Crimetime Vorschau Titelfoto © SWR, Benoît Linder
Wir wollten mit dem Bericht über den neuen Tatort aus Stuttgart so einsteigen: Wenn Lannert und Bootz einen Fall lösen, dann ist das meist ein Ereignis, bei dem man zuschauen sollte. Beweis: Deren herausragende Stellung unter den Fans von Tatort-Fundus.de, wo sie seit einiger Zeit auf Platz 1 aller aktuellen Ermittler:innen liegen.
Natürlich wollten wir einen Link als Beweis beifügen und möglicherweise auch einen kleinen Screenshot, aber – diese für jene, die über Tatorte berichten, so wichtige Seite ist nicht mehr aufrufbar, wegen eines heute seit 341 Tagen abgelaufenen Sicherheitszertifikats. Zumindest gilt das für den Ranglistenbereich, in dem die einzelnen Episoden, aber auch die aktuell Ermittelnden sowie alle Kommissar:innen aus nunmehr 52 Jahren (in einer wiederum anderen Liste) aufgeführt sind. 25-Jähriges Jubiläum feierte „Tatort-Fundus“ im Jahr 2021, aber schon damals fiel auf, dass bestimmte Dinge nicht mehr so strikt aktualisiert werden wie früher. Nun fehlt uns also diese Quelle für Vergleiche darüber, was nicht nur ein paar Profis, sondern viele, viele Fans und ausgewiesene Kenner der Reihe sagen. Es ist typisch für diese Zeit, dass wieder ein Modul verloren geht, das uns die Arbeit erleichtert oder die Informationsdichte, die wir an Sie weitergeben konnte, erhöht hat. Letzte Woche hatten wir erst feststellen müssen, dass Christian Buß seine Kritiken für den Spiegel, die uns speziell für die Vorschau wichtig waren, nun hinter eine Bezahlschranke gebracht hat. Es versteht sich von selbst, dass wir nicht für alles, was wir hier gewöhnlicherweise sichten, Abos einrichten können, schon gar nicht in der aktuellen Lage, in der unser Einkommen wesentlich langsamer steigt, als die Teuerung zunimmt.
Kann man von dieser Anmerkung aus den Dreh zum Film bekommen? Vielleicht so: Wie plötzlich Dinge ins Rutschen kommen, jahrelang aufgebaute und lieb gewordene Sicherheiten, das zeigt dieser Film, der als Howcatchem bzw. Howcathhim aufgebaut ist, nicht als Whodunit. Die Frage ist nicht, wer von mehreren Verdächtigen ist der Täter. Dieser ist von Beginn an bekannt, aber wie man ihm auf die Spur kommt und wie er und seine Umgebung ticken, bestimmt das Geschehen. Ich mag diesen Ansatz, der vor allem für herausragende Thriller sorgt, in denen es zu Duellsituationen zwischen einem manchmal schrägen, aber auch versierten Menschen kommt, der ein Tötungsdelikt begangen hat und der Polizei. Nicht immer gewinnt endgültig die Polizei, wie z. B. die Filme um den stillen Gast aus Kiel belegen. Manchmal kommen sie wieder, morden sie wieder. Im Tatort 1209 aber geht es um etwas, das fast jedem von uns passieren kann: Man fährt im Verkehr einen Menschen an. Was tut man, falls es keine Zeugen gibt? Dem Fluchtreflex nachgeben oder sich stellen, wenn man an dem Unfall schuld ist? Welche Konsequenzen hat beides, zum Beispiel für einen Rechtsanwalt?
Mich hat die Plotbeschreibung umgehend an „Das Biest muss sterben“ von Claude Chabrol erinnert, den ich kürzlich gesehen habe. Vermutlich ist der Täter im 1209. Tatort aber nicht so ein Biest, sondern differenzierter gezeichnet als in Chabrols Film. Dessen Werke aus den frühen 1970ern, als auch die Reihe „Tatort“ startete, sind immer Abrechnungen mit der Gesellschaft, die Stuttgart-Krimis weniger, auch weniger offensichtlich gesellschaftskritisch als die Tatorte aus anderen Städten. Vielmehr konzentriert man sich hier auf die persönliche Situation, auf die Persönlichkeit der Beteiligten. Die beiden Ermittler können das sehr gut unterstützen, indem dem sie immer dicht am Geschehen sind, aber nie die Szene dominieren, sich nicht gewaltsam in den Vordergrund spielen wollen.
