Crimetime Vorschau - Titelfoto © NDR, Georges Pauly
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Es gab leider nur sechs Film mit dem V-Sonderermittler Cenk Batu, zwei davon konnten wir nach dem Start der „TatortAnthologie“ im Jahr 2011 anlässlich ihrer Fernsehpremiere rezensieren, drei weitere nachträglich. Mit dem Startfilm für den ersten Cop mit türkischem Hintergrund, der als Hauptermittler arbeitet, schließen wir nun die Lücke. Der erste Polizist mit MH und einer Hauptrolle war und ist übrigens Ivo Batic aus München.
Leider waren die Einschaltquoten für dieses besondere Konzept niedrig und der NDR hat zu schnell die Geduld verloren – dass man Batu dann durch Tschiller ersetzt hat, ist das vermutlich größte Verbrechen, das Tatortverantwortliche in fst 50 Jahren selbst begangen haben. Am Anfang brachte Tschiller ja auch die Quote, aber wie nie zuvor bei einem Wechsel aus ebenjenem Grund haben wir uns gefragt, ob der öffentlichrechtliche Rundfunk keine anderen Maßstäbe anlegen darf. Mittlerweile hat es sich gerächt, dass Qualität eben doch nicht gar keine Rolle spielt und die Hamburg-Schiene steckt fest. Der NDR hat mit Falke und Lorenz, dann Falke und Grosz, glücklicherweise ein zweites Eisen im Feuer, auch wenn Falke aus Hamburg weichen und zur Bundespolizei gehen musste, weil in dieser Stadt nur Platz für einen ist: Nick Tschiller. Diese Tatsache führt dazu, dass es in der einstigen Krimihochburg ziemlich öde geworden ist. Gentrifizierung hat eben viele Seiten, und sie sind alle negativ.
„Mehmet Kurtulus verkörperte den verdeckten Ermittler des LKA Hamburg nur sechs Tatort-Folgen lang, nach „Die Ballade von Cenk und Valerie“ quittierte der Schauspieler 2012 den Dienst. Dabei spielte Kurtulus den türkischstämmigen Kommissar überzeugend und glaubwürdig. Dennoch war der Darsteller nach drei Jahren und sechs Folgen unzufrieden mit dem ständig wechselndem Team, immer neuen Produzenten und Redakteuren. Er vermisste nach eigener Aussage gegenüber dem „Spiegel“ den roten Faden in der Geschichte rund um Cenk Batu: „Ein Head-Autor wäre toll gewesen, der die gesamte Entwicklung überwacht und koordiniert.“
Der Schauspieler, der mit Filmen wie „Gegen die Wand“ berühmt wurde, hat nach dieser Version für sein frühes Ausscheiden aus der Reihe, die bei den Tatort Fans nachzulesen ist, selbst gesagt, er mag nicht mehr, aber die niedrigen Quoten sind belegt. Einen Head-Autor haben aber wohl die meisten Tatortschienen nicht und die oft wenig konsistente oder nicht vorhandene Figurenentwicklung eher die Regel als die Ausnahme. Einige Schienen werden sowieso in der „permanenten Gegenwart“ erzählt. Ein klassisches Beispiel dafür war Münster, bis endlich Nadeshda Krusenstern befördert wurde.
Es gibt natürlich weitere Überlegungen, die man anstellen kann – handlungsseitig war das Batu-Konzept ziemlich eng begrenzt, weil er immer nur verdeckt und das wiederum nur in einem Milieu arbeiten konnte, in dem er authentisch wirkt. Aber ist es auch glaubwürdig, dass Außenstehende so schnell an die Spitzen von Clans herankommen, ohne gründlich gecheckt worden zu sein? Ein weiterer Aspekt: Dass man vielleicht heute beim NDR ganz froh ist, nicht mehr diese Sonderschiene an der Backe zu haben, aus Gründen der politischen Korrektheit.
Ob die sechs Filme von Cenk Batu sich zu Klassikern entwickeln werden? Immerhin liegen zwei davon unter den Top 100 von gegenwärtig fast 1.100 Produktionen in der Rangliste des Tatort-Fundus und nur einer, „Vergissmeinnicht“, gilt bei den Fans, die Bewertungen abgegeben haben, als unterdurchschnittlich.
Wir werden „Auf der Sonnenseite“ aufzeichnen und in den nächsten Tagen eine Kritik schreiben.
Handlung
Cenk Batu arbeitet seit Monaten in einer riskanten verdeckten Mission bei dem scheinbar seriösen Unternehmer Petermann. Doch als er endlich in den engeren Zirkel vorzudringen scheint, scheitert er an einer brutalen Feuerprobe.
Ausgerechnet jetzt kommt sein VE-Führer Uwe mit einem neuen Auftrag: In der Rolle eines türkischen Kleinkriminellen soll Cenk ins Krankenhaus, um dort über den durch eine Messerattacke verletzten Deniz Kontakt zum nach außen hermetisch abgeriegelten Nezrem-Clan herzustellen. Deniz ist der Neffe von Tuncay Nezrem, offiziell Restaurantbesitzer und Gemüsegroßhändler, inoffiziell ein aufstrebender Clanfürst. Und tatsächlich erlangt Cenk Batu quasi über Nacht das Vertrauen von Tuncay Nezrem. Schnell wird ihm klar, dass hinter der Fassade des harmlosen Geschäftsmannes Hochstapeleien stehen, bei denen Nezrem offenbar vor nichts zurückschreckt. Nicht einmal vor dem Verrat seiner eigenen Landsleute, dem auch sein Neffe Deniz zum Opfer fällt. Und plötzlich ist Petermann wieder im Spiel.
Besetzung und Stab
Cenk Batu – Mehmet Kurtulus
Uwe Kohnau – Peter Jordan
Tuncay Nezrem – Aykut Kayacik
Deniz Nezrem – Burak Yigit
Andreas Petermann – Michael Wittenborn
Anja [Nachbarin] – Patrycia Ziolkowska
Regie – Richard Huber
Kamera – Martin Langer
Buch – Christoph Silber und Thorsten Wettcke
Musik – Dürbeck & Dohmen
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