Wir müssen uns nun langsam damit auseinandersetzen, wie die Welt nach Corona aussehen wird. Wir befassten uns bisher mit der Lage, boten einen Service und dachten über Ethik und Recht nach – vor allem in Bezug auf die Schutzmaßnahmen in Deutschland. Da es nun um die wirtschaftlichen Folgen geht, wollen wir unsere Leser*innen nicht bei jedem Beitrag mit einem Corona-Logo im Titel schockieren oder nerven, sondern untergliedern Beiträge wie diesen den schon vor der Krise verwendeten Rubriken.
So viel hat sich nämlich gar nicht geändert. Oder? Die Frontstellungen sind sehr wohl die gleichen geblieben, aber Staaten werden nach der Krise schwächer dastehen, Unternehmen ebenfalls. Wer wird versuchen, dies für sich zu nutzen? Es liegt auf der Hand: Dieselben Akteure, die ihre Bedeutung schon im Rahmen der Finanzkrise erheblich erweitern konnten. Diese Akteure haben eine neoliberale Agenda. Wer also glaubt, die Welt würde nach Corona solidarischer, dem müssen wir mit auf den Weg geben: Nur dann, wenn wir endlich aufstehen, die Klappe aufmachen und nicht zulassen, dass es nicht nur weitergeht wie bisher, sondern schlimmer wird.
Der Corona-Lockdown in Deutschland begann gerade erst, da fing es bereits an. Die Weltbank dachte darüber nach, wie man das Setting von Staaten in ihre Richtung verändern könnte. Die Idee war ebenso einfach wie brutal: Hilfe gegen Corona nur unter Durchführung ebenjener Reformen, die zum Beispiel dazu geführt haben, dass Staaten in Europa heute schwächer dastehen als vor jener Krise. Was dies in der neuen, der Corona-Krise nun bedeutet, sehen wir: Unfassbares menschliches Leid, das vermeidbar gewesen wäre. Nicht komplett, aber in großen Teilen. Aufmerksam wurden wir auf das, was die Weltbank vorhat, durch einen Tweet des Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring und wir fangen nun an, das, was wir in den letzten Wochen zu Corona gesammelt haben. Das, was nicht im Getümmel des Tages sofort bearbeitet werden musste. Das, was längerfristige Wirkung haben könnte.
Wir zeigen hier den Originalthread, auf den Häring sich in seiner Meldung bezieht:
Der Kern dieser Aussage von Weltbankgruppen-Chef David Malpass klingt konstruktiv, aber die Frage, die sich daraus ergibt, ist: Was, wenn sich Länder weigern, dem neoliberalen Trampelpfad zu folgen?
Countries will need to implement structural reforms to help shorten the time to recovery and create confidence that the recovery can be strong. For those countries that have excessive regulations, subsidies, licensing regimes, trade protection or litigiousness as obstacles, we will work with them to foster markets, choice and faster growth prospects during the recovery.
Im weiteren Originaltext ist auch von Schuldenmoratorien die Rede und davon, dass die G20-Länder den ärmsten Schuldnern durch Umschuldung und Aufschub ihre Last erleichtern sollten. Das klingt auf den ersten Blick freundlich, aber ein Schuldenschnitt ist damit zunächst nicht gemeint – und niemand hat ein Interesse daran, arme, vor allem arme und bevölkerungsreiche Länder, komplett zusammenbrechen zu lassen, denn sie sind das letzte nicht komplett erschlossene Gebiet, in das hinein sich die imperialistische Marktwirtschaft noch ausbreiten und Kapital mit hohen Renditen allozieren kann. Aber warum die Krise nicht nutzen, um jene Regionen noch etwas mehr „marktreif“ zu machen? In Afrika würde der oben erwähnte oder gar als notwendig für die Zusammenarbeit angedrohte Strukturreformismus die ohnehin vorhandene Tendenz verstärken, dass lokale Wirtschaften sich nicht entwickeln können, weil der Westen dort seine Überproduktion noch besser zu Preisen absetzen könnte, gegen die kleine, heimische Anbieter keine Chance haben. Wir haben diesen Effekt bereits im Zusammenhang mit den EU-Afrika-Handelsabkommen beschrieben und wie schädlich dieses rücksichtslose Vorgehen nicht nur sozial, sondern auch ökologisch ist.
Es geht in den Threads nicht um eine zukunftssichere Past-Corona-Economy, zu deren Vorantreiben man die Krise ja auch nutzen könnte, sondern um Hilfe gegen das akute Problem, aber wie die Weltbank gerade nicht an einem sinnvollen Change arbeiten möchte, ergibt sich dennoch. Außerdem wird insbesondere im zweiten Thread gut beschrieben, wie sich die USA und Europa selbst um ihren Führungsanspruch bringen, mit ihrem mehr als mittelmäßigen Corona-Management und der Tatsache, dass alle erst einmal auf sich selbst fokussiert sind. Die Erwähnung der privaten Philanthropen fanden wir kritisch, weil die Art, wie sie Hilfe leisten können und warum einige von ihnen so reich geworden sind, Ausfluss genau jener neoliberalen Verwerfungen sind, die dringendst korrigiert werden müssen.
Wir sind gegenüber den unten gezeigten Aussagen einen Monat vorangeschritten – bisher hat sich das Corona-Virus zumindest nach offiziellen WHO-Daten in den armen Regionen der Erde noch gar nicht so ausgebreitet, wie befürchtet wurde. Hotspots sind immer noch die westlichen Industrieländer. Aber ist das beruhigend? Wir meinen: nein. Denn die sehr geringe Zahl der Tests in den ärmeren Ländern, für manche sind nicht einmal Daten zu den Testungen erhältlich, weist darauf hin, warum die dortigen Zahlen noch so niedrig sind. Möglicherweise spielt sich unterhalb unseres Radars ein Drama ab, das wir erst verifizieren werden, wenn die Sterberaten vieler Länder sich verändern.
To add insult to injury, it’s unclear if the $150B the World Bank is offering is actually new money.Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
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