Der Galgenbaum / Rivalen am Goldriver (The Hanging Tree, USA 1959) #Filmfest 484

Filmfest 484 Cinema

Gary Cooper rettet Maria Schell und sie revanchiert sich

Der Galgenbaum (Originaltitel: The Hanging Tree, alternativ auch Rivalen am Goldriver) ist ein US-amerikanischer Western von Regisseur Delmer Daves aus dem Jahre 1959 mit Gary Cooper, Maria Schell und Karl Malden in den Hauptrollen.

Wenn man einen Westernplot immer weiter und immer weiter auf seine Grundbestandteile reduziert, ist er ähnlich wie alle anderen Westernplots – und nicht nur wie diese. Aber das ist ja nicht der Sinn der Sache, sonst gäbe es höchsten zehn echte, unterschiedliche Stoffe für Filme. Ist ein Film mit einem dieser Hauptstoffe wie Liebe, Eifersucht, Treue und Verrat gut, dann hängt es nicht davon ab, dass man die Handung so ähnlich schon häufig gesehen hat. Man kann immer neue Details hinzufügen und immer wieder wenigstens in Nuancen voneinander abweichende Typen zeigen.

Die Handlung in einem Satz: Als Dr. Joe Frail kommt Gary Cooper im Jahr 1873 in ein Goldgräbernest in Montana, lässt sich nieder, wird in verschiedene Begebenheiten verwickelt, weil er es auch darauf anlegt, zum Beispiel, indem er einen jungen Galgenstrick vor ebenjenem bewahrt, weil er das einzige überlebende Opfer eines Überfalls auf eine Postkutsche gesundpflegt und weil da ein mächtiger Kerl mit einer dicken Nase ist, der ebenfalls ein Auge auf die blonde Dame aus Skandinavien geworfen hat. Um wen es sich in beiden Fällen handelt und mehr zum Film erklären wir in der -> Rezension.

Handlung

Doc Frail kommt 1873 in das kleine Goldgräberdorf Skull Creek in Montana und eröffnet eine Praxis. Die Einheimischen reagieren zuerst mit Zurückhaltung, da er nichts von seiner Vergangenheit preisgibt. Er rettet den jungen Rune vor dem Galgen, der nun als Gehilfe bei ihm arbeitet.

Der Goldsucher Frenchy Plante und weitere Männer des Dorfes finden die schwerverletzte Elizabeth Mahler, eine junge Schwedin, die als Einzige einen Postkutschenüberfall überlebt hat. Sie bringen sie zu Doc, der sie wieder gesund pflegt. Im Laufe der Behandlung verliebt sie sich in Doc, der jedoch ihre Bemühungen zurückweist, obwohl er eigentlich das Gleiche für sie empfindet.

Währenddessen versucht Frenchy bei Elizabeth einen Annäherungsversuch, was zu einer Schlägerei zwischen ihm und Doc führt. Die Leute fangen an, über Doc und Elizabeth zu reden. Dr. George Grubb, der den Vorfall mitbekommen hat, sieht seine Alkoholgeschäfte durch die Anwesenheit von Doc gefährdet und beginnt langsam die Bewohner gegen ihn aufzuwiegeln.

Elizabeth bleibt trotz des Geredes im Dorf und erwirbt mit Rune zusammen eine Mine, um selbst nach Gold zu schürfen. Insgeheim unterstützt Doc ihr Vorhaben. Als sie dies bemerkt, verspricht sie ihm, alles zurückzuzahlen. Gleichzeitig erfährt sie den wahren Grund seiner Unnahbarkeit, die durch die Untreue seiner verstorbenen Frau begründet ist.

Frenchy wird schließlich doch noch Teilhaber von Elizabeth und Rune. Als unerwartet ein großer Goldfund gemacht wird, kommt es zu einer ausgelassenen Feier im Dorf, in der der Alkohol in Strömen fließt. Frenchy ist von Sinnen und versucht Elizabeth zu vergewaltigen. Doc greift ein und erschießt ihn. Dieser Vorfall gibt Grubb die Gelegenheit, die Dorfbewohner endgültig gegen ihn aufzuhetzen und ihn an den Galgen zu bringen. Er wird in letzter Sekunde durch Elizabeth gerettet, die ihre Liebe zu ihm dadurch beweist, dass sie ihre Rechte an der Mine an die Dorfbewohner abtritt. Doc entscheidet sich daraufhin endlich für sie.