Die zurückhaltende, gleichwohl spürbare Intensität der Darsteller Richy Müller und Felix Klare ist wohl das größte Plus, das der Stuttgart-Tatort schon mitbringt, bevor ein Plot für den nächsten Film geschrieben ist. Sie können alle Themen, meistern alle Hürden, die einen Film zum Scheitern bringen könnten, vermeiden falsche Töne und nur selten kommt es zu Ausrutschern, weil das Drehbuch Quatsch ist. Der SWR lässt ihnen nach meiner Ansicht auch die besten Bücher zukommen, die bei ihm eingereicht werden, weil die Verantwortlichen wissen, dass die Stellung der Stuttgarter an der Spitze der Tatort-Teams nicht gefährdet werden sollte. Die Erschaffung dieses Teams war nach dem Abgang des Generalschwaben Bienzle im Jahr 2008 ein echter Glücksgriff bezüglich der Schauspieler und eine sehr professionelle Arbeit bezüglich des Konzepts.
Dadurch kann man sich auch mal ein Risiko oder Experiment erlauben. Mir sind bei dem, was ich über den Film gelesen habe, auch jüngere Stuttgart-Highlights wie „Der Mann, der lügt“ oder dessen direkter Nachfolger „Anne und der Tod“ eingefallen. Lesen wir nun, was die anderen zum Film schreiben:
„Der Mörder in mir“: Der Titel des neuen Tatorts aus der schwäbischen Metropole Stuttgart ist etwas irreführend, denn um Mord geht es eigentlich gar nicht im 29. Fall des eingespielten Ermittlerduos Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare): Ben Dellien hatte nie die Absicht, einen Menschen zu töten. Doch auf einer Autofahrt, abends im Dunkeln und auf regennasser Fahrbahn, passiert es plötzlich: Er übersieht einen Radfahrer und erfasst ihn von hinten mit seinem schweren SUV. Eine Situation, vor der sich wohl alle Autofahrer fürchten. Anstatt dem am Straßenrand liegenden Verletzten zu helfen, fährt der unter Druck stehende Dellien einfach weiter. Fahrerflucht mit Todesfolge.
Die Tatort-Fans haben in diesem Fall eine eigenwillige Auffassung vom Geschehen im Straßenverkehr zu Protokoll gegeben: Grund zum Fürchten müssen in Wahrheit die Radfahrer haben, das kann ich aus meinen Erfahrungen in Berlin bestätigen. Vielen Autofahrern kann man bei dem, was sie sich im Straßenverkehr leisten, keine Absicht unterstellen, sie sind nur ein Teil eines Gesellschaftsbilds, das von Ignoranz, mangelnder Aufmerksamkeit, auch einfach von Dummheit geprägt ist. Doch die Variante, dass Gefahrensituation vom Stärkeren, der im Blechkäfig sitzt, wissentlich geschaffen, mit hoher Aggressivität provoziert werden, weil er weiß, dass er bei einem Crash die besseren Überlebenschancen hat, kommt ebenfalls vor. Allein, wie Autofahrer mit Radwegen umgehen oder sich an Radfahrern unter klarer Missachtung des Mindestabstands vorbeiquetschen, ist Ausdruck einer brutalen Mentalität, nicht Unwissen oder Unaufmerksamkeit.
Ich meine, auch darüber sollte man einmal einen Tatort machen, der dann, ebenfalls provozierend, einen Charakter zeigen dürfte, welcher demjenigen des Täters in „Das Biest muss sterben“ ähnelt oder noch darüber hinausgeht. Auch in jenem Fall hatten die Filmemacher davon abgesehen, die Tötung eines Kindes unter „billigender Inkaufnahme“, also mit bedingtem Vorsatz, stattfinden zu lassen, sondern „nur“ grob fahrlässig, wegen der deutlich überhöhten Geschwindigkeit des Autofahrers auf einer unübersichtlichen innerörtlichen Straße.
Dass ich erst einmal Beschwerde geführt habe, liegt auch an diesem Satz, der mir zu sehr die Täterperspektive in den Vordergrund gerückt und ihm unterstellt hat, dass Autofahrer sich ernsthaft vor einer Begegnung mit unterlegenen Verkehrsteilnehmer:innen fürchten. Vermutlich ist der Film aber auch so gestrickt. Das heißt nicht, dass das, was wir sehen werden, falsch oder undenkbar ist. Doch mir fällt es aufgrund jüngerer, sehr häufiger negativer Erfahrungen (kaum ein Tag ohne Situationen, die man dokumentieren und anzeigen müsste) immer schwerer, diese Sicht der Autofahrer einzunehmen. Ich bin gespannt, wie die Kritiker:innen auf den Film eingehen. Lesen wir zunächst die Meinung der oben zitierten Tatort-Fans:
Dank akribischer Recherche kommen Lannert und Bootz dem Anwalt Dellien auf die Spur, doch der versucht mit allen Mitteln, seine bürgerliche Heile-Welt-Fassade aufrechtzuerhalten. Und auch Kommissar Bootz überkommen plötzlich Zweifel: Ist es wirklich gerecht, einen Menschen strafrechtlich zu verfolgen, der eine einzige Sekunde nicht aufmerksam war und danach einmal eine falsche Entscheidung getroffen hat?
