In unserem gestrigen Vorbericht und Aufruf, bitte heute zahlreich zur Gerüstfeier der Emser Straße 27 in Neukölln zu erscheinen, haben wir über die Lage der Menschen geschrieben, die in diesem Haus wohnen – und auch darüber, wie diesem Haus selbst geradezu Gewalt angetan wird, um mehr Rendite aus ihm bzw. seinen Mieter*innen herauszuholen.
Heute sind wir mit den Augen, den Ohren und der wunderbar freundlichen und hilfreichen Unterstützung der @HeimatNeue, der Mieterinitiative der Habersaathstraße 40-48 in Berlin-Mitte, auf dem Fest und wollen unseren Leser*innen Eindrücke vermitteln, während die Veranstaltung noch läuft. Hier kann man sagen: Wir feiern auf einer Baustelle. Auf einer Baustelle, die nun schon seit einem Jahr ein Symbol dafür ist, wie man ein Haus und seine Menschen in einen Käfig sperrt, der ihnen das Leben so unangenehm wie möglich machen soll. Die Fotos enthalten weitere Beschreibungen.

Eine wirklich schöne Idee der @HeimatNeue: Erstes Bild = Straßenschild.
Wir sind hier!
Ein Haus, das seine Fassaden verstecken muss. Das Dauergerüst, hier die Straßenansicht. 
Trotzdem: Wir sind Kiez! 
Haushoher Beweis dafür, dass der Kampf nie an Relevanz verliert. 
Der entscheidende Schritt und immer wieder spannend, wie wir mittlerweile selbst wissen:
Eine offene Tür von Menschen für Menschen und im Hof schon reges Leben …
obwohl es noch recht früh ist und Hoffeste, wie alle Feste in Berlin … 
ihre ganze Kraft und den meisten Zulauf erst zum Ende hin erreichen. 
… 
Eine gelungene Bildkomposition – die Welt durch Leitern und Gerüststangen betrachtet. Die tägliche Perspektive der Bewohner*innen der Emser Straße 27. 
Eigentlich ist dies ein besonders reizvolles Bild, weil es viel über die trotz allem zuversichtliche Stimmung aussagt, aber wir haben uns schon mehrfach darüber geäußert, warum wir der Ansicht sind, dass kleine Medien wie wir in Deutschland mit einer besonders rigiden und sachwidrigen Anwendung der DSGVO konfrontiert werden – wir wollen das hier nicht im Detail wiederholen. 
Hier nun die aktuellste Dokumentation von künstlich herbeigeführten … 
Löchern im Fassadenputz. Wer macht sowas und welche Gesetzgebung erlaubt es, derlei auszunutzen, um Mieter*innen in Bedrängnis zu bringen? 
Mädchen aus Berlin trägt ihren Protestsong „Wir bleiben“ vor, den wir ebenfalls schon live gehört haben -> Vorbericht von gestern. 
Material im Kampf gegen Verdrängung: Wir erkennen Plakate für den Housing Action Day 2020 (#HDay2020), Folder von den „200 Häusern“ (@200Haeuser) und von der Initiative gegen Signas neues Karstadt am Neuköllner Herrmannplatz.
TH
Vorbericht vom 08.02.2020:
Erstmals im Jahr 2020 rufen wir zum Besuch eines Hoffestes gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn auf. Es geht um die Emser Straße 27 in Berlin-Neukölln, die zu einem der spektakulärsten Fälle von vermieterseitiger Manipulation in Berlin geworden ist.
Die Gerüstfeier findet am 09.02.2020 von 13 bis 16 Uhr im Hof der Emser Straß 27, 12051 Neukölln statt, mit Waffeln, Glühwein und Programm.
Hier gibt es weitere Infos zum Fest mit Programm, inklusive Mädchen aus Berlin mit einem Song, der auf dem Hoffest der Gleditschstraße 39-43 in umserem Kiez Premiere feierte: https://twitter.com/emser27/status/1223607037927546880
Es geht um ein Gerüst, das nun seit einem Jahr das Haus verstellt, dieser Jahrestag soll nun „gefeiert“ werden. Es geht um eine Fassade, die offenbar gezielt beschädigt wurde, damit sie anschließend saniert werden und damit diese Sanierung für Mieterhöhungszwecke verwendet werden kann. So stellt es die ausführliche Chronik dar, welche die Mieter*innen auf ihrem Blog erstellt haben.
Man merkt dieser Webpräsenz an, dass die Mieter*innen schon länger kämpfen, eine so ausführliche und gut gegliederte Aufbereitung der bisherigen Geschehnisse haben wir bisher selten gesehen, deswegen zitieren wir auch nur kurze Auszüge und verweisen ansonsten zur Vertiefung auf die Seiten des Blogs der Hausgemeinschaft. Auf der Startseite haben die Mieter*innen geschrieben:
„Wir sind ein buntes Haus im Neuköllner Körnerkiez: von Familien bis Singles, Hartz-IV-Empfänger* und Angestellte, Kleingewerbe und Selbstständige, Studierende und Akademiker*innen, Kinder und Rentner*innen, Alteingesessene und Neuzugezogene …
Unser Haus liegt im Milieuschutzgebiet und dennoch würden die angekündigten Modernisierungsarbeiten unsere Mieten um ein Vielfaches hochtreiben. Das hat bei Neuvermietungen bereits zu einschneidenden Veränderungen im Haus geführt und würde dies in Zukunft auch bei Altverträgen tun.
