten transportfähig im Sinne von offen propagierbar geworden ist, kann die Union im Grunde weg. Von einem christlichen Ansatz ist sie jetzt schon so weit entfernt wie vom Mond. Dieses C im Namen wird immer peinlicher.
11:30. Und hier noch einmal Infos zum Wahlkampfabschluss mit ein paar aufschlussreichen Einlassungen. Was sagen wir den Unentschlossenen, nachdem wir es schon hinter uns haben, das Wahllokal?
Gehen Sie bitte wählen und denken Sie daran, dass rechter Populismus noch nie Probleme gelöst hat! Schauen Sie sich die Leute an, die zur Wahl stehen. Wem vertrauen Sie wirklich?
Was mir gerade so einfällt, bei dem Stichpunkt: Wir haben dermaßen oft Wahlen, allein im letzten September drei Landtagswahlen im Osten. Zwei davon wenigstens am selben Tag. Und dann gibt es noch die vielen Kommunalwahlen. Ich halte die Idee für überlegenswert, dass man die Termine der Landtagswahlen zu einem zusammenfasst. Das würde für einmal ungleich lange Legislaturperioden bedeuten, bis man es so eingerichtet hat. In Deutschland ist ständig Wahlkampf, während die Autokraten dieser Welt ungestört vor sich hin regieren, manipulieren und strategisch unterwegs sein können. Diese Zusammenfassungslösung wäre kein Verlust an demkratischer Legitimität, aber viel effizienter als das jetzige System, auch wenn es auf den ersten Blick spannend sein mag, ständig über Wahlen zu berichten.
Und damit könnte man den Mangel an Strategie beheben?
Der Mangel an strategischem Denken in Deutschlands Politik hat viele Ursachen, eine davon ist sicher der permanente Wahlkampmodus, der die Sicht auf längerfristige Aufgaben versperrt und Opportunismus fördert. Das ist wie mit Unternehmen, die nur an die nächsten Quartalsergebnisse denken, um die Aktionäre zu befriedigen, damit sie an der Börse performen und nicht eins aufs Dach von den Anteilseignern bekommen – anstatt langfristig planen zu können, was auch einschließen würde, dass man in Phasen großer Zukunftsinvestitionen einen schmäleren Gewinn hat, dafür aber auch in zehn Jahren noch sicher am Markt sein wird.
11:10. Hier gibt es seriöse Infos mit allen wichtigen Daten und Fakten zur Wahl:
- ARD-Tagesschau: Was bei der Wahl heute wichtig ist.
- ZDF: wichtiges Wahlwissen und nützliches Wahlwissen.
10:40. Noch einmal neue Trends: Die Wahlkreisprognose.
- Union: 29,0 (-1)
- AfD: 21 (+1)
- SPD 15 (-1)
- Grüne 13
- Die Linke 8 (+1)
- BSW 3 (-1)
- FDP 5
Der Ost-West-Gegensatz könnte krasser nicht sein. Der Osten ist fast komplett-AfD-blau. Gegensatz allerdings ist auch wieder relativ, denn der Westen ist weit überwiegend schwarz, und so weit liegen die beiden Parteienformationen ja nicht mehr auseinander, inhaltlich. Und: Viele Unionswahlkreise im Westen gelten als gesichert für die Schwarzen, während die Mehrzahl der Ost-Wahlkreise für die AfD noch nicht als eingetütet gilt – laut Grafik. Die Linke gewinnt wahrscheinlich zwei Wahlkreise, ein dritter könnte hinzukommen. Unglaublich, wie schwach die SPD mit nur einem sicheren Wahlkreis nach dieser Prognose dasteht.
Aber: Olaf Scholz liegt in seinem Landkreis Potsdam-Mittelmarkt gut vorne, mit einer Prognose von 55 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit.
Die Linke wird vermutlich sogar mehr Direktmandate holen als 2021, als sie genau jene drei erreichte, die dafür notwendig waren, um trotz der knappen Verfehlung der 5-Prozent-Hürde (Ergebnis: 4,92 Prozent) wieder in den Bundestag einzuziehen:
Mittlerweile gehen die Umfragen davon aus, dass die Linke diesmal deutlich mehr als fünf Prozent bei der Bundestagswahl erreichen wird. Laut den Zahlen von „election.de“ dürften allerdings auch die drei Direktmandate sicher sein: Demnach sind Siege für Gregor Gysi (Berlin-Treptow-Köpenick) und Sören Pellmann (Leipzig II) sehr wahrscheinlich. Zudem soll der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow mit 62 Prozent Wahrscheinlichkeit in Erfurt – Weimar – Weimarer Land II gewinnen und die Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner mit 60 Prozent Wahrscheinlichkeit in Berlin-Lichtenberg. (Indirekte Quellenangabe).
