Briefing Wirtschaft, Economy, Plastics, Global Plastic Treaty, Umweltschutz, Vermüllung, Zivilisation, Lobbykratie
Sie haben sicher schon gehört, dass das „Plastik-Abkommen“ gerade gescheitert ist. Wir stellen anhand einer Statista-Grafik dar, wie viel Plastik weltweit produziert wird und erklären im Anschluss, um was es beim Plastik-Abkommen geht.
Infografik: Wie viel Plastik wird weltweit produziert? | Statista

Begleittext von Statista
Die Welt produziert mehr Plastik als jemals zuvor. Das zeigen aktuelle Daten des Wirtschaftsverbands PlasticsEurope. Demnach stieg die Menge des weltweit produzierten Kunststoffs 2023 auf rund 414 Millionen Tonnen – das sind fast zwölf Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Grundlage für all dieses Plastik sind zu über 90 Prozent fossile Rohstoffe wie Erdöl oder Erdgas. Recycelte Kunststoffe spielen dagegen – anders viele Verpackungen im Supermarkt suggerieren – nur eine untergeordnete Rolle, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Zuletzt lag ihr Anteil an der globalen Plastikproduktion bei rund neun Prozent. Und wie sieht es mit Kunststoffen auf Basis biologischer Rohstoffe aus? Mit 0,7 Prozent spielt Plastik aus Stärke- und cellulosereichen Pflanzen wie Mais oder Miscanthus, Ölsaaten oder Holz praktisch keine Rolle.
Zusatzanmerkung
Für 2024 wurde eine weitere Steigerung der Plastikproduktion auf 420 bis 430 Millionen Tonnen prognostiziert.
Informationen zum gescheiterten Plastikabkommen
Nach dem Scheitern des globalen Plastik-Abkommens (englisch oft „Global Plastics Treaty“ genannt) in Genf im August 2025 lässt sich präzise darstellen, was das Abkommen erreichen sollte, wie es dazu kam und woran es letztlich gescheitert ist.
Worum sollte es im Plastik-Abkommen gehen?
Das geplante Abkommen war das bislang ambitionierteste und umfassendste multilaterale Vorhaben der Vereinten Nationen zur Eindämmung der weltweiten Plastikverschmutzung. Über 180 Staaten verhandelten seit 2022, offiziell im Rahmen des sogenannten Intergovernmental Negotiating Committee (INC), mit dem Ziel:
- Die Plastikproduktion global wirksam und rechtsverbindlich zu begrenzen, also das Wachstum des weltweiten Plastikverbrauchs (bis 2060 wird andernfalls mit einer mindestens Verdreifachung gerechnet) einzudämmen.zdfheute+2
- Verbindliche Regeln für Produktdesign und -einsatz: Materialien sollten recyclingfähig und langlebig sein, insbesondere Einwegplastik und besonders schädliche Kunststoffarten sollten eingeschränkt oder verboten werden.wwf
- Verbot und Regulierung problematischer Chemikalien, darunter zahlreiche Schadstoffe wie Bisphenole oder Phthalate, die schwer gesundheitsschädlich sein können und nachweislich in Mikroplastik rund um den Globus, in menschlichem Gehirn wie in männlichen Hoden, auffindbar sind.bund+1
- Global geltende Vorschriften für Recycling, Wiederverwendung und Kreislaufwirtschaft. Der Anteil recycelten Materials an Neuprodukten sollte gesteigert und die Sammelsysteme weltweit verbessert werden.plasticseurope+2
- Verursacherprinzip und erweiterte Herstellerverantwortung: Produzenten von Kunststoffprodukten sollten stärker für die Entsorgung und das Recycling ihrer Produkte verantwortlich gemacht werden.mdr
- Mechanismen zur Überprüfung, Finanzierung und Durchsetzung. Der Vertrag sollte sicherstellen, dass Staaten ihre Ziele und Maßnahmen überprüfen und im Laufe der Jahre verschärfen können.wwf
Relevanz
Die weltweite Plastikproduktion liegt heute bei über 400 Millionen Tonnen pro Jahr und droht sich ohne Gegenmaßnahmen bis 2060 mindestens zu verdoppeln. Weniger als ein Fünftel davon wird recycelt. Der Rest landet auf Deponien, in Meeren, Flüssen und zunehmend auch in der Nahrungskette – mit bislang kaum absehbaren ökologischen und gesundheitlichen Folgen.taz+3
Warum ist das Plastik-Abkommen gescheitert?
