Eine Frage der Ehre (A Few Good Men, USA 1992) #Filmfest 753 #Top250

Filmfest 753 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (91)

Die Ehre des Soldaten in einer endlich freien Welt

Eine Frage der Ehre (Originaltitel: A Few Good Men) ist ein amerikanischer Spielfilm des Regisseurs Rob Reiner aus dem Jahr 1992. Er basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Aaron Sorkin, der auch das Drehbuch verfasste. Zwei Marine-Infanteristen werden des Mordes an einem Kameraden beschuldigt und vor Gericht gestellt. Die Hauptrollen sind besetzt mit Tom CruiseJack NicholsonDemi MooreKevin BaconKiefer Sutherland und Kevin Pollak.

Dieser sehr bekannte Film feiert nun sein 30-jähriges Jubiläum, man mag es kaum glauben. Für uns zählt er zum „Concept IMDb Top 250 of All Time“, weil er von 1996 bis 1998 in der Liste geführt wurde, die sich aus dem wohl größten Nutervotum der Welt ergibt, heute erhält er 7,7/10, für einen Wiedereintritt in die Liste wären 8,1/10 erforderlich. Ein Liebling der Kritiker war „Eine Frage der Ehre“, dessen Originaltitel „A Few Good Men“ hierzulande kaum jemandem geläufig ist (wäre eine gute Frage im Rahmen von „Wer wird Millionär“) aber nicht, der Metascore liegt bei 62/100. Und was sagen wir? Es steht in der –> Rezension.

Handlung (1)

Auf dem US-MarineinfanterieStützpunkt Guantanamo Bay ist der Soldat William Santiago ums Leben gekommen, nachdem er von seinen Kameraden Dawson und Downey tätlich angegriffen wurde. Santiago galt als Außenseiter, während die beiden mutmaßlichen Täter Vorzeigemarines sind. Zunächst ist unklar, ob es sich bei ihrer Attacke um eine Strafaktion handelte, die von einem Vorgesetzten angeordnet wurde.

Die Anklage der beiden vor dem Militärstrafgericht lautet auf Mord, Verschwörung zum Mord sowie „Verhalten, unwürdig eines Marines“. Dawson und Downey wird vorgeworfen, Santiago gezielt ermordet zu haben, um zu verhindern, dass dieser Informationen über ein Fehlverhalten Dawsons an den NIS weiterleitet. Ihre Version einer von höherer Stelle befohlenen Strafaktion (ein sogenannter „Code Red“) solle dies nur vertuschen. Ankläger ist Captain Jack Ross. Als Verteidiger stehen den beiden die NavyAnwälte Lieutenant Junior Grade Daniel Kaffee, ein bisher nur im Zusammenhang mit Urteilsabsprachen erfahrener Militärjurist, und Lieutenant Commander Joanne Galloway zur Seite.

Auch Navy-Lt. Sam Weinberg wirkt bei der Verteidigung trotz seiner tiefen Abneigung gegen Dawson und Downey, die zu zweit einen Schwächeren angegriffen haben, mit. Die Prozessstrategie der Verteidigung besteht darin, den vorgesetzten Offizieren nachzuweisen, den Befehl zur Bestrafung mit tödlichem Ausgang gegeben zu haben. Als Schlüsselfigur erweist sich dabei Colonel Nathan R. Jessup, der Kommandeur der Bodentruppen des US-Stützpunkts, der den Code Red befohlen haben könnte. 

Rezension

Regisseur Rob Reiners wohl bekanntester Film ist „Harry und Sally“, an zweiter Stelle dürfte bereits „Eine Frage der Ehre“ stehen, und in seinem Werk sind nicht nur verschiedene Genres, sondern auch qualitative Schwankungen zu betrachten. Auch die Kritiken zu „A Few Good Men“, wie „Eine Frage der Ehre“ im Original heißt, gehen weit auseinander, sind über überwiegend positiv.

