Walpurgisnacht (Valborgsmässoafton, S 1935) #Filmfest 71

Filmfest 71 A

Vorwort 2019/2020

Wir zeigen diese Rezension im Original, wie sie 2011 als „FilmAnthologie Nr. 32“ für den ersten Wahlberliner verfasst wurde. Wir haben lediglich die damals abgebildete demografische Übersicht  durch einen Link ersetzt. „Walpurgisnacht“ ist der erste Film, der nicht in einem der bisherigen Hauptländer unserer Kino-Exkursionen (USA, D, F, I, UK) entstand. In der schwedischen Kino-Historie hat er einen besonderen Stellenwert – nicht nur, weil er mit Ingrid Bergman und Victor Sjöström zwei der bekanntesten Persönlichkeiten des schwedischen Kinos zusammenbringt, sondern auch wegen seines Themas, das in Deutschland bis heute umstritten ist.

I. Vorwort

Der Film „Walpurgisnacht“, der 1935 in Schweden entstand, ist der erste, den wir gemäß unserer Ankündigung in diesem Beitrag aus unserem Videoarchiv entnehmen, um ihn zu rezensieren.

ARTE hat ihn am 8. Janaur 2001 erstmalig im Fernsehen ausgestrahlt, ob im Rahmen eines Themenabends, ist uns nicht mehr in Erinnerung, aber wohl vor allem, weil er ein Frühfilm von Ingrid Bergmann ist, außerdem ein später des Regisseurs und Schauspieler Victor Sjöström, mit dem die große Zeit des schwedischen Films in den 10er und zu Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts untrennbar verbunden ist.

Wieder einmal sind wir dankbar, dass die IMDb (International Movie Database) über beinahe jeden Film, der jemals gedreht wurde, nicht nur grundlegende, sondern sehr ausführliche Informationen bereithält, die es heutzutage so viel leichter machen, Filme einzuordnen. Viele sachliche Informationen auch zu diesem Film übernehmen wir aus der IMDb.

II. Kurzkritik

Ein Melodram mit kriminalistischem Einschlag und einer ebenso simplen wie fragwürdigen Botschaft: Die Geburtenrate sinkt, wenn die Liebe zwischen den Menschen nachlässt. Zudem bezieht „Walpurgisnacht“ eindeutig gegen die Abtreibung Stellung, und das Thema überhaupt anzusprechen und sogar eine Person zu zeigen, die bei einem illegalen Arzt abtreiben lässt und deren bekannter und wohlhabender Mann wegen dieser Tatsache von einem Kleinganoven erpresst wird, ist für damalige Verhältnisse offensiv.

Niemand in den USA oder in Europa hätte sich an dieses Thema zu der Zeit in Form eines Spielfilmes herangewagt, nicht einmal mit einem so eindeutigen Appell.

Der Film ist zu Anfang in Form von Rede und Gegenrede aufgebaut, um den Zuschauer ins damals wohl nicht gerade geläufige Thema einzuweisen und eine so große Autorität wie Victor Sjöström, der hier den Verleger Bergström und Vater von Ingrid Bergmann spielt, war die richtige Person, um sich an die Zuschauer*innen zu wenden. Die Dialoge, die Dramaturgie und die Technik sind auch für 1935 nicht besonders weit entwickelt, man merkt, dass der schwedische Film zu der Zeit stagnierte. Aber es gibt eine junge Ingrid Bergman zu sehen, und man merkt: Da ist jemand zum Star geboren.

Mit keinem Film ist ihr Wirken so sehr verbunden wie mit „Casablanca“ und schon in „Walpurgisnacht“ ist die Intensität zu spüren, die ihr später solchermaßen aufopfernde Rollen wie die von Ilsa Lund in „Casablanca“ und ähnliche ermöglicht haben. Von ihr geht ein natürlicher Zauber aus, der auch in einem Film wirkt, den man ohne sie wohl kaum 65 Jahre später noch einmal im deutschen-französischen Fernsehen zeigen und 76 Jahre nach seiner Entstehung rezensieren würde, auch wenn er ein wichtiges Zeitdokument darstellt.

II. Handlung, Darsteller, Stab

Lena Bergström ist die Sekretärin des unglücklich verheirateten Unternehmers Johan Borg, in den sie hoffnungslos verliebt ist. Borg ist überzeugt, dass ein Kind seine Ehe retten könnte, seine Frau möchte jedoch keines bekommen. Als Clary Borg doch ungewollt schwanger wird, lässt sie das Kind bei einem Scharlatan abtreiben. Doch die Abtreibung kommt ans Licht, da die Unterlagen aus der Praxis gestohlen wurden und sie fortan erpresst wird. Trotz seiner Enttäuschung ist Johan Borg bereit, die geforderte Summe zu zahlen. Bei der Übergabe des Geldes kommt es jedoch zu einer Auseinandersetzung, während derer seine Frau den Erpresser erschießt.

