Wir setzen die heutige Neuigkeit schnell über den Ausgangsbeitrag und kommentieren den heute vom Stadtbausenat vorgelegten Entwurf – der nur eine Woche nach der Veröffentlichung eines Papiers kommt, das für helle Aufregung gesorgt hat.
Ein Dank vorab an die @HeimatNeue, die uns auf das Neueste vom Berliner Mietenwahnsinn aufmerksam gemacht hat, während wir gerade über ein anderes Thema schrieben.
Hier zunächst der Tweet vom Stadtbausenat, der auf die heutige Veröffentlichung von Eckpunkten hinweist (aus dokumentarischen Gründen als Screenshot, hier der Link):

Im Folgenden bilden wir die gesamte Pressemitteilung des Senats ab:
Senatorin Katrin Lompscher stellt wichtigste Inhalte des Referentenentwurfs zum Mietendeckel vor
30.08.19, Pressemitteilung
Am heutigen Freitag, 30. August 2019, stellte Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, die zentralen Inhalte des Referentenentwurfs vor. Er basiert auf den Eckpunkten zum Mietendeckel, welche der Senat am 18. Juni beschlossen hat, und auf den Ergebnissen der Verständigung in der Koalition.
Seit Wochen wird bundesweit über die Einführung eines Berliner Mietendeckels diskutiert. Am heutigen Freitag, 30. August 2019, stellte Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, die zentralen Inhalte des Referentenentwurfs vor. Er basiert auf den Eckpunkten zum Mietendeckel, welche der Senat am 18. Juni beschlossen hat, und auf den Ergebnissen der Verständigung in der Koalition.
Die wichtigsten Inhalte des Referentenentwurfs
- Mit Inkrafttreten des Gesetzes gilt ein Mietenstopp, d.h. die Mieten werden auf dem Stand vom 18. Juni 2019 (Stichtagsregelung) eingefroren.
- Je Baualtersklasse wird eine zulässige Mietobergrenze definiert (Mietentabelle). Diese liegt – für normal ausgestattete Wohnungen – zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro. Die maximal zulässigen Miethöhen werden ermittelt ausgehend von den Werten des Mietspiegels 2013, indiziert mit der Preis- und Lohnentwicklung.
- Zu den Werten der Mietentabelle sind Zuschläge möglich, sofern sich die Wohnung in einem Gebäude mit maximal zwei Wohnungen befindet (10 Prozent) oder wenn in den letzten 15 Jahren Modernisierungen vorgenommen worden sind (maximal 1,40 Euro pro Quadratmeter).
- Die zulässigen Miethöhen laut Mietentabelle gelten für die Wiedervermietung und für Absenkungsanträge.
- Mietabsenkungen auf die Mietobergrenze sind auf Antrag möglich, wenn die bisherige Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt. Das Verfahren wird in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen der Kooperationsvereinbarung mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ausgestaltet.
- Der Referentenentwurf sieht einen „atmenden“ Mietendeckel vor. Ermöglicht werden moderate Mieterhöhungen bis zur Mietobergrenze, die sich an der jährlichen Inflationsrate orientieren. Außerdem wird eine Anpassungsmöglichkeit der Mietentabelle vorgesehen.
- Kosten für Modernisierungen bis zu 1 Euro pro Quadratmeter müssen beim Bezirksamt angezeigt werden. Darüber hinaus gehende Modernisierungsvorhaben bedürfen der Genehmigung. Im Rahmen der Genehmigung werden die Erforderlichkeit der Maßnahme und die Angemessenheit der Kosten geprüft.
- Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird eine wirtschaftliche Härtefallklausel vorgesehen. Vermieterinnen und Vermieter, die nachweisen können, dass eine über die Mietobergrenze hinausgehende Miethöhe zur Vermeidung von dauerhaften Verlusten oder zur Substanzgefährdung der Mietsache erforderlich ist, können einen entsprechenden Antrag stellen.
- Für soziale Härtefälle wird eine Mietzuschussregelung eingeführt. Diese sieht vor, dass WBS-berechtigte Mieterinnen und Mieter für die Differenz zwischen der genehmigten Miethöhe und der Mietobergrenze einen Zuschuss erhalten.