Warum man bei vielen Fakten ohne Not oder dramaturgischen Mehrwert von der Realität der U.S.-Streitkräfte abgewichen ist, erschließt sich zunächst einmal nicht:

  • „Unwürdiges Verhalten als US-Marine“ ist kein Tatbestand nach dem Uniform Code of Military Justice der USA, sondern eine Fiktion, die dem Tatbestand „Unwürdiges Verhalten als Offizier“ nachgebildet ist.
  • Bei den US Marines wird nicht der Begriff „Ten-Hut“ (dt. Stillgestanden), sondern der Begriff „Attention on Deck“ (dt. Achtung an Deck!) verwendet.
  • Bei den US Marines wird und wurde nie der Begriff „Code Red“ verwendet, stattdessen wurde für diese Art von Bestrafung der Begriff „blanket party“ verwendet.
  • Der Name des Stützpunktes wird im Film mit Rosevelt Roads Naval Station angegeben. Der (echte) U.S.-Stützpunkt Roosevelt Roads lag jedoch nicht auf Kuba, sondern auf Puerto Rico. Der Name des (echten) U.S.-Stützpunktes in der Bucht von Guantanamo auf Kuba, auf den sich die Filmhandlung bezieht, lautet Guantanamo Bay Naval Base, oder kurz: GTMO

Guantanamo hingegen hat mittlerweile große und traurige Bekanntheit als Ort des Folterns von Gefangenen erreicht, ein Tatbestand, der zwar ein Licht auf die Art wirft, wie die USA im Anti-Terrorkampf humanitäre Prinzipien verletzen, aber nicht die Verfahrensweisen innerhalb der Streitkräfte erhellt.

Gerichtsdramen, und im Wesentlichen ist dies natürlich ein Gerichtsdrama, finden wir immer spannend und lieben Filme wie „Die zwölf Geschworenen“ oder „Zeugin der Anklage“, aber daran müssen sich andere Filme messen lassen. Denn packende Gerichtsszenen mit feurigen Reden von Anklägern und Verteidigern entwerfen, das erlaubt das amerikanische Gerichtssystem mit seinen Geschworenen, die überzeugt werden müssen, auch wegen der großartigen Dramaturgie mit einem klaren Höhepunkt – dem Schlussplädoyer und dem anschließenden Warten auf die Verkündung der Entscheidung, welche die Geschworenen getroffen haben. Viel hängt davon ab, wie gut der Verteidiger argumentiert und wie er als Mensch auf die Geschworenen wirkt, die  zunächst in der Regel gegen die Angeklagten eingestellt sind.

Wir finden, Tom Cruise als lockerer Jungspund, der sich im Lauf der Handlung als ernsthafter und engagierter Rechtsanwender entpuppt, macht seine Sache gut und wirkt so sympathisch, wie man in seiner Rolle wirken muss, um die Geschworenen auf die Seite der Verteidigung zu ziehen. Die Recherche, die Erfolge und Rückschläge beim Aufbau der Verteidigunglinie sind zwar sehr hollywood-typisch bezüglich der Platzierung und dem Ablauf jedes einzelnen Handlungselementes, außerdem ist das Dreigespann der Verteidiger ein wenig zu sehr Klischee, aber ein anderer Gesichtspunkt hat uns mehr zu schaffen gemacht.

Als Cruises Hauptgegner wird der Stützpunkt-Kommandant Jessup nicht mit der Zeit sichtbar, sondern man weiß, mit wem man es zu tun hat, genau in dem Moment, in dem man Jack Nicholson in dieser Rolle sieht. Es ist so offensichtlich, dass es ein Duell Cruise-Nicholson geben wird, dass ein wenig die Spannung raus ist, die einen Gerichtsfilm überraschend und unvorhersehbar machen können. Sicher, am Ende siegt das Recht oder besser, die Gerechtigkeit, die dem Recht innewohnen kann, wenn man es verständig und nach humanistischen Gesichtspunkten anwendet, aber bis dahin kann viel geschehen, auch mit den Figuren. In „Die Zwölf Geschworenen“ wird das Geschehen zum Beispiel eine Prüfung für die Geschworenen selbst, in „Zeugin der Anklage“ dreht sich die Sichtweise, die wir als Zuschauer auf die Figur der Zeugin bekommen, gleich zweimal komplett, in diesem Fall ist auch das Ende nicht so leicht vorherzubestimmen.