- Frontenbildung: Förderländer vs. Umweltschutz-Allianz
- Die EU, zahlreiche Länder des globalen Südens und viele afrikanische, asiatische wie auch mittelamerikanische Staaten forderten ehrgeizige, verbindliche Vorgaben zur Begrenzung von Produktion und zum Verbot giftiger Stoffe.evangelisch+3
- Ein kleiner, aber mächtiger Block von Erdöl fördernden Staaten (Saudi-Arabien, Russland, Iran, teils China) und die USA lehnten eine Begrenzung der Plastik- und Chemikalienproduktion ab. Sie strebten ein deutlich abgeschwächtes Abkommen an, das sich auf Müllmanagement und Recycling konzentriert, aber Produktion und Chemikalieneinsatz kaum limitiert.zdfheute+5
Zugrunde liegt dem Streit der Interessenkonflikt: Raffinerien und Chemiekonzerne suchen nach klimapolitischen Einschränkungen für Öl und Gas neue Absatzmärkte – Plastik gilt als „Plan B“ für fossile Rohstoffe. Die Lobby dieser Industrien hat laut Umweltverbänden massiv Einfluss genommen, um scharfe Regelungen zu verhindern.bund+3
- Politische und technische Knackpunkte
- Das Konsensprinzip: UN-Abkommen brauchen Einstimmigkeit. Die Gruppe der Bremsstaaten konnte das Abkommen daher blockieren, obwohl eine große Mehrheit für ambitionierte Reduktions- und Verbotsziele war.watson+2
- Streit um Reduktionsziele: Die geplanten prozentualen Reduktionen der Neu-Plastikproduktion sowie Zulassungs- und Verbotslisten für Chemikalien waren nicht konsensfähig. Die Gegenkoalition fürchtete wirtschaftlichen Schaden und Arbeitsplatzverluste – und argumentierte, Müllmanagement und Recycling reichten aus.mdr+1
- Finanzierung: Entwicklungsländer pochten auf technische und finanzielle Unterstützung, auch um bessere Sammel- und Recyclingsysteme einzuführen. Auch hier blieben Formulierungen unkonkret oder wurden durch die Blockadestrategie verwässert.watson
- Umfang, Verbindlichkeit, Kontrollen: Während die Mehrheit ein rechtlich verbindliches, mit Sanktionsmechanismen flankiertes Abkommen forderte, wollten die Gegner möglichst lose, freiwillige Vereinbarungen.wecf+2
- Lobbydruck und interne Dynamik
Organisationen wie Greenpeace, WWF und BUND sprechen von „massivem Lobbydruck“ insbesondere der petrochemischen und fossilen Industrie, die mit Arbeitsplatz-, Wohlstands- und Sicherheitsargumenten in vielen Delegationen Einfluss nahm. Gerade in der entscheidenden Phase hat auch die US-Delegation einen äußerst defensiven Kurs gefahren – ein Abgehen von früheren Statements der Biden-Regierung, die noch schärfere Regulierungen befürwortete. Beobachter berichten von zermürbender Verzögerungstaktik und „politischem Poker“, bei dem am Ende die Konsenslösung komplett blockiert worden sei.evangelisch+3
Der Stand nach dem Scheitern und Reaktionen
- Das Scheitern ist formal „vorläufig“: Es ist wahrscheinlich, dass in weiterer Runde erneut verhandelt wird. Ein neuer Termin wurde aber bislang nicht genannt.evangelisch
- Viele Umweltschützer und engagierte Staaten fordern jetzt sogenannte „Koalitionen der Willigen“ – also, dass Vorreiterländer Standards und Regeln unabhängig von einem UN-Abkommen einführen und andere Staaten einladen, sich anzuschließen.wecf+1
- Umweltverbände beklagen, dass die weltweiten Gesundheits- und Umweltfolgen des Plastiks weiter eskalieren könnten und die politischen Prozesse in den UN immer leichter durch wenige große, aber auch durch kleine, aber wirtschaftlich mächtige Staaten ausgebremst werden.taz+3
- Die EU gibt sich enttäuscht, verweist aber auf eigene umweltpolitische Regelwerke (wie Plastikverbote und Recyclingquoten), die weiter verschärft werden sollen.wdr
Fazit
Das Scheitern des globalen Plastikabkommens ist das Ergebnis eines tiefen Interessenkonflikts zwischen Umwelt- und Gesundheitsinteressen einerseits und ökonomischen sowie geopolitischen Interessen der Förder- und Chemieländer andererseits. Der Versuch, die Plastikflut an ihrer Quelle zu begrenzen, ist an der Blockade einer kleinen, aber mächtigen Gruppe gescheitert. Ohne globale Regeln wird sich die Problematik wohl weiter verschärfen. Als nächster Schritt bleibt die Hoffnung auf nationale und regionale Vorreiter – oder einen neuerlichen Anlauf unter anderen Vorzeichen.
