Söhne Rostocks – Polizeiruf 110 Fall 383 #Crimetime 553 #Polizeiruf110 #Polizeiruf #Rostock #Bukow #König #NDR #Sohn #Soehne

Crimetime 553- Titelbild © NDR, Christine Schroeder

Der Fels und die Schwankende

Der Frauenmörder aus einem älteren Fall macht Katrin König so zu schaffen, dass sie zum Flachmann greift, während Sascha Bukow dieses Mal überhaupt nicht privat involviert ist. Dadurch entsteht eine gewisse Asymmetrie. Wir erinnern uns an Fälle, da war es umgekehrt, weil Bukows Familie und seine Blase, personifiziert durch seinen Vater, den Halbweltler mit Kultstatus, dafür sorgte, dass er kaum ein ordentlicher, legal arbeitender Cop sein konnte. Aber auch dieser Frauenmörder – der insistiert darauf, dass König seinerzeit Entlastungsmaterial hat verschwinden lassen, um ihn für etwas dranzukriegen, was er nicht getan hat, weil sie ihm den wirklichen Mord nicht nachweisen konnte. Wieso erzählen wir so viel über diese Nebenhandlung? Dies und mehr zum 383. Polizeiruf erklären wir in der -> Rezension.

Handlung

In Sascha Bukows Armen stirbt der 36-jährige Frank Fischer – und der aufstrebende Rostocker Jungunternehmer Michael Norden, der dabei zugesehen hat, ist auf der Flucht. Bald finden sich Hinweise, dass Norden sich irgendwo in Rostock versteckt hält – und etwas mit der Sache zu tun hat.

König und Bukow treffen sich mit Nordens Jugendliebe Beate, einer Alleinerziehenden, der ihr halbwüchsiger Sohn Jon über den Kopf wächst. Doch sie weiß nach eigener Aussage ebenso wenig über den Verbleib von Norden wie dessen Geliebte Alex. Die einzige Info: Norden und Fischer waren Schulfreunde. Es wird noch ein langer Tag vergehen, bis klar ist, was wirklich hinter dem Mord an Frank Fischer steckt.

Rezension

Zur Abwechslung schreiben wir die Rezension zu einem Polizeiruf oder Tatort wieder mal am Abend der Premiere. So, wie wir das früher mal meistens gemacht haben. Es geht nichts über frische Eindrücke. „Nett ist die kleine Schwester von Scheiße.“ Sowas. Es ist nicht neu, wir kennen den Spruch schon aus Österreich, wo die Menschen indigniert waren, wenn man sie einfach nur als nett bezeichnet hat. Für Norddeutsche hingegen ist es eine der höchsten Stufen von Anerkennung und nicht negativ konnotiert, das nett. Rostock wird ja von alten Wessis wie uns immer in erster Linie als im Osten liegend verlandkartet, es liegt aber auch im Norden und die Mentalität ist denen der etwas weiter westlich lebenden Norddeutschen sicher ähnlicher als zum Beispiel, naja, sagen wir, dem Wesen der Sachsen.

Die beiden sind einfach super. König bzw. ihre Darstellerin Anneke Kim Sarnau schafft es, Momente der Rührung schaffen, auch wenn sie gar nicht aus der Situation heraus vorbereitet werden – einfach dadurch, wie sie reagiert, durch kleine Momente, Gesten, Ausdrücke. Bukow, siehe oben, hatte dieses Mal eher die Aufgabe, der Fels in der Brandung zu sein.

Diese sehr subtile, aber offenbar doch nicht unentdeckt gebliebene Gleichstellung der AfD mit Nazis haben wir jetzt auch nicht mehr entdecken können, wir wollen auch nicht schreiben, he, gerade in Rostock ist das doch ein mutiges Statement! Der NDR hat da gut reden, weil die Lage in seiner Heimatstadt Hamburg etwas anders aussieht. Aber wichtig ist es trotzdem und entspricht sicher auch der Einstellung der Frau, die den Laptop mit sich herumschleppt.

Das Team arbeitete heute eher dezent, ohne die Kabbeleien, die man in früheren Rostock-Polizeirufen gesehen hat. Weder erlaubt sich Pöschel exzeptionalistische Sondertouren, noch raufen sich Bukow und König immer noch nicht zusammen, auch das angespannte Verhältnis zwischen Bukow und Thiesler, das früher so viel von guter Freundschaft und dann so etwas wie Verrat gesprochen hat, wirkt sehr dienstlich und zurückgenommen. Eine recht harmonische Dienststelle.

Aber nun zur Handlung. Davor haben wir uns bisher gedrückt. Und sind froh, dass andere es auch sehen wie wir. Wir müssen bekennen, wir sind eingenickt, ausgerechnet, als es auf die Fähre ging – haben ein Stück zurückgespult, aber so richtig klar wurde alles trotzdem nicht. Wer hat nun warum genau den armen Frankie auf dem Gewissen? Klar, es war der Typ, der nachher auch umkommt und weil Norden ins Gefängnis muss, wie man hört, hat er auf jeden Fall etwas damit zu tun gehabt. Mit dem zweiten Todesfall wenigstens. Umpf. Aber an sich ist es sehr schön und wir haben auch eine Idee, warum wir heute so früh schon so müde waren. Der Auslöser dafür war nicht der Polizeiruf, der hat es aber abgekriegt.

