Frontpage | Geopolitik | USA, Trump, Biden, Election 2024
Liebe Leser:innen, sehnen Sie sich nach den alten Zeiten zurück, in denen Donald Trump die Welt in Atem hielt und nicht Wladimir Putin? Unmöglich ist nichts. Auch nicht, dass ein 82jähriger alter weißer Mann gegen einen fast so alten weißen Mann ins nächste Rennen um die US-Präsidentschaft geht. Trump wird 78 Jahre alt sein, falls er das Weiße Haus im übernächsten Jahr zurückerobert.
Aber auch die Demokraten haben zu Biden keine strahlenden jüngeren Alternativen, die mehrheitsfähig wären. Vor allem die Enttäuschung über die Statur der Vizepräsidentin Kamala Harris, die eine logische Nachfolgerin gewesen wäre, erwischt die Demokraten auf dem falschen Fuß. Neben der Tatsache natürlich, dass Bidens Beliebtheitswerte immer weiter in den Keller hinabsteigen oder -stürzen. Es gibt aber auch eine besondere Interpretation eines erneuten Rennens zwischen Trump und Biden. Die lesen Sie im Anschluss an die Umfrage von Civey und den Begleittext von Civey im weiteren Kommentar von uns.
Sollte Donald Trump Ihrer Meinung nach im Jahr 2024 erneut als US-Präsident kandidieren?
Begleittext von Civey:
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump könnte möglicherweise in Kürze seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 verkünden. Das berichtet die FAZ unter Berufung auf Berichte amerikanischer Medien. Vor dem Hintergrund der aktuell stattfindenden Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol wird dieser Schritt etwa von ntv als eine Art „Gegenstrategie“ interpretiert.
So soll Trump Mitarbeitern gesagt haben, dass er mit einer überraschenden Ankündigung den Fokus der Berichterstattung verändern wolle. Denn die parlamentarische Untersuchung verläuft kaum zu Trumps Gunsten. Laut FAZ soll es sogar Anzeichen dafür geben, dass das Justizministerium erste Ermittlungen gegen ihn einleitet. Dies könnte laut ntv eine weitere Amtszeit Trumps verhindern.
Obschon Trump amerikanischen Umfragen zufolge weiterhin der populärste, mögliche Präsidentschaftskandidat unter den Republikanern ist, mehren sich in seiner Partei auch Zweifel. Eine seiner größten Kritikerinnen ist die US-Kongressabgeordnete Liz Cheney. Sie hat ihn jüngst „eine innenpolitische Bedrohung“ genannt, mit der das Land noch nie zuvor konfrontiert gewesen sei. Selbst sein Sohn Donald Trump Junior riet ihm der New York Times nach, nichts zu überstürzen und zunächst ein schlagkräftigeres Wahlkampfteam aufzubauen.
Mögen Sie Joe Biden mehr als Donald Trump? Wir finden ihn nicht so schrecklich, aber eines darf man natürlich nicht erwarten: Dass sich die Parameter der imperialistischen amerikanischen Außenpolitik groß ändern werden, egal welcher Menschentyp das Amt des Präsidenten innehat. Ob Trump dem Land diesbezüglich mehr geschadet hat als Biden oder Trumps demokratischer Vorgänger Barack Obama ihm genützt oder den Westen ebenfalls weiter in einer schwierigen Lage haben verharren lassen, ist hier nicht unser Thema, Sie sind informiert, denken wir, und haben eine Meinung dazu. Aber auch für uns war es ein wenig überraschend, was das RND gestern getitelt hat:
„Unter einem Haufen ungünstiger Umfragen hat das Weiße Haus jetzt immerhin eine entdeckt, die Hoffnung macht. Gegen einen Kandidaten Donald Trump könnte Joe Biden 2024 noch einmal gewinnen. Sollen die Demokraten jetzt auf eine Kandidatur Trumps hoffen?“ (Q1-220713)
Die Amerikaner sind gegenwärtig geplättet von 8 Prozent Inflation, aber der Wendepunkt, der Biden unbeliebt machte, war der chaotische Abzug aus Afghanistan, der wieder einmal offenlegte, dass die westliche Art, global Politik zu machen, immer weniger funktioniert. Im Grunde gibt es seit Jahrzehnten keine wirklichen Siege mehr. Das schlägt ebenso aufs Gemüt wie die innenpolitischen Probleme, die sich immer mehr häufen. Auch bei uns ist die Gesellschaft gespalten, aber was sich in den USA abspielt, ist noch bedenklicher, weil das Land so mächtig ist.
Warum aber ist Trump, der beste Spalter, den die USA bisher, zur Freude der Antiwestler bisher aufzubieten hatten, die (einzige?) Chance für Biden auf eine Wiederwahl?
Immerhin fanden Bidens Leute dieser Tage zumindest ein Umfrageergebnis, das ihnen Hoffnung macht: Biden würde im Jahr 2024 erneut die Präsidentschaftswahl gewinnen, wenn sein Gegner Donald Trump heißt. Laut New York Times/Siena College schlägt Biden Trump mit 44 zu 41 Prozent, heißt es in der oben zitierten Quelle weiter.