Kommentar
Europa produziert nur einen kleinen Anteil des weltweiten Plastikmülls, vor allem große Länder in Südostasien und zunehmend in Afrika kippen eine Unmenge Plastik ins Meer. Aber wenn man bedenkt, wie viel es bei uns schon ist, kann man sich erst richtig vorstellen, welch eine große Gefahr für das Welt-Ökosystem von Staaten ausgeht, die, jeder für sich, ein Mehrfaches an Abfall verursachen wie die gesamte EU. Oben haben wir aber bewusst nur die Produktion in den Blick genommen, unabhängig von den Anteilen der Länder, und die Hintergründe für das Scheitern des Plastikproduktions-Reduzierungsabkommens erläutert.
Wenn man bedenkt, dass nun Staaten wie die USA auch noch anfangen, die Verfeuerung von Öl und Gas anstatt des weiteren Ausbaus erneuerbare Energien wieder zu favorisieren, kann man festhalten: Ob die Menschheit sich nun durch Kriege vernichtet oder durch den Zusammenbruch jedweder Anstrengung, ihr ökologisches Verhalten zu verbessern, bleibt sich gleich: Diese Zivilisation kann und wird nicht mehr lange bestehen und sie hat es auch verdient, unterzugehen. Sicher wird es einige Superreiche geben, die sich irgendwie absetzen können, aber die vielen Dummies, die permanent gegen ihre eigenen Interessen wirtschaften und sich die dazu passende Politik wählen, diejenigen, die davon mitgezogen werden, weil sie zu wenige sind, um gegen den zerstörerischen Zeitgeist anzukommen, die werden merken, wie klassistisch alles ist, was wir derzeit sehen, von den Kriegen über die Innenpolitik auch in den Demokratien bis hin zur kompletten Unfähigkeit, diesen Planeten endlich zu schützen. Selbst, wenn man die Klimapolitik als wichtige Umweltschutzkomponente außen vor lässt: Dass die gewaltige Vermüllung der Erde menschengemacht ist und zu viel Plastik im Körper, sofern es sich nicht um medizinische Hilfsgeräte handelt, nicht gut für die Gesundheit sein kann, sollte jedem einleuchten.
Tut es aber nicht. Wieder einmal siegt die Lobbykratie über die Demokratie und die Allianz der Verhinderer besserer Politik reicht von den härtesten und kriegerischsten Diktaturen bis zu großen Demokratien, sofern man die USA noch als große Demokratie bezeichnen kann. In Sachen Umwelt waren sie aber auch nicht führend, als die Demokratie noch in besserem Zustand war. Just, als man etwas mehr tun wollte als bisher, sei es bei der CO2-Produktion oder eben bei der Plastikproduktion, drehte sich der Zeitgeist rückwärts. Das wird sich vermutlich erst ändern, wenn das Massensterben beginnt, und selbst das ist nicht sicher, solange Menschen in bestimmten Ländern davon noch nicht betroffen sind. Das Scheitern des „Plastik-Abkommens“ zeigt, dass die Menschheit gar nicht mehr versucht, sich zu verbessern, sondern sich im Grunde aufgegeben hat.
Insofern ist es auch mehr oder weniger egal, ob irgendwo Krieg oder Frieden herrscht, ob es in den Ländern gerechter zugeht oder der aktuelle Trend zu mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit sich weiter fortsetzt, der faulige Geruch des Zivilisationsverfalls dringt aus allem, was sich derzeit Politik nennt. Vermutlich haben diejenigen, die eine solche Politik machen und diejengien, die sich nicht dagegen wehren, sondern das auch noch gut finden, schon zu viel Mikroplastik im Hirn.
TH
Quellen zur Analyse / Scheitern des Plastik-Abkommens
- https://www.zdfheute.de/politik/ausland/plastik-abkommen-un-scheitern-genf-100.html
- https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/scheitern-des-un-plastikabkommen-bund-fordert-antworten-auf-plastikflut/
- https://www.wecf.org/de/inc5_globales_plastikabkommen/
- https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/un-plastikabkommen
- https://plasticseurope.org/de/2025/08/04/plastics-europe-zum-un-plastikabkommen/
- https://www.mdr.de/wissen/plastikabkommen-global-gescheitert-was-nun-100.html
- https://taz.de/Scheitern-der-Plastikkonferenz/!6103465/
- https://www.evangelisch.de/inhalte/246553/15-08-2025/enttaeuschung-ueber-vorlaeufiges-scheitern-der-plastik-verhandlungen
- https://www.zdfheute.de/politik/ausland/un-plastik-abkommen-genf-gescheitert-100.html
- https://www.watson.ch/international/umwelt/971302013-das-plastikabkommen-ist-nach-drei-jahren-gescheitert-die-gruende
- https://www1.wdr.de/nachrichten/plastikabkommen-plastik-europaeische-union-100.html
- https://www.deutschlandfunk.de/plastik-abkommen-vereinte-nationen-genf-100.html
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