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Liebe Leser:innen,

selbst wenn Sie, wir wir, nicht mehr den Spaß wie früher an solchen Events haben, Sie werden mitbekommen haben, wie China derzeit durch die Olympischen Winterspiele versucht, sein Image aufzupolieren. Dabei kommt es immer wieder zu seltsamen Vorgängen, aber das gehört irgendwie dazu und überrascht eigentlich niemanden. 

Viele gehen davon aus, dass China wirtschaftlich bald das mächtigste Land der Erde sein wird. Wir zeichnen diese Entwicklung bereits seit mehr als 10 Jahren nach und sind auch davon nicht überrascht, aber daraus kann man nicht den Schluss ziehen, dass auch politisch alles bald komplett anders sein wird als bisher. So einfach ist es nicht: Es kommt darauf an, wie sich die Wirtschaftskraft gestaltet und worauf sie basiert und natürlich darauf, ob das Gesellschaftsmodell, auf dessen Grund sie steht, verlockend erscheint.

Ein weiterer Move war ebenfalls abzusehen: Dass Wladimir Putin und der ehrenwerte Herr Xi enger zusammenfinden werden. Der Westen wollte es so und hat es gekriegt. Was aber denken die Menschen in ebenjenem Westen über China?

Begleittext zur Statista-Grafik:

China hat im Westen, aber auch in Asien selbst, keinen besonders guten Ruf wie Umfrageergebnisse des Pew Research Center zeigt. Demnach haben 71 Prozent der in Deutschland befragten Menschen ein negatives Bild von der Volksrepublik. In den USA ist der Anteil mit 76 Prozent ähnlich hoch. Aber nirgendwo ist die Ablehnung so groß wie in Japan – 88 Prozent der Befragten haben ein ungünstiges Bild des Landes. Etwas wohlwollender sind Brit:innen, Italiener:innen und Spanier:innen, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Der schlechte Ruf des Landes hängt wesentlich mit der Innenpolitik des Landes zusammen. Nur wenige glauben, dass China die persönlichen Freiheiten seiner Bürger respektiert. Hierzulande sind das beispielsweise lediglich acht Prozent. Vergleichsweise gut ist der Ruf des bevölkerungsreichsten Landes der Welt dagegen bei der Corona-Bekämpfung. Fast die Hälfte der Deutschen bescheinigt den chinesischen Behörden, bei der Eindämmung der Pandemie, einen guten Job zu machen.

Dass Japaner China nicht besonders mögen, ist nicht neu und beruht auf Gegenseitigkeit, dazu gibt es eine lange Geschichte. Aber im Westen haben China und seine alte Hochkultur grundsätzlich  keinen  schlechten Ruf, es sei denn, es handelt sich um Überreste des Denkens, das im kolonialen Zeitalter üblich war. Die aktuelle Ablehnung liegt also am politischen System, das dort etabliert ist. Was uns immer wieder beschäftigt: Dass die Chines:innen so affirmativ gegenüber ihrem eigenen System zu wirken scheinen. Wenn das zutrifft, dann sollten wir sagen: Jede(r), wie er gestrickt ist und solange das Land nicht versucht, anderen Ländern sein System überzustülpen. Die Absichten, Letzteres zu tun, sind aber in jüngerer Zeit immer deutlicher geworden und außerdem muss man ein Schlaglicht auf einen Wendepunkt in der chinesischen Geschichte werfen, um zu vertehen, warum die Menschen sich heute lieber darauf konzentrieren, einen überwiegend bescheidenen Wohlstand zu erlangen, als sich gegen den Überwachungsstaat aufzulehnen.

Wie es zur Aufgabe der Freiheitsbestrebungen kam

Es geht nicht um den langen Marsch, der durchaus eine Form von Selbstermächtigung des Volkes war. Sondern um die Kulturrevolution 20 Jahre später. Der Begriff klingt so positiv, lief aber darauf hinaus, dass Mao-Tse-tung die größte „Säuberung“ der Erdgeschichte im eigenen Volk durchführen ließ, sie kostete mehr Tote als alle Verbrechen Stalins am eigenen Volk, sofern man ihn als Russe ansieht und die Shoah zusammen, was nicht bedeutet, dass wir aufgrund dieses rein numerischen Vergleichs deren Ausmaß und deren Singularität nicht als Gegenstand unserer bleibenden Verantwortung anerkennen.

Es ist jedoch ungeheuer zynisch von Maoisten, zu sagen, in China sei der Hunger immerhin besiegt worden. War ja auch leichter, nachdem die eigene Führung fast zehn Prozent der damaligen Bevölkerung vernichtet hatte.

