Union: Zur politischen Mitte oder nach rechts bewegen? (Umfrage + Kommentar: lieber mühevolle Arbeit oder Tod und Verderben?)

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Was ist das bitte für eine Frage? Wir bewegen uns nicht zur Mitte, wir sind die Mitte! So haben viele in der Union sich lange Zeit gesehen und so wollten sie von den Wählenden gesehen werden – und besonders die rechte Presse tut immer noch so, als ob die Union mittig wäre. Weil die Mitte die Mitte der aktuellen Wählerstimmung ist, nicht etwa die politische Mitte, wie man sie aus den Leitplanken des Grundgesetzes herausschälen kann.

Für ganz Eilige hier schon einmal die Umfrage: Civey-Umfrage: Sollten sich die Unionsparteien (CDU/CSU) Ihrer Meinung nach eher zur politischen Mitte oder eher zur politischen Rechten hin bewegen?

Das Schicksal der Demokratie in Deutschland hängt von der Union ab wie von keiner anderen Partei, weil sie jahrzehntelang die führende Kraft war und immer noch den größten politischen Einfluss besitzt – mit ziemlich großem Abstand zu allen anderen Parteien. Das gilt auch nach dem Bundestagswahlergebnis von knapp 29 Prozent vom 23. Februar 2023, dem zweitniedrigsten ihrer Geschichte seit der ersten Bundestagswahl 1949. Nun sollen es aber wieder 40 Prozent werden.

Wie erreicht man das? Indem man der AfD Wähler abgraben will, von denen früher so viele der Union ihre Stimmen gegeben haben? Oder indem man die CDU wieder für Wählende anschlussfähig macht, die auch SPD oder Grüne in Betracht ziehen, wenn sie ihre Wahlzettel ausfüllen? Angela Merkel hat die Grünen und die SPD gut im Griff behalten, weil sie in der Mitte viele Stimmen einsammelte. Dafür hat sie zum Aufstieg der AfD erheblich beigetragen, das ist nach unserer Ansicht kein Spin, sondern eine Tatsache.

Schaut man in andere Länder, dann zerstören sich konservative Kräfte aber vor allem, wenn sie versuchen, die neue Rechte durch Anbiederung in Schach zu halten.

Grenzen sie sich ab, müssen sie sich ihre Wähler aber bei möglichen mittigen Koalitionspartnern suchen, und dann spielt die Betrachtung eine ganz große Rolle: Wie ist eine Gesellschaft insgesamt aufgestellt? Ist sie noch mittig oder links-mittig oder wenigstens flexibel in diese Richtung, oder ist sie nach rechts so verhärtet, dass das rechtere Rechts gegenüber Parteien, die nicht als das Original gelten, wei die Union, mit der Zeit ohnehin siegen? Sofern sie, wieder auf deutsche Verhältnisse bezogen, nicht verfassungswidrig sind und verboten werden müssen, aber da traut sich die deutsche Politik ja nicht ran. Was wiederum belegt, dass ein Grundgesetz nichts nützt, wenn es nicht mit Leben erfüllt wird. Angehörige der Gruppe „Compass Mitte“ wollen das hingegen tun – ein AfD-Verbot prüfen lassen. Ist die Antwort, die man nun anzuklicken hat, deswegen eindeutig? Nun können Sie abstimmen – oder erst den Begleittext von Civey oder / und unseren Kommentar lesen:

Civey-Umfrage: Sollten sich die Unionsparteien (CDU/CSU) Ihrer Meinung nach eher zur politischen Mitte oder eher zur politischen Rechten hin bewegen?

Begleittext

Die innenpolitische Debatte rund um Migration, AfD-Verbot und Abgrenzungsstrategien prägt seit Wochen die Schlagzeilen. Die „Stadtbild-Debatte“ von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie Forderungen nach verstärkten Rückführungen nach Syrien und Afghanistan stießen teils auf Zustimmung, haben die Union aber auch durch Kritik unter Druck gesetzt. Innerhalb von CDU und CSU wird ebenfalls wieder über den Umgang mit der AfD und die sogenannte Brandmauer diskutiert. In diesem Spannungsfeld meldete sich nun die neue innerparteiliche Plattform „Compass Mitte“ zu Wort.