2021-02-06 Filmfest Cinema 2021Rezension

Wenn man einen Westernplot auf seine Grundbestandteile reduziert, ist er ähnlich wie alle anderen Westernplots – und nicht nur wie diese. Aber das ist ja nicht der Sinn der Sache, sonst gäbe es höchsten zehn echte, unterschiedliche Stoffe für Filme. Ist ein Film mit einem dieser Hauptstoffe wie Liebe, Eifersucht, Treue und Verrat gut, dann hängt es nicht davon ab, dass man die Handung so ähnlich schon häufig gesehen hat. Man kann immer neue Details hinzufügen und immer wieder wenigstens in Nuancen voneinander abweichende Typen zeigen.

Selbst Gary Cooper wirkt in „Der Galgenbaum“ schattiger als in „High Noon“, jenem Western, der Geschichte schrieb. Er wirkt in seinen späten Jahren durchaus gebrochen, uns hat der Typ, den er in „Der Galgenbaum“ spielt an die Figuren erinnert, die James Stewart in den Anthony Mann-Western gibt: Ein Mann mit geheimnisvoller Vergangenheit betritt die Szene und nimmt sich, was er kriegt, wirkt manchmal rücksichtslos, aber nie schurkisch, und am Ende, da wird er gezähmt durch die Liebe einer schönen Frau.

Sicher, man weiß, dass Coop zwei Jahre nach diesem fünftletzten Film innerhalb einer pausenlosen Karriere von mehr 30 Jahren verstorben ist, das macht den Film intensiver, ähnlich wie „The Misfits“ (1961), Clark Gable betreffend. Aber der Typ, den er spielt, wirkt mächtig und ist eine interessante Figur. Cooper hat bis zum Schluss nicht nachgelassen, das steht fest, wenn man „Der Galgenbaum sieht“. Dieses Mal ist aber nicht er es, sondern Maria Schell, die den Unterschied macht. Für uns ist ihre Darstellung eine der schönsten ihrer ebenfalls langen Karriere. Das übertrieben Süßliche, das sie drauf hatte, kommt zwar in zwei, drei Szenen durch, aber im Ganzen passt die intensive Darstellung hervorragend zu dem Charakter einer gerade eingewanderten Schwedin, die sie spielt. Empfindsam-nordeuropäisch, ungeheuer aufrichtig und gefühlsecht – das alles nimmt man ihr ohne Weiteres ab und vermutlich hat ihr diese Darstellung auch die weibliche Hauptrolle in dem epischen Western „Cimarron“ im folgenden Jahr eingebracht – an der Seite von Glenn Ford.

Außerdem ist die Figur modern und dadurch ist sie die psychologisch differenzierteste in diesem Film. Einerseits kann sie alles opfern, nachdem sie ohnehin nur knapp mit dem Leben davongekommen ist und bei dem Überfall auf die Postkutsche ihren Vater verloren hat, aber als Frail sie abweist, weil er mit seiner Vergangenheit noch nicht fertig ist, da bleibt sie vor Ort, kauft sich in einem Miene ein, die dem schlüpfrigen Frenchie gehört und die beiden werden Partner. Mit von der Partie ist der junge Rune, den Cooper lange Zeit als billigen Helfer festgehalten hat, nachdem er ihn vor dem Lynchmob rettete – mit einer verräterischen Patrone, mit der er verletzt worden war erpresst er ihn.

Die Szenen von Elisabeth Mahlers Heilungsprozess sind wirklich rührend, überlagern die klassischen Westernelemente der Handlung und geben dem Film in der Tat einen besonderen, sensiblen Touch.

