Château Mort – Tatort 935 / Crimetime 241 // #Tatort #Konstanz #TatortKonstanz #Blum #Perlmann #Chateau #Château #Mort #Tatort935 #Wein

Crimetime 241 - Titelfoto © SWR, Martin Furch

Der älteste Mord aller bisherigen Zeiten, aber nicht der älteste Wein

Wenn am Bodensee die Akkus leer sind, bleibt nur der Wein im Dunkeln. Und die Geschichte. Die Geschichte einer vergurkten Revolution und wie vielleicht alles ganz anders geworden wäre, wenn die Dichter weiter hätten von der romantischen Freiheit hätten träumen dürfen. Das soll ein Tatort sein? Vielleicht – wir klären das in der -> Rezension.

Handlung

  1. Kurz:Wohin eigentlich mit Schwarzgeld, das nicht mehr bei Schweizer Banken geparkt werden kann? Der Rückgriff auf teure Sachwerte bietet sich an. Uralten, kostbaren Wein zum Beispiel. Matteo Lüthi von der Thurgauer Polizei will solche Deals aufdecken und kreuzt dabei die Wege von Klara Blum und Kai Perlmann, die den Mord an einem jungen Arbeitslosen aufklären. Der war mit einem Rucksack voll wertvoller Flaschen Wein im Bodensee versenkt worden. Mord und Steuerdelikte könnten zusammenhängen.
  2. Ausführlicher:Wohin eigentlich mit Schwarzgeld, das nicht mehr bei Schweizer Banken geparkt werden kann? Der Rückgriff auf teure Sachwerte bietet sich an, um unversteuertes Geld sicher im Ausland zu parken. Uralten, kostbaren Wein zum Beispiel. Matteo Lüthi von der Thurgauer Polizei will solche Deals aufdecken und kreuzt dabei die Wege von Klara Blum und Kai Perlmann, die den Mord an einem jungen Arbeitslosen aufklären. Der war mit einem Rucksack voll vermutlich wertvoller Flaschen Wein im Bodensee versenkt worden. Mord und Steuerdelikte könnten zusammenhängen, Klara Blum und Matteo Lüthi, sehr kooperativ gestimmt, ermitteln auf dem kleinen Dienstweg gemeinsam.

Zusätzliche Infos

Ein Fall aus dem 19. Jahrhundert ist mit einem von heute verknüpft. Darin geht es um den überaus wertvollen Hochzeitswein der Annette von Droste-Hülshoff, von dem sich etliche Flaschen in den Schweizer Depots deutscher Steuerbetrüger wiederfinden. Und um den Funken später Liebe, dem Kai Perlmann in einem vergessenen Weinkeller auf die Spur kommt.

Autor Stefan Dähnert lässt Klara Blum und Kai Perlmann in „Château Mort“ sozusagen auf zwei Zeitebenen ermitteln, in der Gegenwart und in einem Fall aus den 1848er-Jahren. Basierend auf historischen Fakten stellt er ein Gedankenspiel rund um die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff und die badische Revolution an und gibt damit Regisseur Marc Rensing die Gelegenheit, den wohl am weitesten zurückliegenden Mord der „Tatort“-Geschichte in Szene zu setzen. 

Rezension

Dieser Beitrag ist eine Nachlieferung, die Erstausstrahlung des Tatorts erfolgte im Anfang Februar 2015. Offensichtlich war unsere Kritikmaschine ausgefallen. Wir haben nachgeschaut, keines unserer Hemden weist Blutflecke auf. Aufgeschoben ist bei der TatortAnthologie aber niemals aufgehoben, wir müssen und wollen durch alles durch, was gesendet wird. Es ist ein wenig wie anno dazumal, im Jahr 48. Nein, wir meinen nicht die Währungsreform von 1948, sondern die Revolution von 1848, die ihren Ausgang in der Paulskirchenversammlung zu Frankfurt am Main nahm. Die bedrohliche Bankenstadt, in der Politik an der Politik vorbei gemacht wird und das Geld seltsame Wege geht, als Wiege einer möglichen Demokratie, heute kaum vorstellbar. Diese Romantik damals.

