Frontpage | Wirtschaft, Geopolitik | Energiepreise und Abfederungsmaßnahmen
Liebe Leser:innen,
es wird Sie nicht sehr überraschen, dass unter den hohen Energiekosten, die wir derzeit sehen, die ärmeren Haushalte am stärksten leiden:
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC-BY-ND erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar:
Die Preise für Energie sind durch den Krieg in der Ukraine stark gestiegen. Einkommensschwache Haushalte werden dabei durch die stark gestiegenen Energiekosten stärker belastet als mittlere oder einkommensstarke Haushalte. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis einer Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Studie untersucht, wie private Haushalte in Deutschland durch steigende Energiepreise belastet und durch Maßnahmen der Regierungskoalition entlastet werden. Dieser Belastungssaldo ist bei den einkommensschwächsten 10 Prozent der Haushalte (1. Dezil) mit Plus drei Prozent am größten. Die Belastung mittlerer Einkommen wachsen unterm Strich um 2,4 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, die einkommensstärksten 10 Prozent der Haushalte (10. Dezil) hingegen lediglich um 1,3 Prozent.
Autor der Studie, Dr. Stefan Bach, fordert die Ampelkoalition auf, inhaltlich nachzubessern: „Die Entlastungspakete fangen mittelfristig nur einen Teil der Kosten auf. Es gibt also weiteren Handlungsbedarf für die Politik, wenn die hohen Energiepreise wie zu erwarten anhalten werden. Künftige Entlastungspakete sollten stärker auf die Geringverdienenden konzentriert werden, insbesondere über höhere Sozialleistungen.“
Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat zwei Entlastungspakete beschlossen, die derzeit zügig umgesetzt werden. Sie umfassen ein Entlastungsvolumen von insgesamt knapp 29 Milliarden Euro oder 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Unter anderem wird die EEG-Umlage in Höhe von gut 3,72 Cent je Kilowattstunde (kWh) wird ab Juli 2022 abgeschafft. Auf Jahresbasis 2022 ergibt sich somit eine Entlastung von etwas mehr als 1,86 Cent je kWh. Außerdem erhalten Erwachsene, die existenzsichernde Leistungen der Grundsicherung (für Arbeitsuchende und im Alter) beziehen, eine Einmalzahlung von 200 Euro. Ein Einmalbonus beim Kindergeld in Höhe von 100 Euro je Kind kommt allen Familien zugute, einschließlich solchen, die Grundsicherungsleistungen beziehen. Außerdem erhalten Erwerbstätige eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro. Die Pauschale ist einkommensteuerpflichtig, dadurch wird sie mit dem individuellen Grenzsteuersatz abgeschmolzen.
Die Preise steigen schon seit 2020 viel zu stark, doch der Ukraine-Krieg hat für zusätzlichen Auftrieb gesorgt. Immerhin, der Autor der Studie findet das, was Sie oben in Form einer Statista-Grafik sehen und im Begleittext nachlesen können, nicht gerecht und fordert Nachbesserungen.
Was uns immer wieder belegt, wie die Regierungspolitik tatsächlich gestrickt ist: Das klassistische Prinzip solcher Maßnahmen: Deckelung des Benzinpreises auch für SUV- und Luxusautofahrer? Klar, dass sie am stärksten davon profitieren, weil ihre überdimensionierten Vehikel den höchsten Kraftstoffverbrauch aufweisen. Und noch 100 Euro mehr für Kinder aus der Oberschicht, die sowieso alles haben?
Wenn die Bundesregierung die Maßnahmenpakete einigermaßen gerecht schnüren würde, müssten sie gar nicht viel teurer sein, um viel mehr zu bewirken, weil man sich die Beschenkung der Reichen sparen könnte. Das Problem sieht man allerdings auch in anderen Ländern, die sehr großflächig gegen die Inflationsspirale vorgehen, etwa mit einer generellen Energiepreisdeckelung.
Für die Vermögenden ist nur ein netter Mitnahmeeffekt, was sich für die Bevölkerungsmehrheit essenziell darstellt, um noch über die Runden zu kommen. Über allem klebt freilich das Label „unbürokratisch und schnell“ und verdeckt, dass in hohem Maße jene Haushalte zusätzliche Mittel erhalten, die solche Mittel gar nicht benötigen.
Diese Erkenntnisse haben übrigens auch einen Impact auf unsere Haltung zum BGE, dem bedingungslose Grundeinkommen, das immer häufiger gefordert wird: keinerlei Bedarfsorientierung zu berücksichtigen, ist für uns nach wie vor der falsche Ansatz. Deswegen halten wir eine Umgestaltung der Einkommensteuer in der Form, dass sie eine gleitend-motivierende Funktion erhält, gegenüber dem Gießkannenprinzip für die intelligentere und gerechtere Lösung. Der Zwischenschritt könnte eine diskriminierungsfreie Grundsicherung sein, die tatsächlich die Grundbedürfnisse abdeckt, das wären gegenwärtig etwa 650 Euro monatlich.
Gäbe es sie, müssten nicht umständlich Sonderzahlungen für alles Mögliche ausgekehrt werden, die falsche Anreize setzen und die falschen Adressaten besserstellen; außerdem wäre dies die tatsächlich am wenigsten bürokratische Lösung. Freilich müsste eine solche Anhebung auch mit einer Steigerung des allgemeinen Mindestlohns einhergehen, um das geltende Abstandsgebot zwischen GE / GS und bezahlter Arbeit einzuhalten. Wenn die von der Bundesregierung versprochenen 12 Euro Mindestlohn erreicht sind (inklusive Inflationsausgleich müssten es mittlerweile mindestens 13 Euro sein) dürfte dies jedoch kein Problem darstellen.
TH