Nach dem traumatischen Erlebnis der Kulturrevolution, von dem kaum eine Familie verschont blieb, flammte im Zuge der Öffnung Osteuropas in China nur noch einmal Widerstand auf, das war 1989, umgehend folgte das Massaker auf dem Tiennamen-Platz von Peking. Schon im Kleinen hatte die Regierug damals deutlich gemacht, dass sie nicht gedenkt, den Weg der osteuropäischen Staaten mitzugehen und mehr demokratische Freiheitsrechte zuzulassen. Das hat gewirkt und wirkt bis heute. Vorsicht ist konstitutiv geworden für die chinesische Form des Daseins und wird von Herrn Xi gerne im Sinne einer Systemüberlegenheit gedeutet.

Solange das wirtschaftliche Aufstiegsversprechen in China für die Mehrheit der Menschen erhalten bleibt, werden sie unter diesen für jede Freiheitsbestrebung sehr ungünstigen Voraussetzungen ruhig bleiben, das ist unsere Prognose. Unter welchen Arbeitsbedinungen die wirtschaftliche Weltmacht erobert wird, das nimmt man in Kauf, weil alles besser ist, als auf dem Land zu den sehr Armen zu gehören, von denen es immer noch hunderte von Millionen gibt, und weil es faktisch unmöglich ist, aus gigantischen Lohnsklavenanstalten wie Foxconn auszubrechen, wenn man in solchen Systemen innerhalb des Systems erst einmal drin ist Im Grunde sind das Hochsicherheitsgefängnisse für Menschen, die gar nichts verbrochen haben, nur, dass man dort mehr malochen muss als in jedem Gefängnis.

Bei uns ist es ja auch nicht so schick mit der Demokratie

Wissen wir doch. Aber wer mit Whataboutismen arbeiten will, dem sagen wir folgendes: In China wäre dieser Beitrag nicht zu lesen, weil er sich dann mit der heimischen Regierung kritisch auseinandersetzen würde, so, wie wir das vielfach mit der Politik in Deutschland und im Westen tun, sogar auf wirtschaftssystemkritische Weise. Das ist ein riesiger Unterschied und solange dieser Unterschied bleibt und wir noch für die Verbesserung der Demokratie kämpfen dürfen, soll uns keiner mit dem chinesischen System als Vorbild kommen. Ganz sicher sind die vielen Lügen in der Politik nicht hilfreich für die Erhaltung der Demokratie, ist Misstrauen angebracht und gleichermaßen keine gute Grundlage für den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft. Aber noch haben wir die Möglichkeit, das ungehindert zu äußern und Verbesserungen einzufordern, Tag für Tag.

Deswegen sind wir dagegen, dass China seine wirtschaftliche Macht immer mehr einsetzt, um kleinere Länder von sich abhängig zu machen und ihnen auf diese Weise die Kritikfähigkeit zu nehmen und für Spaltung im Westen zu sorgen. Sie hätte viel früher kommen müssen. Die Erklärung Chinas zum Systemrivalen duch die neue Bundesregierung war dermaßen überfällig, wie nur etwas geostrategisch und im Sinne der Demokratie überfällig sein kann. Hoffentlich folgt daraus endlich die Konsequenz, eine entsprechende Wirtschaftspolitik zu betreiben. Zunächst darf keine strategisch wichtige Technologie mehr nach China verkauft werden. Auch nicht nach Taiwan, obwohl wir diese tapferen Insulaner bewundern, die unter enormem Druck ihr eigenes Ding machen und die wahren Boten des noch nicht erloschenen chinesischen Widerstandsgeistes sind. Es kann jedoch leider so kommen, dass es trotzdem in wenigen Jahren dasselbe sein wird, eine wichtige Unternehmung nach Taiwan abgegeben zu haben, als wenn man sie gleich nach Festlandchina verkauft hätte. Siehe Hongkong. Im Notfall muss der Staat einspringen, um solchen Ausverkauf zu verhindern.

Sodann müssen die Nachteile der europäischen Industrie bei der Beschaffung von Speicherchips und anderer Hardware ausgebügelt werden. Es kann nicht angehen, dass wir uns durch die chinesische Marktstellung auf diesem Gebiet komplett erpressbar machen und es ist auch nicht notwendig. Die Technologie ist in Europa und den USA immer noch vorhanden, es ist eben nur etwas teurer, sie auch hier zu fertigen. Dann ist es das eben. Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, umso wichtiger wird gute Arbeit und gute Sozialpolitik wieder werden.

