Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out, USA 1981) #Filmfest 678

Filmfest 678 Cinema

Endlich: Investigation mit Bild und Ton

Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren ist ein US-amerikanischer Thriller aus dem Jahre 1981, Regie führte Brian De Palma.

Bei den Filmen von Brian De Palma, so sagen viele, heißt es: Love it or leave it. Wir haben den Schausplatz jedenfalls nicht vorzeitig verlassen und uns den Film angeschaut, deshalb gibt es mehr dazu in der –> Rezension.

Handlung (1)

Für die Billigproduktion eines Horrorfilms fehlen dem Tontechniker Jack Terry neben einem geeigneten Todesschrei für die zentrale Szene auch noch authentische Windgeräusche.

Bei der Aufnahme nächtlicher Naturgeräusche mit einem Spezialmikrofon wird er Ohrenzeuge eines Unfalls. Der Präsidentschaftskandidat George McRyan kommt auf einer Brücke von der Fahrbahn ab und stürzt mit seinem Wagen in einen See. Jack eilt zur Hilfe und taucht nach dem Wagen. Durch die Scheiben sieht er den blutenden McRyan, kann ihn jedoch nicht befreien. Allerdings gelingt es ihm, dessen Begleiterin Sally aus dem Fahrzeug zu retten.

Bereits im Krankenhaus übt die Polizei massiven Druck auf Sally und Jack aus. Er soll seine Aussage, er habe kurz vor dem Unfall einen Schuss gehört und diesen sogar aufgezeichnet, zurückziehen. Um den Ruf der Familie zu schützen, soll auch Sallys Anwesenheit im Fahrzeug des Präsidentschaftskandidaten nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Jack willigt zunächst in die Forderungen der Beamten ein. Nach Abhören seiner Tonbandaufnahmen erkennt er jedoch, dass es sich nicht um einen Unfall handelte, sondern ein gezielter Schuss einen Reifen des Fahrzeugs platzen ließ. Deshalb forscht er auf eigene Faust weiter.

Als die Presse eine Fotoserie des Unfalls kauft und diese in den Zeitungen abgedruckt wird, erstellt Jack aus den Einzelbildern einen Film und versieht diesen mit seinen Tonbandaufzeichnungen. Auf diese Weise kann er den Standort des Schützen aufgrund des Mündungsfeuers, das auf einem der Fotos zu sehen ist, ausmachen. Die Polizei glaubt ihm nicht und hält das Mündungsfeuer für eine Störung auf dem Foto. Kurze Zeit später meldet sie sich dennoch bei Jack und fordert den Film an. Als er von der Polizei untersucht wird, ist das Band jedoch gelöscht, genauso wie sämtliche Bänder in seinem Tonstudio. (…)

Rezension: Anni und Tom über „Blow Out“

Anni: Wenn ich mir „Blow Out“ anschaue, kann man nicht verstehen, warum John Travoltas Karriere in den 1980er ins Stocken kam. Ich fand ihn klasse. Diese Mischung aus cool, besessen, investigativ und emotional ist dem Stil der Zeit, in der der Film gedreht wurde, einen Schritt voraus. Vor allem die Höhepunkt-Szene bei der Freiheitsparade in Philadelphia: Du weißt echt nicht, ist es Erleichterung oder Trauer? In der nächsten Einstellung sieht man es. Und am Ende verwendet er den Schrei, DEN Schrei tatsächlich für das C- oder X-Movie, mit dem er von Beginn an als Toningenieur zugange war. Was ich auch sehr mochte, waren die Szenen, in denen Jack (Travolta) seinen Beweis gebastelt hat, Ton und Bild synchronisiert, vor allem aber das Daumenkino aus den kleinen Foto-Ausschnitten.

Tom: In „Carrie“ (1976) hat Regisseur Brian De Palma schon einmal mit John Travolta gearbeitet, noch bevor dieser mit „Saturday Night Fever“ (1977) und „Grease“ (1978) zum Superstar wurde.

