Es ist wieder einmal Zeit für einen Beitrag von Abgeordnetenwatch. Wir finden, dass wir während der Corona-Krise den Blick nicht zu sehr verengen dürfen. Es ändert sich ja in weiten Bereichen des Lebens nicht so viel, wie es unsere Alltagswahrnehmung suggeriert, die stark davon beeinflusst ist, dass wir, vielleicht zum ersten Mal im Leben, größere persönliche Einschränkungen der Freiheit hinnehmen müssen. Die Machtstrukturen zum Beispiel bleiben, wie sie sind.
Die Gefahren für die Demokratie, die sich aus den persönlichen Freiheitseinschränkungen der Bürger*innen ergeben, werden lang und breit diskutiert. Dadurch gerät aus dem Fokus, dass es langfristige Entwicklungen gibt, gegen die wir uns als Zivilgesellschaft längst hätten viel stärker engagieren müssen, weil sie uns mindestens genauso betreffen – nur eben nicht so offensichtlich wie der missliche Umstand, dass wir für ein paar Monate nicht Kneipe gehen und nicht an jedes Wunschziel reisen dürfen.
Der Lobbyismus, der die Demokratie gefährdet, läuft beispielsweise unverändert weiter – und nicht nur das. Die Wirtschaft hat derzeit noch mehr Möglichkeiten als sonst, mit denen sie die Politik unter Druck setzen kann. Viele Bosse halten es für selbstverständlich, dass ihre Unternehmen Milliardenhilfen erhalten, obwohl sie auch mit Hilfe einer äußerst freundlich gesinnten Politik über viele Jahre hinweg satte Gewinne einfahren konnten und ohne dass der Staat für im Gegenzug für diese corona-bedingten Hilfen Einfluss auf diese Unternehmen erhält.
Freiwilligkeit funktioniert nicht, das hat sich vielfach erwiesen, sinnbildlich anhand der in vieler Hinsicht monströsen deutschen Autoindustrie. Die Chance zum Umsteuern, die Corona bieten würde, um diesen Wirtschaftszweig nachhaltig und zukunftssicher zu machen, werden vermutlich vertan. Was erhalten bleibt, ist die Lobbykratie.
Marktwirtschaft verstehen viele sogenannte Marktwirtschaftler als Selbstbedienungsladen und die Interessen der Allgemeinheit sind ihnen gleichgültig. Versierte und finanzstarkte Lobbys helfen Tag für Tag dabei, dass die Politik dieses Verhalten akzeptiert und sich gefügig verhält. Mit Drohungen, wie sie in Krisenzeiten besonders beliebt sind, aber auch mit Spenden und leisen Infiltrationen in jeder Zeit. Es gibt immer Zuckerbrot und Peitsche. Wir befürchten, dass die Corona-Krise nach einer Phase, in der die Politik vermehrt Handlungsfähigkeit darstellen konnte, dazu führen wird, dass die Wirtschaft zum Gegenschlag ausholen wird und ihren Tribut dafür fordert, dass die Politik ihre Tätigkeit aus Gründen des Infektionsschutzes eingeschränkt hat.
Der unten dargestellte Fall ist angesichts der Summen, die Moment im Raum stehen, um die Krise zu bewältigen, auf den ersten Blick eine Marginalie. Er ist aber symptomatisch und nicht nur für Menschen interessant, die in Nordhrein-Westfalen leben. Daher haben wir uns spontan entschlossen, den Beitrag von Abgeordnetenwatch hier zu zeigen. Das ist möglich, weil er unter einer Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0 veröffentlicht wurde.
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Fragwürdiger Auftrag an FDP-Großspenderin: Warum ein digitales Schulprojekt in NRW seit Monaten auf Eis liegt (Martin Reyher)
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