(Handlung: ARTE)

At Walpurgis Night people gather around bonfires and in restaurants to celebrate the coming of spring. Johan Borg has booked a table for two, hoping to pour new spirit into his dying marriage. He is longing for a family life, with children of his own, but his wife Clary opposes it.

In fact, she has planned to undergo an illegal abortion this very afternoon – without her husband’s knowledge. Because of this she refuses to spend the evening with him. Johan then invites his secretary Lena to celebrate Walpurgis Night with him at the restaurant.

He explains to her that his marriage is over. Johan and Lena have a wonderful evening together and fall in love. Meanwhile the police have spotted the illegal abortionist. Clary is weak after her abortion, but escapes just before the police arrive.

A small crook finds some evidence for Clary’s illegal abortion, and tries to blackmail Clary and Johan. When Johan refuses to pay him more than 5.000 crowns he attacks Johan. In the turmoil the crook loses his gun, Clary picks it up and shoots him down. It is an act of self-defense, but Johan and Clary are chocked and tries to erase all evidence of the deed.

Johan flees the country and joins the Foreign Legion. Before committing suicide Clary confesses that she killed the crook and that Johan is innocent. Lena, who is unhappy because of Johan’s disappearance, wants to bring him the news, but doesn’t know where to find him.

(Englische Zusammenfassung: IMDb, Maths Jesperson)

III. Rezension

  1. Die Sünde wider das Leben

Was den Film so schwierig macht und ihn gleichzeitig über ein beliebiges Drama seiner Zeit heraushebt, ist nicht nur Ingrid Bergmans Anwesenheit, sondern auch genau das, was den deutschen Vorkriegs-Verleihtitel geradezu provoziert hat.

Denn „Die Sünde wider das Leben“ hieß der Film 1937, als er in Deutschland in die Kinos kam. Während aus den USA kaum noch importiert wurde, passte „Walpurgisnacht“ hervorragend in die Zeit. Und damit zur Nazi-Ideologie. Die unbedingte Verurteilung der Abtreibung, die hier als Option von hedonistischen Frauen, dargestellt in Person der Industriellengattin Clary Borg (Karin Kavli) dargestellt wird, welche des Genusses fähig, aber zur Liebe nicht geschaffen sind, ist auch in Deutschland noch lange nach dem Krieg Stand der Dinge gewesen. Der Kampf um den § 218 (StGB), der Abtreibung in seiner früheren Form generell unter Strafe stellte, war eine legendäre juristische Chiffre für die Emanzipation der Frauen in Deutschland erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhundertes. Gerade in jener Zeit wurde der § 218 häufig geändert.

Auch heute noch ist der Schwangerschaftsabbruch nach § 218 generell strafbar und alle legalen Abbrüche sind in Ausnahmetatbeständen enthalten, insgesamt befassen sich mit der Strafbarkeit nicht weniger als sieben Normen. Schon diese seltsame Regelung, die man viel stringenter hätte in einem oder zwei Paragraphen zusammenfassen können, hätte man eine klare Haltung, zeigt den Konflikt, der ausgetragen wurde, in dem am Ende eine grundsätzliche Bevorzugung des Lebens des Ungeborenen erkennt, gleichzeitig aber die Möglichkeiten zur legalen Abtreibung nicht zu eng fassen wollte. Daraus sind einige Fragwürdigkeiten hervorgegangen.

1937 aber, als im Dritten Reich Kinder für den Führer oberstes Gebot waren, war „Walpurgisnacht“ geradezu ein propagandistisch wertvolles Objekt. Auch die darin vertrene Ansicht, dass weltliche, mehrmals als egoistisch apostrophierte Lebensweise zu geringer Liebesfähigkeit und in der Folge zu geringer Fertilität führt, fügt sich sehr gut ins damalige Denken – nicht nur in Deutschland, muss man fairerweise sagen – ein.

  1. Fertilität in Schweden

Interessant auch wieder, wie offen man sich in Schweden damals sozialen Fragen gewidmet hat. Es ist in der Tat wahr, dass in den 30er Jahren und zwar genau bis ins Jahr 1935, in dem der Film entstand, die Geburtenquote in Schweden stark abgesunken war und man hat sich Gedanken über dieses Phänomen gemacht, das man vorher in Friedenszeiten nicht kannte.

