Käfer und Prinzessin – Polizeiruf 110 Fall 342 / Crimetime 348 / #Polizeiruf #Polizeiruf110 #Käfer #Prinzessin #Brandburg #RBB #Lenski #Krause

Crimetime 348 - Titelfoto © RBB, Oliver Feist

Los, alle auf den Landhof!

Dieser Polizeiruf ist wie gemacht oder gemalt für unsere Zeit. Wie wollen wir leben, in den Zeiten, in denen uns das Kapital zu erdrücken versucht – in geretteten, kommunalisierten Häusern in der Stadt? Oder doch vielleicht draußen in Brandenburg, auf einem Ökohof? Bezüglich des Fortbestandes dieser Gemeinschaft, die am Ende offen bleibt, nehmen wir Ruths Perspektive ein,  nicht die Olgas: Es wird weitergehen, nach dem schweren Schock mit Mord und Verrat. Die übrigen werden stärker zusammenwachsen und bleiben, wo sie waren und sich nicht von der Immobilienlobby und der Politik manipulieren lassen. Wie es zu diesem Gang übers Bioanbaufeld kam, der am Schluss als Topshot gefilmt wird, erklären wir in der -> Rezension.

Handlung

Ein neuer Fall für die „Polizeiruf 110“-Ermittler aus Brandenburg: Das Mitglied eines Öko-Bauernhofes wird tot in der Jauchegrube eines benachbarten Hofs aufgefunden. Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski und Polizeihauptmeister Horst Krause ermitteln in alle Richtungen, denn es ist lange Zeit nicht klar, ob es sich um Mord oder um fahrlässige Tötung handelt. Ein schwieriger Fall, vor allem für Olga, denn die Lebensgefährtin des Toten ist eine alte Schulfreundin von ihr. Ruth und Olga kennen sich aus Kindertagen. Sie waren beim Fasching „Käfer und Prinzessin“, haben ihre Jugend miteinander verbracht – bis sie sich aus den Augen verloren.

Während Olga den klassischen Weg mit Ausbildung und Beruf ging, entschied sich Ruth für ein alternatives Leben jenseits der üblichen Konventionen. Für Olga rückt der Mord einen kurzen Moment in den Hintergrund. Alte Erinnerungen werden wach. Zum ersten Mal blicken die beiden jungen Frauen auf ihr Leben zurück. Was ist aus ihren Träumen von damals geworden? Sind sie in Erfüllung gegangen?

Währenddessen entdeckt Horst Krause, dass der Öko-Hof mit großen Problemen zu kämpfen hat. Es hat sich herausgestellt, dass das Ackerland der Gemeinschaft verseucht ist. Es handelt sich wahrscheinlich um Altlasten aus früheren Zeiten. Aber muss die Kommune umziehen und praktisch wieder neu anfangen? Wie gelingt es dem „Chef“ Harry Wacker, die anderen von der Notwendigkeit eines Umzugs zu überzeugen? Paul, mit dem Ruth gemeinsam einen kleinen Sohn hat, misstraut Harrys Versprechungen und fordert mehr Aufklärung.

Lenski und Krause versuchen herauszufinden, ob die Konflikte innerhalb der Gemeinschaft mit dem Tod des Kommunarden Martin zu tun haben. Schließlich muss sich auch Olga fragen, ob sie ihrer Freundin noch vertrauen kann und was Ruth tatsächlich über den Tod ihres Lebensgefährten weiß.

Rezension

In diesem Fall können wir mit Zitaten beginnen, weil wir uns anschließen:

„Rainer Tittelbach von tittelbach.tv bewertet diesen Polizeiruf positiv und schreibt: „Landlust und der stille Frust über die ‚Verhältnisse‘ stehen in ‚Käfer und Prinzessin‘ im Zentrum der Geschichte. Es ist ein Film über (verlorene) Träume und Verrat an der gemeinsamen Sache. Es ist ein Beziehungsfilm vor und ein Liebesfilm hinter der Kamera. Denn die wunderbaren Schauspieler und Macher, allen voran Kino-Regisseur Thalheim (‚Netto‘), lieben ihr Metier. Es ist kein Film für Spannungs-Fetischisten oder Til-Schweiger-Fans, sondern ein unaufgeregter Krimi, der das Ermitteln quasi als Spaziergang zeigt durch eine Landschaft, die lebt, und ein Licht, das strahlt.“[2]

