Der Swimmingpool (La Piscine, F / I 1969) #Filmfest 11

Filmfest 11

2019-01-25 filmfest - neue version mit mittiger schrift

Vom letzten Werk des des Regisseurs Jacques Deray, der Verfilmung von Stefan Zweigs „Brief einer Unbekannten“ aus dem Jahr 2001 waren wir nicht begeistert. Das lag auch am Vergleich mit der Verfilmung des Stoffs durch Max Ophüls aus dem Jahr 1948. Nun kommen wir nun zu einem wesentlich bekannteren Film von Deray: 1969 führte er die Superstars Alain Delon und Romy Schneider an einem sommerlichen Swimmingpool zusammen.

Romy und Alain allein am Pool

Die damals noch stark moralisierend ausgelegte Kritik in Deutschland zu dem Film war negativ, zumindest wenn man die heute von der Wikipedia gerne zitierten kirchlichen Kino-Empfehlungsdienste zugrunde legt und einige Filme von Jacques Deray wie der oben erwähnte oder auch „Borsalino“ konnten uns nicht begeistern, aber wir meinen „Swimmningpool“ ist doch eine andere Hausnummer und erklären diese Ansicht in der -> Rezension.

Handlung (Wikipedia, letzter Absatz entfernt)

Das Paar Marianne und Jean-Paul verbringt seinen Sommerurlaub in Saint-Tropez in einem traumhaften Haus mit großem Pool. Plötzlich taucht Jean-Pauls alter Freund Harry auf. Marianne war Harrys Geliebte, bevor sie Jean-Paul kennen und lieben lernte. Harry bringt seine 18-jährige, attraktive Tochter Pénélope mit, von der zuvor weder Marianne noch Jean-Paul etwas gewusst haben.

Spontan lädt Marianne die Neuankömmlinge dazu ein, mit ihnen im großen Haus Urlaub zu machen. Diese gehen gerne darauf ein. Zwischen den Personen kommt es zunächst zu harmlosen erotischen Anziehungen und Anspielungen, die sich aber allmählich steigern und ernster werden, bevor sie schließlich in einem nächtlichen Streit zwischen den beiden rivalisierenden Männern gipfeln. Im Verlauf der Auseinandersetzung ertränkt Jean-Paul den schwer angetrunkenen Harry im Swimmingpool, indem er dessen Kopf immer wieder unter Wasser drückt, und arrangiert das Ganze spontan so, als sei es ein Badeunfall gewesen.

Auch die Polizei muss zunächst von einem Unfall ausgehen, doch dann taucht für weitere Nachforschungen Inspektor Lévêque auf. Er hat den Akten entnommen, Harry sei schwimmen gegangen, ohne seine teure Uhr abzulegen. Er findet heraus, dass Harry ein guter Schwimmer war, und die – arrangierten – Kleider am Beckenrand, statt vom Tage verschmutzt, frisch gereinigt waren. Aus diesen Dingen folgert er, dass Harry ins Wasser gestoßen und ertränkt worden sein dürfte.

Rezension

Im Verlauf des Films fühlten wir uns an „Nur die Sonne war Zeuge“ erinnert, als Tom Ripley (Alain Delon) einen reichen Freund auf dessen Jacht um die Ecke brachte. Wer hatte damals, zehn Jahr vor „Der Swimmingpool“ nochmal diesen unglücklichen Freund gespielt … richtig, Maurice Ronet, der jetzt den Harry gibt.

Die beiden wiederholen beinahe die Rollen, die sie in dem sehr gut gemachten Thriller nach Patricia Highsmith gespielt haben, aber sie sind etwas älter geworden und haben überraschenderweise Töchter, die schon fast volljährig sind oder sind beruflich gescheitert.

Der Film ist tatsächlich eine Art Verschiebung von „Plein Soleil“, wie der erste und vielleicht beste aller Ripley-Filme im Original heißt. Ronet ist wieder der mit der Kohle, der den anderen erst subtil, dann immer offener spüren lässt, wie überlegen er sich fühlt, Delon ist der noch etwas besser Aussehende, der aber bisher im Leben nicht viel erreicht hat. Beide haben einen Schlag bei Frauen, wobei Ronet / Harry natürlich das Geld auch ein wenig hilft, er verkauft sich im wörtlichen Sinn gut.