Mit Perlmann im Keller und bedeutungsschwangeren Zeilen an der Wand, aber schön geschrieben, sodass wir sie einwandfrei entziffern können. Es ging schon bei den Revolutionären vor 175 Jahren nichts über eine anständige Handschrift. Glücklicherweise verlässt der Akku seines iPhones den guten Perlmann erst, nachdem alles Wichtige geklärt und Klara Blum auf dem Weg ist, um ihn aus seinem Gefängnis zu befreien, das sich E. A. Poe also bei bei den 48ern abgeschaut hat. Die Soldaten, vielleicht war er einer davon, haben dann einen außer Betrieb gegangenen Parkhaus-Kassenautomaten vor das Mauerloch geschoben, weil sie es zu eilig hatten, um alles wieder anständig zu vermauern. Es waren noch nationalpatriotische Demokraten und Dichter auf freiem Fuß. Spaß beiseite, das Loch in der Mauer ist natürlich eine Neuanfertigung, und das Parkhaus wurde mitten über die Stadthistorie gestülpt. Dass das mal beim Bau überhaupt nicht aufgefallen ist, dass da noch Leichen und alter Wein im Keller sind. Ah, diese Symbolik!

Solchermaßen faktenlastige Tatorte wie „Château Mort“ haben eine ganz unangenehme Eigenschaft: Um eine Kritik mit Fleisch an den Knochen schreiben zu können oder eine, die einen langen Abgang hat, muss man sich um diese Fakten kümmern. Bei einigen Wirtschaftsbranchen-Tatorten fällt uns das nicht so schwer, wir sind, im Gegensatz zu vielen Drehbuchautoren, keine Volltheoretiker, die nie einen Fuß in eine echte Firma gesetzt haben, in der es so zugeht, wie sie es sich ausmalen. Aber wie viel Fantasie und wie viel Wahrheit steckt in diesem uralten Annette Droste-Hülshoff-Geburtstagswein?

Glücklicherweise kümmern sich angesehene Nachrichtenmagazine so gut um solche Tatorte, dass wir mindestens teilweise auf deren Beiträge verweisen können, hier auf SPIEGEL Online. Falls dieser Beitrag aber vor der nächsten Revolution von 2148 (bis dahin wird es sicher dauern, bis die Menschen drauf gekommen sind, dass sich hinter der Demokratiefassade nur noch ein einziges Vieh namens ungezügelter, totalitärer Kapitalismus verbirgt) vom Netz geht, das bis dahin ohnehin nicht mehr allen einfach so zur Verfügung steht oder falls jemand es gern etwas kürzer und rebellischer haben mag oder unseren seltsamen Stil bevorzugt und unsere Kommentierung zu den Fakten, hier das Wichtigste:

Ja, es gibt Weine für die Summen, die hier genannt werden, über den Auktionstisch gehen. Und man könnte sie sogar trinken, was natürlich Mord am eigenen Investment wäre, und Mord verjährt bekanntlich nicht.

Andererseits sind solche Preise eben virtuell. Es gibt keinen realen Gegenwert. Nicht umsonst findet Klara Blum anlässlich der Verkostung beim Lafite-Doyen Lichius, der auch niemals einen Lafite mit einem Lafitte verwechseln würde, den Discounter-Wein für 6,30 Euro am besten. Was für einen Discounter-Wein schon eine ordentliche Summe darstellt. Der hintersinnige Gedanke: Vieles ist reine Einbildung, auch beim Weingeschmack. Das Sein, also der Preis, bestimmt das Bewusstsein des Gaumens.