Die Kritiker der Fernsehzeitschrift TV Spielfilm vergaben die bestmögliche Wertung (Daumen nach oben) und schrieben: „Klassischer, unprätentiöser ‚Wer war’s?‘-Krimi mit toller Besetzung.“ Als Gesamtfazit zogen sie: „Milieusicherer, stimmiger Heimatkrimi“.[3]“ (Wikipedia)

Vielleicht hat Meister Krause ein bisschen wenig Spielzeit, aber sonst gibt es kaum etwas zu bemängeln an „Käfer und Prinzessin“. Das Duo Ruth und Olga ist hervorragend ausgesucht, die machende Träumerin und die suchende Macherin – und natürlich das Thema. 2014 war es zwar nicht mehr prophetisch, aber mit jedem Jahr, das unter den erdrückenden Bedingungen eines ökokatastrophalen und alles Soziale vernichtenden Kapitalismus ins Land geht, stellt sich mehr die Frage, wann wir uns erheben müssen, zumindest alle, die unter 60 sind, wann wir den Arsch hochkriegen, um endlich „Nein!“ zu sagen. Wir dürfen uns nicht von denen verrückt machen lassen, die das gegenwärtige System für alternativlos halten und nicht von denen, die uns sagen wollen, die Macht ist so stark, dagegen haben wir keine Chance. Wir werden in den nächsten Tagen hier einen Beitrag über einen tatsächlichen, genossenschaftlich geführten Ökohof in Norddeutschland bringen, der zwar nicht solch eine große Anzahl von Menschen als Bewohner hat, wie wir sie hier sehen, aber Grundfragen sind immer wieder ähnlich zu stellen.

Keine Frage, dass die Filmemacher Sympathie für ihre willentlichen Landeier haben, auch und gerade weil immer wieder die Gefahren für eine solche Idylle gezeigt werden: Der Hof trägt sich noch nicht, die meisten haben weitere Jobs, um über die Runden zu kommen. Wer bringt sich wie ein, wie viel Integration muss, wie viel privat darf sein und was passiert, wenn die Gefühle dazu führen, dass Patchworkszenarien entstehen, die für die eher separatistisch oder auch mehr in Besitzstrukturen denkende Mehrheit einen enormen Stress bedeuten würde? Wir tun uns auch ein wenig schwer mit dem, was wir teilweise an ungeahnten Folgen einer solchen Kommune oder Community sehen. Aber es geht auch ums gute Leben, um die Natur, um die Freiheit, mit ihre Zwiesprache zu halten und dabei zu einem Ausgleich zu kommen. Ganz klar, dass damit auch ein archaisches Sittenbild entsteht, aber in „Käfer und Prinzessin“ ist es eben nicht die übliche Eifersucht am Hof, die zum Tod eines Mitglieds der Gemeinschaft führt, obwohl Olga Lenski das vielleicht lieber gewesen wäre: Es gibt überall dieselben Probleme, egal, welches Lebensmodell man wählt.

So ist es aber nicht. Es ist die Gewinnsucht eines Verräters, eines Mannes, dem die anderen zu sehr vertrauen, die zu Manipulationen an Grund und Boden führt und alles in Gefahr bringt. Es ist die Infiltration des Kapitals. Wer da Parallelen auch zu gegenwärtigen Vorgängen in der Stadtgesellschaft von Berlin erkennen mag, der darf das tun. Geld ist einfach verführerisch, wenn man es plötzlich in Mengen angeboten bekommt und es ist schwer, zu widerstehen, wenn man auf einen Schlag oben sein kann im System, anstatt sich mit dem Ausstieg aus dem System mühevoll über Wasser zu  halten. Deswegen sind auch so viele ehemalige Stadtrebellen mittlerweile brav systemaffin und haben sich irgendwo auf einer Staats- oder Stabsstelle unterbracht; sich also für weniger Geld verkauft als der wackere und geschäftstüchtigere Harry Wacker, der dafür sorgt, dass der Boden des Landhofes als kontaminiert gilt. Ganz logisch ist dieser Part nicht, denn ein Bodengutachten müsste es ja wegen des Bio-Anbaus und grundsätzlich schon gegeben haben, als der Hof von den Aktivist_innen wieder in Betrieb genommen wurde, also wäre aufgefallen, dass sich erst später etwas zum Negativen verändert hat. Aber wie die meisten heutigen Fernsehkrimis lebt „Käfer und Prinzessin“ nicht von einem perfekten Plot, sondern, wenn er gut gemacht ist, von der Stimmung und Figuren, die stimmig wirken und sich einprägen. Und er zeigt nicht, wie Tatorte in letzter Zeit das immer mal wieder taten, Aussteigergemeinschaften als sinistre Typen, welche Sektencharakter annehmen, rechtsgewirkt sind. Diese Lesart drängt sich gerade durch den Vergleich auf: In einem der ersten Franken-Tatorte wurden Ökobauern als gefährliche Spinner gezeichnet, schon damals haben wir uns in der Rezension dagegen gewehrt, aber heute würden wir diese Manipulation zugunsten eines fantasielosen Konformismus noch mehr in den Vordergrund stellen und es käme zu einer noch deutlicheren Abwertung.

