#Sonntagsfrage #BerlinWahl zum #Abgeordnetenhaus, Spezial: #Parteienbindung langfristig #Koalition #CDU-#DIELINKE #SPD #Grüne #FDP #AfD

Heute habe ich mit #Civey drei Umfragen mit meiner Meinung bestückt und dabei interessante Beobachtungen gemacht. Mein eigenes Voting wie immer in Blau.

1.) Nicht die übliche Sonntagsfrage auf Bundesebene, sondern die gleiche fürs Berliner Abgeordnetenhaus, und da gibt es eine interessante Entwicklung.

CDU 18,9%
SPD 18,6%
GRÜNE 18,5%
FDP 7,0%
LINKE 17,7%
AFD 13,1%
Eine andere Partei 6,2%

Was wir hier sehen, nennt man ein wirlich ausgeglichenes Ergebnis.

Die CDU und die SPD liegen fast gleichauf, das ist ja schon länger so. Aber die Grünen sind mittlerweile ganz dicht an die SPD herangerückt – und DIE LINKE, die bei Umfragen anderer Institute zuletzt auf bis  zu 21 Prozent kam, liegt nur bei 17,7, die AfD mit 13,1 Prozent in der Nähe ihres Ergebnisses vom  Herbst 2016.

Ich habe schon öfters geschrieben, dass ich von den Civey-Umfragen viel halte, weil Berliner bzw. Kreuzberger Institut es mit offenbar klugen Algorithmen schafft, den Mangel an Repräsentativität auszugleichen und zu ziemlich guten Ergebnissen zu kommen, der sich daraus ergibt, dass jeder mitmachen darf. Die Tendenz der Anhänger kleinerer Parteien (außer der FDP), sich dabei verstärkt einzubringen, wird vom Computer herausgerechnet..

DIE LINKE liegt immer noch 2 Prozent höher als beim Ergebnis 2016 – aber ich habe mir schon länger Gedanken darüber gemacht, wo wohl die zuletzt bis zu 21 Prozent herkommen sollten. Nur daher, dass Klaus Lederer, der Kultursenator, der beliebteste Berliner Politiker ist, während gleichzeitig das Bauressort und der Schulbau in der Kritik stehen? Oder doch von der Schwäche der SPD? Ich halte das aktuelle Ergebnis für eine gute Basis, aber ein Hype ist es nicht und das ist gut so.

Es gibt hier Vorgänge wie jenes Schulbauprojekt, die nicht gerade für Spaß bei den Wähler_innen sorgen. Und von der LINKEn hätte man am meisten erwarten können, dass sie keine ÖPP zulässt. Sie ist zwar sowohl mit dem Bildungs- als auch mit dem Finanzressort, die dabei kooperieren müssen, nicht betraut und die Bezirksebene spielt ja auch eine nicht unwesentliche Rolle, aber die Enttäuschung oder das sehr unangenehme Gefühl über den Verlauf dieser so eminent wichtigen Zukunfts-Angelegenheit ist wohl bei den Wählern der LINKEn am größten.

Es gibt eine aktive Daseinsvorsorge-in-kommunale-Hand-Community, die alles versucht, um den Deal noch zu verhindern und ich kenne auch deren strategische Überlegungen dazu – allein, mir fehlt leider der Glaube. Berlin wird sich auf unfassbare 30 Jahre dieses ÖPP-Modell ans Bein binden, in dem eine auf diesem Sektor  unerfahrene Wohnungsbaugesellschaft privaten Rechts nun das Schulneubau- und Sanierungswesen und wohl auch den laufenden Betrieb managen soll.

Dass die Grünen jetzt stärker sind und wohl bei anhaltendem Trend bald die SPD überholen werden, finde ich hingegen vom Gefühl richtig, obwohl sie via Bildungssenat in obige Sache vertrickt sind. Aber deren Wähler sind da wohl nicht so sensitiv. Die Grünen sind wieder Trend. Und einige Hipster, die sich kurzzeitig bei der LINKEn eingefunden hatten, gehen wieder bei Grün. Ich war, als die LINKE „trendy“ wurde, skeptisch und habe davor gewarnt, zu sehr auf dieses sehr volatile Publikum zu setzen bzw. den zuletzt starken Stimmenzuwachs beim „jungen, akademischen, urbanen Milieu“ überzubewerten. Dieses Milieu hat keine starke politische Bindung und im Gegensatz zum klassischen Akademiker-Milieu auch weitaus weniger Ressourcen für und Lust auf intensive Meinungsbildung und Politikverfolgung.  Und echte linke Politik ist kein Ponyhof, sondern Kampf, erfordert Ausdauer und einen Zugang zu tiefeen Problemen der Wirtschaft und der Gesellschaft.