Ja: Ist es, wenn dadurch jemand zu Tode kommt, gerade bei diesen gruseligen, übergewichtigen, hypertrophen Kisten, in denen sich heutzutage manche Autofahrer einbunkern. Dadurch fühlen sie sich so gut wie unverletzlich, dies wiederum mindert die Aufmerksamkeit, die bei vielen Menschen her auf Selbstschutz als auf Achtsamkeit anderen gegenüber ausgerichtet ist. Es reicht m. E. vollkommen aus, dass es vor Gericht höchstens auf fahrlässige Tötung geht, nicht auf ein Vorsatzdelikt und in den allermeisten Fällen nur auf Geldstrafe, nicht auf Gefängnis. Anklage wegen einer vorsätzlichen Tötung kam bisher im Grunde gar nicht vor. Es änderte sich erst, als vor wenigen Jahren in Berlin Beteiligte an einem illegalen Autorennen auf dem Kurfürstendamm, also mitten in der Stadt,, die einen anderen Autofahrer getötet hatten, in einem besonders krassen Fall von krimineller Autofahrer-Energie erstmals unter Mordanklage gestellt wurden.
Der Fall hatte für erhebliches Aufsehen gesorgt und ist hoffentlich eine Wende bei der typischerweise viel zu nachgiebigen Rechtsprechung gegenüber Verkehrsstraftätern, die ganz an eine Mentalität angepasst ist, die das Auto als Fetisch und Potenzersatz, nicht als Gebrauchsgegenstand behandelt, der anderen gegenüber rücksichtsvoll eingesetzt werden sollte. So, vorerst genug geärgert. Weiter mit der Bewertung von der oben zitierten Stelle:
in Tatort ohne „echten“ Mord, bei dem der Täter von Anfang an feststeht – kann das gutgehen? Ja, es kann. Denn gerade die Tatsache, dass es „ganz normale“, zur Identifikation einladende Menschen sind, die hier immer tiefer in einen Abwärtsstrudel geraten, macht den Reiz des Films aus. Man sieht Ben Dellien mit einer Mischung aus Verwunderung und Entsetzen dabei zu, wie er versucht, zu retten, was längst nicht mehr zu retten ist. Gleichzeitig wird der Zuschauer mit der Frage konfrontiert, wie er selbst in einer solchen Extremsituation agieren würde. Hätte sich wirklich jeder von uns sofort reumütig bei der Polizei gemeldet? Oder, bezogen auf Laura Rensing: Wie verhalte ich mich als Mitwisser? Einfach wegschauen – oder Recht und Gesetz zur Durchsetzung verhelfen? Es ist – gerade in diesen Zeiten – ein großes Verdienst, dass der Film diese Fragen aufwirft und uns als Zuschauer zur Auseinandersetzung damit anregt. Davon abgesehen ist die anfängliche Reminiszenz an die legendäre Solitude-Rennstrecke natürlich auch ein filmästhetischer Leckerbissen – jedenfalls für Motorsportfans. Also: Einschalten lohnt sich.
Auch hier wird im letzten Satz die Faszination fürs Rasen deutlich. Ich kommentiere selten Kommentare auf diese Weise, aber mit der Bemerkung, wie sehr sich die Autofahrer vor einer Situation wie der geschildeten fürchten, war bei mir leider der Trigger gesetzt und es fällt mir nun leicht, immer weitere Anzeichen für etwas zu finden, was ich im Straßenverkehr viel zu häufig wahrnehme, nämlich diesen Hype um ein Konsumprodukt, das durch Millionen unfähiger oder brutaler Menschen am Steuer, die ihre Arschlochmentalität mit wenig eigenem Risiko, also auf eine besonders feige Art und Weise, so richtig austoben können, zur Waffe gegen schwächere Verkehrsteilnehmer:innen wird. Ich bin immer mehr gespannt darauf, ob der Film auch diesen Tenor hat oder zu sehr „differenziert“. Die ausgiebige Handlungsbeschreibung der Tatort-Fans lässt bis zu einem gewissen Grad darauf schließen, auch wenn sie selbstverständlich subjektiv gefärbt ist, im selben Sinne wie die Bewertung des Films. Dass Lannert, der mit seinem historischen Porsche sonst eher dezent unterwegs und überhaupt eher der besonnene Typ ist, dieses Mal offenbar stellvertretend für alle Geschwindigkeitsfreaks inszeniert wird, nun ja. Es liegt bei der Thematik nah und ist dann im speziellen Sinne des Konzepts dieses Krimis nur konsequent, wenn er dann großes Verständnis für den Täter aufbringt.
