Tatort 1212 – Die Rache an der Welt #Crimetime #Vorschau Das Erste 09.10.2022 20:15 Uhr #Tatort #LKA #Hannover #Göttingen #Lindholm #Schmitz #NDR #Rache #Welt

Crimetime Vorschau – Titelfoto © NDR, Christine Schroeder

 „Jubiläum in Niedersachsen: 20 Jahre ist es her, dass LKA-Ermittlerin und Hauptkommissarin Charlotte Lindholm, gespielt von Maria Furtwängler, im Tatort „Lastrumer Mischung“ (Folge 496) zum ersten Mal auf Verbrecherjagd ging. Seither hat die toughe Kommissarin viele Mörder zur Strecke gebracht und ist bis in die entlegensten Ecken der norddeutschen Tiefebene gereist, um dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen. Seit 2019 wird sie von Hauptkommissarin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) beim Lösen ihrer Fälle unterstützt. Ihr Revier ist Göttingen, wohin Lindholm nach dem desaströsen Ausgang im „Fall Holdt“ (Tatort Folge 1034) strafversetzt wurde.“ Tatort Folge 1212: Die Rache an der Welt – Tatort Fans (tatort-fans.de)

Wissen Sie, wer dieses Jahr auch 20-Jähriges feiert? Der Münster-Tatort. Das ist zwar eine andere Sache, aber unterschiedlicher könnten zwei Schienen nicht funktionieren. Manchmal ist uns das Wesen der Münster-Krimis zu klamaukig, aber was ist das schon, im Vergleich zu den Auseinandersetzungen, die ich auch mit mir selbst führen müsste wegen dieser Lindholm-Figur, die ich ablehne wie sonst keine im weiten Tatort-Land? Im Laufe der Rezension zu „Schwarzes Herz“[1] war mir dann der Kragen geplatzt und ich habe mich berufen gefühlt, diese Figur zu enttarnen. Das ändert nichts daran, dass der LKA-Hannover-Tatort wichtige Themen aufgreift. Manchmal so wichtige, dass dabei sogar Giftschrankfilme entstehen, wie „Ehre, wem Ehre gebührt“, den einzigen Lindholm-Film, dem wir wegen genau dieser Eigenschaft noch nicht gesehen haben. Da hat Maria Furtwängler einen feministischen Tatort machen wollen und ist in die Falle getappt, in der die Glaubwürdigkeit so vieler Frauenrechtlerinnen versinkt: Was, wenn retardierte, frauenfeindliche Weltbilder in der Realität häufig in Milieus anzutreffen sind, die selbst wiederum Schutz gegen Rassismus genießen müssen? Wir meinen: Am Wichtigsten ist der konkrete Fall und eine bestimmte Herkunft darf nicht unantastbar machen, wenn es darum geht, Grundrechte und Freiheit für alle zu verteidigen.

Mit dem Rassismus selbst ist es da schon einfacher, denn Rechte gehen immer gut runter, zumal sie im Moment wieder Auftrieb erfahren, weil die anderen so viele Fehler machen. Also, noch mehr Fehler als bisher. Vielleicht wird heute auch ein Tatort aus Niedersachsen gezeigt, weil heute dort gewählt wird und die AfD möglicherweise zweistellig werden wird. Auch die coolen Nordlichter, zu denen mindestens vom Gepräge her unbedingt Hauptkommissarin beim LKA Charlotte Lindholm rechnet, verlieren langsam die Contenance und den Überblick, könnte man sagen, falls es so kommt.

„Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
20 Jahre Charlotte Lindholm: In dieser Zeit sind viele herausragende Produktionen entstanden, darunter sicher die Doppelfolge „Wegwerfmädchen / Das goldene Band“, der 1000. Tatort „Taxi nach Leipzig“ und natürlich „Der Fall Holdt“. Dass dieser 30. Lindholm-Tatort keineswegs das Prädikat „herausragend“ verdient, hat viele Gründe:
Da werden Tatverdächtige munter aus dem Hut gezaubert und wieder fallen gelassen, eine der Hauptfiguren tritt erst nach über einer Stunde zum ersten Mal leibhaftig in Erscheinung. Das Finale nach einer langatmigen zweiten Halbzeit mit viel Leerlauf lässt die Zusehenden ziemlich verblüfft, aber auch ratlos zurück. Lindholms Aggressionen gegen die Geflüchteten oder gegen irgendwie „migrantisch“ aussehende Männer wirken zu gewollt, konstruiert, beinahe künstlich in die Handlung eingebaut. Im Vordergrund steht die politische Botschaft, die natürlich wichtig ist. Leider hat die filmische und dramaturgische Qualität darunter deutlich gelitten.“

Es wäre schon interessant, zu erfahren, wie Maria Furtwängler im Bermuda-Dreieck zwischen Femizid und Antirassismus urteilen würde, wäre sie mit einem realen Fall konfrontiert. Aber lesen Sie mal die umfangreiche Beschreibung der Handlung bei den Tatort-Fans nach. Hoffentlich ist der Film nicht wirklich so krampfig, wie diese Beschreibung es vermuten lässt. Ganz unmöglich ist das bei Lindholm-Produktionen nicht, ebenso, wie in Münster der Klamauk manchmal zu gewollt wirkt. Man kann Konzepte eben auf die Spitze treiben oder zu großen Höhen, aber auch darüber hinaus.