Da dies aber ein besonders dramatischer Western ist, werden diese Szenen gekontert durch den rasenden Mob, der einen Teil des Camps ansteckt, einfach als Jux, nachdem Frenchies lange Zeit trockene Goldmine endlich etwas einbringt und es freien Whisky für alle in der Stadt gibt. Schon, dass er seinen plötzlichen Reichtum so an die große Glocke hängt, wo doch dann, wenn Geld da ist, Neid, Gier und Mord nah sind, wirft ein Licht auf ihn. Er lässt ein wenig die Puppen tanzen, aber eine Puppe verweigert sich auch dieses Mal. Da versucht er sie zu vergewaltigen. Die Szene ist nicht ganz so explizit wie es einige Jahre später möglich war, aber sehr eindeutig. Dabei wird er aber von Frail gestellt, sodass wir davon ausgehen, die sexuelle Gewalthandlung war nicht vollendet. Wie Frail ihn dann, als Frenchie flieht, niederschießt, das ist wirkt sehr brutal, weil es den Westernkonventionen widerspricht: Da gibt es keinen Showdown, sondern Frail schießt so lange auf den davonrennenden Mann, also von hinten, bis dieser garantiert tot ist.

Dies wiederum veranlasst die Meute, angeführt von einem gewissen Wunderheiler und Erzkonkurrent von Frail, sich diesen zu greifen und ihn zu dem bewussten Galgenbaum zu schleppen, den man inzwischen beinahe vergessen hat, weil er nur im Vorspann, durch das entsprechende Lied eingeführt, und am Beginn des Films vorkommt – dann nicht mehr, bis zu diesem Höhepunkt am Ende. Das ist sicher eine der Schwächen des Films, dass er sein Leitmotiv und seinen Titel etwas aus den Augen verliert – die Macht des Galgenbaums als einzige Autorität in einer wilden, noch von keiner Ordnungsmacht kontrollierten Gegend.

Ms. Mahler kam zwar nach Montana oder blieb dort, um als Mienenanteilsbesitzerin reich zu werden, aber sie gibt ihr ganzes Geld an die Meute, damit sie Frail verschont. Wir hatten schon die Befürchtung, die Leute greifen sich den Quell der Versuchung und hängen Frail trotzdem. Dass dies in der aufgeheizten Situation und unter der Führung des fanatischen Heilers nicht passiert, gehört zu den Wundern Hollywoods: Die Menschen sind einfach von der freundlichen und aufrichtigen, blonden Frau verzaubert und im allerletzten Moment setzen sich ihre guten Instinkte durch. Die meisten Western, die solche Situationen zeigen, vertrauen nicht einer solchen Wirkung, die von einer wehrlosen Person ausgeht, sondern dort werden die zum Lynchen bestimmten Personen sozusagen vom Baum geschossen, von Freunden, die gerade noch zur Stelle sind und natürlich bewaffnet, damit sie den Mob in Schach halten können.

Mit Regisseur Delmer Daves sind wir noch nicht so vertraut, er hat zum Beispiel „The Broken Arrow“ gefilmt, einen der ersten Filme, der die Native Americans freundlich darstellt und hatte in seiner Jugend viel Kontakt zu Menschen vom Stamm der Navajos. Uns ist vor allem die Musik zu einigen seiner Filme ein Begriff: Sie stammt von Max Steiner, der auch „Vom Winde verweht“ mit seinem berühmten Score unterlegte. Auch „Der Galgenbaum“ wurde von Steiner vertont – mit Delmer Daves machte er aber im selben Jahr „A Summer Pace“, dessen Musik einen Oscar erhielt und einer der größten Evegreens der Filmgeschichte wurde. Wir kannten dieses Stück schon als Jingle einer Radiosendung, bevor wir den Begriff Filmmusik kannten. Bei „Der Galgenbaum“ gefällt uns die eigentliche Musik von Max Steiner, die an der Handlung orientier ist, recht gut – aber sie stößt quasi frontal zusammen mit dem sehr abweichenden Titelsong, der aber seinerseits wieder für einen Oscar nominiert war. In 1959 hätte man den gesungenen Titel, der ja mit dem Cooper-Film „High Noon“ bekannt wurde („Do not forsake me“), schon weglassen können, er wirkt trotz der deutlich an die Popmusik der späten 1950er angepassten Instrumentierung und Rhythmik überholt – mehr als der ganz klassische, sinfonische Score von Steiner.

