Starkbier – Tatort 407 / Crimetime 246 // #Tatort #München #Starkbier #Anstich #Batic #Leitmayr #BR #Tatort407

Crimetime 246 - Titelfoto © BR

Amigo-Anschauungsunterricht mit Bier

Wir kennen von einer Freundin, welche in einem Berliner Finanzamt tätig ist, den Spruch „Wo ein „ic“, da eine Steuerhinterziehung“, aber wir lehnen solche Generalzuschreibungen selbstverständlich ab, das machen wir auch immer wieder klar, wenn jemand seine Lebenserfahrungen pointiert zum Ausdruck bringt.

Von einer solchen Einstellung bis zur Feststellung vom Ivo Batic, dass er die Kroaten nicht mehr mag, ist es vielleicht kein so großer Schritt, wenn man im Auto sitzen und frieren muss, ohne Standheizung, weil ein gewisser Marcovic beobachtet werden muss.

Dabei ist doch derjenige Osteuropäer, um den es im Film wirklich geht, Tscheche, wird allerdings auch von einem  „ic“ gespielt.  Und dann gibt es noch die Amigos. Die brauen heimlich Bier, das heimlich verladen und heimlich abgesetzt wird. Der Tscheche im Verbund spielt eine elektronische Version von „Die Moldau“ und die Bayern werfen für uns die Frage auf, wo die Kette denn endet. Ja, wo? Das steht in der -> Rezension.

Rezension

Es ist Vorfrühling in München. Die Stadt steht unter im Bann der „5. Jahreszeit“. Zum traditionellen Starkbieranstich versammeln sich die „Großkopferten“ im Stammhaus der Benedictus-Brauerei, um sich vor der Kamera „derblecken“ zu lassen. Scheinbar humorvoll lassen die Politiker Spott und Kritik über sich ergehen, man weiß, das verstärkt die Popularität im Lande. Das Volk vernimmt andächtig den diesjährigen Stammwürzegehalt des Bieres, bevor es genußvoll die Maßkrüge hebt. Darunter – ganz privat – auch Carlo Menzinger mit seinen Spezln aus dem Fußballverein und sein unerreichbarer Schwarm Sabine Irlbeck.

Keine Spur von Bierseligkeit hingegen bei den Münchner Hauptkommissaren Franz Leitmayr und Ivo Batic, die zur Zeit gereizt, müde und erschöpft sind. Schon lange beobachten sie die Bewegungen von Josef Markovic, einem gefährlichen Mörder aus der Rauschgiftszene, ohne daß ihnen der entscheidende Zugriff gelingt. Da wird am nächsten Morgen Dr. Meindl, Werbechef und einer der Teilhaber der Münchner Benedictus-Brauerei, am Steuer seiner verunglückten Limousine tot aufgefunden. Dr. Meindl muß betrunken gewesen sein. Doch Eingeweihte wissen, Meindl hat, wie immer während des Starkbieranstichs, Wasser getrunken. Vergeblich wartet Carlo Menzinger am Fundort des Toten auf das Eintreffen seiner altvertrauten Kollegen. Menzinger muß zum ersten Mal allein tätig werden.

Ivo Batic hat kein gutes Gefühl dabei, Spezl Carlo mit der ganzen Verantwortung eines Ermittlungsverlaufs alleinzulassen, und Carlos eher lässige Vorgehensweise führt bei Batic zu den gewohnten „mediterranen“ Ausbrüchen. Franz Leitmayr muß zwischen den Streit- hähnen vermitteln. Während Menzinger den Fall von unten aufrollt, übernehmen Batic und Leitmayr die Untersuchungen in den oberen Etagen der Brauerei. Dem Gerücht nach gibt es Manipulationen im Zusammenhang mit dem angeblichen Verkauf der Brauerei. Carlo entwickelt Ehrgeiz, er macht Fortschritte bei den Ermittlungen um die „Bierleiche“. Er glaubt sich auf sicherem Terrain. Denn mit Braumeister Kiem und dem Mann vom Vertrieb, Toni Irlbeck, verbindet ihn eine Duzfreundschaft, man kennt sich aus dem Fußballverein. Und das sind allesamt Männer, die wissen, was in der Brauerei abläuft.

Carlo Menzinger hat alles im Griff. Denkt er. Nichts kann seinen Höhenflug bremsen. Er ist ganz dicht dran, den Fall zu lösen. Doch der Ehrgeiz, mit dem er sich dem Themenkomplex Bier widmet, macht ihn blind und stellt die Freundschaft der drei Polizisten auf eine harte Probe. 

Rezension

Es reicht ja nicht, dass der Braumeister, der Assistent des Braumeisters und der Getränkevertrieb ein gemeinsames Bier-Erweiterungsprojekt durchziehen, es müssen ja entsprechend Kneipen mitmachen, damit überall an der Steuer und der Benedictus-Brauerei vorbei ozapft werden kann. Nicht, dass wir die Weiterverzweigung des Systems für ausgeschlossen halten, aber wie es praktisch abläuft, das hätten wir doch gerne gesehen.

Weil das Starkbier so typisch bayerisch ist und man einen typisch bayerischen Krimi machen wollte, hat man ein wenig mehr konstruieren müssen, als wenn man das Ganze z. B. hätte im weniger regionalspezifischen Baumilieu spielen lassen, das allerdings in Tatorten schon so oft vorkam, dass es nicht mehr so interessant ist wie das Braumilieu. Starkbier als Schwarzbier ist doch mal eine Abwechslung von der vielen Schwarzarbeit.