Die Rolle des Bootes in „Plein soleil“ übernehmenin „Der Swimmingpool“ ein dunkelroter Maserati Ghibli 4.7, einer der teuersten Sportwagen seiner Zeit und das entsprechend mondäne Gegenstück zu einer schmucken Segeljacht (Alain Delons Kollege und Superstar-Konkurrent Jean-Paul Belmondo fuhr einen solchen Wagen, wie ihn Delon hier auf einer Spritztour mit Harry ausprobiert, im wirklichen Leben – dass Delon in „Der Swimmingpool“ den Namen „Jean-Paul“ trägt, ist wohl kein Zufall).

Das Meerwasser hingegen, in dem Ripleys Gegenspieler im Jahr 1960 landet, wird hier durch das Süßwasser des Swimmingpools ersetzt.

Die gewollten Abweichungen beziehen sich auch auf den Verlauf: Während Ripley 1960 an einem beinahe unglaublichen Zufall nach einem vor allem nach dem Mord beinahe perfekt ausgeführten Identitätswechsel scheitert, kommt Jean-Paul, der aus einer Aufwallung heraus handelt, ungeschoren davon. Welch ein Glück, dass es 1968 noch keine DNA-Analyse gab.

Eine stärkere Rolle als im älteren Film spielen die Frauen. Marianne (Romy Schneider) hat aber wohl vor allem deshalb eine große Rolle, weil man auf das Starpotenzial der Paarung Delon-Schneider gesetzt hat. Die beiden waren zu Beginn der 1960er eines der spektakulärsten Paare im Filmgeschäft, gingen allerdings schon 1963 auseinander. Insofern war gerade die Wiedervereinigung für einen Film, der außerdem eine Liebeszene am Pool enthält, auf Sensationsgier der Zuschauer abgestellt. Es hat funktioniert. Die Szenen zwischen den beiden wirken authentisch und dem Publikum hat’s gefallen.

Ende der 1960er konnte man schon zeigen, dass jemand mit einem Mord frei aus der Handlung herausspaziert, wobei das Ende sehr interessant ist. Marianne will sich von Jean-Paul lösen, nachdem er ihr die Tötung von Harry gebeichtet hat, aber er lässt sie nicht weg. Am Schluss sieht man sie hinter einem Fenster der Villa, wie gemeinsam eingesperrt, aber er hält sie im Arm. Ist sie jetzt an ihn gekettet, wegen ihres Wissens? Sind sie wieder allein mit sich und ihren Gefühlen, nachdem der Störenfried Harry beseitigt ist, der auf einer Party nach Jean-Pauls Geschmack zu eng mit Marianne getanzt hatte – worauf Jean-Paul sich mit der Verführung von Harrys Tochter (Jane Birkin) revanchierte.

Letzteres erfuhr Harry an jenem tödlichen Abend und wollte Jean-Paul mit der Faust schlagen, fiel dabei aber ins Becken. Er wäre auch wieder herausgekommen, doch Jean-Paul drückt ihn jedes Mal wieder unter Wasser, als er versuchte, sich zu befreien.

Die Handlung des Films ist einfach, im Grunde trifft das auch auf die Psychologie zu. Die simple Handlung hat den unbestreitbaren Vorteil, dass sie recht logisch wirkt, und die Logik ist bei französischen Krimis oft ein Schwachpunkt (nicht bei „Plein Soleil“, der bekanntlich auf einer Vorlage der Amerikanerin Patricia Highsmith fußt).

