Babylon Berlin – Die Serie, Folge 16/ Crimetime 400/16 – Finale Staffel 2 // #Babylon #Berlin #BabylonBerlin #Crimetime #ARD #Sky

daCrimetime 400/16- Titelfoto und weitere Bilder: ARD Degeto / X-Filme / Beta Film / Sky Deutschland / Frédéric Batier

Folge 16 / Kurzfassung der Handlung

Rath macht alleine Jagd auf den davonfahrenden Güterzug. Dort trifft er auf Mitglieder der Schwarzen Reichswehr. Doch was sie dort suchen, ist nicht, was es zu sein scheint. Es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod.  (ARD-Text) 

Hier geht’s zurück zu Folge 15 (Crimetime 400/15).

Titelbild: Kommissar Rath mit Gasmaske in der Hand. Ist wieder anno 18? Dieses Mal die Auflösung.

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 001 Rath allein auf Verfolgungsjagd
Der Mann, der bei jedem Wetter ermittelt. Unser Intro fürs Finale.

Finale

Wir steigen ein mit der Szene, in der das Auto mit Rath und Ritter ins Wasser gedrängt wurde und Gereon versucht, Charlotte zu befreien, die sich im Wagen festgeklemmt hat. Über die Qualität des Cliffhangers wurde viel diskutiert, denn nach dem, was zuvor zu sehen war, hätten niemand erwarten dürfen, dass sie gerettet wird. Wir haben darüber im Beitrag zu Folge 15 geschrieben. 

Jetzt sieht man aber, dass er sie tatsächlich aus dem Auto ziehen kann, sie an Land bringt – und sie erst bewusstlos. Was sonst? Denn wie anders könnte er eine korrekte, wechselweise Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen, worüber das Publikum im Allgemeinen erfreut sein dürfte, kann er doch auf diese Weise sachlich begründet den Kuss anbringen, zu dem es beinahe schon auf dem Revier in dem Schockmoment nach Stefans Tod gekommen wäre. Ach nein – die Sauerstoffweitergabe im Auto in Folge 15 wurde ja schon als Vorwand benutzt, die beiden einander näherkommen zu lassen. 

Da leistet sich das babylonische Projekt wieder einen Aussetzer. Die Kombination aus Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung wie auch letztere allein werden erst seit den 1950er Jahren angewendet. Aber das Vor- und Zurückschwenken der Arme und ähnliche ältere Methoden hätten ja hier nicht diesen Nähe-Effekt und würden möglicherweise lächerlich aussehen. In manchem unterscheiden sich heutige Vefahren so deutlich von früheren, dass man selbst in Period Pictures lieber nicht auf das zurückgreift, was zu der Zeit  üblich war, um die Zuschauer nicht zu sehr zu irritieren oder an der falschen Stelle zu amüsieren. Das gilt für viele Bereiche der weniger amüsanten Political Correctness ebenfalls – uns hat geradezu gewundert, dass in dieser Serie fast alle, auch die positiven Figuren, zur Zigarette greifen. So ein Babylon – oder dieses, Sodom und Gomorrha in einem.

Nun aber weiter. Wir erinnern uns, dass die Buchvorlage „Der nasse Fisch“ heißt und nasser als Gereon und Charlotte könnten Fische nicht sein. Als sie wieder zu sich kommt, spuckt sie natürlich auch viel Wasser aus. Ein malerisches Bild erwartet uns. Er trägt sie auf der schmalen Uferstraße, es dämmert und Sonne und Mond im Hintergrund sind beinahe gleich groß. Bringst du mich bis in die große Stadt, Guter? Muss er dann aber nicht, denn die Assistenten kreuzen in einem Moment auf, in dem normalerweise Früh und Spät vorbei gewesen wären, aber wie beginnen jetzt nicht wieder, über die (Un-) Möglichkeit dieser Rettungsaktion von Rath zu reflektieren.

