Der Mann aus dem Süden (The Southerner, USA 1945) #Filmfest 815

Filmfest 815 Cinema

Der Mann aus dem Süden ist ein US-amerikanisches Filmdrama von Jean Renoir aus dem Jahr 1945. Der Film entstand nach dem Roman Hold Autumn in Your Hand von George Sessions Perry. Der Mann aus dem Süden gilt als das Meisterwerk unter den Filmen Renoirs in Hollywood.[1]

Unweigerlich musste ich an „Früchte des Zorns“ denken, besonders, als der Wagen der Familie Tucker sich auf den Weg in die neue Heimat machte, komplett überladen mit Menschen und Hausrat. „The Southerner“ ist nicht so episch wie John Fords preisgekröntes Drama und wir sind fünf Jahre weiter. Während zu Beginn der 1940er Filme über die Armut der Landbevölkerung in Mode waren, kann man sagen, dass dies 1945 bereits ein abflauendes Thema war. Weitere Filme, die man in diesem Zusammenhang erwähnen muss, sind „Von Mäusen und Menschen“ (1942) und Jean Renoirs ersten amerikanischen Film, „In den Sümpfen“. Die Sozialkritik, die in den Filmen enthalten ist, passt aber zu Renoirs kritischem Blick auf die Gesellschaft. Lediglich wendet er sich weg vom Großbürgertum, das er in „Die Spielregel“ (1939) porträtiert hätte, zu den Armen, die er in Amerika vielleicht so nicht vermutet hatte, wie er sie antraf. Das Hauptwerk dieser Serie ist freilich „Früchte des Zorns“ von John Ford (1940).

Handlung

Sam Tucker arbeitet wie seine Ehefrau Nona und sein Onkel Pete als angestellter Baumwollpflanzer. Als sein Onkel eines Tages in der Hitze kollabiert und stirbt, rät er seinem Neffen zuvor noch, sich selbständig zu machen und sein eigenes Getreide anzupflanzen. Sam mietet sich daraufhin von seinem Chef eine nicht mehr betriebene Farm und zieht mit Nona, den beiden gemeinsamen Kindern Jot und Daisy sowie seiner stets launischen Großmutter auf die Farm. Er möchte dort Baumwolle anzupflanzen, doch die Farm ist in einem elenden Zustand und das Land wurde Jahre nicht mehr bearbeitet. Da Sam kaum Geld zur Verfügung hat, kann er nicht in die Farm investieren und muss alle Verbesserungen selbst durchführen.

Das Leben für die Familie Tucker ist hart und erbärmlich, doch das selbständige Leben treibt Sam Tucker an. Weiterer Ärger entsteht durch den benachbarten Bauern Devers, der Sam größtenteils seine Unterstützung verwehrt und schließlich gar seinen geistig gestörten Neffen Finlay das Gemüsebeet der Tuckers zertrampeln lässt. Devers ist ein bitterer Mann, der den Aufbau seiner mittlerweile erfolgreichen Farm in den schwierigen Anfangsjahren mit dem Tod von seiner Frau und einem Kind bezahlen musste. Er gönnt es Sam nicht, dass er es nun einfacher haben könnte, und wäre zudem ebenfalls an der Bewirtschaftung von Sams Land interessiert.

Als Sams Sohn Jot durch einseitige Ernährung an der „Frühlingskrankheit“ erkrankt, rät der Arzt den Tuckers, sich eine Kuh anzuschaffen. Doch das ist finanziell nicht möglich und Denvers erklärt sich auch nicht bereit, etwas Milch zu leihen. Schließlich helfen Sams bester Freund, der Fabrikarbeiter Tim, und der örtliche Ladenbesitzer Harmie mit einer Kuh aus, bald darauf befindet sich Jot auf dem Weg der Besserung. Unterdessen eskaliert der Streit zwischen Sam und Denvers und es kommt zu einer Prügelei, bei der Denvers beinahe seinen Rivalen ersticht. Später beobachtet Denvers, wie Sam im benachbarten einen enorm großen Katzenwels fängt, hinter dem er schon seit Jahren her ist. Das führt zu einem Frieden zwischen beiden Parteien: Denvers lässt sich den Fisch von Sam geben und darf mit dessen Fang angeben, während die Tuckers auf das Wasser sowie das Gemüsebeet von Denvers zugreifen dürfen.

