Filmfest 769 Cinema
Es war nicht lange genug her
So wie wir waren (Originaltitel: The Way We Were) ist ein US-amerikanischer Liebesfilm aus dem Jahr 1973. Bei der deutschen Erstaufführung lief er unter dem Titel Cherie Bitter. In der DDR hieß der Film Jene Jahre in Hollywood.
Mittlerweile sind die späten 1960er und die 1970er eine bevorzugte Epoche, wenn es darum geht, ungewöhnliche, neuartige, interessante Filme für die Anthologie dies Wahlberliners zu sichtenund über sie zu schreiben. Dieses Faible für New Hollywood besteht noch nicht so lange, umso erstaunter sind wir immer wieder, wie frisch die Filme waren, die damals gemacht wurden. Es war der letzte große Aufbruch, bevor sich das Kino auf den heutigen, nur noch technisch wesentlich weiterentwickelten, bequemen Blockbuster-Standard festgefahren hat. Um das nicht wie ein Verdikt wirken zu lassen, fügen wir anlässlich der Veröffentlichung sieben Jahre nach der Entstehung des Entwurfs hinzu: Selbstverständlich gibt es immer noch herausragendes Kino und die letzten Jahre haben uns vermehrt in die 1990er, 2010er und 2010er geführt, mit der Erkenntnis: Die Geschichte ist nicht zu Ende. Ist hingegen „So, wie wir waren“ eine New-Hollywood-Entdeckung?
Handlung (1)
Der Film erzählt die Geschichte der Liebe zwischen Katie Morosky und Hubbell Gardiner. Katie und Hubbell begegnen sich in den 1930er Jahren an der Universität. Katie ist eine jüdische Marxistin, die an der Uni für den Frieden kämpft. Hubbell ist ein gutaussehender Student aus reichem Hause, der sich mit seinen Freunden über die engagierte Katie lustig macht. Während sie sich ihr Studium als Kellnerin verdient, ist Hubbell Gast des Restaurants, in dem sie arbeitet. Beide haben trotz aller Unterschiedlichkeit eine Gemeinsamkeit: Eine Leidenschaft für das Schreiben. Katie hält Hubbell für einen äußerst talentierten Schriftsteller, dem sie eine große Zukunft voraussagt.
Jahre später, während des Zweiten Weltkriegs, sehen sie sich in einer Bar in New York City wieder. Katie arbeitet für das Radio und Hubbell ist als Marineoffizier auf Fronturlaub. Aus den beiden wird ein Paar. Nach dem Krieg gehen sie nach Hollywood, wo Hubbell Karriere als Drehbuchautor beim Film macht. Für Katie bedeutet das eine Verschwendung seines Talents. In der Zeit der McCarthy-Hysterie wird Katies Vergangenheit als Marxistin beiden zum Verhängnis. Katie ist nicht kompromissbereit, während Hubbell ein Talent dafür hat, sich jeder Gegebenheit anzupassen. Sie beginnen sich wieder zu entzweien. Katie wird schließlich schwanger, doch Hubbell hat während der Schwangerschaft eine Affäre mit der attraktiven Carol Ann. Die Ehe ist endgültig zerstört.
Jahre später treffen sich Katie und Hubbell in New York vor dem Plaza Hotel zufällig wieder. Er schreibt Drehbücher für Sitcoms. Sie, inzwischen wieder verheiratet, ist immer noch politisch engagiert und verteilt Flugblätter. Sie erinnern sich an die alten Zeiten, so wie sie damals waren. Doch die Vergangenheit bleibt Vergangenheit. Sie gehen in Zukunft weiterhin getrennte Wege.
Rezension
„The Way We Were“ haben wir nie zuvor gesehen, schon deswegen und natürlich wegen der Paarung der damaligen Superstars Barbra Streisand und Robert Redford ein Muss. Es sollte das einzige Teaming der beiden bleiben, und das erklärt sich für uns nicht zuletzt aus diesem Film. Sehr wohl wurde Barbra Streistand für ihre Rolle der roten Aktivistin Katie mit einer Oscarnominierung bedacht, verlor aber gegen Glenda Jackson in „A Touch of Class“. Sehr wohl war Robert Redford für den Hauptrollen-Oscar nominiert, aber nicht für „The Way We Were“, sondern für „The Sting“, die Gaunerkomödie, in welcher er mit Paul Newman zusammen spielte, und, immerhin, diese Paarung hatte sich bereits in „Butch Cassidy And the Sundance Kid“ (1969) bewährt. Aber auch für „The Sting“ gewann Redford nicht, der wichtigste Schauspieler-Oscar ging an Jack Lemmon in „Save the Tiger“. Sowohl den Jackson- als auch den Lemmon-Film haben wir noch nicht gesehen, können uns also kein vergleichendes Urteil erlauben.