Und so passiert es, dass Charlotte gar nicht erst Zeit hat, sich zu erholen, denn sie fahren natürlich nicht in die Stadt zurück, sondern unerschrocken weiter zum Kilometerstein – war es 127? Jedenfalls dorthin, wo verabredetermaßen der Zug des Lebens, also der Zug, von dem „Babylon Berlin“ lebt wie von keinem anderen McGuffin, gestoppt werden soll, um den Goldwagen abzuhängen. Ein richtiger McGuffin ist der Zug nicht, er ist ja wirklich da und er ist auch nicht das perpetuum mobile der Handlung, denn er steht über viele Folgen hinweg im Anhalter Güterbahnhof – oder kann ein Gegenstand auch ein solches sein, während er stillsteht? Symbolisch gewiss.

Vvon Folge eins bis sechzehn ist sein Schicksal ein zentraler Orientierunspunkt des Plots, immer wieder geht es um ihn, entscheiden sich menschliche Schicksale durch ihn und daher würdigen wir ihn an dieser Stelle etwas ausführlicher. Sinnbildlich kann er für so viele Dinge stehen, dass wir zumindest bei diesen Einzelrezensionen noch nicht darauf eingehen möchten. Bevor diese Besprechung als Sammelwerk erscheint, werden wir uns aber „Babylon Berlin“ noch einmal im Ganzen anschauen. Falls wir nicht von der Ausstrahlung der dritten Staffel davon abgehalten werden, die schon gedreht ist und demnächst ausgestrahlt werden wird – zunächst im Pay TV.

Rath geht mit zwei Assistenten in den Wald – sie haben es geschafft. Sie sind vor dem Zug da. Er soll angeblich 40 Km/h gefahren sein. Ob das mit all den Unterbrechungen wirklich hinkommt, dass sie vor ihm am betreffenden Kilometerstein sein können, hängt auch davon ab, wie schnell sie zuletzt im Auto unterwegs waren. Eng war’s ganz sicher. Für die Geschwindigkeit des Zuges (40, siehe oben) kann Rath erstaunlich gut aufspringen. Aber schon beim Anschauen vieler Western haben wir gelernt, dass Menschen erheblich beschleunigen können, wenn sie ein Dampfross vor Augen haben und sie möchten unbedingt außerhalb von Bahnhöfen zusteigen. Rath bewegt sich nach vorne bis zur Lok und zwingt den Zugführer zum Anhalten. Oder? Nein, er hat ihm etwas anderes gesagt, jedenfalls fällt er zwischen Lok und Wagen auf die Puffer und vor Schreck werden in Berlin gleich zwei Frauen wach. 

Der Zug erreicht die Stelle, an welcher die Reichswehrmänner sehnsüchtig auf ihn warten. Auch der dubiose Bruno Wolter ist vor Ort. Jetzt geht es um alles. Darum, den Waggon TY 3205 zu finden. Wir erinnern uns: Die coole Gräfin Sorokina hatte die Schilder vertauscht, damit man den echten Goldtransport nicht so leicht finden konnte.

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 004 Wolter findet das Gold - tatsächlich Fragezeichen
Operation Gold, Teil 1. Mann im Zwielicht und der Glanz der Welt.

Wolter lässt es sich nicht nehmen, derjenige zu sein, der von oben in den Kesselwagen einsteigt. Ein großer Moment! Da liegen sie, Schicht auf Schicht, in vergitterten Verschlägen natürlich. Trotzdem glänzt das Gold hell wie tausend Sonnen. Doch der Moment wird noch größer, denn Gefahr! Aus dem Wald heraus wird auf die Soldaten geschossen! Ist schon Partisanenkampf? Ja, die im Schatten, die sieht man nicht. Sie haben Schalldämpfer auf den Gewehren, man hört sie auch kaum. Ob das hier draußen so wichtig ist? Man kann nie vorsichtig genug sein. Die Schalldämpfer gab es 1929 schon, anders als die oben erörterte Reanimationstechnik.

Im Wald versteckt, da ist wer? Die Trotzkisten können es nicht sein, die sind alle tot. Die russischen Staatskiller haben keine Aktien darin, den Zug zu stoppen. Oder wie war das mit dem Gold? Das war ihnen doch wichtig. Aber sicher, wenn der Zug erst in der SU ist, dann wird man ihn schon entsprechend filzen. Jetzt steht er aber erst einmal bei diesem bewussten Kilometerstein und erstmal geht es drinnen weiter, in TY 3205. Denn dort ist Wolter nicht allein. Was draußen die Männer des Clanchefs, ist drinnen Rath für sich. Der hat nämlich auf den Kollegen gewartet. Hoch die Pfoten! Und Schuss vorbei an Wolters Ohr. Plong. Wir wollen mal nicht darüber nachdenken, was dieser Schuss vielleicht hätte zutage fördern können. Jedenfalls lässt Wolter einen Barren fallen und der Moment verdichtet sich immer mehr zum Highlight von immerhin 16 Folgen „Babylon Berlin“. Denn vor den Augen beider Kommissare zerfällt der zu Boden gefallene Barren zu dunkelfarbigem Tand. Es war nur ein goldiger Anstrich, alles Fassade!