Also fragen wir weitere Stimmen zum 1212. Tatort ab:

Kriminalität bei Flüchtlingen: Das kann ein anspruchsvoller Krimi sein. Und schwer verdauliche Kost gab es schon öfter im Tatort Göttingen. SWR3-Tatort-Kritiker Stefan Scheurer hat Bauchschmerzen. (…) Rassismus als Tatort-Thema (…) zwischen Feminismus und Vorurteilen.“

Tatort-Kritik: „Die Rache an der Welt“ – SWR3

Da hatten wir offenbar einen recht guten Riecher für das Grunddilemma des Films, aber lesen wir noch das Fazit:

„(…) gerade, wenn das Thema so schwerfällig ist, muss es für den Zuschauer erst recht spannend umgesetzt werden: mit tollen Kamerafahrten, mit überraschender Dramaturgie, mindestens mit einem furiosen Ende. Und es gibt diese Tatorte, die viel besser sind als Netflix und Co. Nur, „Die Rache an der Welt“ ist leider sehr weit davon entfernt. Für mich hat es nicht funktioniert.“

Ich bin auch der Ansicht, dass Spitzentatorte mit ausländischen Produktionen gut mithalten können, aber man kann leicht über andere Tatorte urteilen, wenn man für einen Sender schreibt, der mit dem Duo Lannert-Bootz echte Alleskönner hat, die aus fast jedem Drehbuch einen respektablen Krimi herausspielen können. Okay, sie kriegen zumindest von den SWR-Schienen auch die besten Bücher.

Nur ein Elch von fünf möglichen vom SWR, wann war das zum letzten Mal der Fall? Ich kann mich nicht erinnern, welchen Film es damals getroffen hat. Der Verdacht liegt jetzt schon nah, auch andere Kritiker:innen diesem Film keine Spitzenbewertungen zukommen lassen werden.

„»Jede Kultur bringt ihre eigenen Arschlöcher hervor«: Die Kommissarin ermittelt zwischen Geflüchteten und Studierenden. Ein »Tatort«, der jede Menge Debattenstoff für WG-Küchen liefert.“ »Tatort« heute aus Göttingen: »Die Rache an der Welt« im Schnellcheck – DER SPIEGEL

Dieses Zitat stammt also von Tatortkritiker:innen-Doyen Christian Buß und für ihn funktioniert der Film sehr wohl: 7/10 sind ordentlich. Aber dafür verdichtet sich etwas anderes, nachdem der Verdacht, dass es nur negative Stimmen zu dem Werk gibt, erst einmal wiederlegt ist. Dabei geht es um die ethnische Zugehörigkeit des Täters. Ist Femizid doch der stärkere Spin gegenüber der im Tatort ziemlich einheitlichen Darstellung von Migrant:innen als Opfern? Das wäre in der Tat ein Tabubruch, wie die Welt schreibt. Aber wenn die Rechten so etwa schreiben, muss man schon wieder genauer hinschauen: Stimmt nämlich nicht. Zum Beispiel ging es u. a. in Bremen-Tatorten mit Lürsen und Stedefreund um Clankriminalität – allerdings weniger um den kulturellen Clash, der bei Frauenfeindlichkeit mitschwingen kann.

Fremde Kulturkreise, Vorurteile, Gewalt gegen Frauen, Rassismus, Diskriminierung von Flüchtlingen, die Grenze zwischen natürlicher Abneigung gegen einen Menschen und der Ablehnung seiner Herkunft wegen – der Göttinger „Tatort“ fasst gesellschaftlich schwierige Themen an und lässt viele Seiten und Zweifel zu Wort kommen.

Das tut er mit Fingerspitzengefühl und mit Offenheit für andere Gedanken. Gleichzeitig lässt er viele Möglichkeiten zu und das macht ihn bis zum Schluss spannend und lässt die Zuschauer mitfiebern.

