Das Tor zur Hölle – Tatort 1211 #Crimetime Vorschau Das Erste, 02.10.2022, 20:15 Uhr #Tatort #Wien #Eisner #Fellner #DasBöse #DieMacht

Crimetime Vorschau – Titelfoto © ORF, Hubert Mican

Der 1211. Tatort und der 29. für Bibi und Moritz, mit Nachnamen Fellner und Eisner, steht an. Seit einem Dutzend Jahren sind die beiden nun schon zusammen und man erinnert sich kaum noch daran, dass Eisner zuvor eine ganze Reihe von Fällen alleine gelöst hat. Die beiden zählen zu den beliebtesten Ermittler:innen, auch wenn immer wieder Filme dabei sind, die einen Sprung an die Spitze verhindern und es nach den ersten Jahren zwischenzeitlich ein wenig abflachte. 

Der Trend zum Übernatürlichen in Tatorten ist hingegen kaum zu übersehen und warum sollte sich der Wien-Tatort nicht einreihen? Fans klassischer Krimikost graust es oft bei solchen Filmen, andere finden es endgeil, weitere, wie ich, denken sofort an Kinofilme wie „Der Exorzist“ aus dem Jahr 1973. Den fand ich eher witzig als gruselig, wahrscheinlich habe ich zu all dem eine ähnliche Einstellung wie Moritz Eisner, der bis zum Schluss standhaft atheistisch und wenig berührt bleibt, wie man der Beschreibung der Tatort-Fans entnehmen kann. Ich würde mich zwar nicht als atheistisch bezeichnen, aber dass sich göttliche oder teuflische Macht so im Diesseits manifestieren, wie eine gewisse Kategorie von Gläubigen es eben glaubt, wage ich zu bezweifeln.

Ich habe zum Beispiel Probleme mit der Theodizee, da kann man noch so kunstvoll dagegen argumentieren: Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, dann hat er auch die Möglichkeit, menschliches Leid und menschliche Dummheit wenigstens insoweit einzugrenzen, dass unzählige Unschuldige nicht davon betroffen sind. Warum tut er es aber nicht? Weil er etwas sadistisch veranlagt ist? Wer will schon an einen solchen Gott glauben oder ihm gar dienen, der nicht selbst einen Charakter hat, der in diese Richtung weist.

Vor allem in der katholischen Kirche sammeln sich m. E. viele solcher Typen und um den Katholizismus geht es ja im 1211. Tatort. Und nur in dieser Variante des Christentums, das ja eigentlich eine Religion der Barmherzigkeit sein soll, gibt es die Hölle. Andererseits: Welche andere Religion oder Konfession bietet die Möglichkeit, sich von einer persönlichen Schuld durch das Beten von Rosenkränzen befreien zu lassen? Insofern brauchen die meisten wohl keinen Exorzismus, um die Woche über Schweinereien gegenüber ihrem Mitmenschen zu begehen und sich sonntags im Beichtstuhl angemessen zu erleichtern, zu erholen und montags weiterzumachen wie bisher. Wenn ich mich selbst einordnen sollte, würde ich mich am ehesten als Agnostiker bezeichnen. Falls es einen gerechten Gott gibt, wird er mir das nicht übelnehmen, sondern mein ehrliches Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit, das zwangsläufig zu Zweifeln führen muss, wertschätzen. Vielmehr finde ich es vermessen und menschenfeindlich, zu behaupten, der gegenwärtige Zustand der Welt sei gottgewollt. Und damit zu weiteren Meinungen zur Sache:

Die Redaktion von Tatort-Fans meint:

Zugegeben: Das „heilige Wien“ mit seinem morbiden Charme ist durchaus eine reizvolle Location für einen Tatort, der sich um Teufel, Dämonen und unheimliche Begegnungen der dritten Art dreht. Und die Inszenierung als solche ist auch gelungen: Kameraführung, Ton und Bildsprache greifen gut ineinander, dem „Bann des Bösen“ kann man sich als Zuschauer schwerlich entziehen, wenn man Bibi dabei beobachtet, wie sie verängstigt in ihrer eigenen dunklen Wohnung herumtappt.
Doch auch wenn man nun voraussetzt, dass es das alles tatsächlich gibt – Menschen, die sich vom Teufel besessen fühlen, den kirchlichen „Befreiungsdienst“ mitsamt seinen mehr als befremdlichen Ritualen und Praktiken –, so bleiben innerhalb der Handlung doch zu viele Dinge ungelöst (…). Das Ende lässt einen eher verwirrt als bekehrt zurück, sodass man sich noch am ehesten mit dem beinharten Atheisten Moritz Eisner identifizieren kann, dessen zutiefst weltliche Ermittlungsmethoden einen wohltuenden Kontrapunkt zur teilweise sehr dick aufgetragenen Inszenierung der „Macht des Bösen“ setzen.

Wir werden sehen, ob es kultig oder grässlich ist, aber bei mir kommt schon manchmal Sehnsucht nach der Zeit auf, in der handfeste Verbrecher handfeste Verbrechen begingen und damit einen Tatort kreierten, meistens jedenfalls. Es hat allerdings nicht nur mit dem Format zu tun und seiner insgesamt doch ansehnlichen Entwicklung, sondern damit, dass das Mainstream-Kino mittlerweile auch komplett abgehoben hat.

