14 Jahre und bald Gouverneur eines US-Bundesstaates? Zwei unterschiedliche Kommentare #EthanSonnenborn #JungeWelt #FAZ #Vermont 7 @IlhanMN ‏#Primaries

Ethan Sonnenborn heißt der jüngste Kandidat bisher, der möglicherweise als Bewerber um das Amt eines amerikanischen Gouverneurs antreten könnte.  

Gouverneure sind die Regierungsschefs der 50 US-Bundesstaaten, nach deutschem Muster deren Ministerpräsidenten, aber mit mehr Macht ausgestattet; im Wesentlichen, weil die amerikanischen Bundesstaaten selbst weitreichendere Befugnisse haben als die deutschen Bundesländer und weil Gouverneure direkt gewählt werden.

Auch auf der zweiten Staatsebene  innerhalb der USA (und bis hinein in die Kommunen) schlägt sich also das Präsidialsystem nieder. Was immer man von den Politikern dort hält, die Demokratie ist direkter als bei uns. Allerdings stellt das für die Präsidentschaftswahlen etablierte sogenannte Wahlmänner-System dann wieder einen  Filter dar, das auf Bundesebene manchmal zu nicht sachgerechten Ergebnissen führt. Zum Beispiel dazu, dass ein Kandidat mit weniger Stimmen als ein anderer Präsident werden kann. So kam es überhaupt zu Donald Trumps Einzug ins Washingtoner Weiße Haus.

Eine Stufe tiefer will nun also ein 14jähriger Junge es mal in Vermont versuchen und das höchste Amt in einem Bundesstaat erlangen. Die Demokratische Partei, nach der Schlappe mit der bösen alten Hillary Clinton um Erneuerung bemüht, könnten es mit Ethan versuchen. Freilich muss er zunächst durch die parteiinternen Vorwahlen. Der republikanische Amtsinhaber, sein möglicher Gegner, verweist aber vorsichtshalber schon darauf, dass es keine schlechte Idee wäre, wenn ein Jungpolitiker, der ein solches Amt anstrebt, wenigstens schon den Führerschein erwerben können sollte.

Ich finde manches normativen Gegebenheiten und deren Anwendung in den USA recht kurios, auch die Möglichkeit, dass man in Vermont für ein hohes Amt gewählt werden darf, ohne schon selbst wählen zu dürfen, aber was soll Ethan, sollten ihn die Demokraten als Kandidaten aufstellen, schon wesentlich schlechter machen können als ein neokonservativer Republikaner, zumal er ja von seiner Partei und hilfreichen Beratern schon jetzt offensichtlich so gecoacht wird, dass er sehr professionell wirkt und seine Ansichten sind zudem für amerikanische Verhältnisse links. Auf jeden Fall kommt das sympatischer, als wenn ein 14jähriger schon die Besitzstände der Privilegierten gegen die unteren sozialen Schichten verteidigen wollte.

Wir haben zwei unterschiedlich tendierende Kommentare dazu herausgesucht, einen von der Jungen Welt und einen von der FAZ.

Ja, damit kommen wir fast mehr in die Medienbewertung als in die von Ethan Sonnenborn, zumal beide Beiträge sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, nicht gerade in die Tiefe zu gehen. Ich hätte gerne mehr über Sonnenborns Hintergrund gewusst, aber dazu wird sicher auch noch irgendwer etwas Sinnvolles schreiben. Doch die unterschiedliche Tendenz ist beachtlich.

2018-08-11 Bewertung komplette Ablehnung
Kommentar JW

Während die Junge Welt polemisiert und Fäkalsprache verwendet und sich keinen Deut für das interessiert, wofür der Junge stehen möchte, bleibt die FAZ bürgerlich-souverän und erzählt uns wenigstens andeutungsweise etwas darüber. Und dass ausgerechnet eine „Junge Welt“ angesichts von so viel Jugendlichkeit negativ tendiert, ist schon an sich bemerkenswert. Hingegen hebt sie auch noch auf eine zufällige Nachnamensgleichheit mit dem deutschen Vorsitzenden von „Die Partei“ ab. Klar klingt Sonnenborns Deutschstämmigkeit heraus, aber in Vermont und überhaupt in den USA ist das wohl weit weniger ein Problem als für die „Junge Welt“, die von Stil und Einstellung oft verdammt alt, um nicht zu sagen altstalinistisch, wirkt.

2018-08-11 Bewertung überwiegende Zustimmung
Kommentar FAZ

Im Grunde ist es vollkommen gleichgültig, ob das Ganze jetzt ein einmaliger Hype, ist was da in den USA passiert und ob es mit Sonnenborns Karriere ernsthaft weitergeht: Es ist eine schöne Story.

Bestenfalls nimmt Bernie Sanders ihn unter die Fittiche und er wird eine Art Kult, den man nicht einfach ignorieren kann. Wenn ich hingegen junge Politiker in der LINKEn mit ihrer wenig strahlkräftigen und gleichzeitig auf Nur-Karriere ausgerichteten Machart sehe, ist mir zumindest klar, dass man schon alt wirken kann, wenn man gerade das fahrerlaubnisfähige Alter überschritten  hat.

Die Unfähigkeit, irgendwas einfach witzig und originell und allemal unschädlich zu finden, ist dem Messer-zwischen-den-Zähnen-Typ im deutschen Linksjournalismus eben doch sehr eigen. Da wird auch nicht nach vorne geschaut, da wird a.) deshalb schon alles schlechtgeschrieben, weil es sich in den USA abspielt und fast zeitgleich b.) 68 Jahre rückwärts der Mauerbau gefeiert, unter Zuhilfenahme grober Falschdarstellungen, versteht sich. Das ist nicht jung, nicht Welt von heute und morgen, sondern schrecklich Old School. Und damit angesichts des Titels dieser Publikation paradox.

Dieser Junge aus Vermont hat etwas, was man Politikern her mal wünschen würde: Eine Idee. Keiner der beiden Kommentare lässt sich darüber aus, ob er wirklich Chancen hat, von den Demokraten nominiert zu werden. Aber ist das jetzt entscheidend? In vier oder fünf Jahren, ich habe jetzt nicht nachgeschaut, wie lange eine Amtsperiode in Vermont dauert, hat er einen Führerschein, sein College beendet und könnte damit beginnen, ein ernsthafter Nachwuchskandidat für die Demokraten zu werden. Die nette Jugenbiografie von von einem, der auszog, um eine Gesetzeslücke zu nutzen, bringt er dann schon mit. So what, ihr Ewiggestrigen?

Ach ja, in Minneapolis, Minnesota hat bei den Demokraten gerade erstmalig eine Politikerin muslimischen Glaubens die Vorwahlen für ein Kongressmandat gewonnen. Ihr Name ist Ilhan Omar, sie ist somalischer Herkunft und trägt Kopftuch. Ich bin gespannt, ob ich’s noch erlebe, dass es das in der deutschen LINKEn geben wird. Wenn überhaupt, vermutlich nur, wenn jemand nicht den Fehler macht, irgendeine Form von positiver Ausstrahlung oder gar eine berührende Geschichte mitzubringen, anstatt im ritualisierten, theorielastigen Nur-Politiker-Linkskaderismus aufgewachsen und vorzeitig innerlich ergraut zu sein.

Wir wünschen Ilhan Omar alles Gute und dass sie Kongressabgeordnete in Washington wird und Ethan Sonnenborn eine glückliche Zukunft!

© 2018 Der Wahlberliner, Thomas Hocke


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