Das BSW ist nach der Wahlkreisprognose chancenlos, die drei Prozent sind der niedrigste Wert, den wir bisher gesehen haben, seit die Partei gegründet wurde. Die FDP könnte es aber schaffen. Seien Sie ein netter Mensch, verhelfen Sie ihr nicht dazu, dass wir wieder Leute wie Lindner und Kubicki auf diesen blauen Sitzen sehen, mit der AfD und der CDU/CSU werden wir schon Rechte zuhauf ertragen müssen. Und verschenken Sie nicht ihre Stimme. Was wir heute gesehen haben, als wir gewählt haben:
Das BSW hat es nicht geschafft, in unserem Wahlkreis eine:n Direktkandidat:in aufzustellen, obwohl fast alle früheren Funktionsträger der Linken im Bezirk dorthin gewechselt sind, wohingegen wir von dem Direktkandidaten der Linken erstmals auf einem Wahlplakat gelesen haben. Das ging uns bei den Kandidat:innen der Grünen, der FDP und der SPD auch so, aber von der Linken und dem BSW haben wir eine etwas tiefere Kenntnis. Mit sich abschwächender Tendenz, mangels direkter Kontakte in letzter Zeit. Und bei der SPD ist Kevin Kühnert ausgefallen, das schwächt ihre Chancen und leider sieht die Wahlkreisprognose den CDU-Direktkandidaten, wie erwartet, mit Abstand vorne (67 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit).
10:30. Scholz will als einfacher Abgeordneter im Bundestag bleiben, wenn er die Wahl verliert.
Ich gehe auch davon aus, dass er die Koalitionsverhandlungen der SPD mit dem Mini-Trump nicht mehr führen wird und nicht Minister unter Merz werden wird. Wie es frühere Kanzler und die eine Kanzlerin gemacht haben, steht auch in dem Artikel. Ich glaube, wenn ich mal Kanzler gewesen wäre und abgewählt wurde, hätte ich keine Lust auf hintere Bank. Kohl hat es aber so gemacht, Scholz will es auch so halten.
10:10. Merz, der Mini-Trump, heißt es in diesem Artikel, bezogen auf SPD-Aussagen.
Wenn Deutschland die Power der USA hätte und Merz die Power eines Präsidenten in diesem System, dann würde er die gleiche Politik machen. Das ist mir nicht erst seut heute und diesem Artikel geläufig. Diese Leute sind hochgefährlich für die Stabilität der Demokratie. Dieser Mensch wird das Land nie einen, das will er auch garnicht. Genau, wie Trump auch als Präsident weiter polarisiert und bereits Minderheiten und Schwächere massiv angreift.
Man darf gar nicht erst davon ausgehen, dass Merz glaubt, ein Kanzler muss für alle da sein, das ist ein Idealbild, das der neuen ganz rechten CDU fern ist. Ich glaube auch nicht, dass Merz nach dem Wahlkampf plötzlich ein Staatsmann wird. Die Leute müssen dringend aufpassen, wen sie da wählen. Schwächere, Minderheiten, die normalerweise durch eine Demokratie geschützt werden, werden dem sogenannten Mehrheitswillen geopfert, wie schon einmal in Deutschland. Auch wenn es nicht zu Millionen von Toten dadurch kommen wird. Es sei denn, wir werden durch diese Politik auch in den Krieg hineingezogen. Ausschließen kann man das nicht.
Wer nach den Vorfällen im Bundestag vom 29.01 und 31.01. noch nicht glaubt, dass Merz die Verfassung aushöhlen will, der hat Probleme mit seinen Ohren, hat die laut schallenden Alarmglocke noch nicht gehört.
10:00. Machen wir auch heute den Umfragencheck gemäß Zeit-Panel?
Es gibt tatsächlich wieder neue Umfragen, seit gestern, die das Bild leicht verändert haben. In Klammern die gestrigen Werte.
- Union: 30,0 (30,0)
- AfD: 20,5 (20,5)
- SPD 15,3 (15,4)
- Grüne 13,2 (13,2)
- Die Linke 7,0 (6,8)
- BSW 4,4 (4,4)
- FDP 4,3 (4,3)
Erstaunlich, wie die Linke im Moment jeden Tag zulegt. Die Veränderung sind natürlich nicht riesig und betreffen nur die SPD und die Linke. Ich lerne immer noch hinzu. Das INSA-Institut, mit dem die Springerpresse arbeitet, hat wohl einen Merger hinter sich und heißt mit vollem Namen INSA-Consulere. INSA steht für Institut für Neue Soziale Antworten. Na bitte. Aus den Umfragen ergeben sich indirekt Antworten, wenn sie sich am Wahltag als richtig erwiesen haben.