In Berlin kriegt man aber auch die Bundespolitik stark mit und damit den Wirbel um #Aufstehen und den Clash zwischen den „Kosmopoliten“ und den „Kommunitaristen“  in der LINKEn. Ich verwende die Begriffe hier erstmalig, obwohl ich sie in der Migrationsdiskussion  als nicht sehr  zielführend empfinde.

2.) Anstatt an der klassischen Bundes-Sonntagsfrage habe ich heute mal an einer anderen teilgenommen und bin dabei auf wirkliche Überraschungen gestoßen. Es wurde gefragt, „Welcher Partei stehen Sie traditionell am nächsten?“ und nicht „Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?“

CDU/CSU 34,3%
SPD 29,9%
GRÜNE 8,7%
FDP 8,5%
LINKE 8,1%
AfD 5,3%
Einer anderen Partei 5,2%

Die Union verliert in aktuellen Umfragen gegenüber denen, die sich ihr langfristig am meisten verbunden fühlen, etwa 4 bis 5 Prozent. Angela Merkel ist schon mit ihrem letzten Wahlergebnis von 32 Prozent von der Out- zur Underperformerin geworden. Das ist nicht so überraschend, man sieht auch, dass die Basis der Union zwar stark ist, aber nicht mehr so stark wie etwa zur Kohl-Zeit, wo sie bei über 40  Prozent lag.

Besonders aufschlussreich aber ist der Wert der SPD. Traditionell hat sie immer noch ein Potenzial von fast 30 Prozent, dieselbe Relation zur Union wie eh und je, nur auf etwas ermäßigter Basis. Das ist aber weit mehr, als ich nach Jahrzehnten des Abbaus linker Positionen vermutet hätte. Ich finde die „Reserve-Treue“ vieler Genoss_innen bewundernswert.

Die gegenwärtige Führung jedoch kann es nicht ausspielen, weil sie die Werte der Partei  verrät und zudem bieten die Personen nichts, was die Menschen anzieht. Selbstverständlich hat jede Münze zwei Seiten und nun erklärt sich auch der Schulz-Hype im frühen Frühjahr 2017: Damals waren ziemlich alle bereit zurückzukehren, die sich der SPD verbunden fühlen und noch ein paar dazu. Man wollte daran glauben, dass ein neues sozialdemokratisches Zeitalter beginnen kann. Wir wissen, wie schnell dieser Glaube verschwand.

Was jetzt stattfindet, ist auch das Ausschlagen des Pendels in die Gegenrichtung aus Resignation. Viele Meinungsforscher sehen die SPD derzeit bei 17 oder 18 Prozent, Civey wies heute sogar nur 16,6 Prozent aus, exakt gleich viel wie für die AfD. Ich will aber nicht diesen AfD-Hype ständig hervorheben, dafür gibt es auch einen guten Grund, auf den ich noch kommen werde. Daher die konventionelle Sonntagsfrage heute nicht. Vom langfristigen Potenzial kommt die Große Koalition also immer noch auf 64 Prozent. Für die Stabilität des politischen Systems ist das nicht die schlechteste Nachricht.

Hingegen belegt das, was wir sehen, bei den Grünen genau die umgekehrte Entwicklung. Sie schlagen auf ihr Grundpotenzial aktuell 200 oder mehr Prozent auf. Das ist gigantisch, kann aber nicht nur an den netten Gesichtern der neuen Führung und dem allgemeinen Wohlgefühl liegen, das sie verbreiten. Ich glaube, dass viele derzeit dezidiert grün wählen, weil sie sich gesellschaftspolitsch von rechts und „kommunitarisch“-links abgrenzen wollen. Das neue Überdrüber ist also kosmopolitisch-neoliberal. Cool für die Globaliserungsgewinnler. Schlecht für den Klassenkampf. Aber stabil ist es nicht. Die Grünen können jederzeit auf die Hälfe des aktuellen Umfragewertes zurückfallen, wenn sich wieder ein wenig der Wind dreht – und lägen damit fast punktgenau beim Ergebnis von 2017, als sie weder einen negativen noch einen positiven Lauf hatten, sondern exakt ihr langfristig gebundenes Klientel erreichten. Ich glaube, die erfahreneren unter ihnen wissen das auch und daher wird um die derzeitigen, sehr hohen Werte zumindest extern-medial nicht viel Bohei gemacht.

Erstaunlicherweise wählen aktuell auch mehr Menschen DIE LINKE, als sich ihr langfristig verbunden fühlen. Als ich das sah, dachte ich spontan: Hat man irgendwie den Algorithmusbestandteil „Ost-Effekt“ doch nicht so genau eingenordet? Aber man soll ja nicht jedes Ergebnis für die eigene Blase anzweifeln, wenn es nicht so ins Bild passt und die übrigen Werte allesamt für super präzise halten. Jedenfalls muss man nach diesem Bild konstatieren, dass die aktuelle Führung der LINKEn sich nicht so schlecht schlägt, wie ich vermutet hatte (aktueller Civey-Wert bei der Sonntagsfrage: 10,1 Prozent).

