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Wir wollten den heutigen Info-Artikel nicht unbedingt wieder mit einem Negativthema gestalten, wir haben uns in den letzten Tagen über die aktuellen Entwicklungen auch genug geärgert. Doch in diesem Fall eilt es etwas. Die Grafik, die wir unten zeigen, ist wichtig und sie verliert an Aktualität, wenn wir sie noch länger liegen lassen. Es geht um den Wert des Geldes, dieses Mal nicht in Form von dessen Verlust durch Inflation, sondern Verlust durch Schwäche der Währung gegenüber anderen Währungen. Selbstverständlich gibt es Zusammenhänge, die erklären wir weiter unten. Zunächst: Der Euro steht gegenüber dem Dollar aktuell so schwach wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Der Euro ist zum ersten Mal seit etwa 20 Jahren wieder (nur, A. TH) einen US-Dollar wert. Im Jahr 2002 kurz nach der Einführung des Euros als offizielles Bargeld hatten die Währungen zuletzt Parität erreicht.
Der US-Dollar hat auch gegenüber anderen Währungen deutlich an Boden gewonnen. Vor allem die hohe Inflationsrate in den USA, welche die Federal Reserve zu einer weiteren Anhebung des Leitzinses zwingt, lässt den Kurs steigen.
Gleichzeitig belastet die Energiekrise als Folge der Sanktionen gegen Russland den europäischen Markt und schwächt den Euro. Wie die Statista-Grafik mit Daten der Deutschen Bundesbank zeigt, ist der Eurokurs seit Anfang des Jahres steil gefallen – gegenüber dem Dezember 2021 ist der Euro rund 13 Cent weniger Wert. Im Juni hat die relative Differenz zum Vorjahresmonat 12,3 Prozent betragen.
Am 21. Juli soll der Leitzins im Euroraum zum ersten seit 2011 wieder angehoben werden und dem Euro somit etwas Aufwind verleihen. Im Gegensatz zur Federal Reserve oder Bank of England, plant die Europäische Zentralbank allerdings nur mit einer leichten Erhöhung von 0,25 Prozentpunkten.
Schön für den Dollar, dass er insgesamt stark ist, weil die Federal Reserve, die US-Notenbank, sich traut, die Zinsen mehr anzuheben, als das bei anderen Zentralbanken der Fall ist. Das tut sie, um die heimische Inflation, die derzeit bei 8 Prozent liegt, in den Griff zu bekommen. Das Gleiche ist Mist für den Wert des Euro, denn die EZB kann so nicht vorgehen, um den Euro auf gutem Kurs zum Dolalr zu halten. Zigtausende Zombie-Unternehmen und einige finanzschwache Staaten würden im Euroraum pleitegehen, wenn die Zinsen so angehoben würden, dass eine ernsthafte Inflationsbekämpfung möglich wäre. Nur durch die megabillige Verschuldungsmöglichkeit für alle und weil die EZB auch noch die dabei entstehenden Schuldpapiere aufkaufte, sodass sie keine Abnehmer an den in diesen Dingen mehr oder weniger unbestechlichen Märkten zu finden brauchten, konnte der Euro nach der Bankenkrise gerettet werden. Zulasten einer fundamentalen Gesundung der Wirtschaft und eines Innovationsschubs, der wieder einmal auf die lange Bank geschoben werden konnte, weil Reformen als nicht notwendig erschienen. Was hat dieser Verfall des Euros aber für uns zu bedeuten?
Das Billiggeld hat natürlich geholfen, z. B. günstige Baukredite zu organisieren, aber auch dabei, verschiedene Blasen, wie die Aktienblase und die Immobilienblase, herauszubilden. Für die Verbraucher verteuert der schwache Euro vor allem die Preise für Importe, ebenso freilich für die Industrie, Rohstoffe und Vorprodukte betreffend. Alles, was aus dem Nicht-Euroraum kommt, wird teurer, sofern Verträge nicht in Euro abgeschlossen werden. Meist ist das nicht der Fall, die Welthandelswährung ist nach wie vor der US-Dollar. Dafür kann die Exportindustrie billiger Waren im Nicht-Euro-Ausland absetzen, das ist für die exportlastige deutsche Industrie ein nicht zu unterschätzendes Plus. Die Frage ist, was dabei für die Verbraucher herauskommt. Was haben wir von den Gewinnen, die dadurch entstehen? Relativ wenig, wenn sie nicht verwendet werden, um die sozialen Netze zu verbessern, sondern z. B. Unsummen ins Militär zu stecken oder Aktionären hohe Dividenden zu zahlen, zu denen die meisten von uns nicht gehören. Auch, dass Aktienkurse mit den Gewinnen steigen können, privilegiert nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung, nämlich diejenigen, die Aktien nicht nur besitzen, sondern (auch) mit ihnen handeln und Kursschwankungen ausnutzen.
Außerdem machen manche Unternehmen in dieser Lage keine höheren Gewinne. Immer dann nicht, wenn die Einfuhren sich so stark verteuern, dass sie die Preisvorteile bei der Ausfuhr mindestens auffressen. Wann das der Fall ist, hängt wiederum stark davon ab, wie hoch der Anteil an Beschaffungskosten für Rohstoffe an allen Kosten der Produktion ist und welche Rohstoffe gerade besonders stark im Preis anziehen. In einigen Industriebranchen, besonders der Metallverarbeitung, sind die Rohstoffbeschaffungskosten anteilig weitaus höher als z. B. die Personalkosten. Dann kann es passieren, dass auch die günstigeren Exportmöglichkeiten die höheren Rohstoffbeschaffungskosten nicht ausgleichen. Hier haben wir ein historisches Bild, heute erstellt. Der Dollar und der Euro liegen tatsächlich genau gleichauf, von den Nachkommastellen ab 3 aufwärts abgesehen, die hier nicht ausgewiesen sind:
Was uns eher gewundert hat als die gegenwärtige Euro-Dollar-Parität, ist, dass es der Euro einmal auf 1,38 Dollar geschafft hatte, das war 2014, wie die Statista-Grafik ausweist. So stark war die Eurzonenwirtschaft doch nach der Bankenkrise nie, dass ein solcher Anstieg gegenüber dem US-Dollar gerechtfertigt gewesen wäre.