„Käfer und Prinzessin“ zeigt hinreichend die Gefahren für jede Gemeinschaft, die sich unabhängig stellen will, aber auch die Freude an der Freiheit und der Ungezwungenheit in der Natur. Und aus dem Käfer wurde ein Naturkind, aus der Prinzessin eine Polizistin, die sich integriert hat und, das kann man von Olga Lenski gewiss sagen, ein eigenständiger Typ geblieben ist, der jederzeit eine Veränderung im eigenen Leben anstoßen kann. Das hat sie dann ja auch getan, indem sie von Krause und Potsdam weg zur polnisch-deutschen Polizeieinheit auf der anderen Seite der Grenze ging. Mütter sind beide Frauen, wir wissen aber nicht, ob Maria Simon hier ihr eigenes Kind einsetzt, das etwa ein Jahr vor dem Dreh für diesen Film geboren wurde und zu einer Auszeit geführt hat (in „Die Gurkenkönigin„, dem Vorvorgänger von „Käfer und Prinzessin“, wird sie von Tamara Rusch alias Sophie Rois vertreten).

Finale

„Käfer und Prinzessin“ ist ein gelungener Krimi im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie und weil wir solch ein Szenario generell spannend finden, sind wir nicht darauf angewiesen, dass alles vor Action überbordet. Allein das Wandern mit der Kamera über den Hof, durch die Räume des schönen alten Haupthauses, durch die Scheunen und über die Felder und die Bäume, die sich gerade in den Farben des Indian Summers zeigen und abgeerntet werden, war uns ein Fest. Dieser Hof wird von Menschen, nicht von Marionetten bevölkert und wir bleiben dabei, in der Krise, von der die Gemeinschaft heimgesucht wird, liegt eine Chance. Falls noch ein älteres Single-Mitglied als Ersatz für den verblichenen Genossen gesucht wird, wir wären bereit, eine Bewerbung zu schreiben. Einen Typ wie Harry hingegen braucht es nicht, an dem alle sich ausrichten.

Aber schon interessant, dass auch ein solcher Hof seinen höchst einflussreichen Guru hat, oder? Gruppendynamik ist eben kein Ponyhof, auch nicht draußen, wo das gute Obst wächst. Die Gleichberechtigung und der Wille zur Partizipation aller muss jeden Tag neu errungen werden. Wir vergeben für „Käfer und Prinzessin“ die höchste Wertung, die bisher ein Polizeiruf erhalten hat. Das Spektakuläre daran ist, dass ein anderes Leben möglich ist, dass es funktionieren kann, dass es aber aufgrund einer Ausnahmestellung in einem Umfeld, das eben nicht mehr dem vor vielen Jahrhunderten entspricht, als alle mehr oder weniger gleich im Einfachen waren, seiner oftmals anstrengenden Verteidigung gegen die kapitalistische Verwertungslogik bedarf.

9/10

Hauptkommissarin Olga Lenski Maria Simon
Hauptmeister Horst Krause Horst Krause
Ruth Fritzi Haberlandt
Harry Wacker Peter Lohmeyer
Jimmy Jacob Braune
Paul Fabian Busch
Sabine Helene Grass
Gunnar Godehard Giese
Ackermann Rüdiger Klink
Martin Jahn Niels Bruno Schmidt
Dr. Monika Silber Sabine Vitua
Bauer Schröder Hans Hohlbein
Dieter Kottke Christian Kuchenbuch
Wirt Lutz Blochberger
Frau Kowalla Inga Dietrich
Felix Andreas Pietschmann
Wolle Fritz Roth
Gerichtsmediziner Stephan Baumecker
Kamera: Henner Besuch
Buch: Clemens Murath
Regie: Robert Thalheim

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