- Für die Durchführung des Gesetzes sind die Bezirksämter die zuständigen Behörden. Sie können sich der Unterstützung durch die IBB und gegebenfalls weiterer Beliehener bedienen.
- Das Gesetz gilt für fünf Jahre.
Senatorin Katrin Lompscher: „In Berlin sind die Mieten in den vergangenen Jahren regelrecht davongaloppiert, trotz Mietpreisbremse. Gerade Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen werden so aus ihren Kiezen verdrängt oder haben Sorge, ihr Zuhause in Zukunft zu verlieren. Diese Entwicklung will der Senat stoppen, denn er steht an der Seite der Mieterinnen und Mieter. Wir werden nicht zulassen, dass Berlin das gleiche Schicksal ereilt wie andere europäische Metropolen, in denen Wohnungen in begehrten Lagen längst zu spekulativen Renditeobjekten geworden sind. Der Referentenentwurf für das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG)“ verschafft den Mieterinnen und Mieter eine Atempause. Als „atmender Deckel“ trägt es gleichzeitig den Bedürfnissen sozial orientierter Vermieterinnen und Vermieter Rechnung. Es ist unsere Aufgabe, die soziale Mischung und damit den sozialen Frieden in unserer Stadt zu erhalten. Mit der Einführung eines Mietendeckels betreten wir juristisches Neuland, mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten. Das ist allen Beteiligten bewusst. Es ist aber keine Option, die Mietpreisentwicklung und damit die existenzielle Entscheidung darüber, ob Menschen in unserer Stadt ihr Zuhause verlieren, dem Markt zu überlassen.“
Zum weiteren Verfahren
Der Entwurf geht am Montag, 2. September 2019, in die Verbändeanhörung. Diese haben rund zwei Wochen Zeit, sich zu dem Vorschlag zu positionieren. Die Anzuhörenden sind: BBU, BFW, Haus&Grund, Berliner Mieterverein, Berliner MieterGemeinschaft, Mieterschutzbund) sowie PKMG (Prüfungsverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften), Bündnis Junge Genossenschaften Berlin, der Genossenschaftsbeauftragte, LIGA Berlin (Kooperation Wohlfahrtverbände), Landesarmutskonferenz, ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) Berlin – Interessenverband der Immobilienwirtschaft, Deutscher Anwaltverein, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, DGB, IHK Berlin, Verbraucherzentrale und BUND.
Der Referentenentwurf wird an die Fraktionen im Abgeordnetenhaus, die Senatskanzlei und weitere beteiligte Senatsverwaltungen übersandt. Der Senatsbeschluss ist für Mitte Oktober vorgesehen.
Ebenfalls am Montag wird der Entwurf der gesetzlichen Regelungen auf der Website der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen veröffentlicht.
ENDE DER PRESSEMITTEILUNG
Auch dieser die Zahlen ergänzende Tweet wurde uns von der @HeimatNeue zugeleitet, hier wieder der Link:

Kurzkommentar (eine genauere Bewertung folgt in den nächsten Tagen):
Gegenüber dem im Ausgangsartikel am 25.8. veröffentlichten Zahlenwerk lassen sich auf den ersten Blick Unterschiede erkennen – bei einigen Altersklassen geringere (wie beiden Altbauten bis 1918, dort beträgt der Unterschied von 6,45 gegenüber 6,03 Euro nur 6,9 Prozent, hingegen bei der zuvor gar nicht ausgewiesenen Altersklasse 2003-2013 nun 9,80 Euro gegenüber 7,97 Euro in der Klasse 1991-2013.
Ganz wichtig aber, deswegen memorieren wir das hier bereits: Mietabsenkungen auf die Mietobergrenze sind auf Antrag möglich, wenn die bisherige Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt. Für uns ist das ein zentraler Punkt, weil wir bei dem „geleakten“ Vor-Vorentwurf das Problem hatten, es gerecht zu finden, dass Menschen mit fünfstelligem Monatseinkommen in Luxus-Altbauten plötzlich für 6,03 Euro mieten können.
