Discokiller – Polizeiruf 110 Fall 204 / Crimetime 298 // #Polizeiruf110 #Disco #Discokiller #MDR #Halle #SachsenAnhalt #Club #Schmücke #Schneider

Crimetime 298 - Titelfoto © MDR / Tellux Film

Wie damals auf dem Schulhof

Man soll sich nie mit Menschen einlassen, denen man schon während des Schülerdaseins nicht gewachsen war. Das führt nur zu weiteren Beulen. Die Prämisse dieses 204. Polizeirufs, des 8. Falls von Team Schmücke / Schneider, ist von eindrucksvoller und seltener Klarheit. Was es sonst zum Film zu schreiben gibt, steht in der -> Rezension.

Handlung (Wikipedia)

Vor einer Diskothek wird die siebzehnjährige Kim Kober von einem Unbekannten angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Nachdem sie ins Krankenhaus gebracht wird, erliegt sie später ihren Verletzungen. Schmücke und Schneider ermitteln und finden in der Handtasche des Opfers eine größere Menge Ecstasy. Diskobetreiber Schuwitt unterzeichnet schon am nächsten Tag einen Vertrag mit dem Wachschutz „Löwe“, der besonders gegen Drogendealer arbeitet.

Herbert Schmücke gabelt den obdachlosen Bastian auf, der ein möglicher Tatzeuge ist. Da er in einer ungeheizten Gartenlaube haust, nimmt er ihn in seiner Wohnung auf. Bastian bekommt so einiges von Schmückes Ermittlungen mit und kann ihn unterstützen. Nach Bastians Wissen hatte Kim mit dem Drogendealer Hofer Streit. Schmücke stößt bei der Suche nach ihm auf eine alte Schulfreundin. Ulrike Blix ist vor einiger Zeit aus den alten Bundesländern nach Halle zurückgekehrt, um ihre Discothekenkette in ihre Heimatstadt auszuweiten. Mit ihrer Hilfe kann er Hofer ausfindig machen, der zugibt Kim die Meinung gesagt zu haben, da er keine Konkurrenz in seinem Revier dulden würde. Er hätte deshalb aber nicht gleich auf sie geschossen.

Kommissar Schneider ermittelt in der Zwischenzeit über den Wachdienst Löwe, der bekannt ist, mit drastischen Mitteln Aufträge zu erhalten und alle umliegenden Diskotheken zu seinem Kundenkreis zählt. Bei einer Hausdurchsuchung werden diverse Gewehre im Panzerschrank sichergestellt. Löwe leugnet etwas mit dem Anschlag zu tun zu haben und kann ein Alibi vorweisen. Nach der Überprüfung kommt auch keines seiner Gewehre als Tatwaffe in Betracht. Für eine weitere Befragung steht Löwe nach einem tödlichen Herzinfarkt nicht mehr zur Verfügung.

Da Bastian der einzige Belastungszeuge gegen Hofer ist, setzt dieser zwei Killer auf ihn an. Der Junge kann ihnen mit Glück entkommen und Hofer wird daraufhin in Untersuchungshaft genommen. Kurze Zeit später wird in Schmückes Wohnung auf Bastian geschossen, die Projektile stimmen mit denen vom Anschlag auf Kim überein. Dabei findet Schmücke heraus, dass nicht Kim die Dealerin ist, sondern Bastian. Kim war nur seine erste Kundin. Mit seiner Anschuldigung gegen Hofer wollte er ihn vom Markt drängen. Da Hofer noch in Haft ist, scheidet er als Attentäter aus und Schmücke fragt sich, wer der Nutznießer des Anschlags vor der Diskothek ist. Das dürften seiner Meinung nach die anderen Diskobetreiber sein, die aus dem schlechten Ruf dieses Veranstaltungsortes Vorteile ziehen. Schneider lenkt die Aufmerksamkeit Schmückes auch auf seine alte Freundin Blix, die in den letzten Tagen gerade wieder eine Diskothek aufgekauft hat.

Ulrike Blix hatte die ganze Zeit über immer wieder Kontakt zu Schmücke gesucht und sich ihm gegenüber als brave Geschäftsfrau ausgegeben. Schmücke konfrontiert sie mit seinen Ermittlungsergebnissen und dass er sie für die Auftraggeberin der beiden Anschläge hält. Nachdem ihr Geschäftspartner nach einem Autounfall tot aufgefunden wird und sich die Tatwaffe in seinem Wagen befindet, untersuchen die Kommissare den Geländewagen von Blix nach Spuren, da sie vermuten, dass sie das Auto gerammt hatte, um ihren Mitwisser zu beseitigen und von sich abzulenken. Nachdem Schmücke sie allein auf ihrem Landsitz am See aufsucht und sie massiv beschuldigt, verliert sie die Nerven und schlägt ihn mit einem Spaten nieder. Während sie dabei ist ihren alten Schulkameraden im See zu versenken trifft Schneider ein und erschießt Ulrike Blix.