OmG! Zu Asche, zu Staub! Dem Licht geraubt! Brikett statt Karat. An dieser Stelle haben wir uns am Kopf gekratzt, nicht zum ersten Mal während 16 Folgen, aber wenn man nicht zu viel schuppt, darf man das auch mal. Beim Verladen hätte doch aufallen müssen, dass ein Brikett viel leichter ist als ein Goldbarren gleicher Größe. Erst nachher, viel nachherer, da stiegen wir durch. Diejenigen, die aufluden, wussten es ja. Wussten von dem Tarnmanöver, das verschleiern sollte den wahren Aufbewahrungsort, vielleicht die Existenz des Schatzes in Frage stellen. Doch den Schatz gibt es. Das verraten wir an dieser Stelle. Arm waren sie nicht alle, die russischen Adeligen. Nicht wie bei jenen Literaten, den Masters of (ficitional) Desaster, die wir alle kennen und bei denen alle durch dieselben tiefen Täler mussten. Vorrevolutionäres Geschreibe.

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 005 Aber Rath ist auch da
Operation Gold, Teil 2: Rath fixiert den Kollegen Wolter.

Rath zwingt Wolter mit vorgehaltener Waffe zum Verlassen des scheinbar so enttäuschenden Ortes. Und kaum ist der zwielichtigste aller Cops draußen, da wird er von den Männern des Armeniers unter Feuer genommen. Das hat uns zwar überrascht, aber nicht verwundert. Nicht vom Ende her betrachtet, wohl aber beim Anschauen – war auch die Erinnerungsschublade, in der wir abgelegt hatten, dass Wolter bei einem veritablen Cop-to-Cop-Showdown mit Rath sein verdientes, aber dennoch trauriges Ende findet, ebenfalls nur Täuschung? Autosuggestion eines Westernfans? Es riecht wirklich überall nach Treason, nach üblem Verrat. Doch konzentrieren wir uns wieder auf Rath. 

Er hat seine Assistenten angewiesen, den nächsten Coup in dieser wendungsreichen Schlacht um den Zug der möglicherweise zur Gänze zerplatzten Träume zu führen. Sie lassen das Gas austreten und auch die Armenier-Bande hat das Nachsehen. Jetzt wissen wir Bescheid. Das Titelbild. Es stammt aus Folge 16! Wie Gereon Rath sein Kriegstrauma verarbeitet, indem er selbst einen Gasangriff ausführen lässt, ist schon phänomenal. Es geht nichts über Erfahrung außer Erfahrung, kombiniert mit Ideen und Mut. Doch davon fährt nun der Armenier selbst.

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 002 Der Armenier auf Verfolgungsjagd
Der Armenier, eine schillernde Figur, die erhalten bleibt. Obwohl Rath am Zug dessen Vorhaben vereitelt, wird er später seine Männer einsetzen, um den Polizisten zu retten. Doch warum?

Die Großen laufen oder fahren mal wieder davon … sicher wird dieser attraktive Bandenchef noch für die erwähnte dritte Staffel benötigt. Trotzdem ist der Bodycount in Zugnähe für einen deutschen Fernsehfilm beachtlich. Ein Hauch blutiger Italowestern weht durch den nicht sehr hoch stehenden Wald der Mark Brandenburg. Und in der Mitte immer ein Gleisbett. Ups!

Der Zug fährt doch wieder an. Aber wer hat das gemacht? Wir schauen mal in den Führerstand der Lok hinter dem Dampfkessel. Kaum zu glauben. Ja, es ist Bruno Wolter! Er ist nur giftgas- und kugelfest, er kann auch eine Dampflok bedienen. In jenen schwierigen, aufregenden Jahren hätte das deutsche Bildungssystem bei den Pisa-Studien viel besser abgeschnitten, hätte es sie schon gegeben. Es war. Und manche Chance kommt nicht wieder. Immerhin hat unsere Erinnerung möglicherweise doch funktioniert. Noch ist der Drops nicht geknackt.