Darüber könnte man Abhandlungen schreiben. Über die Überhitzungen und Manipulationen am Aktienmarkt, am Markt für Kunst, insbesondere für bildende Kunst, über den Crash bei den zuvor hgehypten Oldtimern infolge wirtschaftlicher Probleme in den 1990ern. Alles ist nur eine Sache der Nachfrage und des Angebotes. Niemals sollte man, wenn man nachfolgenden Generationen etwas hinterlassen will und erkennt, dass unser System an allen Ecken und Enden bröselt, auf solche virtuellen Märkte setzen, deren Produkte keinerlei realen Nutzwert haben.

Und sieht ein gedruckter Van Gogh für 100 oder 200 Euro nicht genauso hübsch aus wie ein echter für 100 Millionen? Sakrileg! Aber Bilder kann man sich wenigstens anschauen, Wein hingegen lagert im Notfall auswärtig bei den Auktionshäusern, weil – das Finanzamt. Das Schwarzgeld ist einfach nicht sauberzukriegen, selbst, wenn es in virtuelle Märkte umgesetzt wird, bei denen man nur beten kann (als Investor), dass sie nicht mal zusammenkrachen oder dass sie zusammenkrachen (als einer der Gerechten dieser Welt oder doch an der Gerechtigkeit Interessierten), wie im Film deshalb geschehen, weil alles gefälscht ist und nur Perlmann den echten Schatz hat. Schon deshalb gut, dass Perlmann von seiner intuitiven Female Boss gefunden wird, sonst hätte er den Bestand bald versoffen.

Das war mal wieder ein Satz! Wir haben nichts gegen einen guten Tropfen, zumal wir in der alten Heimat ja mehr mit Weintrinkern und –kennern konfrontiert waren als in Berlin und persönliche Geschichten zu diesem Getränk beisteuern könnten. Aber Weinkenner und Weininvestoren sind wir gewiss nicht. Wir haben’s mehr mit der kaufmännischen Logik, deshalb glauben wir, dass im Fall der Fälle, nur Grundbesitz einen echten Wert haben wird. Und auch dieser wird unterhalb des jetzigen liegen und es wird gut sein, wenn ein ein paar Quadratmeterchen Fläche dabei sind, die man zum Ackerbau nutzen kann. Daher finden wir Tatorte, die in der Baubranche spielen, auch grundsätzlich interessanter als Wein-Tatorte, auch wenn das Wort „Château“ im Titel richtig geschrieben ist, gleichzeitig aber das „Mort“ dahinter eigentlich klein verfasst sein müsste, denn dieser Wein ist tot, und nicht das Schloss heißt „Tod“. Oder? Egal. Nein, wir haben keine mittlerweile leere Flasche Biowein aus regionalem Anbau neben uns stehen, den gibt’s nur, wenn Gäste da sind, aus finanziellen Gründen.

Nun aber zu Annette von Droste-Hülshoff, die tatsächlich für eine Zeit auf Schloss Meersburg am Bodensee lebte, auch das steht im o. g. SPIEGEL-Artikel. Aber sie hatte nicht vor, den Lewin, den es auch gab, zu heiraten, vermutlich, weil sie eh wusste, dass die Revolution und damit sein Leben nicht von Dauer sein würde, und daher gab es auch diesen Hochzeitswein nicht, von dem im 835. Tatort andauernd die Rede ist. 835 Tatorte! Wenn sich die Frequenz weiter so beschleunigt wie in den letzten Jahren und kein Thema und keine Handlung mehr zu absurd sind, werden wir vermutlich noch den 1832. Oder 1848. Tatort miterleben und wer weiß, vielleicht können wir dann noch bis zum Weinregal denken und gehen und das mit einem guten Tropfen feiern.

Fantasie hat das Drehbuch von „Château Mort“, der Wunsch, etwas Originelles zu präsentieren, ist gelungen, wenn man sich durchfindet und Fakten rund um das Weinbusiness als Information verwendet, den Droste Hülshoff-Part und einiges aus der Biedermeier-Romantik-Revolutionsepoche aber als Fiktion unter Verwendung echter Personen begreift. Das könnte ein sinnvoller Zugang zu diesem Tatort sein.