Volker Bergmeister, Tittelbach-TV:

Ab geht’s ins okkulte Wien. Im neuen „Tatort — Das Tor zur Hölle“ (ORF, Film 27) ermitteln Moritz Eisner und Bibi Fellner im Grenzbereich zwischen Spiritualität, Fakten und irdisch-menschlichen Interessen. Es geht um den Tod eines katholischen Priesters, der ein Amulett mit Satanssymbol bei sich trug, eine Teufelsaustreibung und Menschen, die für paranormale Aktivitäten empfänglich sind. Thomas Roth, Krimi-erfahrener Autor und Regisseur, hat daraus einen stilsicheren Exorzismus-„Tatort“ gemacht – durchweg spooky, in den Dialogen diesmal nur behutsam witzig, aber spannend bis zum überraschenden Showdown.

Was in der Zusammenfassung der wie immer ausführlichen Kritik von Tittelbach-TV recht positiv klingt, führt aber nur zu 4/6. Das ist für Tatorte die Untergrenze, bei dieser Publikation, seit ich deren Beiträge lese und in den Tatort-Premierenvorschauen einen Ausschnitt zeige.  Ich bin allerdings, wie Tittelbach-TV, der Ansicht, man sollte sich die wirklich niedrigen Punktzahlen für Sonderfälle aufheben, bei mir ist ein solcher z. B. die Abwertung aus politischen / gesellschaftlichen Gründen, weil Weltbilder transportiert werden, die problematisch sind. Bei Selbstjustiz-Promotion, bei allzu grobem Klassismus bei der Identifikationsfigur, in dem Fall einer Ermittlerin, und mindestens unterschwellig mitverkaufter Nazi-Ideologie kam das bereits vor. Es sind aber seltene Ausnahmen. Exorzismus per se ist für mich jedenfalls kein Grund für einen Abzug. Ansonsten ist der Tatort generell ein gutes, professionell gemachtes Format, zudem das einzige, neben dem Polizeiruf natürlich, das sich immer neu erfindet, an aktuelle Trends anpasst und dadurch auch ein Zeugnis des Zeitgeistes und der herrschenden Alltagskultur ist. Mir fällt keine andere Krimireihe, sei sie hier oder im Ausland entstanden, ein, die eine so weit sich selbst hinausweisende Funktion hat. Wenn nichts ganz und gar schiefgeht, mit der Reihe selbst oder mit dem ÖR-Rundfunk,werden wir noch viele Tatortjubiläen feiern können. Das nächste wird die Nummer 1250. 

Carola Knape, SWR3-Check:

Einmal im Jahr – meistens im Oktober – wird es im Tatort gruselig. Dann gehts um Geister, Dämonen, Teufel. Die Wiener Ermittler Harald Moritz Eisner und Bibi Fellner müssen den Mord an einem Priester aufklären. (…) Der Wiener Tatort „Das Tor zur Hölle“ ist für alle, die sich gerne gruseln, absolut sehenswert. Vor allem, weil erst in den letzten Minuten klar wird, wer wirklich vom Teufel besessen ist. Wer eine klare Story sucht, könnte das Ganze eher wirr finden.

Von dieser Seite werde 4/5 Elchen vergeben und da hier das volle Wertungsspektrum ausgenutzt wird, ist das klar über dem Schnitt. Ja, es kommt darauf an, ob man es mag, das hat sich weiter oben schon abgezeichnet. Interessant, dass der Halloween-Monat offenbar auch Gruseltatort-Time ist, das war mir bisher nicht aufgefallen. Nun ja, wenn schon die Welt in Unordnung ist, das göttliche Universum sich eher desolat zeigt, soweit es diesen kleinen Stern am Rand der Galaxis betrifft, muss wenigstens der Tatort eine Linie haben. Vielleicht ist das aber auch die Lösung: Die Stellung ganz am Rand hat dazu geführt, dass Terra schlicht vergessen wurde. Oder es ist kein Personal für dessen Pflege da, was belegen würde, dass die Neoliberalen es geschafft haben, ihr Gift sogar an Gott zu verdealen.

Auch bei uns gibt es heute eine Premiere. Wir zeigen zum neuen „Austro-Tatort“ auch eine Meinung aus Österreich. Der Standard schreibt, der Film sei sprunghaft, aber …

Trotzdem macht dieses „Tor zur Hölle“ durchaus Spaß und hat letztlich reichlich Schreckmomente zu bieten, was nun nicht gerade alltäglich für diese Reihe (oder den Sendeplatz) ist. Auch die bestens erprobte Dynamik zwischen Krassnitzer und Neuhauser ist ohnehin Verlass, spielen sich die beiden doch in bewährter Manier die Bälle zu. Dass Düringer hier erstmals im „Tatort“-Universum den Strizzi geben darf, will man eigentlich kaum glauben. Die Mischung aus Ganove und Dämonenexperte steht ihm aber außerordentlich gut. All das macht die unausgegorene Ausrichtung sowie einigermaßen absurde Auflösung dieses Falls zumindest teilweise wieder wett. (APA, 27.9.2022)