Hatten wir das schon ewähnt? Unfair es wieder ist. Man hat das Einschussloch bei Wolter, welches ihm mindestens in Herznähe beigebracht wurde, deutlich gesehen. Und dann diese seelenruhige Transportführerschaft. Der Shodown, den wir herbeigesehnt hatten, findet erstmal auf dem Dach des Zuges statt, doch Wolter geilngt es, die Lok und den vorderen Wagen zu entkoppeln, sodass er weiterfahren kann, während Rath zurückbleibt. Aus welchem Film ist das nochmal übernommen? Aus dem Film der Filme vermutlich, sofern es ein  Western ist. Rath hat noch einen Schuss übrig, doch es wird nicht bis zur letzten Patrone gekämpft. Aber er hat den Wagen vorne getroffen. Etwas strömt aus. 

Schnitt.

Wir sind wieder in Berlin, wo Normalbetrieb herrscht. Der Mord an Benda wird von der Presse einer bisher unbekannten kommunistischen Splittergruppe in die Schuhe geschoben. ‚S ist fast wie allezeit und auch heut, wo Mieterschutzprojekte von den sogenannten Leitmedien diskreditiert und Millionen einfache Menschen dadurch diskriminiert werden. Diese Projekte gibt es wirklich, aber das macht es noch schlimmer.

Am abgehängten Teil des Zuges ist immer noch keine Ruhe. Der russische Diplomat mit Tscheka-Dienstausweis, jener, der die Trotzkisten eliminieren ließ, steht jetzt auch mit seinen Leuten da und wirft wütend eines der Briketts gegen den Kesselwaggon TY 3205. Mit voller Wucht. So wuchtig, dass etwas Farbe abplatzt. Ei, was schimmert denn da durch? Blanker Stahl? Nein! Und das sieht er nicht, der Bösewicht. Das gönnen wir dem.

Charlotte will Rath besuchen, doch da steht schon Helga – mit Blumen. Der neue Regierungsrat, der Nachfolger des ermordeten Benda, empfängt Rath. In der Tradition, im Geiste seines Vorgängers, will dieser nun bei der Polizei etwas wie eine interne Revision einrichten und Rath soll sie leiten. Das sieht nach einer Spezialabeteilung aus, in der nur ausgewiesene Unbestechliche, nur Demokraten arbeiten dürfen, das wird ein feines Team werden. Solch eine Stelle könnte die heutige Polizei ebenfalls gut gebrauchen. Aber wer könnte am Ende der Überprüfung noch auf Streife gehen? Oder gar ein echtes Delikt ausermitteln?

War da nicht noch was offen? Sicher. Wolter ist nach wie vor im vorderen Zugteil zugange, zündet sich eine Zigarette an. Wäm! Well done, Special-Effects-Department.

Das war ja nun klar. Angesichts der Amerikanisierung der Überlebenschancen von menschlichen Körpern nach physischer Einwirkung, die in „Babylon Berlin“ allgemein zu beobachten ist, wird Wolter diese Geschichte ohne Kratzer überstanden haben. Komisch, dass immer nur – und die Guten? Die sind nie von diesem kugel- und detonationsfesten Kaliber, siehe Regierungsrat Benda. Erst anhand solcher gravierenden Unterschiede wird klar, wie „’33“ passieren konnte. Haben wir schon erwähnt, dass auf Adolf Hitler ca. 40 Anschläge ausgeführt wurden, alle erfolglos, wie wir wissen? So unrealistisch ist der Wolter vielleicht doch nicht, wie ein Mensch aus 2019 annehmen möchte, welcher sich nach einem Stechmückenstich eine sechswöchige Kur mit anschließender sechsmonatiger Reha verschreiben lässt. Vielleicht haben wir das bisher alles falsch herum gedacht. Nicht Hollywood schafft die große Illusion – unsere Generation ist eine absurde Fiktion. 

