#Filmfest Special Nr. 1: Edgar Wallace + Ausblick

Nur der Kult zählt

Nach 60 Beiträgen in der Reihe „Filmfest“ zeigen wir erstmals eine Werkschau. Im November und Dezember werden wir die Rezensionen zu 20 von 38 Edgar-Wallace-Filme vorstellen, die in Deutschland in den Jahren 1959 bis 1972 entstanden sind, mit Konzentration auf die „klassische Phase“, die man mit „Neues vom Hexer“ (1965) als beendet ansehen kann. Alle Filme bis dahin waren in Schwarz-Weiß gedreht und in der Regel von der dänischen Rialto-Film produziert oder coproduziert. Ausführender Produzent war dann Horst Wendlandt, der auch die noch erfolgreicheren Karl-May-Verfilmungen betreute.

Die Rezensionen wurden vor allem in den Jahren 2014 und 2015 geschrieben und im „ersten“ Wahlberliner nicht mehr gezeigt. Vielleicht gelingt es uns in den nächsten Monaten, den einen oder anderen weiteren Wallace-Film ausfindig zu machen, vielleicht in einer Mediathek, vielleicht auf Youtube. Diejenigen, die häufiger im Fernsehen wiederholt werden, sind weitgehend in unserer Sammlung enthalten. Ein Clou wäre es natürlich, an die Edgar-Wallace-Verfilmungen heranzukommen, die ab 1927 und bis in die 1930er Jahre hinein in Deutschland produziert wurden. „Man hatte früh erkannt, dass die Romane von Edgar Wallace leicht zu verfilmen sind“, heißt es ind er Wikipedia, aus der wir auch die folgenden Informationen für die Reihe entnommen haben, die 1959 bis 1972 entstand:

Gerhard F. Hummel, damaliger Programmberater der Constantin Film, erstellte 1955 eine Analyse des Kriminalromans Die toten Augen von London (Originaltitel: The Dark Eyes of London) von Edgar Wallace. Hummel schlug Verleihchef Waldfried Barthel vor, eine deutsche Edgar-Wallace-Filmserie in die Kinos zu bringen. Da auf Fiktion basierende, deutsche Kriminalfilme zu dieser Zeit schlecht besucht waren, rieten Filmproduzenten von einer solchen Unternehmung ab. Das Risiko, mit einer deutschen Wallace-Verfilmung einen finanziellen Misserfolg zu landen, erwies sich als zu groß.

Der dänische Filmproduzent Preben Philipsen, bis 1955 Miteigentümer des Constantin-Filmverleihs und Chef der in Kopenhagen ansässigen Rialto Film, erwarb 1958 den deutschen Prisma-Filmverleih. In dessen Programm wurde für 1958/59 der britische Kriminalfilm The Ringer (dt. Titel: Der Hexer, auch Der Würger kommt um Mitternacht) aus dem Jahr 1952 angekündigt. Nach Sichtung des Films in München beschlossen Preben Philipsen und Waldfried Barthel, den Film nicht in die Kinos zu bringen. Stattdessen entstand die Idee zu einer eigenen Filmserie nach Romanen des britischen Schriftstellers Edgar Wallace. Zum Auftakt wählte man die Verfilmung von The Fellowship of the Frog aus dem Jahr 1925, das bereits ein Jahr später als Der Frosch mit der Maske in deutscher Sprache erschien. Der Wilhelm Goldmann Verlag brachte seine Erstausgabe 1928 heraus. Seit 1952 war das Werk als Goldmanns Taschen-Krimi Band 1 erhältlich. Daneben erwarb Philipsen bei Verhandlungen mit Edgar Wallaces Tochter Penelope Wallace die Verfilmungsrechte zu dem Roman The Crimson Circle (dt. Titel: Der rote Kreis) mit einer Option auf weitere Verfilmungen nach Wallace-Romanen.

1959 produzierte die dänische Rialto Film den Film Der Frosch mit der Maske im Auftrag der Constantin Film. Der Film entwickelte sich zu einem großen Überraschungserfolg. Rialto erwarb daraufhin die Exklusivrechte fast aller Wallace-Romane, gründete ein deutsches Tochterunternehmen und steuerte, unbekümmert von den zahlreichen Epigonen anderer Produzenten, dem künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt der Reihe entgegen. Die insgesamt 32 Wallace-Verfilmungen der Rialto Film, die ab 1961 unter der Gesamtleitung des Produzenten Horst Wendlandt entstanden, blieben bis in die späten 1960er-Jahre in Kreativität und treffsicherer Inszenierung federführend.

Ab der Produktion Der Bucklige von Soho (1966) entstanden sämtliche Edgar-Wallace-Verfilmungen in Farbe. Man distanzierte sich zunehmend von den originalen Romanvorlagen, um eigene Geschichten nach Motiven verschiedener Wallace-Stoffe zu kreieren. Damit entsprachen die Filme zwar mehr dem Zeitgeist der späten 1960er Jahre. Dramaturgisch, inhaltlich und inszenatorisch sank das Niveau der Filme jedoch.

Die Wallace-Verfilmungen von damals sind heute nicht nur Kult, sondern auch Gegenstand historischer, psycholgoischer und soziologischer Betrachtungen. Ein wenig davon haben wir versucht in die Rezensionen einfließen zu lassen, denn obgleich diese Werke nach den Stoffen eines englischen Schriftstellers gedreht wurden und auch in England spielen, manche Szenen sind sogar vor Ort entstanden, sind sie urdeutsch und reflektieren vieles aus der Filmgeschichte und der politischen Geschichte des Landes: Expressionistische Einflüsse sind ebenso unverkennbar wie die Hinterlassenschaften der NS-Zeit in einer Nachkriegsgesellschaft, die autoritär war und gleichzeitig den wohligen Grusel genoss, dass endlich ungefährlichere, halbwegs sichere Zeiten zu herrschen schienen.