Die CDU muss wieder Volkspartei werden“ – sagt die Unionsgruppe „Compass Mitte“ und verlangt eine deutliche Rückbesinnung auf die politische Mitte. Rund 30 CDU-Mitglieder um den früheren Generalsekretär Ruprecht Polenz fordern in ihrer Gründungserklärung „eine Kurskorrektur, damit die CDU mit 40 Prozent wieder die Ergebnisse einer Volkspartei erreicht“. Die Initiative kritisiert eine „Verengung auf das Konservative“ und fordert wieder eine Stärkung des christlich-sozialen Profils der Union sowie eine klare Distanz zur AfD. Auch der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter und CDU-Bundesvorstandsmitglied Monica Wüllner unterstützen das Vorhaben, das sich für ein AfD-Verbot und die Einhaltung des Unvereinbarkeitsbeschlusses starkmacht.

Andere innerhalb der Union fordern eine konservativere Ausrichtung und mehr strategische Flexibilität im Umgang mit rechts. Die Junge Union (JU) plädiert für mehr wirtschaftliche Freiheit, eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte und klare Kante gegenüber dem sozialdemokratischen Koalitionspartner. JU-Chef Johannes Winkel rief Merz dazu auf, Reformen notfalls gegen die SPD durchzusetzen – etwa beim Abbau des „aufgeblähten Sozialstaats“. Auch im Umgang mit der AfD gibt es Stimmen, die punktuelle Kooperationen nicht ausschließen wollen. Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber regte etwa im Stern an, Zustimmung nicht allein deshalb abzulehnen, weil sie auch von der AfD komme – sonst drohten parlamentarische Blockaden.

Kommentar

Peter Tauber! Die politischen Leichen öffnen ihre Gräber, genau wie bei der SPD Franz Müntefering, der rhetorische Scharfmacher des Sozialabbaus. Komisch, dass in der Gruft die Positionierung immer weiter nach rechts geht, dabei hätte man doch Zeit, über das, was man mit der Spaltung der Gesellschaft anrichtet, in Ruhe nachzudenken.

Wir finden die Idee von „Compass Mitte“ sympathisch, schütteln hingegen nur noch den Kopf darüber, dass die Junge Union rechter sein will als die Mutterpartei. In unseren Jugendjahren waren die Jugendorganisationen aller Parteien ein Stück weit progressiver als die Mutterorganisationen. Es gehörte zum jugendlichen Selbstverständnis, die Zukunft mit Ideen gestalten zu wollen, die in die Zukunft weisen. Heute ist schon die Jugend so alt, dass sie zurück in die Vergangenheit will. Fragt sich nur, wie weit. In die Anfangszeit der BRD, zu den teilweise eben nicht grundgesetzkonformen Zuständen der 1950er? Oder darf’s noch ein bisschen weiter zurück sein?

Wenn man Letzteres präferiert, kann man natürlich gut mit der AfD paktieren, anstatt sie zu bekämpfen. Denn wie glaubwürdig wirkt eine formale Abgrenzung, wenn man inhaltlich den ganz Rechten immer ähnlicher wird? Im Grunde ist es von jenen, die ohnehin der AfD gedanklich nahestehen, konsequent, das Ende der Brandmauer zu fordern. Aus deren Sicht ist sie unlogisch.

Man muss vielmehr einen Wertekompass haben, der tatsächlich die Mitte der Gesellschaft anzeigt, um den Sinn der Brandmauer zu verstehen, ihre Existenz zu begrüßen und ebenfalls konsequent zu sein und die Prüfung eines AfD-Verbots zu fordern. Überrascht hat uns, dass Roderich Kiesewetter dieser Gruppe „Compass Mitte“ anzugehören scheint, ihn hätten wir anders verortet. Aber ein klares Wort in Sachen Russland und Ukraine ist ja auch von den Grünen zu hören.

Friedrich Merz hingegen hat am 29. und 31. Januar 2025 unwiderlegbar und unvergesslich gezeigt, dass er die Brandmauer nicht wirklich unterstützt, sonst hätte er nicht versucht, mit der AfD zusammen gegen die damalige Rumpfregierung aus SPD und Grünen eine rechte Agenda in Sachen Migration im Bundestag durchzusetzen. Merz hat die Brandmauer bereits eingerissen, das sollte man immer bedenken, wenn man ihn derzeit reden hört. Wir halten seine aktuellen Aussagen eher für Lippenbekenntnisse, für taktisch orientiert.