Fazit

Aber hat er auch den langen Abgang, sodass man sich am nächsten Morgen noch die Hand vor den Mund halten und selbst feststellen kann, der Atem belegt üppigen Weingenuss am Vorabend? Eher nein. Er hat diese typische Sterilität, die genau das Gegenteil eines sinnlichen Genusses auf höchstem Niveau darstellt. Alles ist schön und glatt gefilmt, aber die persönlichen Neigungen, Strebungen und Verwicklungen sind nicht einmal durchschnittlich gut herausgearbeitet. Das wiederum schlägt sich negativ auf die Spannung nieder, denn wo soll bei einer so lehrbuchhaften Anlage des Plots jene Spannung herkommen, wenn nicht von den Menschen untereinander? Sicher nicht aus Perlmanns Steinzimmer, denn dass dieser dort nicht verhungern oder gar verdursten wird, weiß jeder, der gelesen hat, dass die Tatortschiene Konstanz erst 2016 abgewickelt werden wird.

Die Schauspieler können mehr, als sie in diesem Tatort zeigen dürfen, der nie die Betriebstemperatur einstiger , packender Bodenseedramen erreicht. Eva Mattes haben wir zuletzt als Jungpostituierte in „Supermarkt“ gesehen. So viel anders als heute sah sie – physiognomisch – gar nicht aus, aber damals konnte sie noch aus Liebe weinen. Beim Lüthi Matteo, als sie feststellt, dass die junge Kollegin seine Kette trägt, geht sie nur noch unwirsch von dannen. Vielleicht glaubt sie der von einem bösen Unternehmer schlecht behandelten Jenny Schily wirklich, dass das Frauenleben mit um die 50 vorbei ist. Letztere sollte es besser wissen, als es ihr die etwas plumpen Dialoge dieses Tatorts in den Mund legen: Sie lebt nämlich in Berlin (und ihr wirkliches Alter entspricht genau dem ihrer Figur in „Château Mort“, gemäß Aussage ihrer Seite in der Wikipedia), und wir verwetten unseren (…) darauf, dass attraktive Frauen wie sie in diesem Alter noch Männer finden, die keine Persönlichkeitsstörung haben. Vielleicht ist das in Konschtanz aber doch anders. Zeit, den Kopf zu lüften, die Koffer zu packen und sich ins Leben zu stürzen. Die Midlife Crisis ist vorbei!

Weshalb haben wir nun aber wirklich so lange gebraucht, um diesen Tatort zu rezensieren? Es ist ein schlechtes Zeichen. Denn die stillen, aber intensiven Dramen vom Bodensee haben einmal zu unseren Lieblingsfilmen innerhalb der Reihe gehört. Aber in letzter Zeit hat es nicht mehr recht gezündet. Zudem ist Konschtanz ein Opfer unserer allgemeinen SWR-Lethargie geworden. Keine der drei Schienen, die vom Südwestsender kommt, überzeugt noch richtig, und so etwas setzt sich irgendwie doch im Kopf fest. Und wenn man gerade etwas Stress hat und sich entscheiden muss, machen wir hin oder nicht, dann kann ein Tatort dieser Schiene mal für einige Wochen vakant bleiben. Es soll trotzdem eine Ausnahme sein! Vor allem den Stuttgartern Lannert und Bootz wünschen wir, da Klara Blum eh aufhören wird, dass der SWR sich zusammenreißt, beim Drehbuchkauf. Darauf einen guten Schluck Kaffee. Jetzt ist es raus. So sind wir wach geblieben und haben direkt nach dem Gucken geschrieben.

6/10

© 2019, 2015 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Klara Blum Eva Mattes
Kai Perlmann Sebastian Bezzel
Matteo Lüthi Roland Koch
Hans Lichius Felix von Manteuffel
Susann Tobler Sibylle Canonica
Clemens Koch Uwe Bohm
Ure Schmitz Jenny Schily
Szenenbild Klaus Peter Platten
Kamera Jürgen Carle
Buch Stefan Dähnert
Regie Marc Rensing

 

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