Außerdem gilt, wird diese 30-Prozent-Grenze unterschritten, der Mietenstopp vom 18. Juni 2019, wie bereits vor zwei Monaten angekündigt – wichtig: Auf Basis der Mieten, die zu dem Zeitpunkt galten, damit nicht Vermieter zwischen der Verkündung des Mietstopps und dem Inkrafttreten des Mietendeckels noch schnell an der Schraube drehen können.
Noch gestern schrieben wir an eine befreundete Initiative im Rahmen einer Diskussion über den „Vor-Vorentwurf“: Was werden die Vermieter dann wohl machen, wenn sie für 6 Euro vermieten müssen? Die Armen reinlassen oder noch strikter nach Bonität und Sozialstatus schauen, also nach Sicherheit, wo bisher vielleicht das Einkommen bei der Mieterauswahl im Vordergrund stand? Kriegen dann nur noch Beamte eine einigermaßen gute Wohnung? Die Antwort kann sich jeder selbst geben, der auch nur rudimentäre Ahnung von einer im Grundsatz auch durch den Mietendeckel nicht in Frage gestellten Marktwirtschaft hat. Der „Markt“ sucht sich immer die Bereiche, in denen er noch frei agieren kann und reizt sie aus.
Wir hielten das Alles-über-einen-Kamm-scheren im Vor-Vorwentwurf eher für mieterfeindlich und hätten das in den nächsten Tagen eingehend beschrieben, wenn nicht die heutige Pressemitteilung des Senats mit der Inaussichtstellung einer differenzierteren Vorgehensweise es erübrigt hätte.
Damit entfällt beim Entwurf von Senatorin Lompscher ein wesentlicher Kritikpunkt, der es uns schwer gemacht hätte, uns voll hinter den Mietendeckel zu stellen und wir möchten noch einmal erwähnen, dass wir die vorzeitige Veröffentlichung des Radikalentwurfs von letzter Woche nicht für eine gute Idee halten, was immer damit beabsichtigt war (uns wurde mittlerweile eine weitere, interessante Deutungsmöglichkeit zugetragen).
Aber auf der Basis des jetzigen, offiziellen Entwurfs, der in den nächsten Tagen im Ganzen veröffentlicht werden wird, ist eine Diskussion mit der Kapitalseite schon deshalb besser möglich, weil ihr mit diesem Entwurf viel Wind aus den Segeln genommen wurde. Das macht es uns leichter, Sachargumente vom üblichen Getöse der Immobilienlobby zu trennen. Wir sind sehr gespannt auf den Verlauf dieser Diskussion und werden uns nach Kräften beteiligen.
Wir wollen an dieser Stelle auch festhalten, dass Frau Lompscher nach unserer Ansicht nicht „zurückgerudert“ ist gegenüber dem Papier, das letzte Woche die Republik in einen atemlosen Zustand versetzte, wie es der RBB hier aber schreibt. Da diese erste Meldung mit konkreten Zahlen kein autorisierter Entwurf war, gab es keine Position der Senatorin, von der aus hätte „zurückgerudert“ werden müssen.
TH
Wir wollen beim Mietendeckel versuchen, dran zu bleiben, indem wir einen längeren Übersichtsbeitrag verfassen, der immer wieder um neue Bestandteile ergänzt werden soll, wenn wichtige neue Erkenntnisse vorliegen. Die neuen Teile werden immer eingangs in einer Übersicht angeführt und es wird eine Gliederung zur Schnellorientierung geben – noch nicht bei der heutigen ersten Version.