Man fand den Materialismus, wie ihn Clary Borg verkörpert, als Quelle. In der Tat war es nicht erst die Depression der frühen 30er Jahre, die in Schweden zu diesem Phänomen geführt hatte, wie die unten gelisteten Geburtenraten für verschiedene Jahre zeigen. Das wäre eine naheliegende Vermutung gewesen, denn in vielen anderen Ländern hatte während der wirtschaftlichen Großkatastrophe des 20. Jahrhunderts die Lust am Kinder bekommen stark nachgelassen.

Es dürfte also richtig beobachtet gewesen sein, dass vielmehr steigender Wohlstand und damit sich verschiebende Werte eine wichtige Rolle gespielt haben. Allerdings ist alles relativ, Schweden hatte 1935 immer noch einen deutlichen Geburtenüberschuss, die meisten europäischen Länder würden sich heute mit einer Geburtenrate, wie das skandinavische Land sie damals aufwies, glücklich schätzen. Zu der Zeit sprach allerdings auch weltweit niemand von Überbevölkerung und gerade im dünn besiedelten und auch damals schon wohlhabenden Schweden kam sicher nicht die Frage auf, ob die Ressourcen für etwas mehr Menschen hinreichend sein könnten.

Ein erstaunlicher Fakt: 1936, nachdem der Film „Walpurgisnacht“ in den Kinos gelaufen war, stieg die Geburtenrate erstmalig wieder an – und das blieb für lange Zeit so. Gab es eine Diskussion wegen dieses Filmes, ein neues Bewusstsein? Die Rezeptionsgeschichte des Films zu analysieren und gleichzeitig die demographischen Konditionen und sozialen Hintergründe im Schweden der 30er Jahre, würde allerdings ein Quellenstudium erfordern, das den hiesigen Rahmen sprengt.

Als nicht unwahrscheinlich kann gelten, dass die zuvor stark abgesunkene Geburtenrate in Schweden diesen Film beeinflusst bzw. ausgelöst hat. Ob der darauf einsetzende Wiederanstieg auch auf den Film zurückgeführt werden kann, ist eine andere Frage. Hier die demografischen Daten von Schweden seit 1900.

  1. Ingrid Bergman und Victor Sjöström auf dem Kreuzweg ihrer Karrieren

1928 hatte Victor Sjöström in den USA den eindrucksvollen Film „The Wind“ gedreht, der bis heute als Meisterwerk gilt, und war damit auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen. Die spätere Tätigkeit in Schweden beinhaltete nur noch wenige Regiearbeit, aber wundervolle Altersauftritte wie in Ingmar Bergmanns „Wilde Erdbeeren“ von 1957. Den Film haben wir vor langer Zeit gesehen, aber das Gesicht und die Darstellung von Sjöström als altem Mann, an dem die wilden Früchte seines Lebens vorüberziehen, die sind uns noch immer im Gedächtnis. Heute gäbe es viel zu schreiben, auch über diesen frühen Ingmar Bergman.

Schweden ist ein kleines Land, in dem sich die Lebenswege aller wichtigen Filmkünstler irgendwann kreuzten, und von denen gab es eine beachtliche Anzahl, die internationalen Ruhm erreichen konnten.

Der größte Ruhm unter den Darsteller*innen war neben Greta Garbo Ingrid Bergman beschieden, jener tiefen und reinen Seele, die sie in den frühen Jahren verkörperte. Adolf Heinzlmeier hatte sie in „Die Unsterblichen des Kinos“ (Band 2, 40er und 50er Jahre) als „Pinup des Herzens“ bezeichnet und das trifft es wohl. Kein anderer Hollywoodstar der Zeit konnte wohl die romantischen Sehnsüchte eines großen Publikums so bündeln wie die Bergman mit ihrer intensiven Augenpartie, man musste sie kaum schminken, damit sie als Schönheit wahrgenommen wurde, die von innen leuchtete.

Kein Wunder, dass es zu einem besonders harten Bruch kam, als sie sich in den späten 40ern von ihrem Mann trennte und dem Regisseur Roberto Rosselini in ihrer bedingunglosen Art, die sie nicht nur in ihren Filmen auszeichnete, nach Italien in die Untiefen des Neorealismus folgte. Das hat man ihr in den USA lange nicht verziehen. Sie hat später noch gute Filme gemacht, aber wurde kein Topstar mehr.

  1. Verstrickungen im Film als Menetekel

Es hat sicher tragischere Biografien gegeben als die des Stars Ingrid Bergman, aber kompliziert war es immer, in ihrem Leben. Sie war wohl dafür geboren. Und das Potenzial, sich zu verstricken, das war wohl auch den Regisseuren in ihrem Heimatland schon früh aufgefallen. In sentimentalen oder melodramatischen Filmen wie „Walpurgisnacht“ spielte sie immer junge Frauen, die durch die Absolutheit und Reinheit ihrer Gefühle in schwierige Situationen kam.

