Newsroom | Häuserkampf | Berlin, Habersaathstraße 40-48
Wie oft haben wir über die Habersaathstraße berichtet? Da wir noch nicht über ein Artikelzentralregister verfügen, können wir nur schätzen? 25 Beiträge (wie dieser), die doppelte Anzahl von Erwähnungen im Zusammenhang mit anderen Mieter*innenkämpfen in der Stadt? Und es gibt immer noch keine Lösung für die ausharrenden Menschen, für das kleine „gallische Dorf“ in Mitte, direkt gegenüber der mächtigen BND-Zentrale.
Der Abriss dieses günstigen Wohnraums in zentraler Lage wäre ein Präzedenzfall für die Aufgabe stadtpolitischer Ziele zugunsten des ungehinderten Durchgriffs von „Investoren“, die aus spekulativen Gründen künstlichen Leerstand produzieren – dies wurde auch in der Presse betont. Zuletzt wurden freie Wohnungen im Oktober 2020 von aktivistischen Obdachlosen in Bezug genommen, welche für die kalte Jahreszeit eine Bleibe zum Schutz ihres Lebens haben wollten – die Räumung zugunsten des spekulativen Immobilienkapitals erfolgte umgehend.
Es handelt sich um 106 Wohnungen, davon stehen 85 derzeit leer. Das ehemalige Schwesternwohnheim der Charité, 1984 erbaut, wurde ursprünglich „Papageienplatte“ getauft, weil es eine bunte Fliesenverkleidung aufwies. Doch in den Jahren 2006 / 2008 wurde es energetisch saniert und sogar mit einer Solarstromanlage auf dem Dach versehen. Kleine und mittelgroße Wohnungen für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen in gut bewohnbarem Zustand hat die Ex-Papageienplatte zu bieten und es gibt keinerlei Grund zum Abriss. Das war auch denjenigen klar, die den Block zu einem sehr hohen, mithin spekulativen Preis in den 2010ern erworben haben. Sollte unter diesen Umständen die wirtschaftliche Verwertung der bestehenden Häuser schwierig werden, so ist dies ausschließlich als eine Fehlkalkulation des jetzigen Eigentümers anzusehen.
Schon gar nicht kann ein Abriss erfolgen für die angestrebte Nutzung des Areals zum Neubau für Luxusappartements, dazu noch für weniger Wohnungen als bisher. Der Bedarf an „Wohnraum“ dieser ohnehin unnützen Art – meist dienen solche überteuerten Betongoldbestände nur als (Schwarz-) Geldanlage -, geht in Berlin ohnehin aufgrund der wirtschaftlichen Abschwächung zurück, wohingegen immer noch viele Menschen nach einer bezahlbaren Bleibe suchen.
Mehrfach hat man sich auch in der Politik des Bezirks Mitte für den Erhalt des Blocks Habersaathstraße 40-48 ausgesprochen. Damit hätte der jahrelange, kräftezehrende Kampf der Hausinitiative IG HAB / @HeimatNeue am Ende doch Erfolg: Abrissverweigerung seitens des Bezirks und Rückerwerb der ehemals städtischen Häuser zugunsten einer Gesellschaft wie der WBM muss das Motto der Stunde sein. Gerade im Corona-Jahr 2021, in dem viele Menschen Probleme haben werden, überteuerte Mieten zu bezahlen und in dem es auf günstigen Wohnraum mehr denn je ankommt!
Auch Wohnungsersatz-Preise von (kalt) 7,92 Euro / m² halten wir für zu hoch. Es kann allenfalls der Preis gelten, den der Mietendeckel für ein Haus dieses Baujahrs vorsieht. Das wäre ebenfalls bei Rekommunalisierung zu berücksichtigen. Für die Bestandsmieter*innen ist ohnehin die Orientierung an deren bisherigen Verträgen entscheidend, aber auch für die Neuvergabe von Wohnraum müssen die allgemein gültigen Regelungen eingehalten werden.
TH
Zur Sache hat das Bezirksamt von Berlin-Mitte gestern eine Pressemitteilung erstellt, die wir hier weitergeben:
Schutz für die Mieterinnen und Mieter der Habersaathstraße
Die Bezirksstadträtin für Jugend, Familie und Bürgerdienste, Ramona Reiser, informiert:
In der Habersaathstraße 40A – 48 stehen 85 der 106 Wohnungen leer. Der Standort beschäftigt nicht nur den Bereich Zweckentfremdung, sondern auch die Öffentlichkeit.
Schon Ende 2018 hat der Eigentümer Abrissanträge für die Wohnungen gestellt. Das Zweckentfremdungsverbot sieht vor, dass ein Abriss genehmigt wird, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu 7,92€ / qm entsteht. Weil der Eigentümer diese Regelung lange abgelehnt hat und das Verwaltungsgericht die bezirkliche Anordnung zur sofortigen Wiedervermietung zunächst ausgesetzt hat, befindet er sich seit Jahren mit dem Bezirksamt Mitte in einem Rechtsstreit, der die Frage klären soll, ob es sich vor Ort um schützenswerten Wohnraum handelt, für den bei einem Abriss Ersatzwohnraum entstehen müsste.
Ende November hat das Bezirksamt auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts Vergleichsverhandlungen mit dem Eigentümer aufgenommen, bei denen es u.a. um die zeitnahe Schaffung des vorgesehenen Ersatzwohnraums und eine soziale Lösung für die Bestandsmieter*innen ging. Den Abriss von schützenswertem Wohnraum wie in der Habersaathstraße hält das Bezirksamt Mitte aus ökologischen und sozialen Gründen grundsätzlich für falsch.
„Die stadtweite Solidarität für die kämpfenden Mieter*innen vor Ort in den Häusern ist groß, auch aus der BVV heraus. Das begrüße ich sehr“, so Ramona Reiser. Es ist das Ziel des Bezirksamts Mitte, dass der Leerstand behoben wird und die Wohnungen wieder vermietet werden. Auch eine Rekommunalisierung der Häuser sollte nun wieder geprüft werden.
In den Verhandlungen hat das Bezirksamt Mitte eine Einigung angestrebt, die sowohl den Interessen der Stadtgesellschaft als auch der Altmieter*innen Rechnung trägt. Leider hat der Eigentümer nicht darstellen können, inwiefern er in der Lage ist, die geforderten Ersatzwohnungen zeitnah zu 7,92€ / qm zu schaffen und sich gleichzeitig für die Bestandsmieter*innen auf eine soziale Lösung einzulassen.
Deshalb konnte das Bezirksamt Mitte dem Vergleich nicht zustimmen und hat dies entsprechend dem Verwaltungsgericht signalisiert. Die Verhandlungen werden nun fortgeführt.
*** Ende der Pressemitteilung ***