Anni: Und Quentin Tarantino hat ihn in „Pulp Fiction“ (1994) besetzt, weil er seine Darstellung in „Blow Out“ mochte. Ursprünglich war für Jack Terry, den Toningenieur, aber Al Pacino vorgesehen, der aber wegen anderer Projekte unabkömmlich war. Aber auch die Darstellung von Nancy Allen als naiv wirkende und gleichzeitig an einer Erpressung beteiligte Schlampe und John Lithgow als Killer sind super. Die Frauenrolle wäre so heute kaum noch denkbar, aber dieser Killer war wieder so ein typischer Mix aus stilbildend und bereits bestehenden Fieslingen nachgebildet. Die Uhr mit dem Draht ist doch aus einem Bond-Film. Ich weiß leider nicht mehr, ob aus einem, der älter ist oder einem, der erst nach „Blow Out“ entstand. So, wie ich De Palma bei aller Liebe doch einschätze, gab es die Sache mit der Uhr schon vorher.

Tom: Tarantino hat auch gesagt, „Blow Out“ sei sein Lieblingsfilm von De Palma. In dessen Werk gehört „Bow Out – der Tod löscht alle Spuren“ dennoch zu den eher wenig bekannten Werken, war an der Kinokasse nicht erfolgreich und vielleicht war auch das für Travoltas Karriere nicht förderlich, weil er ja wohl der Kassenmagnet sein sollte. Hohe Erwartungen kann man schnell enttäuschen. Vielleicht haben beide Vorgänge aber auch nichts miteinander zu tun. „Blow Out“ sei aber quasi De Palmas wichtigster Film, sagte Chrisoph Gröner vom Filmfest München in der Einleitung, bevor der Film auf ARTE gezeigt wurde.

Anni: Klar, weil es ja um Fake News geht. Schön, dass wir ein aktuelles Label für den Film gefunden haben, dabei ist er ja eine für De Palma typische Zitatekammer. Lassen wir auch unseren Freund Roger zu Wort kommen?

TomRoger Ebert beschreibt De Palmas Bilder in „Blow Out“ laden zum Vergleich mit Filmen von Alfred Hitchcock ein und in der Tat hat De Palma solche Vergleiche gefördert, als die Plakate für „Dressed to Kill“ ihn als „Master of the Macabre“ bezeichnen (Hitchcock wurde als „Meister des Suspense“ apostrophiert, A. d. Verf.). In „Blow Out“ gibt es solche Hitchcock-Stempel wie eine Duschszene (diesmal eher zum Lachen als zum Auslösen von Schüttelfrost, wie in „Dressed to Kill“ (1979), (der auf den ikonischen Duschmord in „Psycho“ (1960) anspielte, A. d. Verf.), mehrere grausige Morde in unerwarteter Umgebung, Gewalt an öffentlichen Plätzen und eine Jagd durch Philadelphia zum Jubiläum des Läutens der Liberty Bell. Diese letzte ausgedehnte Chase-Sequenz erinnert uns an zwei Hitchcock-Strategien: Seine Gegenüberstellung von patriotischen Bildern und Spionage, wie in „North by Northwest“ (1959) und „Saboteur“ (1944), und seine verzweifelten Verfolgungen durch gleichgültige Massen, Erinnerungen an „Foreign Correspondent“ (1943) und „Strangers on a Train“ (1951).

Anni: Und dann die Reflektion der Geschichte der USA ab 1963. Diese Ermordung von Ryan, dem Namen nach irischstämmig und ein politischer Hoffnungsträger, ist eine sehr klare Inbezugnahme der Kennedy-Morde von 1963 und 1968 und die Theorien, dass es sich bei den Mördern jeweils nicht um Einzeltäter, sondern um ein Komplett von Hintermännern gehandelt hat. Und die Watergate-Affäre klingt an – aber der Film hat mich auch an den sehr schönen „Der Dialog“ von 1974 erinnert, in dem ebenfalls eine technische Abhörvorrichtung zu einem Mordkomplott geführt hat. Und dann die Anspielung auf billige B- oder C-Splatter-und-Sex-Movies und was noch alles, was wir jetzt vermutlich gar nicht auf dem Schirm haben – oh Mann, ich kann Leute verstehen, denen dieses endlose Zitieren und Anspielen auf alles Mögliche irgendwann zu viel wird und die De Palmas Stil deshalb selbst für B-mäßig halten. Aber dieses Mal nicht solche Gewaltexzesse wie in „Scarface“ (1983) oder „Die Unbestechlichen“ (1987) und nicht ganz so freaky und trashig wie „Dressed to Kill“. Die Filme sind alle auch zudem sehr unterschiedlich im Stil, ist ja eigentlich klar, wenn man immer nur andere zitiert. Und das unterscheidet De Palma auch von Hitchcock, der immer seine ganz eigene Note hatte.