In „Walpurgisnacht“, als junge Sekretärin, die heimlich ihren Chef liebt, wird sie in die Ehekrise desselben hineingezogen und gerät bei ihrem Vater so gar in den Verdacht, in eine Abtreibung und in der Folge sogar in einen Mord verwickelt zu sein.

„Ihr wisst so viel und versteht so wenig“ (von der Liebe), das sagt Victor Sjöström als Vater von Ingrid Bergman in diesem Film zu einem jungen Journalisten der Zeitung, welcher er als Chefredakteur vorsteht. Daher gibt’s auch keine Kinder, sondern nur noch Fakten, Fakten, Fakten, könnte man den Gedankengang, der damit angedeutet wird, beenden. Nicht ganz abwegig, gerade auf deutsche Verhältnisse im frühen 21. Jahrhundert bezogen.

Trotzdem versagt der Vater, weil er nicht erkennt, wie seine Tochter gestrickt ist. Sie wurde zwar nicht von ihrem Chef geschwängert, aber sie sagt ihrem Vater, sie hätte sich genau das gewünscht, damit das Kind ihrem Leben einen Sinn gegeben hätte, wo der Mann sich nach dem Zusammenbruch seiner Ehe und in einer prekären Situation Richtung Fremdenlegion abgesetzt hatte. Später kehrt er zurück und, immerhin, Lena Bergströms Opfer, auf ihn gewartet und ihn nicht vergessen zu haben, wird belohnt.

  1. Im Kino sind die Gefühle größer

… als in der Wirklichkeit. Sonst wär’s auch langweilig. Würden wir immer nur uns selbst sehen mit unserer zeitweiligen oder allumfassenden Kleingeistigkeit, wo wäre das Filmische am Film? Das, was über die Wirklichkeit hinausweist? Deswegen funktionierte auch der so genannte reine Autorenfilm deutscher Prägung der frühen 70er bei einem größeren Publikum nicht. Die Entlarvung des Alltäglichen hatte so gar keinen Charme und bot überhaupt keine emotionalen Ankerpunkte. Man wollte sich damit natürlich abgrenzen, so radikal wie möglich.

Von typisch deutschen Filmkonventionen, von flacher Gefühlsduselei und von den überbordenden, seichten Komödien jener Zeit. Aber auch von diesen Schicksalstragödien und übergroßen Figuren, die, wie wir in „Walpurgisnacht“ sehen, auch im nordischen Film ganz ähnlich ausgeführt sind wie in deutschen Lichtspielen jener Ära. Mit dem Unterschied, dass die Überhöhung von allen möglichen Dingen, von denen einzelne tatsächlich etwas Hohes, die meisten aber auch etwas ungemein Niedriges hatten, an sich oder durch Missbrauch im Sinn der Nazi-Ideologie, in Schweden sich auf natürliche Weise gelegt hat, als modernere Filmer wie Ingmar Bergman kamen – in Deutschland hingegen trug auch die Verabsolutierung von Gefühlen, wie die Filme sie unter die Leute brachten, dazu bei, dass alles dem Untergang entgegen strebte.

  1. Walpurgisnacht

„Viele der Bräuche bei Frühlingsfesten (in der Walpurgisnacht, Anm. d. Verf.) ranken sich um junge Paare, die symbolisch für die menschliche Gemeinschaft stehen.“ (Wikipedia)

In Deutschland ist die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai heute eher als Hexennacht bekannt, in der viel Maibowle getrunken und ein wenig Schabernack auf den Straßen getrieben wird. Aber der Film zielt natürlich auf die obige Bedeutung ab. Es geht um junge Menschen, die sich finden und fortan Paare sind, die – vereinfacht ausgedrückt, in die Gemeinschaft eintreten und natürlich auch Kinder zeugen, die die Gemeinschaft erhalten.

Victor Sjöström als Chefredakteur seiner Zeitung „Morgenposten“ ist ein großer Fan der Walpurgisnacht und nervt Setzer, Mitredakteure und Herausgeber mit der Marotte, sie jedes Jahr groß auf der ersten Seite zu bringen und immer Erbauliches zum Thema zu verfassen. Auch ein Hochzeitspaar gehört dazu. Unglücklicherweise bringt das Foto eines jungen Paares, auf dem seine Tochter (Ingrid Bergman) nebst dem noch verheirateten Unternehmer Borg (Lars Hanson) abgebildet ist, ihn dieses Mal in Gewissensnöte.