Im Prinzip spürt er damit aber etwas, was wir so nicht vermutet hätten: Unter den Abstimmenden gibt es derzeit eine Mehrheit dafür, dass die Union sich in die Mitte (zurück-) orientieren soll. Wenn man genauer hinschaut, ist die Mehrheit der Mitte-Befürworter allerdings dünn. Es gibt zwar viele, die (wie wir) eindeutig waren und „auf jeden Fall in Richtung Mitte“ votieren, (41 Prozent) hingegen sind nur 28 Prozent exakt gegenteiliger Ansicht. Allerdings gibt es nach rechts ein ziemliches Ausfransen. Fast 16 Prozent sagen nämlich „eher nach rechts“, während nur 7 Prozent „eher in die Mitte“ sehen wollen. Die Latenten einbezogen, steht es also nur 48 zu 44 für die Mittigen.

Trotzdem ist dies beachtlich und deckt sich nicht mit dem schweren Rechtsdrall in dieser Zeit. Bei Einzelfragen, die das Soziale betreffen, gibt es häufig deutliche Mehrheiten gegen einen zivilisatorischen Ansatz und für rechten Populismus. Wer aber die CDU in der Mitte sehen will, der muss diesen Ansatz ablehnen und das „C“ im Namen der CDU und ihrer Schwesterpartei CSU wieder stärken, das die Hetzpropaganda (und das ist es, weil u. a. absichtlich mit falschen Zahlen hantiert wird, um die Stimmung anzuheizen) von Linnemann, Spahn und auch Merz ablehnt.

Vielleicht müssen wir aber auch einen Denkfehler vermeiden. Wer sich diskriminierend, menschenfeindlich, unsolidarisch äußert, ist ja häufig bei der AfD beheimatet, wählt die Unionsparteien also gar nicht (mehr). Und würde es nach unserer Ansicht nicht tun, wenn sie noch mehr bei der AfD abschreiben würden (wie die AfD-Politiker die verzweifelten Rechtsruckversuche der Union kommentieren – hämisch, bösartig, aber nicht in der Sache falsch). Andererseits kann man nicht argumentieren, dass die CDU-Wahlergebnisse unter Angela Merkel besser waren als jetzt, also die mittigere Aufstellung deswegen die bessere sein muss. Die Zeiten haben sich geändert und wir gehen davon aus, dass 2021 auch Angela Merkel an der 30-Prozent-Grenze entlanggeschrammt wäre. Das Desaster des Kandidaten Laschet hätte sie zwar nicht hinnehmen müssen, aber auch sie würde heute die Union nicht mehr bei 40 Prozent halten können. Ihr letztes Kanzlerinnen-Wahlergebnis von ca. 32 Prozent im Jahr 2017 belegt es. Auch sie hätte heute nach unserer Ansicht darum zu kämpfen, die Union vor der AfD zu halten.

Aber einen Unterschied gäbe es: Sie würde die Christdemokraten mit einem Mitte-Kurs nicht so entkernen und sie damit für die Zukunft besser aufstellen, in der das Pendel wieder zurückschlagen wird, weil die Menschen irgendwann merken werden, dass sie sich mit ihrer Hinterhältigkeit und Biestigkeit selbst ins Knie schießen oder weil die Zustände sich einfach immer weiter verschlechtern und mancher plötzlich die Solidarität entdeckt, der zuvor arrogant über die Menschlichkeit hinweggetrampelt ist. Weil er selbst mit einem Mal von jenen Zuständen betroffen ist, die er zuvor begrüßte. Es ist ja auch bei allem viel Opportunismus am Werk.

Die Union müsste, wenn sich der Wind dreht, aber erst wieder ebenfalls mitdrehen, anstatt dass sie gleich Segel setzen und die neue Mittigkeit der Gesellschaft vom ersten Moment an ausnutzen oder sogar mitgestalten könnte.

Strategen wie aktuellen Wortführer der Union treiben sie hingegen in die rechte Ecke, und aus einer solchen Ecke ist schwer wieder herauszufinden.

Lassen Sie sich nicht von Artikeln der Sensationspresse hin- und herwerfen! Sensation, die AfD liegt in Umfragen vor der Union! Sensation, die Union liegt wieder vor der AfD!

