Crimetime 1096 – Titelfoto © MDR
Ein Übermaß an Methangas
Böse Wetter ist ein deutscher Kriminalfilm von Marco Serafini aus dem Jahr 2000. Es ist die 217. Folge innerhalb der Filmreihe Polizeiruf 110 und der 12. Fall für Schmücke und Schneider.
Den Ort Leimerode, in dem sich der Film abspielt, gibt es natürlich nicht, aber sind nicht alle Dörfer mit alten Stollen und alten Geheimnissen im Osten ein wenig Leimerode. Steckt nicht in jedem von uns der Leimeroder, der einer hübschen Frau sehnsüchtig nachschaut, wenn sie sie nach Leimerode verirrt. Nun ja. Verirrt hat sich Claudia Lorenz (Julia Thurnau) nicht, sondern kam mit der Absicht, die Familie ein wenig aufzumischen. Wie das ausging und was geschah, damit Herbert & Herbert, der Vorgesetzte und der andere, in Leimerode einrückten und noch mehr steht in der -> Rezension.
Handlung (1)
Claudia Lorenz kehrt nach Jahren in ihren Heimatort Leimerode zurück, wo ihre Ankunft in dem kleinen Ort einiges Aufsehen erregt. Insbesondere Dr. Beuse ist wenig begeistert, da sie ihn beschuldigt vor drei Jahren auf dem Totenschein ihres Großvaters falsche Angaben gemacht zu haben.
Kurz darauf werden auch die Kommissare Schmücke und Schneider in den Harz gerufen, nachdem es bei einem vermeintlichen Unwetterfall in einem eigentlich stillgelegten Stollen eine Explosion gegeben hat. Bei den Rettungsarbeiten werden drei Tote geborgen, darunter zwei männliche und eine weibliche Leiche: Claudia Lorenz. Während die Männer durch böse Wetter zu Tode gekommen sind, war Claudia Lorenz bereits tot, worauf die Würgemale an ihrem Hals weisen. Daher wird vermutet, dass die beiden Männer die Frau hier verschwinden lassen wollten. Sie hatte vor ein paar Jahren Karl Bauer, den Bruder eines der Verunglückten, mit Aids angesteckt. Die Mutter der Brüder hält es für unsinnig ihren Sohn für einen Mörder zu halten. Ihr Kurt wollte in dem Stollen nach etwas suchen, denn er sei mit irgendwelchen Messgeräten losgezogen.
Während Kommissar Schneider in Leimerode bleibt, fährt Schmücke zurück nach Halle, wo Claudia Lorenz eine Wohnung hat. Dort war jemand eingedrungen, denn alles ist durchwühlt worden. Er lässt die Kriminaltechnikerin nach Spuren suchen und kehrt nach Leimerode zurück. Dort wurde gerade in der Arztpraxis von Dr. Beuse eingebrochen und die Krankenakten von Lorenz gestohlen. Die Sprechstundenhilfe ist Birgit Kunze und eine Freundin von Claudia Lorenz. Sie hatte vor kurzem in alten Unterlagen entdeckt, dass Claudias Großvater mit den Schmerztabletten vergiftet wurde, die deren Schwester Anita gegen ihre Rückenschmerzen verordnet bekam. Das wollte sie Claudia mitteilen und deswegen sei sie zurück nach Leimerode gekommen. Nun sind genau diese Akten angeblich gestohlen worden und Birgit Kunze verdächtigt Anita Lorenz dieser Tat. In Wirklichkeit hat sie aber selbst die Krankenblätter beiseite geschafft, da sie ein Verhältnis mit Hubert Lorenz hat und so dessen Frau als Mörderin überführen will. Anita Lorenz erklärt allerdings, dass ihr Großvater die Tabletten selber in Überdosis eingenommen hätte.