Während sich die Demokraten mangels Alternativen um Biden scharen, könnte sich bei den Repbulikanern allerdings ein richtiger Machtkampf abspielen. Vor allem der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, würde im direkten Vergleich Biden wohl schlagen können. Auch DeSantis ist ein Hardliner, es gibt bei den Republikanern fast nur noch solche, die Aussichten auf ganz hohe Ämter haben. DeSantis hat aber weder die Skandalbehaftung wie Trump vorzuweisen, noch wirkt er, als ob ein kleines Kind einen zu großen Sandkasten namens Weltpolitik ganz für sich allein haben will und die Weltpolitik dadurch infantilisiert wird. Er ist eher der klassische Politikertyp rechter Prägung, den die republikanischen Wähler kennen und schätzen. Tritt Trump noch einmal an, könnte Biden auch Stimmen von Wechselwählern der in den USA ziemlich kleinen Mitte erhalten, aber auch von Anhängern der Republikanern, die Trump mit seiner allzu brutalen Art vertreiben würde. Auch in den USA gibt es Menschen, die politisch rechts stehen, aber ein gewisses Grundmaß an Manieren schätzen, wenn es um die Repräsentation ihres Landes geht. Der Clash zwischen Elon Musk und Donald Trump, der sich gerade abspielt, mag dafür sinnbildlich stehen.
Die Konsequenz wäre also: Wer die Republikaner und u. a. eine Zerstörung der Frauenrechte verhindern will, muss oben angeben, dass Trump bitte auf jeden Fall noch einmal antreten soll. Wir haben das trotzdem nicht getan. Wir leben nicht in den USA und wir können die emotionale Karte spielen: Dieser Typ ist einfach unmöglich, wirkt komplett unberechenbar und das ist das Letzte, was die Welt in der aktuellen Lage brauchen kann. Ihm wäre zum Beispiel zuzutrauen, dass er die Ukraine und die dort involvierten Europäer einfach mal hängen lässt, weil ihm irgendwas an der NATO nicht passt. Dies, nachdem die USA zuvor sehr daran interessiert waren, den Westen möglichst geschlossen auf die Seite der in diesem Fall tatsächlich Angegriffenen zu bringen.
Gewisse Strategen in Washington würden ihn dabei vielleicht sogar unterstützen, ab dem Moment, in dem dieser Krieg keine geopolitischen Vorteile mehr bringen kann. Ohnehin gibt es in den Bewegungen der USA innerhalb der grundsätzlichen Kontinuität einer Dominanz-Doktrin viele fragwürdige und nicht sehr gut geplante Schritte, die auch bestimmte Verschwörungstheorien fragwürdig wirken lassen: So gut und demgemäß perfekt im ruchlos sein, wie deren Anhänger glauben, sind die USA nicht und auch dort gibt es widerstreitende Interessen und machtvolle Gruppen mit unterschiedlicher Ausrichtung, deren Uneinigkeit immer wieder für Reibungsverluste sorgt. Es ist eben doch nicht wie in China. Nicht wie in einer Diktatur. Da gibt es keine Probleme, die durch widerstreitende Interessen entstehen. Zumindest keine, die für Schlagzeilen sorgen und Wähler beeinflussen könnten, die es im demokratischen Sinne ebenfalls nicht gibt.
Ein solcher Widerstreit sind grundsätzlich Wahlen und vor allem die Meinungsbilder vor Wahlen, die veröffentlicht werden. Insbesondere, wer schon im Amt ist und wiedergewählt werden will, muss das Risiko einschränken, die Wähler:innen zu vergrätzen und kann dadurch nicht handeln wie z. B. der ehrenwerte Herr Xi: Solange ungestört, wie die eigene Entourage nicht meutert. Bei Trump war das häufig der Fall, deswegen pflastern spektakuläre und das Clowneske seiner Politik unterstreichende Entlassungen wichtiger Berater:innen mit anschließenden Formalbeleidigungen seine bisherige Amtszeit als Präsident. Solche Vorgänge behindern die Effizienz der Arbeit und können Prioritätensetzungen verändern, schaden der Stabilität und dem Ansehen einer Administration. Bei Biden ist all dies nicht zu beklagen. Schon dieser Unterschied ist sehr viel angenehmer, weil es mehr Verlässlichkeit ausstrahlt und Biden schlichtweg normal wirken lässt.
Nein, auch wenn der Schrecken vor einer Wiederwahl Trumps Bidens Chance sein sollte, wir haben mit gegenwärtig fast 80 Prozent der anderen Abstimmenden ganz ohne Um-die-Ecke-Denken dagegen votiert, dass Trump noch einmal antreten soll. Die Schäden, die Trump der Demokratie als Staatsform zugefügt hat, sind für uns schlicht ein zu hoher Preis gewesen für vier aufregende Jahre. Und erst, falls es doch anders läuft und er gewinnen sollte, was dann? The Real Donald again, noch älter, noch wüster, noch ungehemmter, weil danach eh Schluss ist? Es sei denn, er schafft es auch noch, die Regel zu kippen, dass Präsidenten nur einmal wiedergewählt werden können. Unmöglich ist seine Wiederwahl nicht, wenn die Lage in den USA weiterhin wirtschaftlich angespannt bleibt und sich die geostrategischen Dinge weiterhin ungünstig entwickeln. Der oben erwähnte Abstand zwischen Biden und Trump in der Wählergunst ist denkbar gering. Noch einmal vier Jahre mit Trump könnten den Westen endgültig auseinanderbrechen lassen. Wer wiederum darauf zielt, kann sich ihn nur wünschen. So weit gehen wir mangels einer strahlkräftigen Alternative, einer besseren, ehrlicheren Demokratie und ohne Aussicht auf eine gerechtere Weltordnung als die aktuelle, aber nicht. Eine solcher Global New Deal zeichnet sich nicht einmal in Ansätzen ab, und darauf muss der Fokus endlich gerichtet werden: mehr Druck zu entwickeln, damit sich das ändert. Mit Trump an der Spitze des nach wie vor mächtigsten Landes der Erde absolut unmöglich.
TH