Tom: Und natürlich ist „Blow Out“ deutlich an Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) angelehnt, in dem ein Fotograf die Rolle innehatte, die nun dem Toningenieur zukommt. Und einen Fotograf gibt es ja zusätzlich und erst die Zusammenschau von Fotos und Tonspur ergibt den klaren Beweis dafür, dass der Sturz des Wagens ins Wasser nicht auf einen Unfall zurückgeht. Manchmal geht’s mir auch so, und dann denke ich doch wieder, dieses Sammelsurium ist ja auch ein Stil. Zudem kann man sagen, „Blow Out“ ist ziemlich einheitlich gefilmt, sehr dynamisch, sehr nachvollziehbar und psychologisch ungewöhnlich stimmig. Eine deutsche Kritik meinte, die Logik sei nachlässig, und für solche Argumente bin ich ja sehr empfänglich …

Anni: Oh ja. Und dieses Ding, dass eine ganze Mordserie das Motiv für einen einzigen Mord verdecken soll, das haten wir ja gerade in „Mord im Fahrpreis inbegriffen“ gesehen. Nicht, dass De Palma es gerade diesem Film entnommsen hat, aber neu ist es nicht.

Tom: Aber was hier als Logikfehler angegeben wird, sind wohl in erster Linie zwei Dinge. Zum einen der Täter-Exzess, der Politiker sollte ja wohl gar nicht umgebracht, sondern nur mit Sally kompromittiert werden, aber wozu dann der Schuss in den Reifen? Genau, weil der Täter ein Irrer ist, der seinen Auftraggebern entgleitet. Das kann man natürlich als idiotisch ansehen und, wenn man will, auch als Verletzung des Vertrages zwischen den Filmemachern und dem Zuschauer, der sich eine sinnvollere Herleitung des Geschehens erwartet. Das andere ist, dass die Auftraggeber nicht offengelegt werden. Wir sehen in einer Szene einen Mann, der nie zuvor im Bild war, wenn ich nicht irre, und der ist derjenige, der den Killer beauftragt hat. Wozu eigentlich, wenn er keinen tödlichen Schuss abgeben sollte und man Ryan nur durch die Fotos mit Sally fertigmachen wollte? Klar, das alles lässt sich hinterfragen, aber es schafft natürlich auch diese Atmosphäre, die wirklich sehr dicht an der Paranoia ist, die sich in den USA nach den vielen politischen Morden der 1960er, dem Vietnamkrieg, den zunehmenden Staatsaffären breitgemacht hat.

Anni: Und welche Zeitschrift veröffentlicht von einem Unfall schon eine Fotostrecke, die sich nachher zu einem so genauen Film zusammensetzt, wie Jack ihn gebastelt und dem er die Tonspur unterlegt hat?  

Tom: Sehr interessant finde ich, dass der Film heute auf der IMDb 127 Kritiken (Stand März 2017 und ohne unsere, die hinzukommen wird) vorweisen kann. Das ist für einen Film aus den frühen 1980ern, der damals floppte und nicht so bekannt ist wie andere Werke von De Palma, sehr beachtlich – und zeigt, dass der Film heute viel mehr Beachtung erfährt und dass De Palma generell ein viel diskutierter Regisseur ist. „Unser“ Roger Ebert hat dem Film aber 1982 schon vier von vier Sternen gegeben. Ich gebe 8/10.

Anni: 8,2/10. So dicht waren wir noch nie beieinander, seit wir zusammen für die „Rote Sonne 17“ schreiben. Irgendwie sounded der Film toll, nicht nur wegen der coolen Technik aus den frühen 1980ern inklusive Walkman als Distanz-Aufzeichnungsgerät per Funk, was anderes gab es damals ja noch nicht – da stimmt von den Darstellern bis zum Visuellen sehr vieles – und mir gefällt er auch besser als einige andere De Palmas, die mir zu übertrieben sind. In die Richtung geht teilweise die Verfolgungsjagd allerdings, wenn man über mangelnde Logik in dem Film redet, sollte man sich diese Sequenz etwas genauer anschauen.

81/100

© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Brian De Palma
Drehbuch Brian De Palma
Produktion George Litto,
Fred Caruso
Musik Pino Donaggio
Kamera Vilmos Zsigmond
Schnitt Paul Hirsch
Besetzung

 

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