Sam kommt mit seiner Arbeit voran und die Hoffnung auf Erfolg ist plötzlich real. Harmie und Sams verwitwete Mutter heiraten, das Glück der Tuckers scheint perfekt. Da zerstört ein mächtiger Sturm die gesamte Ernte. Nur mit Mühe und Not können sie ihre Kuh aus dem reißenden Strom ziehen. Sam ist am Boden zerstört und will alles hinwerfen. Er ist gewillt, wieder in einer Fabrik zu arbeiten und zurück in die Unselbständigkeit zu gehen. Doch die Tapferkeit von Nona im Umgang mit der Situation sowie Tims Zuspruch, dass es sowohl Farmer als auch Fabrikarbeiter für ein Funktionieren der Welt bräuchte, richten ihn wieder auf. Ein paar Monate später pflanzen Sam, Nona und die Großmutter wieder neues Getreide.

Rezension 1989, Bearbeitung 2020 für #Filmfest 249

2020-11-29 FF 029 Der Mann aus dem Süden The Southerner USA 1945

2020-08-14 Filmfest AJean Renoir hat auch in den USA Filme gemacht, nachdem er aus Frankreich emigriert war – zehn Jahre lang, bevor er wieder nach Europa zurückkehrte.

Als sein bester amerikanischer Film wird vermutlich „This Land is Mine“ angesehen, der sich allerdings auch auf Frankreich bezieht – und nach der großen mentalen Kraftanstrengung war er wohl erst einmal etwas ausgepowert

Keiner seiner amerikanischen Filme hat derzeit eine Chance, es z. B. in die „IMDb Top 250“ zu schaffen. Ein wenig erinnert mich das an das Schicksal von Fritz Lang, obwohl dieser sich amerikanischen Konventionen und Studioerfordernissen weit mehr angepasst hatte. Trotzdem sind Filme wie „The Southerner“ eigenartige und eigenwillige Werke eines großen Filmkünstlers – ja, da gibt es noch viel zu entdecken, ich kenne im Moment etwa die Hälfte vom Werk Jean Renoirs.

„Mit lyrischen Tönen inszenierte, hervorragend gespielte Romanverfilmung aus Jean Renoirs amerikanischer Periode.“ – Lexikon des internationalen Films[1]

Eine Kritik im Variety Magazin lobte die schauspielerische Leistung von Zachary Scott, Betty Field, Beulah Bondi, Percy Kilbride, Charles Kemper und J. Carrol Naish.[2]Bosley Crowther, Kritiker der New York Times nannte den Film nicht unterhaltend, lobte aber die reiche Handlung und Darstellung[3]. 

Rezension 2022 für #Filmfest 815

Das Gespräch zwischen Sam und Tim verläuft anders herum, als es in der Wikipedia wiedergegeben ist: Jeder stellt seine eigene Arbeit als notwendig heraus, obwohl Sam bereit ist, als Industriearbeiter einen sicheren Job anzunehmen, um seine arg gebeutelte Familie durchzubringen. Dieser Gegensatz zwischen Agrarwirtschaft und Industrie wirkt ein wenig dialektisch, wie auch der Film eher an Dramen aus der Depressionszeit erinnert als an übliche Filme am Ende des Zweiten Weltkrieges. Der große Wohlstandsschub, den der Krieg gebracht hatte, ergab in der Wahrnehmung und Akzentuierung gesellschaftlicher Probleme bereits einen Unterschied zu der Zeit kurz davor, als die Depression in Werken wie „Früchte des Zorns“ ihren Niederschlag und, man kann sagen, ihre endgültige filmische Gestaltung fand.

Ob es da noch „The Southerner“ bedurfte, ist eher zweifelhaft, aber dafür zeigt sich Jean Renoir in diesem Film als ein im Grunde amerikanischer Regisseur. Jedenfalls hat er alle amerikanischen Mythen so dargestellt, dass man keinen Unterschied zwischen ihm und den im Land aufgewachsenen Regisseuren wie John Ford erkennt, zumal dieser ebenfalls über eine mächtige Bildsprache verfügte, wie Renoir, und seine Schauspieler hervorragend einsetzen konnte, wie Renoir. Am Ende siegt der Überlebenswill, das ist notwendig, damit solche Filme funktionieren und auch mal wieder eine Erholung für mich, nach einigen Films noirs, in denen eher die Dysfunktionalität menschlicher Beziehungen im Vordergrund steht. Zuletzt war es „Detour“, in dem nur böse und schwache Menschen vorkommen. In „The Southerner“ werden gesellschaftliche Gegensätze zwar angedeutet, aber der Akzent liegt eindeutig auf dem Porträt der arbeitenden Klasse, und zwar der Unterklasse unter den Werktätigen. Unter ihnen gibt es Rivalität, wie zwischen Tucker und Devers, aber auch Freundschaft und Hilfsbereitschaft, wie seitens Tim gegenüber Sam Tucker. Das ist überhaupt kein pessimistisches Porträt und so schlimm die Katastrophen auch sind, die Opfer lohnen sich am Ende. Diese Botschaft hätte auch ein weniger begabter Regisseur als Renoir ähnlich gut an das Publikum vermitteln können.