Gerade deutschen Unternehmen gegenüber hätte China eine Verpflichtung zur Fairness, denn hiesige Konzerne, speziell VW, haben dort schon investiert, als damit noch nicht viel zu holen war, hatten einen langen Atem bewiesen und bereitwillig technologische Erkenntnisse mit China geteilt. Kein anderes Land hat insgesamt so viel Technologie in chinesische Hände übergeben, vor allem, wenn man die massiven Verkäufe von Unternehmen mit Schlüsseltechnologien nach China mitrechnet, die in den letzten Jahren gelaufen sind. Bereits ein Drittel des deutschen Maschinenbaus als zweitem deutschen Standbein der industriellen Wertschöpfung neben der Autoindustrie, ist ganz oder teilweise in chinesischer Hand. Sicher war in den letzten Jahren der Deal, dass man dafür auf diesem Riesenmarkt expandieren, etwas davon abhaben konnte, aber den Deal von chinesischer Seite aufzukündigen, sobald man sich stark genug dazu fühlt, ist ein Move, hat nichts mit fairer Partnerschaft zu tun und sollte uns sagen, was noch alles kommen kann und auch kommen wird, wenn wir es einfach weiterlaufen lassen.

Gleichwohl, auch dieser Move darf uns nicht schockieren, weil die chinesische Regierung ihn in ihrem Stretagiepapier „2025“ selbst angekündigt hatte. Die Merkel-Administration in Deutschland hatte jedoch alles, wirklich alles versäumt, was notwenig gewesen wäre, um hier Einhalt zu gebieten, als die Verhältnisse noch günstiger waren und Reziprozität im Wirtschaftsaustausch zu fordern. Das nicht zu tun, war einer der vielen Fails in jener beendeten Ära, die uns schon jetzt massiv belasten und in Zukunft noch mehr belasten werden.

Kapitalismus à la China statt Kommunismus

Der etablierte westliche Kapitalismus unterscheidet sich vom stark expandierenden chinesischen Kapitalismus heute im Wesentlichen dadurch, dass er transnational ist, während der chinesische einen fundamental nationalistischen Einschlag hat – auch deshalb, weil er von einer nationalistischen Regierung mitgesteuert und im Sinne der Partei in mitgestaltet wird. Ob das langfristig gutgeht, ist eine andere Frage, aber derzeit hat die KPCh noch die Möglichkeit der Kontrolle, dass kann man sehen, wenn sie ein Exempel an diesem oder jenem zu laut gewordenen Milliardär statuiert. Der heimische Markt ist für chinesische Unternehmen zu wichtig, ist zu groß, als dass die Kapitalisten, wie bei uns, erpresserisch vorgehen können: „Wenn ihr Politiker:innen nicht macht, wir wir wollen, gehen wir eben“. Das geht in China nicht, zumal nicht nur die Marktgröße, sondern auch die Förderung der Expansion durch die Regierung eine wichtige Rolle spielt. Diese Umstände nutzt die Regierung aus, um ihre Unternehmer:innen bei der Stange zu halten. Die Kombination aus einem riesigen Binnenmarkt, der allein daraus erwachsenden Wirtschaftsmacht, einer riesigen Subventionsblase und einer immer mehr imperialistisch geprägten Weltpolitik ist das Gefährliche an diesem Land. Auch, wenn es eines Tages selbst darüber stolpern sollte, wird das  für uns gefährlich sein.

Sicher wäre der Westen in Einigkeit stark genug, um dagegenzuhalten. Doch erstens gibt es diese Einigkeit nicht und zweitens provoziert man geradezu, das Russland und China zusammengehen. Wenn jemand es wagt, anzusprechen, dass das falsch sein könnte, muss er umgehend seinen Hut nehmen. Der Zeitpuntk der Äußerung war in der Tat sehr ungünstig, es aus einer nicht dazu berufenen Position heraus zu tun, aber trotzdem Außenwirkung zu erzielen, war schwierig. Grundsätzlich jedoch ist die Analyse des deutschen Marineoffiziers richtig, der kundtat, man brauche Russland gegen China und dafür abgesägt wurde, dass er auf diesen geostrategischen Aspekt der aktuellen Ukraine-Krise hinwies. Und wie weiter?  Es ist noch nicht zu spät, um die Freiheit zu sichern und dafür müssen die Demokratien erst wieder lernen, an einem Strang zu ziehen und ihre Kleinstaaten-Interessenpolitik zurückzustellen. Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen lassen, sofern Russland nicht in die Ukraine einmarschiert, was die Lage in der Tat ändern könnte, wäre übrigens in diesem Kontext eine Dummheit. Es sei denn, man ist der Ansicht, der neue formale Zusammenschluss zwischen Russland und China habe auch diese wirtschaftliche Form der Anbindung Russlands an den Westen obsolet gemacht. Wir sind gegenwärtig noch nicht dieser Ansicht.

TH

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