Filmfest 667 Cinema
Die sieben Reiter der Apokalypse
Das siebte Zeichen (Originaltitel: The Seventh Sign) ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 1988 mit Demi Moore, Michael Biehn und Jürgen Prochnow in den Hauptrollen. Regie führte Carl Schultz, für das Drehbuch zeichneten Clifford Green und Ellen Green verantwortlich.
So war es immer und zu allen Zeiten: Man könnte meinen, die Welt stehe kurz vor dem Untergang, weil sie nie zur Ruhe kommt. 1988, das war der Iran-Irak-Krieg oder Nicaragua. 2014, das ist der unendliche Nahost-Konflikt und die Ukraine-Krise. Einen Film über die Apokalypse und die Dummheit der Menschen könnte man jedes Jahr drehen. Nur in den 1990ern gab es einmal eine Phase, in der man wirklich dachte, die Dinge könnten sich zum Besseren wenden, diese endete spätestens mit 9/11.
Handlung (1)
Wir schreiben das Jahr 1988. Über die ganze Welt verstreut, scheinen die Zeichen der Apokalypse zu kommen, wie sie in der Offenbarung des Johannes (aus dem Johannes-Evanglium des Neuen Testaments) beschrieben sind.
Ein geheimnisvoller Mann ist immer vor Ort mit einem Brief, um das Siegel zu brechen. Der Emissär, den der Vatikan gesendet hat, Pater Lucci, erklärt die Vorkommnisse als natürlich und zufällig.
Abby Quinn, eine junge Amerikanerin und Frau eines Anwalts, der um einen zum Tode verurteilten jungen Mann kämpft, der sich als Gottes Werkzeug sieht, ist schwanger und der Fremde mietet sich in einem Nebengebäude der Quinns ein. Abby fürchtet ohnehin aufgrund einer früheren Fehlgeburt um ihr Kind und bekommt heraus, dass mit dem Mann irgendetwas nicht stimmt.
Rezension
So war es immer und zu allen Zeiten: Man könnte meinen, die Welt stehe kurz vor dem Untergang, weil sie nie zur Ruhe kommt. 1988, das war der Iran-Irak-Krieg oder Nicaragua. 2014, das ist der unendliche Nahost-Konflikt und die Ukraine-Krise. Einen Film über die Apokalypse und die Dummheit der Menschen könnte man jedes Jahr drehen. Nur in den 1990ern gab es einmal eine Phase, in der man wirklich dachte, die Dinge könnten sich zum Besseren wenden, diese endete spätestens mit 9/11. Es ist so leicht, anlässlich der Veröffentlichung des Textes auf dem Filmfest im Jahr 2021 beizufügen: Whatabout Corona und allem, was es mit sich bringt? Ja, die Einschläge kommen dichter, wenn auch nicht alle gleichzeitig.
Gott hätte so viele gute Gründe, der Menschheit endlich ihr Treiben zu verbieten und sich selbst einzugestehen, dass dieser Teil der Schöpfung misslungen ist. Wenn wir’s eher von der Seite de Evolution aus betrachten, dann muss man ohne moralische Haltung konstatieren, dass die emotionalen Fähigkeiten des Menschen sich nicht kaum entwickelt haben, während er technisch immer mehr in der Lage ist, alles zu zerstören. Wer dieses Ungleichgewicht in der evolutionären Entwicklung nicht gefährlich findet, ist kein Realist.
In einer Szene sagt ein christlicher Priester zu einem Thora-Schüler, man darf die Bibel nicht lesen wie eine Betriebsanleitung, also wörtlich nehmen, auch nicht, was die sieben Zeichen und die sieben Siegel angeht. Abby hatte sich an den jungen Mann gewandt, weil dieser die hebräische Geheimschrift entziffern kann, in der die Briefe des Mieters verfasst sind, die sie bei ihm findet. Der junge Mann hingegen wendet sich an den Priester, weil er als Jude mit den Prophezeiungen im Neuen Testament nicht viel anfangen kann.
