Titelfoto (c) SWF
Wenn sie es doch geschafft hätten
Nach dem Anschauen des dritten Falles von Kommissar Gerber (Heinz Schimmelpfennig) weiß ich nun, warum er mir so bekannt vorkam. Ich hatte tatsächlich vor ein paar Jahren einmal reingeschaut, aber wohl nach etwa zehn Minuten den Faden verloren und ihn nicht wieder aufgenommen. Dieses Mal war es ganz anders. Warum, erklärt die Rezension.
Inhalt
Der Liebhaber einer verheirateten Frau erschlägt in deren Villa während der Abwesenheit ihres Mannes einen Einbrecher, der die beiden überrascht. Sie beseitigen die Leiche und geraten in ein Karussell von Lügen und Erpressung. Durch Recherchen und seine Kombinationsgabe gelingt es Kommissar Gerber, den Mord und die Erpressung aufzuklären.
Rezension (mit Angaben zur Auflösung)
Die letzte Szene ist wirklich furchtbar. Das weiß man zu Beginn nicht, aber man weiß es doch. Weil in jenen frühen Tatort-Jahren die Täter immer gefasst wurden. Zumindest, wenn sie eine Tötungshandlungs begangen hatten. Selten habe ich aber einem Paar, das sich in einer Komplizenschaft verstrickt, so gewünscht wie dieses Mal, dass sie davonkommen. Und dann muss es noch dieser nervige Gerber sein, der die beiden auf eine echt plumpe Weise stellt. Ich war geradezu erleichtert, als in Karlsruhe mal der Kollege Lutz ins Bild kommt – und an einer eher herablassenden Geste gegenüber Gerber merkt man auch, dass Lutz „superior“ ist. Ob das so gedacht war oder so gespielt wurde, um ohne Anweisung diesen Eindruck zu erwecken, lässt sich nicht gut erkennen, aber immerhin ist es ja ein Film für Gerber und dessen spießige Verbissenheit, der auch seine Ehe entspricht, wirkt eben wenig anziehend. Über weite Strecken des Films ist er unter Druck, seinem Vorgesetzten geht alles zu langsam und manchmal kombinieren seine Assitsten besser als er -aber dann doch, ja, die Logik. Weil die nächtliche Tour des Einbrechers eben bei den Oppermanns endet und danach ward er dann erst wieder nach seinem Ableben gesehen. Was hätte Thomas Oppermann zu dieser Logik gesagt?
Dafür ist Harald Oppermann (Werner Bruhns) so fies dargesetllt, dass man das Fremdgehen seiner Frau verstehen kann. Ein skrupelloser Geschäftsmann, was dadurch herausgehoben wird, dass er Exportbeschränkungen umgeht und sein Geschäftspartner Frick (Dietmar Schönherr) ihn davon nicht abhalten kann. Frick hätte dies natürlich an die Polizei melden müssen, dann hätte er auch freie Bahn für Birgit Oppermann gehabt (Judy Winter). Ein Nachweis wäre in dieser Sache gewiss möglich gewesen. Aber die damalige Zeit war schon sehr prall. Es ging nicht, wie in den Tatorten der 1980er vermehrt zu beobachten, ums wirtschaftliche Überleben, sondern darum, einfach noch mehr haben zu wollen, obwohl die Firma eh gut läuft.
Stellenweise ist die Handlung ein wenig zu präzsise und folgerichtig aufgebaut, besonders, was Oppermann sich alles zusammenreimt und damit Frick und seine Frau erpresst, ist schon sehr clever. Aber beide Männer beweisen enormen Überblick in schwieriger Lage, es ist ein Duell. Judy Winter hingegen ist dieses Mal als Frau Oppermann die Person, mit der man am meisten mitfühlt, die aber auch eine eher passive Rolle einnimmt. Im Grunde ist das richtig, denn hätte man sie wesentlich berechnender gezeigt, wäre die Sympathie mit ihr geschwunden. Aber wenn man genau hinschaut, bleiben auch bei Fricks Handlungen Fragen offen. Wieso beispielsweise kann er davon ausgehen, dass der Einbrecher Brasch tatsächlich überfahren wird, wenn er ihn einfach auf die Straße legt? Was wäre gewesen, wenn das Ehepaar aus Frankreich die Figur auf der Straße rechtzeitig entdeckt hätte ? Nun, im Grunde hätte sich nicht viel geändert, der Gerichtsmediziner findet ohnehin sehr schnell heraus, dass Rasch bereits tot war, als er überfahren wurde. Hingegen wird nicht bei den Oppermanns nach dem Gegenstand gefahndet, mit dem Rasch getötet wurde, obwohl man doch Partikel davon bei ihm festsgestellt hat, nachdem der Verdacht aufkommt, das dem Einbrecher dort etwas zugestroßen sein könnte.