Eine besondere Variante stellt der 407. Tatort auch deshalb dar, weil Carlo Menzinger hier ganz viel ermitteln darf und auch ein Techtelmechtel hat.

Neulich haben wir zufällig in einen neuen Film mit Michael Fitz als Aussteiger-Weinbauer reingezappt, obwohl wir sowas selten tun, aber weil er nun mal auch  Carlo Menzinger gespielt hat, blieben wir dran und drin. Naja. Sein Filmbruder fragt ihn da, warum die Frauen bloß alle auf ihn stehen. Zu viel Fernsehen geschaut und sich immer als der Schwächere gefühlt, das Brüderchen.

Alle drei Münchener Ermittler durften im Laufe vieler Tatorte ihre selbstverständlich fehlgeschlagenen Beziehungsversuche haben, und das Schöne ist, wenn ein Ermittler sich verliebt, gibt es nicht ganz viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten, wie im wirklichen Leben, sondern nur die eine und die Alternative. Die eine ist, die Angebetete stellt sich als Täterin heraus oder doch als Komplizin, in der Alternative stirbt dieses weibliche Wesen und wir sind alle furchtbar traurig, weil unsere Lieblinge schon wieder nicht unter die Haube gekommen sind.

Leider hat diese Vorhersehbarkeit System, obwohl es in den letzten Jahren schon Ermittler und vor allem Ermittlerinnen gab, die ihre große Liebe wenigstens über ein, zwei Fälle hinweg retten konnten. Wir warten darauf, dass aus einem der gemischten Teams endlich mal ein dauerhaftes Paar hervorgeht, das, von der Dynamik wahrer Liebe angetrieben, die Unterwelt mal so richtig rockt.

Aber so viel heile Welt und ein „Wir gegen den Rest der Welt“ wird es in dieser Tatortwelt wohl nicht geben dürfen. Das würde die allgegenwärtige Einsamkeit zu sehr vermindern. Immerhin ist Carlos privates Interesse ganz gut in den Fall eingebunden, was man von der anfänglichen Nebenhandlung it diesem Marcovic nicht sagen kann. Den hätte man wirklich auslassen und sich noch mehr auf den eigentlichen Fall konzentrieren können.

Zu Beginn, beim Starkbieranstich, sehen wir eng verwoben Politik und Geschäft, aber es ist nun einmal die Aufgabe des Oberbürgermeisters (Christian Ude, der langjährige Münchener OB ist kurz zu sehen), die wichtigen Ereignisse mitzugestalten. Dadurch kommt so ein bissl echtes Amigo-Feeling auf, weil alle, die was zum Sagen haben, einträchtig feiern. Nur einer der Brauereivorstände kommt ausgerechnet in dem Moment auf die Idee, ein wenig die Brauereianlagen zu kontrollieren und muss dafür sterben. Dadurch wird im Verlauf aufgedeckt, dass nicht nur heimlich mehr Bier gebraut wird, sondern dass die Brauerei auch von oben angezapft wird, indem man sie gezielt so an den Rand  des Abgrundes steuert, dass sie übernahmereif wird.

Dieses Vorgehen soll dann wohl für die Täter den goldenen Handschlag bringen und vielleicht einen Posten im Konzern, der die Brauerei kauft. Der kommt in diesem Fall aus Dortmund, und das ist für Bayern schlimmer, als wenn es eine chinesische Großbrauerei gewesen wäre, die alle Produktionsgeheimnisse anzapft und danach anfängt, ihre Partner zu drangsalieren. Aber Dortmund, das geht gar nicht.

Fazit

Es sei darauf hingewiesen, dass Carlo vom Franz Leitmayr und dem Ivo ein wenig gemobbt wird. Die tun immer so, als wenn er allein ermitteln darf, sind aber ständig auf seinen Fersen und lassen ihn spüren, dass er eigentlich nix zum Sagen hat. Das wirkt deshalb ein wenig schräg, weil selbst sieben Jahre nach Dienstantritt die Herren Nemec und Wachtveitl immer noch Schwächephasen offenbaren, wie in diesem Film, wo Carlo nicht nur die Sympathien auf seiner Seite hat, sondern von Fitz auch konsequenter gespielt wird.

Vielleicht haben sich die beiden anderen darüber geärgert, dass er so in den Vordergrund gestellt wurde. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie sich darüber geärgert haben, dass sie ihn so behandeln mussten, denn sie sind doch zwei Gute, die auch in ihren jüngeren Jahren, als sie noch nicht so felsig daherkamen, keine Kollegenschweine sein wollten.

Der Film hat uns nicht sehr berührt und hätte etwas präziser sein dürfen, für Münchener Verhältnisse also kein Starkbier.

6,5/10

© 2019, 2015 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Ivo Batic – Miroslav Nemec
Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Carlo Menzinger – Michael Fitz
Anton Irlbeck – Christoph Gareisen
Sabine Irlbeck – Marie Munz
Jiri Hasek – Aleksandar Jovanovic
Braumeister Kiem – August Schmölzer
Giesek – Sebastian Baur
Eisinger – Werner Haindl
Dr. Meindl – Nikol Voigtländer
Elisabeth Meindl – Anne Stegmann
und andere

Musik – J.J. Gerndt
Drehbuch – Michael Wogh
Regie – Peter Fratzscher

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