Die Inszenierung des Films unterscheidet sich nach unserer Ansicht nicht sehr von der Art, wie der schon erwähnte Anthony Mann seine psychologischen Western aufgezogen hat (und seine Films noir, die den Western vorangingen). Neu war aber, dass die Frau eine aktive Rolle hat und nichts geschenkt haben will,  jeden Tag in der Mine arbeitet und dabei so raue Hände bekommt, dass der Doktor ihr eine Salbe verschreiben will. Vermutlich wurde so die Handcreme erfunden, nachdem die Goldmine futsch war. Aber es ist ein Unterschied, ob ein Mann sich selbst rettet, oder ob er am Ende sein Leben einer Frau verdankt. Damit ist natürlich das, was sie ihm schuldet, abgegolten, aber sie tut es nicht der Abgeltung wegen, denn sie ist bei allem Willen, sich in der Goldgräber-Männerwelt zu behaupten, eine richtige Frau, also ist alles aus Liebe.

Kein Wunder, dass Frauen den Film mehr mögen als Männer, gemäß den Nutzer-Wertungen in der IMDb. Und am höchsten bewertet ihn, gender- und altersübergreifend, unsere Empathie-Referenzgruppe, die Frauen über 45 Jahre (7,6/10).

Gary Cooper hatte ebenfalls mit Anthony Mann gedreht, den Film „Der Mann aus dem Westen“, der ein Jahr von „Der Galgenbaum“ entstand und nach unserer Ansicht weniger gelungen war als die Stewart-Mann-Kooperationen. Wir haben es auch dem Spiel von Gary Cooper bzw. dessen abweichendem Typ zugeschrieben, dass der Film weniger gelungen ist. Delmer Daves aber hat Cooper seine Rolle so interpretieren lassen, dass sie stimmig wirkt.

Es ging aber in „Man of the West“ auch um die Glaubwürdigkeit des Plots. Da hat auch „Der Galgenbaum“, nicht nur beim erwähnten Finale, seine Tücken. Die gesamte Konstellation wirkt etwas befremdlich, unterscheidet sich deutlich von realistischen Western-Spielarten. Da wir aber jederzeit den Schauspielern folgen, wirkt sich das nicht so aus, als wenn wir den Eindruck gehabt hätten, sie fühlten sich in ihren Rollen unbehaglich. Auch Karl Malden spielt mit viel Hingabe den Wüstling – anfangs hat man sogar Sympathie für ihn, weil er nur ein Abenteurer unter vielen zu sein scheint, mit einem Hang zur Aufschneiderei, aber einem im Grunde guten Herz. Aber dann die männliche Eitelkeit, diese Zurücksetzungen, dann kommt das Geld und der saubere Anzug und die geölte Friseur, aber es hilft nichts, das blonde Herz ist anderweitig vergeben. Alles gut nachvollziehbar, wenn auch extrem – das kennzeichnet den Western aber, dass er archaische Typen bereithält, die auf packende Weise Grundmuster des menschlichen Handelns darbieten dürfen, ohne durch all zu viel zivilisatorischen Lacküberzug unkenntlich zu werden.

Finale

Stellenweise ist „Der Galgenbaum“ auch sehr gut gefilmt. Die Indoor-Szenen wirken bezüglich der Farbgebung  schon recht modern, weichen darin aber von den Außenszenen ab, die noch richtiges 50er Jahre-Technicolor zeigen, manchmal wirkt es auch wie aus den frühen 1950ern. Die Kamera ist etwas weniger subjektiv unterwegs als zuweilen bei Anthony Mann, der Film ist demgemäß ein wenig konventionell im Auftritt – nicht nur wegen des  erwähnten Titelsongs.

Ein Schauspielerfilm im Wilden Westen, der für uns auf einer Stufe steht mit der Stewart-Mann-Serie und daher auch die gleiche Bewertung erhält: 7,5/10 (abweichend hatten wir den ersten dieser Filme, den noch in S/W gedrehten „Winchester 73“ mit 8/10 bewertet).

75/100

© 2021 (Entwurf 2014) Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Delmer Daves
Karl Malden
Drehbuch Wendell Mayes
Halsted Welles
Produktion Martin Jurow
Richard Shepherd
Musik Max Steiner
Kamera Ted D. McCord
Schnitt Owen Marks
Besetzung

 

 

 

 

 

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