Die Schwimmbadszene ist, insbesondere angesichts einer insgesamt langsamen Filmweise und der angesprochenen Simplizität des Plots von zentraler Bedeutung und sie zieht sich über mehrere Minuten. Da wir uns mit Schwimmangelegenheiten ein wenig auskennen, haben wir natürlich genau hingeschaut. Harry wirkt wie der physisch stärkere Mann von beiden, aber grundsätzlich ist starker Alkoholgenuss Gift für die Koordination der Bewegungen und es kann schon sein, dass es dem an sich guten Schwimmer dadurch nicht mehr möglich war, a.) zu schwimmen und b.) dem Druck von oben standzuhalten, den Jean-Paul ausübt, um Harry immer wieder unter Wasser zu drücken. Wir haben an der Szene keinen wesentlichen Fehler gefunden, immer unter der Voraussetzung, dass jemand, der plötzlich derart in Gefahr ist, nicht schlagartig wieder soweit nüchtern wird, dass er sich besser wehren kann.

Da Betrunkene aber nicht einmal mehr richtig laufen können und auch Situationen / Gefahren im Straßenverkehr vollkommen falsch einschätzen, glauben wir, die Szene ist insgesamt so denkbar. Anfangs taten wir uns etwas schwer damit, denn wenn man selbst gut schwimmen kann, ist man wenig begeistert davon, dass ein ebenfalls passabler Schwimmer (der Kraulstil der beiden Freundfeinde, die sich ein paar Tage zuvor ein Rennen liefern, das Harry natürlich knapp gewinnt, ist allerdings nicht der beste) sich so leicht ertränken lässt wie Harry.

Dass Jean-Paul die Kleider, die nass geworden waren, verschwinden lässt und durch andere ersetzt, fällt dem Inspektor auf, aber dieser mögliche Austausch ist ein Indiz, kein Beweis für eine Straftat. Hätte man hingegen die nassen oder feuchten Kleider gefunden, die Harry wirklich an dem Abend trug, hätte man feststellen können, dass er nicht betrunken schwimmen ging, sondern die Kleider anhatte, als er mit dem Wasser in Berührung kam. Dass Jean-Paul übersah, dass Harry seine nicht wasserdichte Uhr noch trug, als er angeblich schwimmen ging, ist misslich, kann in der Aufregung passieren (obwohl Delon nicht wirklich den Aufgeregten spielt, sondern doch ein Stück weit den Ripley) und gegenüber dem Inspektor lässt es sich so darstellen, dass der Betrunkene selbst vergessen hat, seine Uhr auszuziehen.

Das einzige unglaubwürdige Detail ist die Zeugenaussage von Marianne, die sich zunächst nicht erinnern kann, welche Farbe das Hemd hatte, das Harry an dem Abend trug, und das nur zwei oder drei Tage nach einem so wichtigen Ereignis und obwohl sie eine modebewusste Frau ist. Aber auch das ist kein Riesenfehler.

Bleibt die psychologische Seite. Keine Frage, dass diese ebenfalls recht gut funktioniert. Mit ein wenig Küchenpsychologie, wie in den meisten Filmen, weil nun einmal die komplexen Wendungen der menschlichen Seele in einem 100minütigen Kinofilm etwas vereinfacht werden müssen, aber grundsätzlich kann man hier ebenso von einem ebenso gelungenen Coup sprechen wie in „Plein soleil“. Dort war die Motivation von Ripley eine materielle und die Freundin seines Freundes wollte er auch haben. Hier geht es wohl eher um die Verteidigung der Position bei Marianne. Die Tötungshandlung als Liebesbeweis, könnte man sagen.

Dieses Belauern und Provozieren, das die beiden Männer einander liefern und in das auch die Frauen eingebunden werden, ist die typische Situation, die entstehen kann, wenn alte Konflikte, durch neue angereichert, hochkochen und niemand bereit ist, dem anderen das Feld zu überlassen. Schon die Anwesenheit des mondänen Musikproduzenten Harry in dem Urlaubsidyll der erfolgreichen Werbefrau und des erfolglosen Schriftstellers baut ein Spannungsfeld auf. Alles atmet die Unterschiede. Zwar haben Marianne und Jean-Paul ein sehr schönes Haus zur Verfügung, aber es gehört ihnen nicht, während angedeutet wird, dass Harry sich ein solches auch leisten könnte und möglicherweise vorhat, eine ähnliche Immobilie zu erwerben. Dann fährt Jean-Paul einen blauen Renault R8, wenn wir’s richtig gesehen haben, mit den Gordini-Rallyestreifen, also eine Art Möchtegern-Sportwagen, der nicht gegen den Maserati von Harry anstinken kann. Harry käme nie auf die Idee, mit dem Miniflitzer seinerseits eine Probefahrt zu machen, sondern kreist selbstbewusst – um sich selbst.