Aber wieder die zwei Seiten: Die bedeutet auch, dass DIE LINKE ein grundsätzliches Problem damit hat, breite Bevölkerungsschichten mit ihren Politikvorstellungen zu erreichen. Und klar ist das wiederum ein Problem, das die Führung verursacht, indem sie riesige, aber inskonsstente und mit stark utopistischen Einsprengseln versehene Programme schreibt, anstatt den Kampf für die soziale Gerechtigkeit mit ganzer Wucht zu führen.  Ich fordere seit Langem einen Schwenk zu „machbaren“, sprich sozialen Themen, verbunden nicht nur mit den allfälligen, mittlerweile ausgeleiert klingenden Forderungen, sondern mit Konzepten und positiv wirksamen Ideen und einer schicken Aufmachung. Wir leben eben nicht mehr in der DDR der 1970er, das Publikum will mitgenommen und im Stil der Zeit angesprochen werden . Ich bin gespannt, ob #Aufstehen das vielleicht besser umsetzen kann als die aktuelle, fragmentierte und wenig inspirierend wirkende Partei.

Nun ein gutes Ergebnis. Eigentlich ist es logisch, dass eine Partei, die es erst seit ein paar Jahren gibt, noch keine starke langfristige Basis aufgebaut hat. Aber dass es nur einen Kern von 5,3 Prozent AfD-Wählern gibt, die nicht jederzeit wieder zu einer anderen Partei gehen würden, das, finde ich, ist mit das beste Ergebnis an dieser Langfristbindungs-Umfrage. Da geht noch was für diejenigen in der SPD und in der LINKEn, die an nicht grundrassistischem, sondern nur aus Enttäuschung bei der AfD verortetem Publikum interessiert sind. Das würde auch die Theorie derjenigen in meiner Partei stützten, die sagen, überwiegend wird die AfD aus sozialen Gründen gewählt und diejenigen, die das tun, die müssen wir alle wieder einsammeln. Ich bin diesbezüglich immer noch zwiespältig, denn die AfD-Wähler haben gemäß Untersuchungen kein Arme-Leute-Profil und wer bitte merkt nicht langsam, dass die AfD alles andere als sozial eingestellt ist? Trotzdem und trotz ihres nicht gerade Vertrauen erweckenden Spitzenpersonals geht sie auf wie ein Hefekuchen.

Die hier ausgewiesenen 5,3 Prozent hingegen sind wohl in etwa diejenigen, die immer schon rechtsextrem gewählt haben, egal, welchen Namen die gerade populärste Partei dieses Spektrums trug. Oft waren diese Stimmen auf Splitterparteien verteilt oder inaktiv, wenn es nichts gab, wo der aufrechte Neonazi guten Gewissens hätte sein Hakenkreuz machen können.

3.) Das aktuelle Sommerloch-Füllthema: „Wie sehen Sie eine Koalition der CDU mit der LINKEn auf Landesebene?“ Viel Begeisterung ist nicht zu verspüren, vermutlich bei den Wählern beider Parteien nicht. Bei mir auf keinen Fall, ich habe das in diesem Beitrag, der sich mit der Reaktion des Fraktionsvorsitzenden der LINKEn im Bundestag, Dietmar Bartsch, auf den CDU-Vorschlag und den CDU-internen Gegenreaktionen befasst, schon dargestellt.

Wenn man sich die Werte hier anschaut, sollte man doch vielleicht überlegen, ob es nur aus Gründen der Staatsräson sinnvoll ist, schon wieder eine Menge Wähler zu verägern, indem man eine schwarz-tiefrote oder schwarz-rot-tiefrote Einheitsfront gegen die AfD bildet, die in Wirklichkeit eine echte Querfront darstellt. Soll sich die CDU doch mit der AfD belasten, warum sollen immer Mitte-linkks-Parteien zu Unions-Opfern werden und nicht auch mal die CDU sich mit der AfD so richtig ein Problem machen und spüren, wie es ist, wenn man von rechts und vom rechten Ungeist bedroht und getrieben wird. Vielleicht wäre das ganz lehrreich für die chistlich-demokratischen Strategen und ein Aha-Erlebnis für Menschen, die eigentlich links von der Mitte stehen und trotzdem Merkel ihre Stimme geben, nur, weil sie 2015 eine große Forderung dieser Menschen erfüllt hat.

Sehr positiv 9,4%
Eher positiv 18,4%
Unentschieden 13,8%
Eher negativ 12,6%
Sehr negativ 45,8%

Umfragen © Civey, Beitrag © Der Wahlberliner, Thomas Hocke


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