Wie wir’s auch drehe, wir waren nicht die einzigen. Wir versuchen aber noch, ein paar Sachen zu klären. Warum hat Buckow so gegrinst, wegen des Namens von Nordens Freundin? Geben sie mal das Hashtag #Kaléko auf Twitter ein, wir bieten es hier als Link an.

Den Spruch kennen wir, von anderen geäußert, auf unser Verhalten bezogen, seit wir denken können. Und wir haben bekanntlich keinen norddeutschen Hintergrund, sondern, auf Berlin bezogen, einen Migrationshintergrund. Der Account heißt „Die Unerbittliche“ und deswegen schließen wir uns auch nicht an und sagen, es passte nichts außer, sondern, weil wir gütige Menschen sind, es erschloss sich uns das eine oder andere nicht vollständig, siehe weiter oben.

Der war etwas plump, wenn auch bisher meistens richtig. Wir arbeiten in Berlin daran, dass sich das ändert, verraten aber noch nicht alle Geheimpläne, in denen niedergelegt ist, wie wir die Revolution dieses Mal ins Laufen bringen werden.

Wir erinnern uns knapp. Manchmal waren die Dialoge auch rudimentär, aber einfache Sprache ist in Rostock auch Programm, da darf man sich nichts vormachen.

Nun aber wird es doch noch etwas lichter. Der Tweet links klärt in etwa über die Lage auf und was haben wir ein Glück, dass wir heute endlich auch entdeckt haben, wie man die Tweets linksbündig setzt. Dummerweise ist der wichtige mit der Annäherung an die Handlungsauflösung jetzt trotzdem untendrunter.

Er ist aber auch so wichtig, dass wir ihn breitgezogen haben:

Damit lassen wir’s für heute aber fast gut sein und fassen nur noch einmal zusammen: Die Atmosphäre war toll, das Personal ziemlich freaky, wir werden uns den Film auf jeden Fall mit mehr Kaffee oder Schokoladenzucker im Blut als heute noch einmal anschauen. Die Bewertung von Christian Buß im SPIEGEL erscheint uns angemessen.

7/10

© 2020 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Vorschau: Die Bukowski-Fraktion ist wieder am ermitteln

Begraben unter einem Toten: Hauptkommissar Bukows (Charly Hübner) erschrockener Gesichtsausruck spricht Bände. Der blutbesudelte Sterbende fällt bei der Routinekontrolle eines Wohnhauses dem Polizisten unvermittelt in die Arme, als der das Garagentor öffnet – zwischenzeitlich flüchtet der vermeintliche Mörder hinaus in die Nacht. Was ist im Polizeiruf 110 „Söhne Rostocks“ zuvor geschehen?, schreibt die Redaktion von Tatort Fans.

Und wir sind dieses Mal mit der Vorschau besonders spät dran, daher fassen wir uns kurz und die Meinungen derer, die vorab rezensieren, in weniger Sätzen zusammen als üblich. Was also halten andere, die das Team mit dem besonders proletarischen Anstrich in der Regel ja recht gerne mögen? Der SPIEGEL findet, die Polizeiruf-Nr. 383 ist ein „stimmungsvoller Zwielicht-Krimi“ und vergibt 7/10. „Das Schwierigste ist immer der Schluss“, meint SWR 3 und billigt dem Film drei von fünf Elchen zu. „Bukow war wohl noch nie so locker, ausgeglichen und gleichzeitig bestimmt wie in diesem „Polizeiruf“. Die Kollegin indes steht weiterhin neben sich“, meint Tittelbach-TV und kommt auf 4,5 von 6 Sternen und die Frankfurter Rundschau schreibt: „Der Rostocker Polizeiruf in der ARD ist überladen, aber mit großen Momenten.“

Überladen kennen wir, weil das auf die meisten Tatorte zutrifft, auch die Rostocker Filme waren zuweilen schon so vollgepropft mit Handlungselementen, dass man sich als Betrachter bei der Begehung des fiktionalen Raums ziemlich eingezwängt fühlte – aber es passt auch zu der dampfenden Atmosphäre, die ausgerechnet an der Ostseeküste inszeniert wird, dem relativ großen Team und diesen Verstrickungen in Gegenwart (Bukow) und Vergangenheit (König), die stets weitererzählt werden müssen. Langweilig wird es bestimmt wieder nicht. Der kantige Name der Stadt fasziniert die Macher vom NDR offensichtlich: Im Titel kam er schon einmal vor: „Einer für alle, alle für Rostock“. Alles andere werden wir uns anschauen und demnächst erscheint hier die Kritik zu „Söhne Rostocks“.

Besetzung und Stab

LKA-Analystin Katrin König – Anneke Kim Sarnau
Kriminalhauptkommissar Alexander „Sascha“ Bukow – Charly Hübner
Leiter der Mordkommission Henning Röder – Uwe Preuss
Kriminaloberkommissar Anton Pöschel – Andreas Guenther
Kriminaloberkommissar Volker Thiesler – Josef Heynert
Michael Norden, Inhaber der Firma „RODI-Time“ – Tilmann Strauß
seine Freundin Alexandra Viegel – Romina Küper
Jon Hövermann – Oskar Belton
Jons Mutter Beate Hövermann – Katharina Behrens
Stefan Larges, Ex-Geschäftspartner von Norden – Germain Wagner
Natalia Grummer – Trang Le Hong
u.a.

Drehbuch – Markus Busch
Regie – Christian von Castelberg
Kamera – Martin Farkas
Schnitt – Dagmar Lichius
Szenenbild – Sonja Strömer
Ton – Thorsten Schröder
Musik – Eckart Gadow

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