Wir wollen, dass unsere diverse Nachbarschaft bestehen bleibt!
Im Haus wie auch im Kiez.„
Ähnliche Beschreibungen haben wir von vielen Hausgemeinschaften gelesen, die von „Corporate Landlords“ aufgekauft wurden, die rücksichtslos ihre Interessen durchsetzen. Aber jedes Mal stehen Einzelschicksale dahinter und jedes Mal ruft es Trauer und Wut hervor, mit welchen Methoden Vermieter in Berlin versuchen, diese gewachsene Welt der guten Nachbarschaft zu zerstören. Dem muss nach Jahren ungebremster Gentrifizierung dringend Einhalt geboten werden.
Nach dem Mietendeckel fordern wir daher ein Umwandlungsverbot im Milieuschutz, Milieuschutz für Kleingewerbe und natürlich die weitere offensive Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts, die in Neukölln zuletzt Praxis war. Ist aber die Emser 27 ein Fall für den Baustadtrat Jochen Biedermann? Nicht in diesem Sinne, leider. Der Verkauf an eine WiBe Investment GmbH ist längst gelaufen:
Über das Unternehmen sind praktisch keine Informationen zu finden. Einen Internetauftritt gibt es abgesehen von einer Art Visitenkarte nicht. Es fällt jedoch auf, dass die Wiener Adresse der WiBe GmbH mit jener der Citec Immo Invest GmbH übereinstimmt, also dem Investor, der unter Einsatz derselben Akteure in exakt gleicher Weise auch bei anderen Mietshäusern vorgeht.
Was uns auf den Fotos vom Haus auffällt, die man im Blog findet, ist, dass die rückwärtigen Fassadenteile des Hauses wirken, als seien sie vor der Einrüstung gar nicht beschädigt gewesen und man sieht deutlich, wie sich deren Zustand durch Bohr- und Stemmarbeiten negativ verändert hat. Allerdings scheint eine Giebelfassade ein Sonderfall zu sein, weil sie in schlechterem Zustand ist als die übrigen Wände. Deswegen hat das Bezirksamt offenbar unter Auflagen einer Fassadensanierung zugestimmt und die Giebelfassade ist mittlerweile (ebenfalls) eingerüstet.
Wie es weitergeht?
Morgen wird erst einmal „Ein Jahr Gerüst“ – ja, soll man wirklich schreiben, gefeiert? Es ist eher eine Art Demonstration, eine Mahnveranstaltung, wie so viele Hoffeste, zu denen bangende und hoffende Mieter*innen einladen, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Über die Emser Straße 27 wurde in Medien bereits mehrfach berichtet, weil der Vorgang Aufsehen erregt hat, diesen Beitrag von SPIEGEL TV aus dem März 2019 hatten wir seinerzeit erwähnt. Die Vermieter hat es bisher nicht gekratzt. Dessen Firmenkonstrukt kann man sich auf der Webseite ebenfalls anschauen – und auch der dort herauszulesende Spaß am Verwirrspiel und an Konstruktionen, die von außen kaum nachvollziehbar sind, ist typisch.
Daher fordern wir nun auch ein Immobilien-Transparenzregister und am Ende einen Wandel zu einer offeneren, kooperativeren Wohnungswirtschaft. Das alles kennen Leser*innen von uns bereits, aber warum es nötig ist, über die Bewirtschaftung von Mietshäusern grundsätzlich nachzudenken und nicht bei kleinen Retuschen an einer mieterfeindlichen Gesetzgebung stehenzubleiben, zeigt das Schicksal der Emser Straße 27 in Berlin-Neukölln und der Menschen, die in diesem Haus wohnen.
Die Vermieter müssen endlich zu Abrüstung und friedlichem Umgang mit den Mieter*innen gezwungen werden!
Morgen werden unsere Freunde von der @HeimatNeue, der Mieterinitiative der Habersaathstraße 40-48 in Berlin-Mitte, die gegen spekulativen Leerstand kämpft, vor Ort sein und sicher einige weitere engagierte Menschen, die wir kennengelernt haben, seit wir im Juli 2019 beschlossen hatten, uns häufiger selbst ein Bild zu machen und die Mieter*innen zu unterstützen. Vielleicht schaffen wir es auch noch, vorbeizukommen – auf jeden Fall aber wird es einen Event-Bericht geben.
Vielleicht noch ein wenig Persönliches: Unsere erste Station in Berlin an einer Ecke des Reuterkiezes haben wir nicht vergessen und die vielen Fälle von Verdrängung, von Kampf ums Vorkaufsrecht, von Siegen und Niederlagen, die dort oder im Schillerkiez oder wo immer in Neukölln im letzten Jahr stattfanden, haben uns sehr berührt. Die Emser Straße liegt im Körnerkiez, etwas weiter südöstlich, zwei Kilometer von unserer damaligen Wohnung entfernt.
Heute unsere Solidarität mit den Mieter*innen der Emser Straße 27 und schließen uns der Aufforderung an: „Reparieren & Abrüsten – jetzt!“
Hier das komplette Plakat zur morgigen Gerüstfeier:

TH
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