09:30. Es wird viel versprochen und behauptet, im Wahlkampf, was nicht ganz oder gar nicht stimmt. Hier eine kleine Zusammenfassung (Berliner Tagesspiegel, abgeleitete Quelle).
Wenn man da noch die Behauptungen und Versprechungen auf den Wahlplakaten hinzunimmt, die wir gestern und vorgestern angeschaut haben, wird es dramatisch. Wir wollten ja noch einmal ergänzen, wenn die Zeit dafür ausreicht, und da wir heute schon so früh wählen waren, links haben wir wieder eines abgebildet. In einer Sache macht allerdings kaum jemand die wahre Rechnung auf.

Bei den Ukrainehilfen muss man auch die wirtschaftlichen Schäden einrechnen, die hierzulande durch die gegebene Handhabung dieses Krieges entstanden sind, dann kommt man sehr wohl auch in Relation zum BIP auf einen europäischen Spitzenwert. Was auch nie jemand berücksichtigt: Bei den massiven Hilfen seitens der EU ist Deutschland wieder dabei, und zwar an erster Stelle. Das ist keine Aussage darüber, ob diese Hilfe gerechtfertigt ist, nur eine Feststellung. Man soll diese Hilfe nicht immer so kleinrechnen. Manche Medien rechnen nicht einmal die Kosten für 1,2 Millionen Geflüchtete ein. Das Gesamtpaket aus Hilfen und ökonomischen Nachteilen beläuft sich mittlerweile auf über 100 Milliarden Euro. Konservativ geschätzt.
Jetzt aber bitte zu dem Wahlplakat.
Wir bilden ja immer alles ab, aber hier geht es nicht um den freundlichen Grünen-Politiker, sondern um den düster schauenden Menschen darüber, der uns sagen will, der macht sich Sorgen über die Schulden der Kinder. Dieser Mann ist ein Disruptions-Politiker. Er hat die Ampel disruptiert und will den gesamten Staat handlungsunfähig machen. In der Tat, die Kinder werden es abbekommen, wenn weiterhin die FDP Investionen in Bildung und Infrastruktur verhindert.
Die Zukunftsschäden für das Land werden in die Billionen gehen, wenn jetzt nicht Milliarden in die Hand genommen werden. Entziehen können sich diesem Desaster nur die Reichen, die alles privat organisieren können. Jetzt auf der Schuldenbremse zu bestehen, ist nicht verfassungsgemäß, sondern verfassungswidrig auf einer höheren Ebene: Die Chancengleichheit und die allgemeine Handlungsfreiheit, die Freiheit der Berufswahl und sogar die Menschenwürde werden mit Füßen getreten, wenn man alles so weiterlaufen lässt wie bisher und gezielte Zukunftsinvestitionen verhindert. Auch in der Union gibt es viele, die diese Disruptionspolitik à la wir trocknen den Staat aus fahren möchten. Sie wissen genau, dass viele dann der Demokratie als System die Schuld geben werden und nicht den Politikern, die diese Demokratie im Verein mit dem Kapital gerne loswerden möchten, denn ohne Schutz durch den Staat und ohne Demokratie hat das Kapital endgültig freie Bahn, um mit uns zu machen, was es will. Diese Gründe hinter vorgeblichen Hausfrauen-Spins von der FDP müssen unbedingt gesehen werden.
Dabei sind es nicht einmal Hausfrauen-Spins. Zumindest nicht, wenn die Hausfrau mit ihrem Mann zusammen in ein eigenes Haus investiert. Zukunftsinvestition mit Schulden in der Gegenwart.
Genauo so ist es. Das Beispiel mag ich nicht besondrs, weil dieses eingezäunte Eigentum mit die Wurzel allen Übels ist. Es macht Menschen konservativer und politisch träger. Der Witz ist, die Rechten kriegen es nicht mehr hin, es zu fördern, immer weniger Menschen können sich neues Wohneigentum leisten. Mancherorts sinkt die Eigentumsquote sogar und immer mehr freidrehende Großwohnkonzerne, die Rendite an Kapitaleigner in aller Welt abliefern müssen. Dafür werden die Mieten ständig hochgetrieben, anstatt wenigstens in die Häuser konsequent zu investieren, bestimmen das Bild. Das gefällt den Rechten von FDP, CDU, AfD noch viel besser als das konservative Kleineigentum, das Menschen ja bis zu einem gewissen Grad auch unangreifbar macht.