Da die Statista-Grafik nur bis ins Jahr 2012 zurückreicht, hat uns etwas ganz Bestimmtes interessiert. Wie sah es vor einem Ereignis aus, das in ebenjenes Jahr 2012 fällt? In der Tat gibt es Erstaunliches zu berichten. Am höchsten stand der Euro im Jahr 2008, kurz vor dem Einsetzen der Bankenkrise, nämlich auf 1,58 Dollar. Das war natürlich gut, um hierzulande eine niedrige Inflation zu erzielen, bewog aber auch viele Produzenten, in den Dollarraum zu gehen, weil die Exporte sich verteuerten. Aber auch hier: Es hat uns doch erstaunt, wie stark die europäische Wirtschaft trotz der damals schon viel zu hohen Staatsschulden von den Märkten eingeschätzt wurde. Diese für den Wert des Euro goldenen Zeiten gab es niemals wieder. Nach der Bankenkrise schwankte das Verhältnis zwischen Dollar und Euro ziemlich stark, aber in einer überschaubaren Bandbreite von 1,25 bis 1,40 Euro. Mit einer deutlichen Tendenz zum Fallen im Juni 2012. Dann kam der sogenannte Draghi-Effekt, der den Euro wieder steigen ließ. Ganz klar, wenn ein Notenbankchef, und EZB-Chef war der heutige italienische Ministerpräsident damals, so etwas sagt, dann hat das eine Wirkung, im wirtschaftlichen größten Währungsraum der Welt:
Am 26. Juli 2012 äußerte Mario Draghi die folgenden Worte:
“Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough.”
„Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“
Die durch die Eurokrise verunsicherten Finanzmärkte beruhigten sich daraufhin, dies wurde auch als Draghi-Effekt bezeichnet. Das Auspacken sehr großer geldpolitischer Instrumente wurde seitdem auch als geldpolitische Bazooka oder Dicke Bertha bezeichnet.
Danach begannen die oben erwähnten Anleihekäufe im großen Stil, die verhinderten, dass die europäische Wirtschaft und dass europäische hochverschuldete Staaten sich überhaupt noch an den Märkten beweisen mussten. Zum Teil jedenfalls, alles hat die EZB natürlich nicht aufgekauft, was ausgegeben wurde, speziell nicht bei den Unternehmen und andererseits auch die Papiere von Hochbonitätsstaaten wie Deutschland ins Portfolio genommen, um den Euro nicht zu sehr zu belasten.
Wenn aber der Hauptverantwortliche glaubt, dass eine Währung diese Art von Geldkreislauf aushält, glauben auch die Märkte erst einmal daran, dass die Politik des fast unbegrenzten Gelddruckens funktionieren müsste, denn eine Zentralbank kann ja eigentlich nicht fallieren.
Eine Zeitlang hat es geklappt, weil trotzdem die Inflation niedrig blieb, was wiederum auf die fundamentale Schwäche der europäischen Wirtschaft verweist. Und es hat weiter funktioniert, obwohl der Euro schon bald darauf wieder fiel (2014). Er fiel auf 1,05 Dollar, fast so wenig heute, bis Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten ihn wieder etwas anhob. Noch einmal passierte Ähnliches im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2020, der Unsicherheit wegen, die auf den Märkten lastete. Die US-Wahlen sind freilich nur eine Ursache von mehreren, auch die Wirtschaftsdaten spielen eine Rolle, und die sprechen im Moment absolut nicht für die Eurozone, wegen der Abhängigkeit einiger ihrer Staaten von russischen Rohstoffen.
Diese ist viel stärker ausgeprägt ist als in den USA. Die Rezession in Europa ist ein reales Szenario für die nächste Zeit, nachdem bereits Corona insbesondere 2020 für Einschläge gesorgt hat. Nur eine starke Zinsanhebung durch die EZB könnte das Euro-Dollar-Verhältnis schnell drehen und auf eine gesunde Basis von 1,10 bis 1,20 zurückführen. Doch mit winzigen 0,25 Prozent Anhebung der Leitzinsen, die wir wohl am 22. Juli sehen werden, ist es ganz sicher nicht getan. Außerdem belastet auch die Absicht der EZB, die Anleihe-Kaufprogramme beenden zu wollen, den Kurs. Dann was wird aus den überschuldeten Firmen und Staaten jetzt? Welche Kreditzinsaufschläge müssen sie gegenüber Hochbontitätsländern hinnehmen, wenn sie am Markt ihre Anleihen absetzen wollen?
Unsere Prognose: Die EZB wird es nicht hinbekommen, gleichzeitig die Anleihekäufe zu beenden und die Zinsen in einem die Inflation tatsächlich dämpfenden Ausmaß anzuheben. Mindestens ein Ziel wird gecancelt werden müssen. Dadurch wird entweder die sozusagen außerhalb der Lehrbücher verlaufende Situation, die wir nun schon fast 15 Jahre lang haben, fortgesetzt werden, oder uns wird schwindelig werden angesichts der Preissteigerungen der nächsten Zeit, die sich aus den Sanktionsspekulationen, möglicherweise aus realen Gegensanktionen und aus sich verteuernden Rohstoffen und Produkten auch aus anderen Ländern als Russland zusammensetzen.
TH