Kommissar Schneider hält den Dorfarzt Beuse für die Schlüsselfigur zur Lösung des Falls. Er findet auch Beweise dafür, dass der in Claudia Lorenz Wohnung war. Als sie ihn überführen wollen, hat er gerade in seinem Labor Selbstmord begangen und einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er den Mord an Gottlieb Lorenz gesteht. Er wollte angeblich nicht, dass sich der alte Mann gegen die zukunftsweisenden Vorhaben von Hubert Lorenz stellte. Claudia Lorenz habe er im Affekt erwürgt, weil sie in den alten Geschichten graben wollte und damit alles hätte auffliegen können.
Schmücke kann am Ende jedoch Anita Lorenz des Mordes an ihrem Großvater überführen, die im Affekt auf ihre Rivalin schießen will, aber dabei Hubert Lorenz trifft, der sich schützend vor seine Geliebte stellte.
Rezension
Ich habe vorsichtig nachgeschaut, was die anderen über diesen Film denken und es scheinen recht überwiegend positive Meinungen zu existieren. Ich halte ihn eher für ein frühes Warnsignal: So oder ähnlich werden noch viele Schmücke-Schneider-Polizeirufe funktionieren. Und im Jahr 2000 war die Verknüpfung von privaten und wirtschaftlichen Nachwendesünden im Osten auch schon ein recht alter Hut, der aber noch viel, viel später aufgesetzt wurde, als er nun wirklich aus der Mode gekommen war. Das vergleichsweise Krasse an dem Film ist aber nicht das Konstrukt an sich, sondern, dass am Ende die Fälle tatsächlich nicht zusammengehören, es war eine Koinzidenz, dass zwei junge Männer just in dem Moment in einem alten Bergwerk verunglückten, als auch jene Claudia dort abgelegt worden war, nachdem man sie umgebracht hat. Es haben zwar alle etwas miteinander zu tun, es handelt sich ja auch um ein kleines Dorf, aber die Plotkonstrutkion gewinnt dadurch, dass sie am Ende auf eine so lapidare Weiser realistisch ist, nicht gerade an Dynamik.
Vielleicht hätte sie das, wenn man beim Filming der Dynami nicht konsequent entgegengewirkt hätte. Nur, damit man Schmückes italienische Schuhe filmen konnte, als Motiv-Wiederaufnahme vom Beginn, wo man zunächst Claudias Schuhe zuerst gesehen hatte, als sie in Leimerode mit dem Zug ankam, hat man Schmücke eigens eine ganz unsinnige Aktion durchführen lassen. Um zu sehen, welchen Weg Claudia im Dorf genommen hat, hätte er nicht mit dem Zug dorthin fahren müssen, sondern schauen, wann der Zug ankam und dann seinen Fußweg machen wie gehabt. Dann hätte es nicht fünf Minuten Diskussion darüber mit Schneider gegeben, warum den beiden ihr Dienstwagen, ausnahmsweise ein Audi A 6 Avant, nicht zur Verfügung steht. Warum die beiden Herberts denselben Vornamen haben? Ein bisher gelungener Gag, der darauf anspielt, dass „Herbert“ in der Generation der beiden eben ein recht häufig vergebener Name war, mehr nicht, wird in diesem Film auch noch ergebnislos zerredet.
Überhaupt hat Schneider in diesem Film ziemlich die Arschkarte. Er muss sich gegen den Eindruck wehren, Schmücke sei sein Chef, was aber stimmt, aber er will ja bei der Chefin der örtlichen Polizei punkten. Er steigt tatsächlich mit ihr ins Bett, lässt seine Dienstwaffe draußen vor der Tür, sie wird entwendet und verwendet und ein Mensch stirbt deswegen an einer Schussverletzung. Bevor die Bürgermeisterin sich das Teil angeeignet hatte, dachte sie wohl: In diesem Gasthof ist wohl dieser Schneider abgestiegen und so abgelenkt, dass er seine Waffe einfach mal im Gang hat hängen lassen, dieser dumme Polizist. Wer auf sowas kommt? Menschen mit dem zweiten Gesicht vielleicht oder welche, die manchmal, aber nicht immer, einen Gehstock verwenden, ohne dass man erfährt, warum. Ebenfalls ins Nichts führt die Frage, warum der Messgeräte-Koffer verschwunden ist. Die Ansteckung mit Aids wird auf eine Weise pietlos eingeführt, nur um einen zusätzlichen Verdächtigen präsentieren zu können, dass es weh tut, auch wenn man selbst nicht mit HIV infiziert ist.