Zu einer Übersicht gehört zunächst, wie der Mietendeckel auf Stand heute aussehen soll. Diese Daten kamen vor einigen Tagen in die Medien und sorgen seitdem für helle Aufregung:
| Baujahr | Ausstattung | Quadratmeter-Miete in Euro |
| Bis 1918 | Sammelheizung und Bad | 6,03 |
| Sammelheizung oder Bad | 4,32 | |
| Weder noch | 3,89 | |
| 1919 – 1949 | Sammelheizung und Bad | 6,03 |
| Sammelheizung oder Bad | 4,27 | |
| Weder noch | 3,42 | |
| 1950 – 1955 | Sammelheizung und Bad | 5,88 |
| Sammelheizung oder Bad | 4,86 | |
| Weder noch | 3,84 | |
| 1956 – 1964 | Sammelheizung und Bad | 5,85 |
| Sammelheizung oder Bad | 5,02 | |
| Weder noch | 4,19 | |
| 1965 – 1972 | 5,74 | |
| 1973 – 1983 (West) | 7,51 | |
| 1984 – 1990 (West) | 7,24 | |
| 1973 – 1990 (Ost) | 5,64 | |
| 1991 – 2013 | 7,97 |
Seltsame Veröffentlichung
Nun hat Bausenatorin Katrin Lompscher bereits geäußert, es handele sich lediglich um einen Vorschlag für einen Referentenentwurf, also noch lange nicht um die Gesetzesvorlage, gar nicht zu reden von einem Gesetz, das schlussendlich als gerichtsfest gelten kann. Aber der Vorschlag zum Vorentwurf hat es weit über Berlin hinaus zu Bekanntheit gebracht, wie man am ZEIT-Bericht erkennen kann (danke fürs Filmen u. a. in unserm Bezirk, aber die Stimmen, die eingefangen wurden, halten wir nicht für repräsentativ) und wir haben uns gefragt: Wieso gelangte dieses Papier in die Medien, obwohl klar ist, dass es für viel Zündstoff sorgen würde. Wir gehen davon aus, dass es nicht von außen geknackt wurde, es also keinen Hacker gab, der sich bei der Senatsverwaltung oder wo auch immer sonst noch am Mietendeckel gearbeitet wird, Zugang verschafft hat, sondern dass der Mietendeckel-Vorentwurf von Zugangsberechtigten lanciert wurde.
Damit ist die Variante „Ohne Absicht“ für uns obsolet. Eine Person, die zum Kreis der Berechtigten zählt, wollte, dass das Papier öffentlch wird und ahnte mit Sicherheit auch, was danach los sein würde. Aber warum tut jemand so etwas?
- Jemand wollte die Immobilienlobby mal richtig provozieren. Das ist die besonders rudimentäre Variante. Auch in der Erweiterung, dass man den Boden für den späteren echten Mietendeckel bereiten wollte: Aufatmen, ist alles nicht so dramatisch wie in diesem Vorentwurf zu lesen.
- Jemand wollte der Stadtbausenatorin schaden. Dieser Version messen wir eine höhere Wahrscheinlichkeit bei, zumal bekannt ist, dass der von der SPD geprägt Apparat, den sie regiert, von einer Politikerin der Linken nicht leicht zu steuern ist. Wir erinnern uns außerdem daran, dass der Mietendeckel eine Idee ist, die aus der SPD kam, aber die Bausenatorin kraft fachlicher Zuständigkeit die Hand auf die Ausarbeitung gelegt hat. Nun die Karte zu spielen: Da kann man sehen, was rauskommt, wenn man die immobilienwirtschaftlich unterentwickelte Linke machen lässt, halten wir nicht für abwegig.
- Jemand wollte der SPD schaden, weil der Regierende Bürgermeister Michael Müller nun alle Hände voll zu tun hat, um die Wogen zu glätten, vielleicht auch im Zusammenhang mit der folgenden Möglichkeit:
- Jemandem passt der Mietendeckel gar nicht und er versucht, mit dieser Radikalversion die Stimmung der Bevölkerung zum Kippen zu bringen. Darunter könnten sein:
- Freunde der Immobilienlobby,
- Enteignungsbefürworter, die den Mietendeckel auch als nicht sehr nachhaltiges Abwehrinstrument gegen „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ begreifen. Diese Ansicht wird von uns zwar vertreten, aber wir würden keine internen Schriftstücke publik machen.
