Die gute Nachricht für alle Menschen, die Thilo Sarrazin nicht mögen: Sein Buch „Feindliche Übernahme“ ist nicht mehr Nummer Eins der Amazon-Bestsellerliste.
Unsere hingebungsvoll in vielen Beiträgen zu Chemnitz etc. geäußerte Bitte, die Welt etwas differenzierter und empathischer zu betrachten, ist also gut angekommen beim hochintellektuellen deutschen Lesepublikum.
Die schlechte Nachricht für alle Menschen, die noch an eine positive Veränderung der Welt glauben: Das Egoshooter-Machwerk „DAS IST ALPHA! Die 10 Boss-Gebote“ eines Typs namens „Kollegah“, angeblich unumstrittener Boss der deutschen Rapper-Szene, ist Thilo Sarrazins Werk aufs Bestseller-Siegertreppechen nachgefolgt. Der Werbetext dazu:
„Fünf Nummer-1-Alben in Folge, ein eigenes Fitnessprogramm und über 1,8 Millionen Facebook-Fans – Kollegah ist der unangefochtene Boss der deutschen Rapszene. Und nur der Boss weiß, wie man vom Lauch zum echten Boss wird. Der Schlüssel dazu ist ein starkes Alpha-Mindset: »Ein Alpha richtet den Blick auf den Horizont, nicht auf den Arsch irgendeines Anführers«, rät Kollegah denjenigen, die ihm auf dem steinigen Weg der Bosshaftigkeit folgen wollen. Die Gebote, die man beachten muss, um der Welt den eigenen Stempel aufzudrücken, vereint dieses Buch.
DAS IST ALPHA! ist Wegbegleiter, Coach und Kumpel für alle Lebenslagen. Direkt, unterhaltsam und im typischen Kollegah-Sound werden die zehn wichtigsten Regeln vorgestellt, die man verinnerlicht haben sollte, wenn man sich auf den lohnenden Weg zu Erfolg, Geld und Glück im Leben begeben möchte. Mehr Boss geht nicht!“
Wir nehmen also alles wieder zurück. Das Alpha-Männchen als Übel vieler Probleme auf der Welt ist ja nicht neu und alle Politiker_innen sind so gestrickt, auch die weiblichen (Alpha-Weibchen), aber die Ratgeber-Bücher, die sich im Duktus dem Zeitgeist angepasst haben, verursachen ja nicht erst, seit sie genau das getan haben, ein Problem: Während kaum ein Mensch, der auf Moral hält, Politiker werden will, es also dahingehend kaum Ratgeber-Literatur gibt, weil kein Markt vorhanden, will doch fast jeder beraten werden, wie er jenseits dieses Berufs Erfolg haben könnte, indem er dicke Zigarren raucht, Anzüge trägt, die zwei Nummern zu klein sind und per Anabolika den passend zu klotzigen Körper für die zu kleinen Anzüge aufbaut.
Nein, wir fangen jetzt nicht an, darüber nachzudenken, welche Formen eines erfüllten Lebens es jenseits von Erfolg = Glück = Arschloch sein dürfen noch geben könnte und warum solche Bücher wie „Das ist Alpha!“ ganz oben auf den Bestsellerlisten über den Zustand der Gesellschaft ebenso viel aussagen dürften wie Chemnitz etc.
Aber in allem Scheiß liegt auch eine Hoffnung.
Wer für sowas 22 Euro (gebunden) oder 18,99 Euro (Kindle) ausgibt, der hat sich doch immerhin ernsthaft vorgenommen, ein Buch zu lesen, also sein Leben wirklich zu ändern. Denn 22 Euro sind mehr, als ein durchschnittlicher-Rap-Liebhaber für Lesekultur im ganzen Leben ausgibt.
Und was ist mit denen, die feststellen, dass sie dieses vermutlich in barrierefreier Sprache gehaltene Werk doch nicht gewuppt kriegen? Wir empfehlen: Boss-Videos gucken. Sich Gewaltsprache aneignen ist immer noch der beste Einstieg ins Leben auf der Straße nach Utopia.
Haben wir schon erwähnt, dass wir sicher nicht neidisch sind auf den Kollegah?
Dabei ist es doch so logisch: Gegen feindliche Übernahme hilft nur Bosswerdung. Alles gut mit der Folgelogik von Bestseller zu Bestseller.
TH
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Und das, obwohl die Alphatheorie ja nun schon lange obsolet ist …
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Als gruppendynamisches Omega bin ich prinzipiell gegen jede Obsoleszenz 😉
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Omegas gibt es ja auch nicht wirklich 😁
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Der verkapselte Inhalt meines Omega-Satzes war: Ansichtssache 🙂
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