Doch, immer im Oktober, wie wir bereits erfahren haben. Eine regelmäßige Ausnahme kann ja zu einer Übung führen. Freilich, Premieren betreffend, nicht zu einer täglichen. Wie auch immer, auf Bibi und Moritz freuen wir uns. Ihr Stil ist mittlerweile kanonisch. Ohne die beiden wäre die Reihe einer wichtigen Spielart beraubt und um zwei wunderbare Typen ärmer. Last, but not least:

Christian Buß meint im Spiegel: Der Teufel steckt im Gedärm. Dass da etwas Wahres dran ist, kann ich spätestens seit der vorletzten Woche bestätigen. Weiter heißt es:

Verantwortlich für dieses traditionsverhaftete Effektgewitter zeichnet Thomas Roth, der als einer der Hausregisseure des österreichischen »Tatorts« mal sehr raffinierte und mal sehr schlichte Oldschool-Thriller liefert. Im Vergleich zu anderen Sonntagskrimis, die von Satanisten und Exorzisten handeln, liegt Roths neuer Film nun im Mittelfeld: Im Gegensatz zu der vergurkten psychedelischen Teufelsanbeter-Sause der Stuttgarter »Tatort«-Kollegen kommt der Fall der Österreicher samt seines Make-believe-Ansatzes in seinen Mitteln recht souverän daher. Doch gelingt es nicht wie beim deutsch-polnischen »Polizeiruf«, wo das Thema Exorzismus mit dem des neuen religiösen Fundamentalismus verknüpft wurde, den Stoff irgendwie ins Jetzt zu drehen. Als kalkulierter Horrorschocker, der auf die Bauchregion zielt, wo möglicherweise gerade der Sonntagsbraten verdaut wird, erzielt dieser »Tatort« aber seine Wirkung. Eklig, aber effizient.

Für diese Wiener Melange gibt es 6/10. Ich bin gespannt auf die eigenen Eindrücke und wenn die Zeit gekommen ist und mich der Teufel inzwischen nicht wegen meiner etwas kritischen Einstellung zu Gottes Wirken auf Erden geholt hat, werde ich sie aufschreiben.

Handlung

Manfred Gabler wird am Fuß einer Treppe tot aufgefunden. Zahlreiche Verletzungen deuten darauf hin, dass er keinesfalls einfach gestürzt sein kann, sondern vor seinem Tod in einem aussichtslosen Kampf schwer misshandelt worden ist. Unmittelbar verwertbare Spuren gibt es für Moritz Eisner und Bibi Fellner rund um den Fundort der Leiche zunächst nur sehr wenige. Dennoch sind einige Besonderheiten von Beginn an auffällig: Manfred Gabler war katholischer Priester, er hatte bemerkenswert wenig soziale Kontakte – und seltsamerweise ein Amulett mit dem Satanssymbol bei sich. Ein möglicher Grund dafür findet sich bald: Prälat Gabler war in besonderer Mission tätig, er war einer der wenigen Priester im sogenannten Befreiungsdienst, den es in vielen Ländern und Diözesen nach wie vor gibt – Gabler war, was man landläufig einen Exorzisten nennt. Kurz vor seinem Tod hatte er, das finden Eisner und Fellner sehr bald heraus, einen Termin mit einer unbekannten Person „N“ – möglicherweise ein wichtiger Zeuge. Doch niemand kann den beiden sagen, wer diese Person ist, niemand kennt dazu einen Namen oder eine Adresse.

 

Moritz und Bibi nehmen das Umfeld des Toten näher unter die Lupe. Gablers Amtsnachfolger war nicht immer einverstanden mit dessen Methoden, eine etwas exzentrische Wissenschaftlerin interessiert sich für Daten, die Gabler besessen haben soll, der Psychiater, der Gablers Klientinnen und Klienten regelmäßig untersucht hat, gibt sich betont wortkarg, und welche Rolle spielt ein ehemaliger Zuhälter in diesem Fall? Und vor allem: Wo ist das Motiv für einen Mord?

Besetzung und Stab

Moritz Eisner Harald Krassnitzer
Bibi Fellner Adele Neuhauser
Günther Dambusch Roland Düringer
August Sittsam Sven Eric Bechtolf
Kaplan Raimund Lukas Watzl
Nathalie Maresi Riegner
Ernst Rauter Hubert Kramar
Werner Kreindl Günter Franzmeier
Tea Berkovic Angela Gregovic
Wilfried Schüssler Markus Schleinzer
Beamtin Tanja Maria Troll
Bibi als Kind Lotte Burger
Hausverwalterin Alina May
Rezeptionistin Madeleine Steinwender
Prälat Manfred Tino Sekay
Kellnerin Catherine Wewima Adejemy
Musik: Lothar Scherpe
Kamera: Martin Gschlacht
Buch: Thomas Roth
Regie: Thomas Roth

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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