Der Humor ist für deutsche Filme jener Zeit außergewöhnlich makaber und zielt gleichzeitig auf eine geschickte Form, das Englische im gemütlichen Nachkriegsstil einzudeutschen, vor allem Eddi Arendt wurde für diesbezügliche Rollen berühmt und spielt unzählige „Sidekicks“ in der Reihe. Manche sind der Ansicht, ein Edgar-Wallace-Film ohne Eddi Arendt ist kein echter Wallace-Film. Aber auch die oft etwas übertriebene Bild- und Effektgestaltung und die Musik geben der Reihe ein unverwechselbares Gepräge. Einiges an diesen Filmen war weitaus progressiver, als das mit dem deutschen Film generell unzufriedene Feuilleton es damals wahrhaben wollte – denn letztlich handelte es sich um Unterhaltung, von der keine Linie zum NDF, zum Neuen Deutschen Film zu führen schien. In der Tat waren nach dieser Reihe und den Karl-May-Filmen die größeren Erfolge des westdeutschen Kinos, die man auf der Basis von etwas recht Eigenständigem verorten kann, erst einmal vorbei.

In die beliebtesten der Edgar-Wallace-Filme strömten bis zu 3,6 Millionen Zuschauer. Filme deutscher Provenienz, die das heute noch schaffen, sind dünn gesät. Allerdings wäre es unfair, nicht zu erwähnen, dass die Zahl der jährlichen Kinobesuche Anfang der 1960er um ein Mehrfaches höher lag als heute.

Während der Arbeit an den Edgar-Wallace-Rezensionen haben wir auch Unterschiede bei der Machart entdeckt, die den jeweiligen Regisseuren zu verdanken sind. Am meisten prägend waren wohl die Regiearbeiten von Alfred Vohrer, der den knackig-gruselig-humorigen Stil beherrschte wie kein anderer und die wirklich kreativen, zuweilen lautmalerischen Scores, die Peter Thomas schrieb. Der erste Film der Reihe, „Der Frosch mit der Maske“, stammt aber von Harald Reinl, der vom Heimatfilm kam und Außenaufnahmen demgemäß gut konnte und der später die Winnetou-Filme verantwortete – der Stil dieses Erstlings ist schon recht gelungen, aber auch vergleichsweise konservativ.

Die Rezensionen, die wir für die Wallace-Filme verfasst haben, sind recht ausführlich und haben in spezielles Schema, für das wir bei den einzelnen Filmen bestimmte Kriterien abgeglichen haben, die in der Wikipedia als typisch für die Reihe identifiziert wurden.

Zum Abschluss werden wir Kritiken zu „Der Wixxer“ und „Neues vom Wixxer“ vorstellen, die in den 2000ern als Parodien der Wallace-Filme der 1960er entstanden sind. Kann man Filme, die selbst bereits parodistische Ansätze zeigen, parodieren? Wir werden sehen.

Ausblick

Wir werden in den kommenden Monaten nicht nur Beiträge zu Edgar-Wallace-Filme zeigen, das wäre uns doch etwas zu einseitig.

Vorgesehen ist ein Wechsel im Rhythmus 1:1 bis 1:2 mit anderen Filmen aus der Anfangszeit der „FilmAnthologie“ im ersten Wahlberliner, also aus den Jahren 2011 ff. Weiterhin denken wir darüber nach, die Kurzkritiken, die wir einst in Form des noch im Schreibmaschinendruckform erstellte „Internationale Filmverzeichnis“ verfasst haben, ebenfalls im neuen Wahlerberliner zu präsentieren. Die letzte uns derzeit bekannte Ausgabe des Verzeichnisses datiert aus dem Jahr 1989. Mit diesem immer wieder aktualisierten und erweiterten Verzeichnis haben wir unser Interesse am Medium Film erstmals in einer gesammelten Form dokumentiert und es nach Ländern und Jahren gegliedert. Vermutlich werden wir die Rezensionen auch in Originaloptik und -schreibweise, als Abfotografien der betreffenden Ausschnitte aus eingescannten Dokumenten, veröffentlichen.

Ab dem kommenden Jahr werden wir außerdem vermehrt aktuelle Kritiken veröffentlichen, auch solche zu aktuellen Filmen und Fernsehstoffen (jenseits von „Crimetime“, in dieser Beitragskategorie rezensieren wir ohnehin seit 2011 neue Tatorte und seit März 2019 Polizeiruf-110-Episoden). Worüber wir ebenfalls nachdenken: Die Empfehlungsbeiträge (Filmfest „B“), die auf Kritiken hinweisen, welche andere geschrieben haben, zu reaktivieren und sie bezüglich ihrer Nummerierung einzugliedern (lediglich die Zusatzbuchstaben A, B, C, D, E weisen ab 2020 auf Empfehlungen, auf Fernsehfilme, auf Dokumentationen und auf eigene Video-Produktionen hin).

Obgleich wir mit den Wallace-Verfilmungen die erste Werkschau zeigen, wir werden uns im Wahlberliner selbstverständlich auch kunstvollerem Kino widmen – aber niemals mit Spezialisten mithalten wollen im Bereich der Kritik aktueller Kinofilme oder gar jener Fernsehserien, die es mittlerweile aus unterschiedlichsten Quellen wie Sand am Meer gibt. Deshalb die Idee, die Artikel anderer zu empfehlen, vor allem jener Kolleg*innen, die nicht in den großen Medien, sondern für Blogs schreiben und dabei oft sehr fundierte Beiträge liefern.

TH

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