Rezension

Wenn nämlich nicht der gute Schneider noch aufgetaucht wäre, dann hätte Schmücke keinen 9. Fall mehr lösen können. Jaecki Schwarz spielt den Schmücke so, dass er, obwohl nicht mehr zu den Aktiven zählend, dabei ist, sich zu einem unserer Liebling unter den Tatort- und Polizeiruf-Ermittler_innen zu entwickeln. Aber mit den Gebildeten muss man Geduld haben und der Mann ohne Abi und ohne Wissen über italienischen Essig muss am Ende – an der Schranke stehen bleiben, bevor er endlich seinen … ja, was eigentlich? … retten darf. Das mit der Schranke ist ein ganz billiger Trick, um die Spannung zu erhöhen, zumal Schneider mit beherztem Vollgas noch hätte durchfahren können. Aber so sind sie, die Staatsdiener. Immer dann brav, wenn niemand was davon hat. Ja, was? Obwohl Schneider ebenfalls Hauptkommissar genannt wird, scheint Schmücke der Leitende zu sein. Das Etagenverhältnis zwischen den beiden ist doch ziemlich deutlich zu bemerken. Mehr als in Köln beispielsweise, wo Ballauf die höhere Position hat (nicht den höheren Rang), aber Schenk als Typ mindestens genauso präsent ist. Absolut gleichberechtigt scheinen die Münchener Batic und Leitmayr zu sein, ebenso die Spitzen einiger neuerer Teams.

Wer mehr zu sagen hat, darf auch mehr sagen und irrt sich deshalb auch häufiger. Schon krass, dass Schmücke der Frau Blix den Rücken zudreht, als er gerade wegen ihrer Verhaftung telefoniert. Schmücke, die Mücke. Klar, bei dem arglosen Verhalten, dass er schon auf dem Schulhof immer das Nachsehen hatte. Eine Ossi, die im Westen abgehärtet wurde und als kapitalistische Schlange zurückkehrt, das ist noch schlimmer, als wenn jemand gar keine Ost-Sozialisierung hat. Uns hat es genervt, dass die Frau, die anfangs so verführerisch wirkt, so abgrundtief böse dargestellt wird. Etwas mehr Differenzierung hätte gerade dieser Figur nicht geschadet und sie hat genug Spielzeit dafür.

Als das Stichwort „cui bono“ fiel, hatten alle Verschwörungstheoretiker, also die wenigen darunter, die sich alte Polizeirufe nochmal angucken, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. A.) Wem nützt es und b.) wes Brot ich ess, des Lied ich sing, das ist im Grunde die Zweisäulen-Welt, auf der alle geradlinigen Zuschreibungen des Weltgeschehens basieren. Typisch menschliche Schwächen und Unvollkommenheiten müssen da zwangsläufig außen vor bleiben, damit die Kausalketten vom ersten bis zu  letzte Glied, zum Beispiel von den Herrschern des tiefen Staats bis zu lausigen Agenten in unübersichtlichen lateinamerikanischen Staaten funktionieren wie geschmiert. Manchmal wird das auch so sein, doch abseits von „cui bono“ könnte man „Der Discokiller“ auch als Antidot gegen allzu viel Vertrauen in die menschliche Durchtriebenheit, die dann auch 1:1 in Handlungen umgesetzt wird, verstehen. Außerdem ist das wirklich Böse immer eine Schwarmboshaftigkeit. Der Einzelne stolpert da rein un bringt sich ein, wird Teil davon und gewinnt Sicherheit. Ein bisschen wirkt besonders Schmücke in diesem Film genau so. An Harmlosigkeit er sowohl bei seinem Verhalten dem Jungen Bastian als auch Ulrike gegenüber kaum zu übertreffen.