Der Film schließt sich aber nicht dem Priester an, der versucht, die Dinge zu relativieren, sondern nimmt das wirklich alles wörtlich, was in der Offenbarung des Johannes steht. Angesichts der Disposition vieler Amerikaner, auch der im Film gezeigten, könnte man nun sagen, es passt ja auch. In einem Land, in dem an manchen Schulen die Evolutionstheorie nicht gelehrt werden darf, nicht einmal als Alternative zur Schöpfungsgeschichte und somit zur Diskussion gestellt, kann man nicht erwarten, dass ein Mainstream-Film allzu viel über Sinn und Unsinn und vor allem die Logik des Szenarios referiert.
Deswegen nimmt man die pseudophilosophischen Dialogmomente auch recht gelassen und hat nie das Gefühl, dass die Welt deswegen untergeht, weil ein Film wie „Das siebte Zeichen“ es so will. Und das, obwohl immerhin das emotional hochfliegende Erlebnis einer Schwangerschaft mehr und mehr ins Zentrum des Geschehens rückt. Doch „Rosemarys Baby“ (1968, Rezension beim Wahlberliner) ist weit weg. Dort ist die Geburt des Antichristen durch eine New Yorker Hausfrau höchst dicht inszeniert und jede Andeutung, jeder Satz oder Gesichtsausdruck der Diener des Teufels empfindet man beinahe als persönliche Bedrohung. Davon ist in „Das siebte Zeichen“ nichts zu spüren. Das liegt an der flachen Dramaturgie und an der Beliebigkeit des Films.
Gute Katastrophenfilme aller Art, und was ist eine größere Katastrophe als die Apokalypse?, zentrieren von Anfang an die Handlung auf Alltagsmenschen, die in diese Katastrophe hineingeraten und alles wird aus deren Perspektive gesehen. Damit hat der Zuschauer gleich eine Orientierung und kann sich mit diesen grundsätzlich sympathischen Leuten identifizieren.
Hier gelingt das im Verlauf auch ein wenig – weil Demi Moore als werdende Mutter dem Film mehr gibt, als er vielleicht verdient hat. Ihre Darstellung wirkt differenziert, emotional, und sie hat einen seltsamen Jackie Kennedy-Charme in diesen jungen Jahren, obwohl kein einziges Detail ihres Äußeren genau mit der früheren First Lady übereinstimmt. Es mag in den Ausdrücken, in den Lippenbewegungen liegen, dass wir eine Ähnlichkeit erkennen – die, zugegeben, vermutlich kein anderer Kritiker identifiziert hat.
Gewiss hat ihr bei der Darstellung der Abby Quinn die eigene, chaotische Kindheit und Jugend geholfen, die Authentizität der Verlustängste zu reproduzieren, wie sie bei einer komplizierten Schwangerschaft und nach einer früheren Fehlgeburt nur allzu natürlich sind. Aber was immer es auch war, es funktioniert – einigermaßen.
Das „einigermaßen“ liegt darin, wie sie plötzlich als Heilsbringerin ins Rampenlicht tritt. Gerade sie, die keine große Hoffnung hat, muss diese schöpfen, damit ihr Baby nicht ohne Seele geboren wird und die Welt gerettet werden kann. Warum sich der Himmelsbote David, der ja doch offenbar mit dem Menschengeschlecht sympathisiert, ausgerechnet diese Frau ausgesucht hat, um es zu retten, erschließt sich auch bei heftigstem Nachdenken nicht. Falls es um den Turnaround von der Hoffnungslosigkeit zur Hoffnung geht, der eine besonders starke Wirkung entfalten und so die Apokalypse aufhalten soll, wird dieser nicht hinreichend erläutert.
Wie überhaupt in dem Film vieles kryptisch um des Kryptischen willen ist. Wir erfahren erst sehr spät, wen der vatikanische Priester darstellen soll und was er will, dabei hätte man zwischen ihm und David Bannon ein Duell inszenieren können, das wäre doch schön nach amerikanischem Muster gewesen. Das Gute, zu dem David trotz seiner Funktion als Gottes Werkzeug der Apokalypse gehört, gegen das Böse, das offenbar in Gestalt eines Torwächters des Pontius Pilatus durch die Welt geistert, der nicht sterben darf. Um sterben zu können, hat sich dieser Wächter dem Untergang verschrieben. Eine etwas egoistische und antiphilosophische Grundhaltung, aber manchmal ist der Anstoß für komplexe Ereignisse ja auch ziemlich banal.