[Maria] Furtwängler ist davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, sich mit dem Thema Flucht und Geflüchtete auseinanderzusetzen. „Weil es nicht nur ein Thema ist, das uns 2015 sehr beschäftigt hat und jetzt auch mit den eine Million Flüchtlingen aus der Ukraine. Sondern wir werden durch die Klimaflüchtlinge einen enormen Druck erleben von Menschen, die in unser Land kommen werden und wir tun auf jeden Fall gut daran, eine gewisse gute Willkommenskultur zu pflegen“, sagt die 56-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Das wollen und, wie wir oben sehen, sollen wir auch nicht vergessen: Die Lindholm-Tatorte sind schon deshalb anders als viele andere, weil Maria Furtwängler viel mehr Privilegien als andere Tatort-Darsteller:innen hat, inklusive einer exorbitant hohen Gage. Sie würde aber sicher nicht in einem Tatort mitspielen, der gegen ihre Überzeugungen gestrickt ist, manche der Filme sind sogar nach ihren „Ideen“ ausgestaltet worden, die von Drehbuchautor:innen mehr oder weniger nur ausgearbeitet wurden. So wirkt es jedenfalls, vor allem bei einigen Filmen aus den 2000ern.

„Tatort: Die Rache der Welt“ nimmt sich ein sehr heikles Thema vor – TV SPIELFILM

Der Artikel enthält noch einiges an Furtwänglerlogie, zum Beispiel: „Ich habe immer davon geträumt, mal in einem „Tatort“ mitspielen zu dürfen. Und das kam irgendwie nicht zustande und ich war schon ganz unglücklich.“ Als der Anruf mit dem Rollenangebot für die „Tatort“-Kommissarin kam, sei sie „echt halb vom Stuhl gefallen“.“

Ich stelle mir gerade vor, sie wäre ganz vom Stuhl gefallen. Niemals. Wir haben aber auch etwas zu bieten und ich bin mir nicht sicher, ob das Duo, das sie so heraushebt: „Ich bin froh, dass wir da so ein starkes, diverses Team sind. Und divers nicht nur von der Hautfarbe, sondern auch charakterlich. Es hat auf jeden Fall eine spannende Reibungsfläche.“, auf ihrem „Mist“ gewachsen ist. Vielleicht wollte der Sender genau dieses Mehr an Diversität und hat sich ausnahmsweise einmal durchgesetzt. Und was haben wir dazu beigetragen? Wir hatten anhand von Episodenrollen, die Florence Kasumba schon Jahre vor ihrem Einsatz als Tatortkommissarin genau diese Idee: Dass es mal ein echter Sprung nach vorne wäre, eine Afrodeutsche zur Ermittlerin zu machen. Damals wusste ich noch nicht, dass es eine solche Besetzung zu der Zeit im Polizeiruf 110 Offenbach mit „Carol Reeding“ schon gab.

Sicher hat der NDR unsere Anregungen gelesen und das Resultat sehen wir. Lindholm muss sich die Aufmerksamkeit des Publikums nun teilen, was ihr und auch ihrer Darstellerin sicher zugutekommt. Für diejenigen, die unsere Schreibe nicht so gut kennen: Wir maßen uns nicht wirklich an, irgendwen beeinflussen zu können, das versteht sich im Grunde von selbst. Doch Zeiten jenseits fast jeder Selbstverständlichkeit steigert sich unweigerlich die Umständlichkeit.

Also das, was einige Kritiker:innen dem Film auch vorwerfen. Vielleicht muss es so sein, wir werden es demnächst sehen und beurteilen können.

TH

Handlung

Die heile Welt von Göttingen wird erschüttert durch einen Serientriebtäter, der an abgelegenen Ecken Frauen auflauert und zu sexuellen Handlungen zwingt. Der „Wikinger“, wie der Mann in der Presse genannt wird, hat seine Opfer bislang am Leben gelassen. Als in einem kleinen Park an einem See die Leiche der Studentin Mira gefunden wird, fragen sich Charlotte Lindholm und Anaïs Schmitz, ob der „Wikinger“ dieses Mal einen Schritt weiter gegangen sein könnte. Ein Augenzeuge beschreibt den Täter als einen Mann mit migrantischer Herkunft. Doch der Zeuge erscheint voreingenommen. Ist seine Aussage wirklich belastbar? Um keine Zeit zu verlieren, gibt Charlotte Lindholm den Anstoß für eine erweiterte Herkunftsanalyse der DNA vom Tatort.

Besetzung und Stab

Charlotte LindholmMaria Furtwängler
Anais SchmitzFlorence Kasumba
JelenaMala Emde
HenrySascha Alexander Gersak
ElmoLeonard Carow
Munir KerdagliEidin Jalali
Frau KaulMichaela Hanser
Herr KaulJogi Kaiser
JulianMirco Kreibich
Nick SchmitzDaniel Donskoy
LiebigLuc Feit
CiaballaJonas Minthe
FunktionsbereichName des Stabmitglieds
Musik:Carsten Meyer
Kamera:Patrick Orth
Buch:Daniel Nocke
Regie:Stefan Krohmer

[1] Schwarzes Herz – Tatort 621 #Crimetime 712 #Tatort #LKA #Hannover #Lindholm #NDR #Herz #schwarz – DER WAHLBERLINER

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s