Unter diesen vier Grundvarianten gibt es Kombinationsmöglichkeiten, zumal das koalitionsinterne Gerangel um den besten Weg zu mehr Mieterschutz und wie stark er ausgeprägt sein soll, für Bewohner*innen der Hauptstadt immer mal wieder sichtbar wird. Es ist auch okay, dass um die beste Lösung gerungen wird, das wollen wir ausdrücklich betonen. Mehr Transparenz wäre sogar wünschenswert. Streit gehört dazu, wichtiger ist jedoch, dass die Zivilgesellschaft die Möglichkeit haben sollte, auf detaillierter Faktenbasis mitzudiskutieren. Das kann sie nun erst einmal, aber trotzdem ist die Veröffentlichung eines reinen Denkansatzes, viel mehr ist das Papier ja nun also nicht, kritisch zu sehen. Denn der Zeitpunkt, wann ein solcher Vorschlag publik gemacht wird, spielt durchaus eine Rolle. So, wie es jetzt gelaufen ist, wirkt es, als ob Lompscher ihren Laden – nach fast drei Jahren Amtszeit – nicht im Griff hat und auch das könnte ein durchaus erwünschter Effekt der vorzeitigen Veröffentlichung gewesen sein. Diese Idee wäre Variante 2. zuzurechnen.
Hier das Statement des Regierenden Bürgermeisters zur Sache:
Wir haben uns ein paar Tage lang zurückgehalten mit einem Beitrag (Ausnahme: CDU-Beobachtung).
Die Reaktionen waren derweil wie erwartet – von der Seite der Immobilienwirtschaft und der diese gegen die Mieter*innen unterstützenden Parteien CDU und FDP. Mehr Gedanken machen wir uns darüber, wie die Stadtgesellschaft sich äußert. Sowohl diejenigen, die den Mietendeckel in dieser Form für überzogen halten oder für nicht durchsetzbar als auch jene, die entweder glauben oder so tun, also ob sie glauben, was oben abgebildet ist, sei das letzte Wort.
Diejenigen in der Mieterszene, die wissen, wie Immobilienwirtschaft funktioniert und wie im politischen Raum agiert wird, wissen aber auch, dass sie damit einer Politik, die endlich den Mieterschutz ernst nimmt, das Leben schwer machen, wenn sie jetzt auf diesen Vorentwurf insistieren.
Deswegen haben wir eine Variante (4.) beschrieben, die darauf hinausläuft, dass jemand den Mietendeckel mit der Freisetzung dieses Vorentwurfs bewusst torpedieren will und damit natürlich auch diejenigen, die ihn konstruieren und die hinter ihm stehen, die also politische Rückendeckung geben. Denn es ist klar: Alles, was hinter diesem nun veröffentlichten Ansatz zurückbleibt, wird einigen als Mieterschutz minderer Qualität gelten. Das ist zwar nach unserer Ansicht nicht zwingend der Fall, aber es wird diese Unzufriedenheit geben. Wir verstehen die Idee dahinter, die Politiker*innen jetzt auf diese Form des Mietendeckels festzunageln und gegenüber den Immobilieneigentümern alles freizulassen, was man immer schon mal sagen wollte.
Doch was nützt es, wenn am Ende die andere Seite triumphiert, weil kein Mietendeckel hinzubekommen ist, der von der Stadtgesellschaft getragen und von den Gerichten akzeptiert wird?
Erste Annäherung an die Einschätzung
Man muss nur das Verfassungerichtsurteil zur Mietpreisbremse ein wenig studiert haben, um zu der Überzeugung zu gelangen: Was dabei noch durchgewunken wurde, lässt die Schranken-Schranke in Bezug auf den Eingriff am Grundrecht Eigentum schon erkennen. Wir waren im Vorfeld nicht ganz sicher, ob das BVerfG die zur Diskussion stehende zweite Variante der Bremse als verfassungsgemäß einstufen wird. Auch in uns wirkt der Eindruck, dass das BVerfG dem Neoliberalismus in vielen Jahren nicht allzu viele Steine in den Weg gelegt hat. Ein Mietendeckel, der faktisch eine Verschärfung der Mietpreisbremse darstellt, rechtlich aber davon ziemlich verschieden ist, muss nun so ausgefasst sein, dass er verfassungsrechtlich ebenfalls Bestand hat und dass 2RG weiter die Stadt regieren kann. Das ist unsere Kernforderung an die Politik. Wir wollen nicht, dass die Neoliberalen alles bald wieder kippen können, weil die aktuelle Stadtregierung sich mit einem fehlkonstruierten Mietendeckel das größtmögliche Ei legt und abgewählt wird.