Aber eines teilt „The Way We Were“ auf jeden Fall mit „The Sting“: Die Idee, die 1930er bzw. die 1930er bis frühen 1950er Jahre wieder auferstehen zu lassen. Und in beiden Fällen gelingt der Versuch höchstens halb, in „The Sting“ etwas besser. Entweder waren die 1970er noch zu dicht dran, oder man war nicht gewillt, den Stil und die Atmosphäre der 1930er tatsächlich nach New Hollywood zu übernehmen und so entstanden Mischprodukte, denen es an dem Feeling mangelt, das interessanterweise neuere Filme besser hinbekommen, obwohl die Mitwirkenden diese Zeit höchstens als Kinder erlebt haben dürften.
Vielleicht ist das so, weil sie präziser in den Dekors, Garderoben, Kostümen sind, weil sie den Slang der dieser mittlerweile recht fernen Zeit mehr imitieren als in jenen Jahren, in denen die Menschen, die während der Depression großgeworden waren, meist noch lebten. Sie konnten aus ihren Erinnerungen schöpfen und befanden daher wohl manches als authentisch, was wir heute nur schwer nachvollziehen können – wenn wir die Filme der 1970er über die 1930er, 1940er usw. mit den echten Filmen aus jener Zeit und jenen vergleichen, die ab den 1980ern entstanden. Dabei war diese Epoche kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, diese Zeit selbst und kurz danach so en Vogue, weil ältere Zuschauer ihre Jugendzeit wiederfinden konnten.
Eines der wenigen Movies, das ein wenig in die Vergangenheit blickt und wirklich super geworden ist: George Lucas‘ „American Graffiti“, der im selben Jahr entstand wie „The Way We Were“ und so viel enthusiastischer und lebendiger wirkt, aber selbst „Der Pate“, ein Jahr zuvor entstanden und ebenfalls in den 1940ern startend, wirkt weitaus mehr wie ein überzeitlicher Mafia-Film als wie ein Zeitdokument der Dekade. Der letzte Film dieser Revival-Serie, den wir gesehen haben, war „New York, New York“ (1977), der bekommt das Stimmungsmäßige schon ein wenig besser hin. Man kann sich natürlich auch im Dekorieren überbieten und dabei einen retrospektiven Ästhetizismus schaffen, der wenig Inhalt bietet, auch diese Filme gab es – aber der erste Film, der die 1920er und 1930er wirklich mit hoher Authentizität auf die Leinwand brachte, ist nach unserer Ansicht erst zehn Jahre nach „The Way We Were“ und den vielen anderen Rückblicken jener frühen 1970er entstanden: „Es war einmal in Amerika“. Wir wollen allerdings „Chinatown“ (1974) nicht vergessen, weil er die Synthese zwischen 30 Jahre zuvor und Jetztzeit erstmalig perfekt schafft – auch durch die konsequentere Stiladaption gegenüber Filmen wie „The Way We Were“.
Beim Streisand-Redford-Film kommen aber weitere Probleme hinzu, und zu ihnen gehört ausgerechnet der schöne, melancholisch-liebevolle Titelsong, den Barbra Streisand selbst interpretiert. Das ist ein Stück, wie es nur in den späten 1960ern oder 1970ern entstehen konnte und führt ganz weit weg von der Stimmung der 1930er. Es wäre noch angegangen, wenn der Film in den 1970ern geendet hätte, aber das tut er nicht – der Schlusspunkt liegt um 1955, der Punkt, von dem aus die damaligen Geschehnisse betrachtet werden, ist hingegen nicht definiert, ein weiterer Fehler, weil er dem Film die epische Distanz nimmt. Die Handlung ist abgeschlossen, aber „So, wie wir waren“ klingt doch nach einem langfristigen Überblick über die Entwicklung von Charakteren, den es so nicht gibt, die beiden Teile des Paares bleiben statisch und, das ist immerhin konsequent, scheitern an dieser Unveränderbarkeit. Das Scheitern war damals vorzeigbar (siehe auch hier: „New York, New York“ als weiteres Beispiel), und wir haben kein Problem mit dem Scheitern an sich – wenn es eine gewisse Tragik beinhaltet und wenn es etwas aussagt.