Allerdings ist Renoir auch in der Lage gewesen, seine Arbeiten bis zu einem gewissen Grad dem Thema und dem Umfeld anzupassen, einen Renoir-Touch in dem Sinne, dass man sofort auf ihn als Regisseur schließen konnte, wenn man nicht wusste, wer einen Film inszeniert hat, ist in dieser Phase seines Schaffens schwer zu ermitteln und auch seine französischen Filme sind recht unterschiedlich gestaltet. Pessimistischer allerdings, spätestens ab „Die große Illusion“ (1937).

Der Originaltitel lautet The Southerner, ein Ausdruck, der im amerikanischen Englisch für einen Bewohner der Südstaaten steht.[5][6] In den Südstaaten sorgte der Film seinerzeit für einige Kontroversen, da mehrere dort ansässige Organisationen die Darstellung der Bauern der Südstaaten als Beleidigung empfanden.[7] Sogar der Ku-Klux-Klan rief zu einem Boykott von The Southerner auf.[8]

Im amerikanischen Süden ist man überhaupt ziemlich empfindlich, was in krassem Gegensatz zu dem dort immer noch weit verbreiteten Rassismus steht. Dabei hat Renoir doch der Sturheit der Leute dort, die auch in vielen anderen Filmen, besonders in Western, hervorgehoben wird, ihrem Überlebenswillen und ihrer grundsätzlichen Ehrlichkeit ein Denkmal gesetzt. Vermutlich machte sich die Kritik an der Figur Devers fest und vielleicht daran, dass die Tuckers doch ungewöhnlich arme Menschen sind, für amerikanische Verhältnisse und man befürchtete, das würde als typisch für den Süden angesehen. Zumindest für Texas mit seinen großen Famen, der Ölindustrie und dem wachsenden Reichtum durch weitere Industrieansiedlungen galt das aber wohl damals schon nicht. Das meiste wird irgendwo zwischen „The Southerner“ und „Giganten“ gelegen haben, der elf Jahre später entstand und auch mein Bild von Texas mitgeprägt sowie die Stimmung der luxuriösen 1950er perfekt eingefangen hat, als es buchstäblich keine Limits mehr zu geben schien.

Finale

Die Handlung des Films ist uramerikanisch, wenn auch die sozialen Verhältnisse in Filmen regelmäßig etwas gehobener sind, als man sie hier sieh. Aber Renoir macht das trotz seiner europäischen Herkunft gut. Sein Blick ist ziemlich genau, soweit es die Porträtierung der Menschen angeht und deren Lebensumstände, die Handlung des Films ist eher konventionell, soweit es den ewigen Wechsel zwischen guten und schlechten Jahren und Tagen betrifft. Ich hatte, ohne vorher etwas über den Film gelesen zu haben, klar die Vorstellung, dass etwas passieren wird, das eine Missernte auslöst, als es endlich mal gut lief, für die Tuckers. So kam es dann auch. Bestandene Prüfungen wie diese sind wichtig für den Mythos von Menschen einer Nation, die aus lauter Selfmademen und -women zu bestehen scheint.

Anders als „Früchte des Zorns“, der hier auf einen herausragenden 7. Platz kommt, zählt „The Southerner“ nicht zu den 100 inspirierendsten US-Filmen, die das AFI in den frühen 2000ern zusammengetragen hat. Aber da die Botschaft ähnlich ist, der Film kürzer und weniger bekannt, lautet das Fazit: ebenfalls inspirierend.

75/100

© 2022, 020, 1989 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

(1), kursiv, tabellarisch: zitiert nach der Wikipedia

Regie Jean Renoir
Drehbuch Hugo Butler
Jean Renoir
Produktion Robert Hakim
David L. Loew
Musik Werner Janssen
Kamera Lucien N. Andriot
Schnitt Gregg C. Tallas
Besetzung

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