Dass diese sich unbedingt die frühere Mücke angeln will, ist aber ebenso fragwürdig, es sei denn, sie traut ihm wirklich überhaupt nichts zu. Tut sie aber, das äußert sie gegenüber Troll ja mehrfach. Also zieht sie Schmücke erst dorthin, wo er – am Ende gegen sie – ermitteln kann. Wir müssen festhalten, dass ohne ihr aktives Zutun und ohne dass Schmücke dadurch auch den Troll kennenlernt, die Ermittlungen gar nicht vorangekommen wären. Man wäre bei den beiden anderen Verdächtigen, dem Drogendealer und dem Sicherheitsdienstunternehmer, stecken geblieben. Ersterer versucht, Bastian vollkommen sinnlos umbringen zu lassen, nachdem dieser seine Aussage schon getroffen hat, Letzterer hätte sich postum oder posthum ein Alibi verschafft, weil Schmücke und Schneider ja das polnische Mädchen noch fanden. Eine sehr interessante Idee, immerhin, dass jemand schon tot ist und dann erst sein Alibi  nachgewiesen werden kann. Viel effektvoller und spannender umzusetzen allerdings in Ländern mit Todesstrafe, denn das jemand vor lauter Stress mit der Ermittlung in eigener Sache einen Herzinfarkt bekommt, wird nicht alle Tage passieren.

Der größte Klops ist aber die Motivation des ruchlosen Duos Troll / Blix. Irgendwo gab es das in einem Tatort auch schon, dass unternehmerische Konkurrenz im Verdacht stand, mörderische Folgen zu zeitigen. Am Ende war es dort aber nicht so, allerdings war ja auch die Konstellation anders: Derjenige, von dem glaube, er sei tötungsgeneigt, war der mit dem kleineren, unkommerziellen Projekt. Dessen Täterschaft wäre nicht PC gewesen.

Im Prinzip ist es eine Mafiamethode, die in „Der Diskokiller“ abgewandelt wird. Aus der Schutzgelderpressung wird die Auftragsabpressung, das Ergebnis ist das gleich: Der Betreiber eines  Unterhaltungslokals kriegt Ruhe in den Laden. Allerdings ist Löwe, der Sicherheitsunternehmer, im vorliegenden Fall nur Trittbrettfahrer, denn das Ziel ist ein anderes und wird auf erstaunlich rasche Weise auch erreicht. Trotz des neuen Sicherheitsdienstes gibt der Besitzer den Laden an Frau Blix ab. Es kann vermutet werden, dass die Methode, Clubbesitzer mit schwachen Nerven aufgabereif zu machen, schon in Düsseldorf entwickelt wurde. Wo sonst? Schade, dass Rolf Zacher dadurch nur einen Kurzauftritt hat, dass er so schnell die Segel streicht. Den hätten wir gerne noch ein paar Minuten länger gesehen. Und wer bestimmt, welcher Clubbesitzer sich bloß einen neuen Sicherheitsdienst sucht und welcher gleich abhaut? Man weiß es nicht, vielleicht ist Schmücke auch deswegen so desorientiert. Schließlich hat Schuwitt (Zacher) erst noch schnell einen neuen Sicherheitsdienst angeheurt, bevor er seinen Club verkauft.

Finale

Vor allem Jaecki Schwarz als Kommissar Schmücke ist ein Pluspunkt, auch dann, wenn er seine Figur ziemlich desolat wirken lassen muss. Er spielt souverän den Halbtrottel, auch Gila von Weitershausen als Ulrike wirkt insofern überzeugend, als ihr niemand abnehmen würde, dass sie so hintergründig ist. Sicher ist das ein wenig den Zuschauer genasführt, andererseits – wozu sollte eine Frau gut sein, die Schmücke gleich mal daran erinnert, dass er damals, an der Schule, nicht gerade der Burner war, wenn sie nicht die Täterin ist bzw. die Anstifterin? Heinz W. Kraehkamp ist auf Typen wie den Löwe so fest abonniert, dass sie immer authentisch wirken – unter bestimmten Voraussetzungen. Wie zum Beispiel derjenigen, dass der Chef einer Sicherheitsfirma aufgrund seines offensichtlichen Alkoholismus ein Sicherheitsrisiko darstellen darf, ohne dass jemand daran Anstoß nimmt.

Überzeugend ist anders und zum Visuellen lässt sich vor allem sagen: Es ist Stereo. Und man hört den Sound der Lichtblitzer-Disko schon im Format 16:9. Wie 1998 bereits üblich.

6/10

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Kommissar Schmücke Jaecki Schwarz
Kommissar Schneider Wolfgang Winkler
Edith Reger Marita Böhme
Ulrike Blix Gila von Weitershausen
Gero Troll Silvan-Pierre Leirich
Bastian Alexander Hosfeld
Schuwitt Rolf Zacher
Löwe Heinz W. Kreahkamp
Regie: Marco Serafini
Buch: Scarlett Kleint und Michael Illner
Kamera: Sebastian Richter
Musik: Gast Waltzing

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