Was an solchen Szenen und überhaupt auffällt: Das „Böse Wetter“ besonders plain und ziemlich schlampig gemacht ist, dieser Stil oder auch Mangel an Stil ist hier noch ausgeprägter als allgemein bei den Filmen Schmücke und Schneider. Man hat wirklich den Eindruck, man ist mitten im Alltag, so reden die Menschen miteinander. Kein erkennbarer Wille zur filmischen Verdichtung und dadurch wirken auch die Rollen eher mittelmäßig gespielt und lassen keinen Tiefgang erkennen. Das gilt leider auch für die Darstellungen von Schmücke und Schneider, wobei es durchaus möglich ist, dass die Bettszene dem guten Wolfgang Winkler etwas peinlich war. Zu Recht bzw. mit böser Vorahnung, wie man an der späteren albernen Reaktion seines Kollegen und Wohl-doch-Vorgesetzten sieht.
Eine wichtige Neuigkeit gibt es immerhin: Das Team erhält Zuwachs durch Kriminaltechnikerin Weigand, didie offenbar eingestellt wurde, ohne dass Schmücke und Schneider etwas davon wussten. Da hat der Dienststellenleiter ja eine schöne Überraschung organisiert und sie darf auch gleich an einem ziemlich spektakulären Tatort ermitteln, der allerdings kein Tatort ist, denn wir erfahren ja im Verlauf, dass die beiden jungen Männer schlicht einen Unfall hatten und man die Leiche er jungen Frau erst in den Stollen verbracht hat, nachdem sie bereits umgebracht war.
Finale
Die fatale Geschichte mit der entwendeten Dienstwaffe wird am Schluss äußerst lapidar abgehandelt. Solange Schneider weiß, wie er einen Bericht schreiben kann, indem sich gut erklärt, wieso jemand mit seiner Waffe erschossen wurde, ist alles gut oder auch nicht. Kein moralisches Aua bei einem der beiden Polizisten und natürlich auch keine Empathie vonseiten des Herbert Nr. 1 Schmücke. Bezüglich der Figurenzeichnung ist vor allem sehr negativ zu vermerken, dass die Figur der Mörderin schnell erahnbar ist, aber trotzdem nicht so gezeichnet wird, dass man halbwegs nachvollziehbare Motive findet, dabei handelt es sich doch um einen „Motivmord“, nicht um die Tat einer durchgedrehten Person. Wir halten mal für die Nachwelt fest: Ihr Vater, der Stollenbesitzer, wollte sie enterben, weil er verspätet Wind davon bekommen hat, dass sie als Politikerin die Machenschaften ihres Mannes, nämlich illegale Giftmüllverklappung im Stollen, gedeckt oder gar mitorganisiert hat. Zuvor hatte er ihre Schwester wegen deren lockerem Lebenswandel enterbt. Diese alten Geldsäcke, bei jeder Kleinigkeit ändern sie ihren letzten Willen. Ans komplette Enterben, das auch den Pflichtteil ausschließt, sind übrigens hohe Anforderungen geknüpft, ein wenig moralischer Lebenswandel allein einer oder eines Erbberechtigten richt dafür nicht aus.
© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2021)
5,5/10
(1) und kursiv: Wikipedia
Originaltitel | Böse Wetter |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Produktions- unternehmen |
Saxonia Media im Auftrag des MDR |
Länge | 91 Minuten |
Einordnung | Episode 217 (Liste) |
Erstausstrahlung | 19. März 2000 auf Das Erste |
Stab | |
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Regie | Marco Serafini |
Drehbuch | Peter Scheibler |
Produktion | Hans-Werner Honert |
Musik | Michael Hofmann de Boer |
Kamera | Bernd Neubauer |
Schnitt | Ilana Goldschmidt |
Besetzung | |
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