Vielleicht der perfekte Anlass, um wieder in die Sofortkommentierung neuer Tatorte nach Premiere einzusteigen, die wir im Jahr 2021 vorläufig ausgesetzt haben. Nun zu weiteren Stimmen. TV-Spielfilm hat vor etwa einer Stunde getextet:
Bei „Tatort – Der Mörder in mir“ beschäftigt sich Regisseur und Autor Niki Stein nicht nur mit den Gefahren im Verkehr, sondern zugleich mit einer der größten Ängste vieler Autofahrer, in einen Unfall verwickelt zu werden. Und so mancher wird sich bei diesem „Tatort“ die Frage stellen: „Hätte ich mich der Polizei gestellt?“
Ich schätze die Arbeiten von Niki Stein üblicherweise, aber auch hier klingt es wieder nach einer Art Verschiebung der Wahrheit. Wenn die Autofahrer wirklich so viel Angst vor einem Unfall mit Radfahrer:innen hätten, würden sie anders fahren, um diese Logik kommen wir nicht herum. Und was man alles damit an Geld für den Staat einnehmen und für gute Zwecke verwenden könnte, wenn man konsequenter blitzen und dadurch die „Ängstlichen“ endlich etwas bremsen würde. TV-Spielfilm gibt den erhobenen Daumen für den Film. Ich bin nun einmal in diesen Modus geradezu gedrängt worden und werde wohl bis zum Ende beim erhobenen Zeigefinger bleiben. Desweiteren wird es deshalb wohl zu einer der umfangreichsten Tatort-Vorschauen bisher kommen.
Wann darf man ein Kapitalverbrechen verschleiern? Geht das moralisch überhaupt? Und was bedeutet das für den Tatort aus Stuttgart? Lannert und Bootz ermitteln gegen Leute, die es nicht so genau nehmen.
Für die Ausarbeitung dieser Fragestellung vergibt der hauseigene SWR3-Check vier von fünf Elchen und vergisst nicht, darauf aufmerksam zu machen, dass der Radfahrer womöglich ein Obdachloser war und die Anwälte zu den Reichen gehören, die sich auffällig gerne vor Verantwortung drücken, wenn sie Fehler machen oder ihre Einstellung gegenüber den Dingen des Lebens zu Schäden führt. Im gleichnamigen Film kommt es übrigens nur zur Selbstschädigung, als ein Autofahrer über die Stränge schlägt und einen schweren Unfall verursacht. Vielleicht eine der besten Darstellungen zum Thema, ohne dass die Schuldfrage beim Verhalten gegenüber Dritten geklärt werden musste.
„Der Mörder in mir“ (SWR) von Niki Stein (Buch und Regie) ist nicht so fulminant wie sein Stuttgarter „Tatort“ über ein wild gewordenes Computerprogramm („HAL“) oder so fesselnd wie einst seine Frankfurter Trilogie über das Böse, aber die bodenständige Geschichte hat ihren eigenen Reiz. Der Film handelt von einem ganz normalen Feigling: Ein Anwalt hat bei der Heimfahrt einen Moment nicht aufgepasst, und schon bricht sein gesamtes Dasein aus den Fugen. Je mehr er sich abstrampelt, um den Unfall mit Fahrerflucht zu vertuschen, desto tiefer versinkt er im Treibsand seiner Lügen. Das Drehbuch des preisgekrönten Regisseurs erinnert an die Fabel vom Frosch, der in den Milchtopf gefallen ist und nun so lange zappelt, bis die Milch zu Butter wird. Besonderen Spaß macht die Rolle des Rechtsmediziners, der bei passender Gelegenheit Karl Popper und Shakespeare zitiert.