Dass in „Eine Frage der Ehre“ aber alles durchläuft bis zum erwarteten Schluss, liegt an einem Umstand, den wir schon bei den Drehbüchern der Tatorte nicht mögen, wenn wir für die „TatortAnthologie“ schreiben: Am Ende wird nichts bewiesen, sondern ein Geständnis ertrickst, erzwungen oder provoziert. In diesem Fall von Cruise gegen Nicholson erwirkt. Und, ganz ehrlich, in dem Moment verliert der Film seine Glaubwürdigkeit. Ein so versierter Offizier, der außerdem auf dem Sprung zur politischen Karriere ist, mit allen Wassern gewaschen, seit wohl 30 Jahren beim Marinecorps, lässt sich so leicht von einem Jüngling provozieren und gibt einfach eine ungesetzliche Handlung zu, nur, weil er sie selbst als gerechtfertigt empfindet und weil er diesen schmucken Jungspund für alles hasst, was dieser darstellt? Wenn man die Rollen unabhängig vom Altersunterschied umgekehrt besetzt hätte, wäre das vielleicht stimmiger geworden, aber sicher sind wir dessen nicht. Der Druck auf Jessup ist einfach zu gering. Der einzige Zeuge, der gegen ihn aussagen wollte,  hat sich selbst umgebracht und das ausführende Organ, Lt. Kendrick, wurde bereits im Gerichtssaal vernommen und hat dichtgehalten. Klar, Jack Nicholson kann Manicas wunderbar spielen, aber dass ihm hier so der Gaul durchgeht, das wirft nebenbei und sicher nicht gewollt ein schräges Licht auf die Führungsfähigkeit von hohen U.S.-Offizieren in kritischen Situationen.

Natürlich spielen Überzeugungen eine Rolle, im Grunde fühlt sich Jessup ja im Recht, aber ist er als angehender Politiker so dumm, nicht zu spüren, wie sich das Netz zusammenzieht und er sich und seiner Sache mit dem Quasi-Zusammenbruch schadet?

Interessant und zum Nachdenken anregend ist hingegen das Urteil: Mord kann genauso wenig nachgewiesen werden wie Verschwörung zum Mord oder der „Code Red“, der nicht zum Tod des Kameraden Santiago führen sollte, sondern nur zu einer „Blanket Party“. Schon aus Mangel an Beweisen hätten die beiden hier höchstens wegen fahrlässiger Tötung oder (vorsätzlicher) Körperverletzung mit (fahrlässig herbeigeführter) Todesfolge (nach deutschem Recht) verurteilt werden können. Ein Tötungsvorsatz, der wenigstens (nach deutschem Recht) zur Verurteilung wegen Totschlags ausgereicht hätte, war nicht zu ermitteln.

Insofern steht der Mord selbst im Grunde gar nicht mehr im Raum, der Grundsatz „in dubio rpo reo“ gilt auch in den USA – es wirkt aber so, als hätten die Geschworenen auch über diesen Tatbestand zu entscheiden. Die unehrenhafte Entlassung der beiden jungen Soldaten ist aber die eigentlich spannende Geschichte. Sie hätten sich also dem Befehl  zum „Code Red“ widersetzen müssen bzw. ihn nicht ausführen dürfen und ihn an eine passende Stelle weitermelden müssen, es hätte eine Untersuchung gegeben. Aber Dawson war zu sehr auf eine Karriere aus und Downey zu naiv, um diesen Weg zu gehen, außerdem hatten sie natürlich eine wenig freundliche Sichtweise auf den Kameraden Santiago, der mehrfach seine geringe Tauglichkeit für den Job bei den Marines unter Beweis gestellt hat. Wieso er dort überhaupt landen konnte, ist übrigens auch ein Punkt, der beleuchtet werden muss, weil sonst seine schwache Konstitution mehr als fragwürdig geblieben wäre. Blieb sie leider auch trotz der Einlassungen des Arztes, der den Herzfehler hätte feststellen müssen, der den jungen Mann immer wieder leistungsmäßig abfallen ließ. Selbst in weniger elitären und physisch fordernden Einheiten als dem Marinecorps sollte jemand, der solche Auffälligkeiten zeigt, nicht einem Code Red, sondern einer eingehenden ärztlichen Untersuchung unterzogen werden.