Wir können es nicht mehr lesen, offen geschrieben. Womit wir zu den Stellern der Umfrage kommen. Wir checken bei Civey fast jeden Tag die Entwicklung der Umfragewerte der Parteien. Die Verschiebungen zwischen AfD und Union sind derzeit minimal, und immer, wenn Merz ein rechter rhetorischer Coup zu gelingen scheint, wie in der Stadtbild-Diskussion, in welcher ihn die Mehrheit der Bevölkerung ja gemäß Umfragen angeblich unterstützt, dann ist das nur ein Strohfeuer. Heute sieht es schon wieder anders aus, die Union liegt mit 25,7 genau ein Promille vor der AfD mit 25,6. Der größte Abstand, den die sogenannten christlichen Demokraten in den letzten Monaten mit ihrer Spaltungsrhetorik erwirtschaften konnten, waren 0,8 Punkte zu ihren Gunsten. Langfristig betrachtet zahlen sie damit auf das Konto der AfD ein.

Ein Mitte-Kurs wäre derzeit auch riskant, keine Frage. Aber wie wäre es denn damit, die Stimmung so zu beeinflusen, dass sie wieder mittiger wird und damit sich selbst den Boden für Mitte-Wahlerfolge zu bereiten? Nicht mit denen, die in der CDU/CSU derzeit das Wort führen und auch nicht mit dem Nachwuchs. Schon der Vorgänger des jetzigen JU-Chefs, Tilman Kuban, ist innerhalb der Union ziemlich weit rechts einzuordnen.

Wären jetzt Bundestagswahlen, würde die Union ein Ergebnis einfahren ähnlich wie Armin Laschet 2021, und das trotz der ständigen Angriffe gegen alle möglichen Gruppen der Gesellschaft, die rechte Niedertracht in Wählerstimmen ummünzen sollen. Bisher funktioniert das nicht, und nach unserer Ansicht wird es auch künftig nicht funktionieren – es sei denn, die Union bringt einen Volkstribun hervor, der diese Art von Rhetorik zu einer Art von Verführung machen kann, wie Hitler es einst geschafft hatte. Davor möge uns das Schicksal bewahren, aber es zeichnet sich auch niemand in der Union ab, der ein solches demagogische Potenzial hätte. Also muss die Union, um sich langfristig zu retten, klar Kante gegen die AfD beziehen, und nicht gegen den eigenen Koalitionspartner SPD. Wären wir in der SPD Funktionsträger, würden wir uns sowieso für einen Austritt aus dieser Koalition stark machen, dann abwarten, wie die Union sich als Juniorpartner der AfD überflüssig macht und das Erschrecken einer Immer-noch-Mehrheit darüber nutzen, um die Wendung zur Mitte hin zu organisieren. Aber ohne die Christdemokraten, die ständig ausprobieren, wie weit sie einen Koalitionspartner triezen können, der sich ähnlich in der Klemme sieht wie sie selbst. Wenn die SPD sich staatspolitisch orientiert, ist sie tatsächlich ebenfalls in der Klemme, aber nicht parteipolitisch: Es wäre so leicht, sich von diesem Unions-Kesseltreiben abzusetzen, wenn man nicht mit ihr in einem kollusiven Regierungsverhältnis stecken würde.

Wäre also der Rechtsdrall der Union nicht sogar zu begrüßen, weil er eine AfD-geführte Regierung hervorbringen würde, die im anständigen Teil der Bevökerung eine Gegenbewegung auslösen würde? Das könnte ein strategisches Planspiel sein, wenn es nicht so riskant wäre: Der AfD trauen wir zu, dass sie die Regierungsmacht nutzt, um in nur wenigen Jahren die Demokratie so zu beschädigen, dass eine freie Wahl und damit eine Rückkehr zur Normalität nicht mehr möglich ist. Also finden wir uns doch mit unserer Ansicht, dass die Union zurück zur Mitte muss, um langfristig das demokratische System wieder zu stabilisieren, und unserem demgemäßen Abstimmungverhalten besser klar. Die Union hat auch Politiker, die einen neuen Mitte-Kurs verkörpern können, sie sind nur derzeit in der Defensive und halten sich mehr zurück als noch vor wenigen Jahren, als sie zum Beispiel die Hufeisentheorie verwarfen und forderten, die CDU möge sich zur Linken hin öffnen. Was sie vielleicht im Osten ohnehin tun muss (und teilweise tut, siehe Thüringen), wenn sie nicht von der AfD marginalisiert werden will. 

Hat der Text, den Sie nun gelesen haben, Ihr Astimmungsverhalten beeinflusst, verändert? Hier jedenfalls noch einmal die Frage: Civey-Umfrage: Sollten sich die Unionsparteien (CDU/CSU) Ihrer Meinung nach eher zur politischen Mitte oder eher zur politischen Rechten hin bewegen?

TH


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