Wenn wir für die Mieter*innen schreiben, dann aus wohlerwogenen wirtschaftspolitischen Überzeugungen heraus, nicht, um irgendwen persönlich anzugehen, es sei denn, er legt entsprechend vor, wir reagieren also nur.
Wir sehen ein fundamentales Problem des hiesigen Wirtschaftssystems in Zeiten, in denen wir global zusammenstehen müssen. Was wir jetzt haben, ist eine degenerierte Form des Liberalismus, die Egoisten und Profiteure der Armut anderer hochgradig privilegiert. Einige, die es gerne solidarischer hätten, versuchen, deswegen etwas am System zu ändern. Für unseren Ansatz spielt dabei die Wohnungspolitik eine zentrale Rolle.
Wenn es um einzelne Kämpfe geht, um Menschen, die von Verdrängung bedroht sind, geben wir unseren Emotionen Raum, aber wir versuchen, die Balance in Richtung sachorientiertem Vorwärtsdenken zu verschieben, wenn es zur Bewertung von übergreifenden, rechtlich und wirtschaftlich relevanten Tatbeständen kommt.
Unsere Einschätzung dessen, was in der obigen Tabelle steht, fällt verhalten aus. Ja, es muss ein Mietendeckel sein, auch wenn er wirkliche Progression nicht unbedingt fördert, weil dafür dann nicht mehr genug Druck vorhanden ist. Er ist eine defensive Maßnahme, ohne Frage. Aber im Moment ist er richtig.
Nur – so, wie er oben ausgefasst ist, erkennen wir sowohl Gerechtigkeits- wie auch Rechtsprobleme. Diese liegen so klar auf der Hand, dass sich uns eine weitere Frage stellt: Wer schreibt so etwas mit welchem Spin? Wie soll es nach außen wirken, dass ein Papier, auch wenn es nur ein Vorentwurf ist, so gestaltet wurde? Wer hat das zu verantworten? Frau Senatorin? Wir möchten gerne, dass seriös gearbeitet wird. Können wir uns darauf vereinbaren?
Wir wollen nicht ausdrücken, dass wir gegen Mietsenkungen sind, denn dadurch, dass die bisherigen Instrumente nicht wirksam genug waren, geht immer wieder Zeit ins Land, welche die Immobilienlobby nutzt, um weiter an der Preisschraube zu drehen. Für diese fundamental mieter*innenfeindliche Taktik sollte man nun qua Mietendeckel die Quittung präsentieren. Aber wenn man Mieten senkt, dann so, dass dabei nicht eine Kette von höchst unangenehmen, unerwünschten Folgen in Gang gesetzt wird.
Mit diesen Folgen, aber natürlich auch mit den Chance eines guten Mietendeckels, werden wir uns in Vertiefungen des heutigen Grundbeitrags befassen, die mehr im Gutachtenstil erstellt sein werden.
Wir sehen die Zukunft der Stadt ein wenig anders, so viel können wir hier andeuten. Wir zielen mehr auf eine nachhaltige Verschiebung der Art, wie Immobilien bewirtschaftet werden, mithin auf eine partizipative und solidarische Form des Wohnungswesens – die aber individuelle Unterschiede noch zulässt. Diese Unterschiede werden bei der vorliegenden Idee von einem Mietendeckel auf eine ob der Verwegenheit, die dabei in mancher Hinsicht zu erkennen ist, beeindruckende, aber leider doch arg simplifizierende Weise beiseite geräumt. Der Mietendeckel ist für uns eine Zwischenlösung, mit der Zeit gekauft wird bzw. Zeit von der Immobilienlobby zurückerobert wird, wenn man es untechnisch ausdrücken will.
Also los! Aber bitte so, dass nicht durch Fehler bei der Gestaltung des Mietendeckels genau das Gegenteil eintritt und die Immobilienwirtschaft dadurch weitere Jahre geschenkt bekommt, in denen sie nahezu ungehindert gentrifizieren kann.
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
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