Finale

Sachlich und psychologisch ist „Eine Frage der Ehre“ nicht frei von Schwächen und eine oder zwei davon sind immerhin für die Auflösung des Gerichtsdramas verantwortlich. Was bleibt, ist dieser beinahe unwiderstehliche Glanz, den das U.S.-Militär versprühen kann, der auf visuell geprägte Menschen seine Wirkung nicht verfehlt und nichts mit einer politischen Bewertung zu tun hat, sowie eine beachtliche Darstellerriege, die dem Film eine Festigkeit und Substanz verleiht, die auch beweist, dass gerade in diesem Hochglanzkino, das sich in den 1990ern durchsetzte, Starpower durch nichts zu ersetzen ist als durch noch mehr Starpower. Die Moral kann man immerhin so interpretieren, dass Soldaten nicht jeden Befehl ausführen dürfen, zumal der „Code Red“ gegen die Dienstvorschriften ist.

Wie junge Leute sich gegen eine im Film als gängig dargestellte Übung auflehnen sollen, in einem so straffen System wie dem der Marines, ist eine andere Frage. Es geht ja nicht um ein Massaker an hilflosen Zivilisten, wie bei der SS (die an einer Stelle auch ins Spiel gebracht wird und deren Handeln, das wird ebenfalls richtig dargestellt, nicht mit dem von Dawson und Downey vergleichbar ist), sondern um einen Vorgang, der zwar erniedrigend ist und eine Form von Mobbing darstellt, aber nach aller Erfahrung für den Gedemütigten und illegal Gemaßregelten nicht tödlich verläuft. Wie hoch man die innere Unabhängigkeit von Menschen stellen darf, die durch ihren Drill bei der Armee bewusst einer Persönlichkeitsveränderung im Sinn der Kampffähigkeit und dem Corpsgeist und gegen die individuelle Entscheidungskraft und das Nachdenken über unterzogen werden, ist eine Frage, über die man über das hinaus diskutieren müsste, was der Film zeigt. Nach allem, was US-Filme über ihre Streitkräfte zeigen, wird dort nicht, wie die innere Führung der Bundeswehr es idealerweise vorsieht bzw. in den Jahren der Wehrpflichtigen-Armee vorsah, der „Bürger in Uniform“ propagiert, sondern ein Typus, der seine Bürgerlichkeit schon beim Einrücken abgibt und zur reinen Kampfmaschine gedrillt wird. Diese jungen, noch sehr formbaren Männer, oft aus unterprivilegierten Schichten stammend, haben sich außerdem für ein Leben in der und für die Armee entschieden und gehen nicht, wie der übliche Wehrpflichtige, nach kurzer Zeit wieder zurück ins Zivilleben und haken die Wehrdienstzeit als interessante, manchmal amüsante Episode ab.

Diese Profis sind auf absolute Zuverlässigkeit untereinander ebenso angewiesen wie auf den Glauben an die Mission ihrer Truppe und ihres Landes – und sollen doch einen Befehl, an dessen Logik sie vielleicht trotz seiner Illegalität sogar glauben, ablehnen? Wir meinen, der Film ist an dieser Stelle, falls er das ansinnt, nicht ganz ehrlich und überspannt bewusst die Aufforderung  zur Bildung von geistigen Abwehrkräften bei diesen kaum 20jährigen Soldaten. Deswegen ist es auch nicht frei von Ironie, wenn Kaffee am Ende zu Dawson sagt, „Sie müssen kein Abzeichen tragen, um Ehre zu besitzen“, wobei der auf die unehrenhafte Entlassung von Dawson abzielt.

Wird der schmucke Karrierist Kaffee dem honorablen afroamerikanischen Ex-Marinesoldaten einen guten Job besorgen, wenn dieser vielleicht keine zivile Ausbildung hat und im CV die unehrenhafte Entlassung als markantestes Faktum zu lesen ist? Vielleicht kann Dawson ein Jurastudium beginnen und als Strafverteidiger seine eigenen Erfahrungen in den Kampf für die Gerechtigkeit einsetzen. In den USA ist bekanntlich alles möglich. Ironiefaktor: Keine hundert Prozent.

71/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Rob Reiner
Drehbuch Aaron Sorkin
Produktion David Brown,
Rob Reiner,
Andrew Scheinman
Musik Marc Shaiman
Kamera Robert Richardson
Schnitt Robert Leighton,
Steven Nevius
Besetzung

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