Das aber ist hier nicht der Fall. Und das liegt gleichermaßen an der zu glatten Inszenierung wie an der dadurch zu glatten Schauspielerführung. Es regt sich während des ganzen Films lediglich Katie hin und wieder ein wenig auf, aber nicht so, dass wir dafür eine Oscarnominierung vergeben hätten. Die politischen Diskurse sind dafür auch zu rudimentär gehalten, es dampft nicht, wie wir es aus den Medienberichten jener Zeit und aus den Biografien von Hollywoodkünstlern herauslesen, die auf die Schwarze Liste kamen, die Kollegen, die sich solidarisierten, die Feiglinge, die unter Druck vor den HUACs aussagten und die überzeugten Rechten, die andere mit Genuss in die Pfanne hauten. Diese Gemengelage, die künstlerische Teams auseinanderriss und Freundschaften und Karrieren zerstörte, ist hier zu salonhaft dargestellt. Man hat nie das Gefühl, dass einer der beteiligten Personen wirklich etwas passieren könnte. Das liegt auch an der Zeichnung von Hubbell, der schlicht keine Existenzsorgen kennt und daher auch das Ringen um den besten künstlerischen Ausdruck beim Schreiben nicht als etwas Existenzielles begreift. Insofern ist es richtig dargestellt, dass er am Ende TV-Soaps schreibt, wie so viele Drehbuchautoren, bei denen es für die großen Kinowürfe nicht gereicht hat oder die aus der Mode kamen. Aber ist es interessant? Ist der Typ nicht viel zu nett und gleichgültig?
Und ist, im Gegenzug, Katie nicht zu wenig radikal? Sie wird nie inhaftiert oder auch nur observiert. Nicht persönlich jedenfalls. Eine der besten Szenen des Films ist dennoch, wie ein Gemälde hochgezogen wird, um eine Leinwand freizugeben, und das Gemälde zerreißt durch den Draht, an dem das Überwachungsmikro befestigt ist. Es gibt noch zwei, drei weitere Szenen, unter anderem die zwischen Hubbell und seinem Freund J.J. auf der Segeljacht – eine der ersten Szenen dieser Art in den USA, die nicht mit Rückprojektion gedreht wurden. Ausgerechnet in einem Moment mit zwei Männern kommt die Romantik auf, die der Film ansonsten und die vor allem das Verhältnis zwischen Hubbell und Katie vermissen lässt und welche die starke Bindung trotz so unterschiedlicher Ansichten und Temperamente hätte erklären können.
Finale
Die Kombination der Schauspieler und der Inzsenierungsstil, die sehr 1970er-hafte Stimmung und der Mangel an Tiefe im Politischen wie im Privaten lassen den Film heute verblassen im Vergleich mit vielen anderen wichtigen, manchmal atemberaubend neuen und dichten Werken der 1970er, aber diese 1970er sind auch ein Jahrzehnt mit einer vergleichsweise hohen „Ausfallquote“ – mit vielen Filmen, die rasch gealtert sind, weil sich ihr Stil nicht durchgesetzt hat, weil sie einen Irrweg beschritten haben. Manches wirkt noch einmal sehr experimentell, beinahe wie damals, als die Bilder laufen lernten, aber ein ehrenwerter Fehlschlag ist allemal mehr zu beachten als ein Film, der so auf Nummer sicher setzt wie „The Way We Were“ mit zwei der damaligen Superstars. Beim Publikum funktioniert das heute noch, die IMDb weist einen nicht so schlechten Schnitt von 7,1/10 (2022: 7,0/10) bei allen bewertenden Nutzern aus, die User von Rotten Tomatoes werten sogar mit 82/100. Die Kritiker auf demselben Portal jedoch verbleiben bei einem Durchschnittsscore von 63/100, und in diesem Bereich fühlen wir uns auch eher zuhause, wenn wir auf „So, wie wir waren“ blicken.
Das zu Glatte, das wir bemängelt haben, erklärt sich unter anderem hieraus:
(…) Um den Unterhaltungswert nicht zu mindern, wurden Sequenzen, die sich kritisch mit den repressiven Praktiken der McCarthy-Ära auseinandersetzen, vor dem Start des Films geschnitten.“ – Lexikon des internationalen Films[3]
62/100
© 2022 Der Wahlberliner, Alexander Platz (Entwurf 2015)
(1), kursiv, zitiert, tabellarisch: https://de.wikipedia.org/wiki/So_wie_wir_waren
Regie | Sydney Pollack |
Drehbuch | Arthur Laurents |
Produktion | Ray Stark |
Musik | Marvin Hamlisch |
Kamera | Harry Stradling Jr. |
Schnitt | John F. Burnett |
Besetzung | |
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