Zudem ist da eine irritierende Szene,  in der Harry mit seiner Tochter allein ist, die beinahe so wirkt, als hätten die beiden möglicherweise etwas miteinander. Sexuelle Handlungen mit Töchtern waren damals im Film noch nicht offen darstellbar, so weit man in den späten 1960ern auch vorgerückt war, insbesondere im europäischen Film.

Eine deutsche Kritik weist auch daraufhin, dass die Kamera schon, als Harry ankommt und Jean-Paul (oder Marianne) den Maserati als Harrys neuestes Spielzeug apostrophieren, die Kamera zur Tochter schwenkt. Andererseits scheint diese mindestens bis zum Schwimmen im Meer mit Jean-Paul Jungfrau gewesen zu sein. Dass er mit ihr Sex hatte, wird übrigens auch nicht explizit erwähnt. Vielleicht war es gar nicht so und Jean-Paul will seinen Feindfreund damit nur auf die Palme bringen.

Es gibt einige Vagheiten in dem Film, die aber so angelegt sind, dass der Fortgang der Dinge auch ohne ein Mehr an klaren Aussagen gewährleistet ist und man sich ganz auf das Geplänkel der Figuren konzentrieren kann, das ein hintergründiger Machtkampf ist, der in alle Richtungen geführt wird.

Finale

Da wir „Der Swimmingpool“ wegen seiner auffälligen Ähnlichkeiten mit „Nur die Sonne war Zeuge“ teilweise in einer Vergleichsrezension gegenübergestellt haben, ist die Bewertung auch vergleichend. Die Highsmith-Verfilmung ist viel handlungsreicher, die Atmosphäre der jeweiligen Zeit vermitteln hingegen beide Werke gut, schauspielerisch geben sie sich auch nicht viel – aber die schärfere Tonart des Ripley-Films und seine wohl doch deutlicher ausgeprägte Hintergründigkeit machen einen Unterschied aus.

Und natürlich ist eine Wiederholung eine Wiederholung, auch wenn sie in vielen Punkten so variiert wird, dass die starke strukturelle Ähnlichkeit nicht auf den ersten Blick sichtbar wird. Uns kam der Vergleich aber schon während des Anschauens in den Sinn, wegen der beiden mit denselben Darstellern besetzten männlichen Rollen.

Für Delon-Fans ist „der Swimminpool“ ebenso ein  Muss wie für Schneider-Anhänger. Zuletzt hatten wir mit ihr „Ein Engel auf Erden“ rezensiert, der zehn Jahre älter ist, und uns ein wenig über ihre Ausstaffierung mokiert, hier ist genau das Gegenteil der Fall: Wir kennen keinen anderen Film, in dem sie szenenweise eine so große erotische Ausstrahlung hat. Delon hatte zuvor mit „Der eiskalte Engel“ natürlich einen Film gedreht, der bezüglich seines Cool-Images Maßstäbe setzte, da kommt „Der Swimmingpool“ nicht heran. Zumal Delon hier einen Typ spielt, der mit sich selbst hadert und ausgerechnet Harry erzählt, er habe manchmal das Gefühl, sich umbringen zu müssen, weil das Buch, in das er große Hoffnungen setzte,  sich nicht verkauft hatte. Schriftsteller!

77/100  

© 2019, 2014 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Drehbuch Jean-Claude CarrièreJean-Emmanuel Conil
Musik Michel Legrand
Kamera Jean-Jacques Tarbès
Schnitt Paul Cayatte
Besetzung

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