Als David hat Jürgen Prochnow durchaus eine gewisse Aura, die sich aus viel Understatement und intensivem Blick in Verbindung mit seinen ungewöhnlichen, faszinierenden Gesichtszügen ergibt, aber schauspielerisch musste er sich nicht komplett verausgaben. Das trifft in noch stärkerem Maß auf Michael Biehn zu, der Russell Quinn, Abbys Mann, spielt. Er wirkt immer ein wenig, als hätte er Magenschmerzen und vielleicht hat er die auch, als Strafverteidiger, der um das Leben eines Mandanten kämpft und als Mann einer Frau, die zwar ihr Kind schon in der Kita angemeldet hat, aber gar nicht weiß, ob es angesichts ihrer problematischen Schwangerschaft durchkommen wird.
Auch in diesem Detail schweigt sich der Film über die Hintergründe aus: Tut sie das, weil sie doch eine Optimistin ist, also Hoffnung hat, oder mehr, um die Geister zu beschwören? Schließlich schneidet sie später (beinahe?) noch einmal in ihren Pulsadern herum, als die es wieder Probleme mit der Schwangerschaft gibt.
Wir gehen an dieser Stelle nicht auf jedes der sieben Zeichen ein und wie es sich in der realen Welt von 1988 manifestiert und ob sie wirklich der Prophezeiung entsprechen. Leider wird im Film verschwiegen, dass die Apokalypse nicht einfach das Ende der Welt ist, sondern die Errettung der Guten und die Wiederkehr Christi. Dass all diejenigen, die der Welt täglich Schwierigkeiten machen, hinweggefegt werden, hat Abby mit der Geburt ihres Kindes, für das sie stirbt, das aber dann doch eine Seele hat, also verhindert. Schade eigentlich. Nicht, dass wir genau wüssten, ob wir zu den Geretteten zählen würden und auf einer neuen Welt mehr Platz für die Verbliebenen wäre und es friedlich zuginge, aber wenn schon ein Endzeithriller, dann doch so, dass er, wie in „Rosemarys Baby“, mit dem Sieg des Bösen endet, sonst wirkt das Ende, das alles beim Alten lässt, ja eher entmutigend. Andererseits – wer weiß, ob wir in 2014 den Film rezensieren könnten, wäre 1988 wirklich Gottes Geduld zu Ende gewesen und Abby hätte nicht ihr Leben für das ihres Babys gegeben.
Finale
Sicher hat der Film eine belehrende Wirkung – wenn man nämlich die Fernsehbilder sieht, die Nachrichten von 1988, hat man ein Déjavu erster Klasse, und man denkt sich zudem, es ist alles noch genauso. Darüber kann man durchaus nachdenken und diesen Aspekt von der Qualität des Films abstrahieren. Außerdem ist es schwieriger zu erklären, warum Gott nicht endlich die Schöpfung von ihrer außer Kontrolle geratenen sogenannten Krone befreit, als die Apokalypse zu begründen wäre.
Doch die Punkte, die wir vergeben, sind weniger dem Konzept des Werks geschuldet als Demi Moore und ebenjener Erkenntnis, dass wir uns das Ende redlich verdient hätten. Erschüttert hat uns dieser Thriller trotzdem nicht, und das muss man erst einmal hinbekommen, dass Zuschauer sich so entspannt wie wir gestern einen Film anschauen können, bei dem es um nicht weniger als alles geht.
50/100
© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
Regie | Carl Schultz |
Drehbuch | Clifford Green, Ellen Green |
Produktion | Paul R. Gurian |
Musik | Jack Nitzsche |
Kamera | Juan Ruiz Anchía |
Schnitt | Caroline Biggerstaff |
Besetzung | |
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