08:16 / 08.31. Gewählt. Wieder am Schreibtisch.
Es war schon einiges los, alle Kabinen waren besetzt, als ich ins Wahllokal kam. Aber keine Schlange. Die Basis-Selbstermächtigung eines Menschen in der Demokratie ist vollzogen. Und gleich eine inständige Bitte: Gehen Sie wählen! Es ist so wichtig. Jetzt oder nie, sonst wird das »Nie wieder« bald Geschichte sein. Und ich habe einen dummen Fehler gemacht.
Oh, oh. Einen Kommentar dazu geschrieben, weil wir ja immer kommentieren? Das darf man auf einem Stimmzettel nicht. Oder beim Ankreuzen vertan?
Kann man so sagen, wenn auch nicht im Sinne von sich verschreiben bzw. in der Zeile verrutschen. Es sind ja zwei Kreuze gewesen. Und eines war tatsächlich … Mannomann! Ich hätte dieses Mal zwischen Erst- und Zweitstimme splitten müssen. Ich glaube nicht, dass der Kandidat / die Kandidatin der Partei, der ich beide Stimmen gegeben habe, Chancen auf das Direktmandat in meinem Berliner Wahlbezirk hat. Die Erststimme hätte ich jemandem geben müssen, der mehr Aussichten auf den direkten Einzug in den nächsten Bundestag hat, um dabei zu helfen, diesen CDU-Kandidaten zu verhindern, über den wir hier geschrieben haben. So ein taktischer Fehler darf mir nicht passieren. Macht der Gewohnheit. Ich habe noch nie gesplittet. Nicht einmal bei der Steuer. Stundenlang am Tag über Politik nachdenken, und dann so ein Anfänger-Lapsus.
Gefängnisstrafe gibt es dafür nur, wenn es wirklich an dieser einen Stimme gelegen hat, dass die Mission »Rechtsruck verhindern« gescheitert ist. Außerdem hat der gemeinte Unionskandidat einen sicheren Listenplatz.
Es ist eine Frage der Ehre, so jemandem nicht indirekt zu helfen. Ich kann nur meine eigene Stimme ernst nehmen und sie als wertvoll ansehen, was andere tun, darauf habe ich bedauerlicherweise keinen Einfluss.
Und der Wahlberliner?
Bisher weiß ich von genau einer Person sicher, dass ihr meine Artikel bei der Wahlentscheidung geholfen haben, außer mir selbst. Ich habe mich in die Entscheidung hineingeschrieben.
Wie wär’s mit einem Podcast auf TikTok?
Ab nächster Woche. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Quatsch. Der Aufwand dafür ist ja nicht von Pappe, und ein paar Zeilen schreiben ist nun einmal leichter, das kann man nachmittags oder am Abend ohne größere Vorbereitung, falls kein Rechercheaufwand anfällt. Aber man soll wirklich niemals nie sagen. Wer weiß, was man noch alles tun muss, um die Demokratie zu retten.
Auf die Barrikaden gehen, wie Frau Reichinnek.
Ich hoffe wirklich, die Linke schafft es, im Bundestag zu bleiben. Zur Demokratieverteidigung reicht das zwar nicht aus, aber es gibt wenigstens einen Anker der Hoffnung in diesem Parlament, das auf jeden Fall einen Rechtsruck sehen wird. 10 Prozent mehr für die AfD, 5 Prozent mehr für die Union als letztes Mal, dafür 5 oder 6 Prozent weniger für die FDP, grob geschätzt. Das ist ein Plus von 9 bis 10 für die Rechte. Von wegen die Zeichen stehen auf Rot-Rot-Grün, wie jetzt in einigen Artikeln zu lesen ist. Das ist Clickbait-Tünkram. Wir machen mal eine kleine Pause, der zweite Kaffee ruft.
7:00. In einer Stunde öffnen die Wahllokale.
Schlafstörungen wegen einer Wahl, das hat es auch noch nie gegeben.
Wirklich wegen der Wahl?
Schon seit gestern. Aber heute war es wirklich massiv. Da können wir uns auch früh hinsetzen und den Liveticker vorbereiten. Und so früh wie möglich zur Wahl gehen. So früh wie noch nie vermutlich.
Warum die Schlafstörungen?
Ich habe mir noch nie solche Sorgen gemacht. Sicher ist es auch persönlich derzeit trubelig, aber das war eigentlich ganz gut im Griff. Ich möchte auch in den nächsten Jahren in einer Demokratie aufwachen. Eigentlich für immer. So viele Jahre war alles, was jetzt läuft, unvorstellbar. Ich glaube, man muss schon eine Zeitlang dabei sein, um zu vollständig begreifen, dass alles, was dieses Land lebenswert gemacht hat, in großer Gefahr ist.