Doch was nützt alle Revision angesichts dieser Situation: Der Prozess zum 1. Mai 1929, dem sogenannten Blutmai, beginnt. Gegenüber sitzen sich Polizisten und Kommunisten. Rath bestätigt die Aussagen seiner Kollegen. Dafür wird man ihm ewig dankbar sein. Und ihn auf immer hassen.

Doch was Schönes darf auch mal sein. Charlotte bekommt ihre offizielle Akrreditierung bei der Polizei. Selbst so viel später, beim Schreiben, sind wir noch gerührt. Ja, sie ist eine Halbzarte. Sie ist eine Verräterin. Sie geht jeden verbotenen Weg und muss aus dem Wasser gerettet werden wie wenig später Boudou. Aber, verdammt! Sind wir nicht in Babylon Berlin und sind wir nicht alle ein wenig Babylon? Vor allem, wenn wir in Berlin leben? Wir stellen einen ganzen Korb voller Femi-Punkte dazu.

Gemeinsam mit Rath besucht das frischgebackene Mitglied der weiblichen Kripo (die es damals auch schon gab, haben wir das erwähnt?) nun die Wohnung der Sorokina. Ganz offiziell, ohne Täuschung, ohne Trick. Das darf sie nun. Und da stehen sie nun. Betrachten das großformatige Familienbild der Familie Sorokin. Doch wo ist jene blonde Frau, die sich auch als Sänger verdingt und „Zu Asche, zu Staub“ singt? Das große Geheimnis dieser Serie. Rath hält sie nicht für „echt“, denn auf dem Bild gibt es kein Mädchen, das ihr ähnelt. War sie die Tochter jenes Chauffeurs, der die Familie an die Bolschewiki verpfiffen hat, nachdem sie sich versteckt hatte auf dem Lande? Dann könnte sie von dem Gold gewusst haben. Aber wusste sie auch, dass es in Wahrheit keine Barren, sondern die Wand des nachmaligen Kesselwagens TY 3205 aus diesem Gold gegossen wurde? Oh! Ein kleiner Junge auf dem Bild spielt mit einer Spielzeugeisenbahn. Und einer der Wagen dieser Eisenbahn glänzt – golden.Das war sicherlich die nachträgliche Ergänzung eines Gemäldes aus besseren Tagen. Jene geheimnisvolle Frau aber ist schon abgereist. Sie tritt nun in Paris auf, wo alle Russ*innen landen, die von Berlin gen Westen weiterzieh’n. Zugvögel. Verweht, verstreut und mit ihnen der Glanz eines der übelsten Ausbeutungssysteme der Geschichte. So traurig.

Gereon Rath setzt sich eine Spritze. Das Lied, das die falsche Gräfin singt, läuft weiter. Stefans Eltern adoptieren Rath. Helga geht zu Nyssen. Das Lied läuft weiter. Die Gräfin setzt sich ein Messer an den Hals. Das Lied ist aus. Auftritt Kardakow? Verblichen, oder? TV memoria multum nocet oder so.

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 003 Die Helfer des Armeniers - nachts im Regen 3
Regendunkel und Rettungslicht – die Männer des Armeniers befreien Rath aus den Händen der wütenden Kommunisten.

Rath in einer dunklen Seitenstraße. Er wird von Kommunisten zusammengeschlagen. Die Männer des Armeniers befreien ihn. Et non supplicium est, wie die Altägypter zu sagen pflegten. Neben dem Armenier im Wagen sitzt auch der Psychotherapeut Dr. Schmidt. Nun ahnen wir, dass er hinter all dem Schutz steckt, den Rath durch jenen Mob-Boss genießt. 

Und zu diesem in den Keller wird Rath gebracht. Einmal mehr. Wir kehren zum Ausgang zurück, kehren zu jenem aus einem alten Alptraum geborenen wiederkehrenden Motiv zurück, das für uns direkt nach dem Zug der goldenen Träume die Nummer Zwei der Orientierungspunkte in dieser Serie darstellt. Vielleicht ist es sogar noch wichtiger. Es ist gleißend hell, wenn Schmidt angeleuchtet wird, drumherum stockdunkel, was hat jener Mann doch für eine seltsame Kriegsverletzung, Narben im Gesicht. Zurück!