Tittelbach-TV fasst den Film so zusammen, dass man nicht unbedingt erkennt, ob er als gut oder schlecht bewertet wird, hilft aber mit der Sterne-Orientierung: 4,5/6, also Durchschnitt. Allerdings steht in der Langfassung auch, dass der Film aufgrund der Gestaltung seines Schlusses sehr wohl eine Haltung einnimmt: Er mahnt uns dazu, nicht wegzusehen. Das evoziert schon vor dem eigenen Anschauen einen Extrapunkt von uns, der sich noch durch eigene Wahrnehmung bestätigen muss. Damit haben wir die üblichen vier Stimmen abgefragt, wenn auch anders zusammengestellt als bisher üblich. Es ändert sich eben alles. Vielleicht sogar eines Tages die Einstellung der Autofahrer:innen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmer:innen. Woher viele Kritiker diese Autofahrerfurcht haben, wird am Ende der folgenden ARD-Handlungsbeschreibung klar. Schon merkwürdig, dass hier gleich so allgemein in eine Inhaltsangabe hineininterpretiert wird. Hatte man Angst, die Autofahrer:innen könnten sich angegriffen fühlen?
Ach je, wie furchtbar muss die Wahrheit sein: Die meisten schweren Unfälle passieren eben nicht durch „einen Moment der Unaufmerksamkeit“, sondern durch ein Gesamtverhalten von Autofahrern, das schlicht menschenverachtend ist; das von der StVO über die Verkehrsdelikte im StGB bis hin zu gesellschaftlichen Normen und ihrer verfassungsmäßigen Ausprägung alles verletzt, was sich denken lässt und sinnbildlich für eine Gesellschaft steht, in der das Falsche privilegiert und das Richtige diskriminiert oder marginalisiert wird, wie zum Beispiel der Anspruch auf Schutz vor Typen, die andere einfach umfahren. Es ist eine zivilisatorische Mindestanforderung, dass nicht in Frage gestellt wird, dass eine strafrechtlichen Würdigung der Fahrerflucht nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden erfolgen muss.
TH
Handlung
Ben Dellien hätte auf der nassen abendlichen Straße nur ein paar Schritte bis zum Straßengraben gehen müssen, dort liegt der Fahrradfahrer, den er gerade angefahren hat. Aber der Babysitter muss abgelöst, ein Auftrag noch zu Ende geführt werden – Ben steht unter Druck und fährt einfach weiter.
Am nächsten Tag, während Thorsten Lannert und Sebastian Bootz ihre Ermittlungen wegen Fahrerflucht und fahrlässiger Tötung aufnehmen und die ersten Indizien zusammensetzen, nagt die Reue an Ben. Warum nur hat er nicht angehalten? Dem Anwalt und Familienvater ist klar, dass das ein Fehler war. Trotzdem zieht er es vor, die Spuren des Unfalls zu vertuschen statt sich zu stellen. Schließlich würde das den Toten auch nicht wieder lebendig machen, aber das Leben der Delliens zerstören, da sind sich Ben und seine Frau Johanna einig.
Doch die akribische Beweisaufnahme von Lannert, Bootz und Gerichtsmediziner Vogt zahlt sich aus, sie rücken Ben immer näher. Dabei stoßen sie auch auf Laura Rensing, die in einer Autowaschanlage arbeitet und ihnen vermutlich weiterhelfen könnte, wenn sie bereit wäre auszusagen. Auch Ben fürchtet, dass Laura ihre Rückschlüsse gezogen hat und versucht, sie unauffällig zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Aber Laura will möglichst nicht in den Fall hineingezogen werden und scheint gegen Druck, gleichgültig von welcher Seite, unempfindlich zu sein.
Es ist die Situation, die Autofahrer fürchten: Ein Moment der Unaufmerksamkeit, eine Ablenkung – und ein nicht wieder gutzumachendes Unglück ist geschehen. Im „Tatort – Der Mörder in mir“ konfrontiert Autor und Regisseur Niki Stein die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz, den unaufmerksamen Autofahrer und die Zuschauer:innen mit dieser Situation und stellt die Frage, wie man mit den Konsequenzen fertig wird.
Besetzung und Stab
Thorsten Lannert | Richy Müller |
Sebastian Bootz | Felix Klare |
Ben Dellien | Nicholas Reinke |
Laura Rensing | Tatiana Nekrasov |
Johanna Dellien | Christina Hecke |
Dr. Daniel Vogt | Jürgen Hartmann |
Marlene Teichert | Julia Dorothee Brunsch |
Helen | Pina Kühr |
Kurt Mader | Ulrich Cyran |
Silke Köster | Celina Rongen |
Funktionsbereich | Name des Stabmitglieds |
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Musik: | Jacki Engelken |
Kamera: | Stefan Sommer |
Buch: | Niki Stein |
Regie: | Niki Stein |