Wann war die Gefahr erkennbar?
Das kann ich für mich ziemlich genau datieren. Es war noch vor der Bundestagswahl 2021, im Februar 2020. Als in Thüringen die FDP plötzlich einen Ministerpräsidenten stellte, der von der CDU und der AfD gewählt wurde. Danach starteten wir unsere Serie“Diskursverschiebung nach rechts«, vier Artikel gab es dazu. Und jetzt geht alles so schnell.
Der Eindruck kommt aber wohl auch von den Ereignissen in den USA.
Das spielt natürlich eine große Rolle. Wir sehen in Echtzeit, was hier auch passieren könnte. Nicht so schnell, aber auch unsere Institutionen sind nur so gut, wie sie mit Leben gefüllt werden. Wenn niemand sie verteidigt, möglicherweise nicht einmal ihre Angehörigen, dann ist die Demokratie ganz schnell weg. Besonders das Bundesverfassungsgericht habe ich dabei im Auge. Es wurde zwar bezüglich seiner Verfahren gerade etwas gestärkt, aber was, wenn die ziemlich konservative Besetzung dieses Gerichts das Grundgesetz biegt ohne Ende? Es ist gar nicht so viel anders als in den USA. Seit Jahren schieben die Rechten einen Richter nach dem anderen da rein, der das Gericht konservativer macht. Dazu hatten sie ja eine ewige Regierungszeit. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, besonders im Verwaltungsbereich, ist oft geradezu reaktionär.
Wann hatte die deutsche Demokratie ihren Höhepunkt?
Der Wendepunkt war 1973/74. Gesellschaftspolitisch gab es seitdem natürlich noch Fortschritte, aber Deutschland verliert immer wieder in Schüben an Exzellenz, demokratischem Wagemut, Erneuerungsfähigkeit, Zukunftsorientierung in der Wirtschaft, in der Politik, im Allgemeinen. Die Merkel-Jahre haben endgültig den Boden für das bereitet, was wir jetzt sehen. Die Wähler:innen wollten es so. Das muss man klar sagen.
Deswegen kann man nicht von einer gesunden Gesellschaft sprechen, die in der Lage ist, sich immer wieder selbst neu zu erfinden, wie in anderen Ländern. Dieser Faden ist mit der Nazizeit und im Osten zusätzlich durch die nächste Diktatur gerissen. Das merkt man jetzt erst richtig. Wir haben keinen einzigen Politiker, der dafür steht, wenn es um das Wiedererstarken des Zusammenhalts durch ein fähiges Zukunftsnarrativ geht. Deutschland hat keine Story mehr, seit der Wiedervereinigung, weiß nicht, was es sein will, wo es hinwill. Aber dieses mentale Desaster können wir heute nicht vertiefen.
Man soll andere Länder nicht idealisieren, dort geht es auch nach rechts, oder? Aber zu dieser Jahreszahl: das heißt, es geht seit über 50 Jahren abwärts?
Ich orientiere mich an den Besten. Im Grunde wäre das Potenzial vorhanden gewesen, zu den Besten zu gehören. Zur Jahreszahl: Nicht linear natürlich, aber im Weltvergleich fällt Deutschland seitdem zurück. Wir werden in den nächsten Jahren auch weitere Abstiege in allen wichtigen Indizes sehen. Demokratie, Freiheit, Korruption, alles, was wichtig ist, damit man sagen kann, die Politik ist für die Menschen da, nicht, die Menschen müssen eine nur kleinen Minderheiten dienende Politik durchschleppen. Gerade die Hetzer und Spalter sind die größten Parasiten. Sie saugen Honig aus der Unfähigkeit der Menschen, sich gegen sie zu wehren. Sie besetzen Ämter und Mandate wie ein Schwarm von …
Heuschrecken. Das war vor einigen Jahren mal ein gängiges Bild.
Jedenfalls fressen Sie dieses Land kahl. Der Niedergang der Infrastruktur und der Bildung sagt alles über diese Politiker. Im Grunde ist die Disruption, um ein neues Modewort zu verwenden, schon lange im Gang. Die kleinteiligere Disruption, die die große Disruption vorbereiten soll, wie wir sie jetzt in den USA sehen. Dort schauen sich die Lobbys und rechten Thinktanks ab, was sie hier auch versuchen werden umzusetzen.
Halten wir fest, die Lage ist brandgefährlich, auch brandmauermäßig. Und gehen wir zu den Einzelthemen über.
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