Zurück nun endlich, Gereon, zu den Quellen der Angst und all der Drogen. Der Sommer 18, kurz bevor du eingezogen wurdest. Eine Frau! Eine Kirche, es scheint eine Hochzeit zu sein. Alles trennt dich von ihr, was der Katholizismus hergibt. Du willst weg, lieber in den Kampf, doch er, er ist doch auch dort, der andere Mann! Du bist sogar mit ihm zusammen in einer Einheit, in den Gräben, in Stahlgewittern. Vierter November 1918! Westfront. Die Sicht ist miserabel, doch der Gegner intensiviert seine Angriffsbemühungen. Die Offensive rollt. Die im Felde unbesiegte Armee erweist sich als Dichtung. Das Ende ist absehbar. Nun, sagt dir Dr. Schmidt, nun wirst du erwachen. Die Bilder der Wahrheit werden sich über die (Lebens-) Lüge legen. 

Die Figur des Psychiaters ist die am meisten expressionistischein dieser Serie, die nicht zuletzt dem Expressionismus der 1920er huldigt, ist ein nicht Caligari, aber ein wenig Dr. Mabuse, der sein Spiel hinter den Kulissen spielt und mit dem Armenier eine Allianz bildet.

Wir alle werden Zeuge dessen, was Gereon nicht wahrhaben wollte. Wie der Bruder noch lebt, im Kugelhagel. Und wie er um Hilfe ruft. Ruft nach dem anderen – will so jung nicht enden, nicht im Dreck jener Urkatastrophe eines jungen Jahrhunderts, das in jenen Gräben seine Unschuld bereits verloren hat. Ganz unschuldig warst du schon zuvor nicht, Gereon! In Gedanken hast du, ja, du hast sie begehrt. Jetzt begehst auch du deinen Verrat, der sich später im Verrat der anderen an dir spiegeln wird. Charlotte verrät anderen dein Gebrechen, deine Sucht, die nicht nur aus dem Kriegserlebenis, sondern auch aus deinem Verrat kommt: Du lässt den Bruder liegen. Lässt ihn im Stich. Rettest dich mit den abziehenden deutschen Truppen. Der Vorhang hebt sich. Die Maske fällt. 

Dr. Schmidt ist Anno, Gereons geliebter, gehasster, übermächtiger Bruder.  

Überlebt hat er, wohl in Gefangenschaft geraten ist er. Umarmung. Erlösung? Noch einmal: Zu Asche, zu Staub. Wird nun auch das Trauma, die Last der Erinnerung zu Staub? Niemals geht so etwas ganz, es hinterlässt Spuren.

Vielleicht schließt sich die Wunde. Doch eine Narbe bleibt im Herzen. Bleibt im Herzen, solange ein Herz schlägt.   

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke 

Credit to @HeimatNeue IG HAB für die Idee, das Lied hier endlich einzubetten. 

2019-09-17 Babylon Berlin Folge 16 101 Auf Wiedersehen in der dritten Staffel
Gooldbye, auf Wiederseh’n! Staffel drei ist fertig und hat offensichtlich Spaß gemacht. Volker Bruch (Gereon Rath) und Liv Lisa Fries (Charlotte Ritter).
Rolle Darsteller
Gereon Rath Volker Bruch
Charlotte Ritter Liv Lisa Fries
Wolter Peter Kurth
August Benda Matthias Brandt
Greta Leonie Benesch
S. Sorokina / Nikoros Severija Janusauskaite
Kardakow Ivan Shvedoff
Alfred Nyssen Lars Eidinger
Jänicke Anton von Lucke
Krajewski Henning Peker
Armenier Misel Maticevic
Elisabeth Behnke Fritzi Haberlandt
Katelbach Karl Markovics
General Major Seegers Ernst Stötzner
Dr. Schmidt „Anno“ Jens Harzer
Dr. Völcker Jördis Triebel
Gräf Christian Friedel
Zörgiebel Thomas Thieme
Trochin Denis Burgazliev
Musik: Johnny Klimek
  Tom Tykwer
Kamera: Frank Griebe
  Bernd Fischer
  Philipp Haberlandt
Buch: Tom Tykwer
  Hendrik Handloegten
  Achim von Borries
Regie: Tom Tykwer
  Achim von Borries
  Hendrik Handloegten

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