Frick hätte den Mann tief in den Wald hinein bringen und dort verstecken müssen. Unangenehme Sache, aber sicherer, zumindest für eine Zeit. Und ohne Leiche erst einmal kein Delikt. Aber die Entsorgung von Leichen ist in Tatorten ja oft so gestaltet, dass die Polizei geradezu auf sie stoßen muss. Ebenso hätte Frick doch für den Koffer mit Einbrecherwerkzeug eine bessere Lösung finden können, als ihn einfach aus dem Fenster zu werfen. Zudem wird alles, die Leiche betreffend, den Koffer, die Geldscheine betreffend, ohne Handschuhe ausgeführt. Wenn Gerber diesen Koffer hätte auf Fingerabdrücke untersuchen lassen, wäre er ohne Herumspionieren in anderer Leute Kontoauszügen auf einen Zusammenhang zwischen Frick und Brasch gestoßen. Ein weiteres Problem: Dass Frick sich so oft mit Frau Oppermann zeigt, obwohl die Oppermanns schon im Fadenkreuz der Ermittlungen stehen. Da wäre nicht nur ein Kommissar darauf gekommen, dass die beiden etwas miteinander haben.
Wir sehen also eine gute Kombinationsgabe bei mehreren Person, aber bei dem Paar, dem ich das Entkommen gewünscht hätte, auch eine gewisse Sorglosgikeit, die einen Kriminaler geradezu darauf stoßen muss, dass in diesem Verhältnis das Motiv für den Totschlag an Brasch begründet sein könnte.
Warum bin ich beim ersten Anschauen ausgestiegen? Weil der Film doch recht langsam beginnt, womöglich. Natürlich ist die erste Szene schon spannend, aber ich meine, bis zu dem Moment, als Frick den Brasch auf der Straße ablegt, bin ich nicht gekommen. Dabei muss man sich doch nur auf das Ganze einlassen, inklusive der Atmosphäre, die zwar 1970er ist, aber nicht so dominiert wie in anderen Tatorten der Zeit. Was wir sehen, könnte mit ein paar Abweichungen aufgrund besserer Technik wie der DNA-Analyse heute auch noch so laufen. Die Dekors sind ja mittlerweile eher bauhausmäßig, nicht so üppig mehr, damit die Figuren von ihnen nicht beinahe verschluckt wreden, sondern alles eine glatten, cleanen Eindruckk hinterlässt, der wohl ebenso konzeptionell ist wie das überladen wirkende Set „Haus Oppermann“. Andere Zeiten, gewandelte Ästhetik.
Schon 1975 zeigte sich aber, dass ein Howcatchem grundsätzlich mehr Figurenzeichnung erlaubt als ein Whodunit, nur, dass man heute bei einem Krimi mit der Plotvariante „Jagd auf die bereits bekannte Täterperson“ dafür sorgt, dass das Publikum mit dem Ermittlerteam fiebert und nicht auf die Idee kommt, der falschen Seite die Daumen zu drücken. So gesehen, ist alles konservativer geworden. Aber es geht natürlich auch darum, ein vom Leben schon ziemlich gestresstes Publikum nicht zu ärgern. Im Gegensatz zu dem Schimanski-Tatort „Schwarzes Wochenende“, den ich mir am Vorabend angeschaut hatte – derzeit laufen wieder einige Tatorte, die ich noch nicht rezensiert hatte – bin ich nach „Tod eines Einrechers“ mit einem richtig großen Bedauern ins Bett gestiegen und wer beschließt den Tag schon gerne so?
Finale
„Tod eines Einbrechers“ ist ein klassischer Tatort – und für mich ein Klassiker, der ein Wiedersehen mit Stars aus den 1970ern bringt. Entgegen der heute verbreiteten Annahme, die alten Filme seien alle noch Qualitätsarbeit gewesen, ähnlich wie die weißen Mercedes-Limousinen die man darin sehen kann, gibt es auch in ihnen einige Schwachstellen. Aber das Gefühl ist, dass man einen gut gemachten, spannenden Film gesehen hat. 7,5/10
TH
Besetzung
Kriminal-Hauptkommissar Gerber – Heinz Schimmelpfennig
Kriminal-Meister Ihle – Peter Bongartz
Kriminal-Meister Metzmeier – Johann Adam Oest
Birgit Oppermann – Judy Winter
Harald Oppermann – Werner Bruhns
Siegmar Frick – Dietmar Schönherr
Höfele – Dirk Dautzenberg
Frau Höfele – Liselotte Prinz
Jung – Gerd Keller
Fütterer – Wolfgang Zerlett
Brasch – Hanns Bernhardt
Huck – Werner Feißt
Frau Gerber – Ilsemarie Schnering
Gastkommissar Lutz – Werner Schumacher
Stab
Drehbuch – Rolf von Sydow, nach einer Idee von Herbert Lichtenfeld
Regie – Rolf von Sydow
S/B – Karl Schneider
Musik – Rolf-Hans Müller
Kamera – Siegfried Blohm
Produktionsleitung – Gig Malzacher
Produktionsleitung – Peter Wehrand
Kostüme – Ruth Sauerteig
Maske – Arthur Bareither
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