Timeline Rücksprung Nr. 2 vom 10.07.2022 | Geopolitik | Ukrainekrieg und die damaligen Gefühle und Handlungen
Liebe Leser:innen, am 03.03. gründete der Berliner Tagesspiegel einen eigenen Newsletter, der zunächst auf den Ukrainekrieg beschränkt sein sollte, so haben wir es jedenfalls aufgefasst. Darin stand zu lesen:
nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hat der französische Präsident Emmanuel Macron ernüchtert festgestellt: „Wir müssen uns auf das Schlimmste einstellen“. Was das ist, hat er nicht gesagt. Aber klar ist: Informationen, Hintergründe und Analysen sind wichtig, um die aktuelle Situation einordnen zu können.
Den ausführlicheren zugehörigen Artikel finden Sie hier: Q1-220710/220303.
Mittlerweile ist dieser Krieg 136 Tage alt. Schauen Sie in dem Artikel nach, wie es begonnen hatte. Eines kann man mit Sicherheit sagen: „Nach Plan“ verlief bei dem russischen Angriff auf die Ukraine zunächst gar nichts. Der Plan war offensichtlich, Kiew zu erobern und damit tatsächlich einen Blitzkrieg zu führen, der bald hätte beendet werden können. Kann man es den Verteidigern anlasten, dass sie das verhindert haben und daher der Krieg bis heute anhält? Wohl kaum.
Nun muss Stadt für Stadt erobert werden, wenn die Kriegsziele Russlands erreicht werden sollen und es gibt sehr widersprüchliche Meldungen dazu, ob das russische Militär dabei mittlerweile eine Strategie entwickelt hat, die sich noch lange durchhalten lässt. Wichtige Ziele, heißt es jetzt u. a. vom stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrats, Dimitri Medwedw, seien auch erreicht, etwa die kürzlich erfolgte Einnahme quasi des kompletten Donbass-Gebiets auf ukrainischer Seite. Aber was ist z. B. mit der Südukraine? Wir schrieben bereits vor einiger Zeit, dass es für Russland verführerisch und auch strategisch wichtig wäre, die Ukraine komplett vom Schwarzen Meer abzuschneiden. Erste Einschläge in der berühmten Hafenstadt Odessa, die dazu besetzt werden müsste, gab es schon.
Etwas mehr als eine Woche nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine war vor allem das Entsetzen hierzulande das prägende Gefühl. Sogar einige Linke begannen nachzudenken und wurden dafür von knallharten Pro-Russland-Ideologen sofort angegriffen. Menschen kann man nicht besetzen, aber man kann sie einschüchtern. Vor allem, wenn sie politisch tätig sind in einer niedergehenden Partei und jede:r vermeintliche Wähler:in zählt. Uns hatte diese Partei schon zuvor verloren, wir konnten nur noch froh sein, dass wir uns nicht mehr wegen der unsäglichen Einlassungen zum Ukrainekrieg, die bis heute anhalten, sozusagen von innen heraus ärgern mussten und beglückwünschten uns zu unserer rechtzeitigen Entscheidung.
Sie war durch interne Vorgänge und die Unfähigkeit, linke Politik glaubwürdig unter die Menschen zu bringen, durch Abneigung gegen die Entwicklung einiger Personen in der Partei usw. begründet. Angesichts dessen, was jetzt in Sachen Ukrainekrieg stattfindet, war es ein Befreiungsschlag, der offenbar auch mit Antizipation zu tun hatte: Nicht des konkreten Ereignisses natürlich, das auch von „Putinverstehern“ nicht vorausgesehen wurde, obwohl es so klar auf der Hand lag. So klar, dass auch wir glaubten, die Truppen an der Grenze zur Ukraine, die aufmarschierten, seien nur eine Drohkulisse, man wird doch nicht … hat man aber. Aber allgemein, nach dem Motto: Der nächste Fail der Linken kommt bestimmt.
Die Lage im Ukrainekrieg hat sich mittlerweile auch für uns erheblich verschärft, weil die gegen Russland beschlossenen Sanktionen sich auch hierzulande negativ auswirken. Niemand kann im Moment seriös beurteilen, wem sie mehr schaden und welche Kennzahlen für die Bemessung der Schadensgröße die entscheidenden sein sollen. Aber nur einmal gab es in der jüngeren Geschichte einen Krieg, der nur eine Woche dauerte, diesen führte Israel im Jahr 1967. Alles andere hat viel länger die Welt in Atem gehalten. Dreieinhalb Monate sind noch gar keine Zeit, wenn man es so betrachtet. Das kann eine lange, lange und zähe Angelegenheit werden, mit Folgen, die wir schon spüren, aber noch sind sie etwas Neues, wie seinerzeit die Corona-Pandemie, die zunächst auch eine gewisse Faszination ausübte. Wenn dieser Effekt sich gelegt hat, dann kommt die Zeit der Bewährung. Das war während der Pandemie so und wird bei diesem Krieg ähnlich sein.
Wenn Sie eine Auffrischung Ihrer Erinnerung möchten, wie es Anfang März war, als der Ukrainekrieg noch mehr als die Schlagzeilen beherrschte und, das große Staunen, den Schock, die Ungewissheit, lesen Sie den verlinkten Artikel hinein.
TH