Die Walpurgisnacht ist zweifelsohne gut und sehr symbolträchtig in die Handlung eingewoben – Traditionelles, auch studentisch geprägtes Volksfest gegen die kalte Welt der Borgs bzw. der Frau Borg, die für einen neuen, der Volksgemeinschaft in Person des Patriarchen Bergström nicht geheuer ist. Wie auch, er hat sieben Kinder gezeugt und an seinen Geburtstagen versammelt sich ein ganzes Dorf, wenn man die Enkelkinder einrechnet. Die Gegenfigur Clary Borg hingegen lässt ihr allererstes Kind abtreiben.

Klarer kann man die Fronten nicht bilden, für Differenzierung bleibt kein Raum, außer beim Unternehmer Borg, der sich von seiner Frau ab- und der jungen, gebärbereiten Sekretärin zuwendet. Aber das ist im Grunde keine Wandlung der Figur, sondern nur deren Adaption der Umstände. Da saß die wahre Liebe lange Jahre im Vorzimmer und er hat es nicht gemerkt, weil sie ihre Gefühle verborgen hat.

Die Darstellerin war zu jung, um schon mehrere Jahre in diesem Büro versauert zu sein – glücklicherweise. Ingrid Bergman war erst 20 Jahre alt, als sie in „Walpurgisnacht“ ihr inneres Feuer in den Maifeuern ebenjener Nacht zum 1. Mai spiegeln durfte. Aber sie wirkt erstaunlich reif, schauspielerisch und als Frau, das lässt sich beobachten – es sei denn, man sieht ihre Absolutheit als Zeichen mangelnder Reife. Idealistinnen werden aber nicht in so jungen Jahren schon vollkommen desillusioniert, und manche Menschen bleiben ein Leben lang so gestrickt.

IV. Fazit

Filmisch und inhaltlich ist „Walpurgisnacht“ sicher kein herausragender Film, die Botschaft ist sehr traditonell und das Wahre daran ist eher eine Umkehrung: Kinder sollte man nicht bekommen, um ein leeres Leben mit Sinn zu füllen, wie es hier an der einen oder anderen Stelle propagiert wird (Heilung einer kaputten Ehe durch Kinder, Erfüllung einer unstillbaren Sehnsucht durch Kinder) sondern, um ein funktionierendes und mit Liebe erfülltes Leben zu vervollkommnen. Man hat damals viele moderne Ansätze entweder bewusst aus dem Film herausgezogen oder sie gar nicht gekannt.

Es versteht sich zwar, dass unser hochgezüchtetes Wirtschaftssystem als eine seiner vielen, nicht selten komplizierten Funktionsbedingungen beinhaltet, dass neue Generationen nachwachsen, welche die vorhergehenden stützen können, aber wichtiger als die Geburtenrate ist die Lebensqualität für die Kinder, für die man sich nach genauer Abwägung entscheidet. Insofern liegt der Film, das Thema Abtreibung außen vor gelassen, zwar nicht falsch, wenn er einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der allgemeinen Liebesfähigkeit und dem Ja! zu Kindern herstellt. Aber Liebesfähigkeit kann man nicht befehlen, und wer die emotionale Kraft für Kinder nicht aufbringt, der sollte eines gerade nicht tun: Dieses Defizit durch Kinder heilen wollen.

70/100

© 2020, 2019, 2011 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Directed by Gustaf Edgren
Writing Credits
Oscar Rydqvist …            (a film story by) and
Gustaf Edgren …            (a film story by)
Oscar Rydqvist …            (scenario)
Cast (in credits order)

Lars Hanson       Lars Hanson       …            Johan Borg
Karin Kavli           Karin Kavli           …            Clary Borg (as Karin Carlsson)
Victor Sjöström                Victor Sjöström                …            Frederik Bergström, Editor
Ingrid Bergman                Ingrid Bergman                …            Lena Bergström, Johan’s Secretary
Erik ‚Bullen‘ Berglund     Erik ‚Bullen‘ Berglund     …            Gustav Palm, Editor’s Secretary (as Bullen Berglund)
Sture Lagerwall                Sture Lagerwall                …            Svensson
Marie-Louise Sorbon     Marie-Louise Sorbon     …            Mrs. Svensson
Georg Rydeberg              Georg Rydeberg              …            Frank Roger
Georg Blickingberg         Georg Blickingberg         …            Landberg
Richard Lund     Richard Lund     …            ‚Doctor‘ Smith
Linnéa Hillberg Linnéa Hillberg …            Nurse
Stig Järrel            Stig Järrel            …            Grane

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