Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Gefährlichste im Land?

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Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die gefährlichste Partei im Land?

Wer den wöchentlichen Newsletter von Sahra Wagenknecht (Die Linke) bezieht, ist nicht nur immer wieder erstaunt darüber, wie ein einzelner Mensch die Zeit finden kann, sich in so vielen Medien zu äußern, die Riposte kommt manchmal aus den eigenen Reihen: als Abgeordnete sei Wagenknecht die Faulste von allen. Klar, niemand hat eine unbegrenzte Kapazität und irgendwo muss die mediale Dauerpräsenz woanders eingespart werden. Noch interessanter aber ist das Inhaltliche.

Wer den wöchentlichen Newsletter von Sahra Wagenknecht (bald eigene Partei?) bezieht, weiß manchmal schon, was bald trenden wird, bevor es trendet. Denn die aktuelle Aussage von ihr, die Grünen seien die gefährlichste Partei im Land, hat sie gestern schon im Newsletter niedergeschrieben, bevor sie heute auf Twitter für einen weiteren Eklat innerhalb der Linken gesorgt hat. Wie immer man ihre Aussage auch bewertet, für ihre Partei arbeitet sie nicht mehr, sondern für sich. Wir haben schon 2018, als sie „Aufstehen“ initiierte, geschrieben, diese Bewegung wird nur Erfolg haben, wenn sie als Wagenknecht-Liste wählbar wird.

Da war aber das Zerstörungswerk, der Racheakt noch nicht getan, dem sie sich jetzt seit vier Jahren widmet, unterstützt von Generalnarzisst Oskar Lafontaine, der schon raus ist und im Zorn zurückblickt. Das Ding, das sie zwischenzeitlich in den Burnout trieb und sich innerparteilicher Zwist mit der dortigen Mehrheit der Funktionär:innen nannte. Vielleicht ist der Begriff „Zwist“ ein wenig untertrieben. Jede Seite versuchte, die Vorgänge als Schurkenstück auf die Bühne zu bringen, inklusive Torten gegen Sahra auf einem Parteitag, wie in einem alten Slapstickfilm. Falls das doch keine Komödie, sondern eine Oper ist, geht sie nicht gut aus, das versteht sich bei einer Oper von selbst. Zunächst der Tweet, um den es geht:

(1) Sahra Wagenknecht auf Twitter: „Von wegen cool und öko – wie die #Grünen uns in den #Krieg treiben, wie sie unsere #Wirtschaft und die Natur zerstören & warum ich sie für die heuchlerischste, abgehobenste, inkompetenteste und damit derzeit auch gefährlichste Partei im Bundestag halte: https://t.co/dZd5mggP69 https://t.co/Zy48MqIqos“ / Twitter

Im erwähnten Newsletter stand dies zu lesen:

Manche halten die Grünen auch heute noch für eine coole Öko-Partei, die für die Rettung des Klimas, für Frieden und Menschenrechte kämpft, und deren hochmoralische Aktivisten am liebsten jeder Kröte beim Überqueren der Straße helfen würden. Mit der Realität hat das leider nichts zu tun. “Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Waffen liefern müssen,” so Grünen-Parteichefin Lang auf dem letzten Parteitag. „Wenn die Ukraine Panzer braucht und wir welche liefern können, dann sollten wir das tun“, ergänzt Parteichef Nouripour und Außenministerin Baerbock liefert die Begründung “weil wir eine Friedens- und Menschenrechtspartei sind.“

Klar, wer für Frieden und Menschenrechte ist, der muss unbedingt immer mehr schwere Waffen an die Ukraine liefern und so dafür sorgen, dass das Sterben bloß nicht aufhört. Und weil Putin den Wirtschaftskrieg „nicht gewinnen darf“(Habeck), werden Millionen Menschen zum Frieren genötigt, massenhaft Betriebe in die Insolvenz getrieben, Waffen an islamistische Golfdiktatoren verkauft, schmutzige Braunkohlekraftwerke angeworfen, den USA Umwelt und Klima zerstörendes Frackinggas abgekauft und in der Nordsee LNG-Terminals genehmigt, die das Meerwasser vergiften werden … Im Video der Woche begründe ich, warum die Grünen für mich die heuchlerischste, verlogenste, abgehobenste, inkompetenteste und gemessen an dem realen Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei im deutschen Bundestag sind.

Hier sind gegenüber ihrem Tweet, der wieder einmal für Aufregung verursacht hat, weitere Differenzierungen und Erweiterungen enthalten, trotzdem ist auch dieser Text natürlich starker Tobak, was immer man von den Grünen hält.

Nun haben sich viele Parteikolleg:innen von Wagenknecht beeilt, die Grünen als zwar doof, aber doch eine demokratische Konkurrenz zu rehabilitieren. Allen voran wieder einmal Dietmar Bartsch, der Co-Fraktionschef und lebende Kitt, der die Partei noch zusammenhält. Er kam sogar mit Wagenknecht aus und auch mit ihrem Mann Oskar Lafontaine, obwohl er nicht deren Lager angehört. Das qualifiziert ihn eigentlich für den Friedensnobelpreis. Und er macht immer weiter, egal, wie sehr die Partei durch Wagenknecht beschädigt wird. Das ist noch ein Parteisoldat alter Schule. Wird er dafür wenigstens irgendwann einmal Vorsitzender? Die Chancen stehen schlecht, denn erst muss die Frauenquote erfüllt werden, und es stehen noch ca. 500 Kandidatinnen auf der Liste, die garantiert niemand außerhalb ihres Geburtsorts kennt, bevor Bartsch wenigstens als Joker mitmachen darf. Vielleicht wäre eine wöchentliche Rotation nicht schlecht. Angesichts des ohnehin hohen Verschleißes an Menschen, die man noch bei viel gutem Willen als Führungskräfte bezeichnen kann, wäre Bartsch in etwa zehn Jahren dran.

Jan Korte ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der Linken im Bundestag, der auch Wagenknecht angehört. Der Tweet der Abgeordneten Vogler weist hingegen welchen Denkfehler auf? Den Arsch kann man sich auch durch zu festen Stuhl aufreißen, für die linke Sache hat man damit aber noch gar nichts bewirkt. Und zu einem guten Teil ist es auch das, was viele in der linken Funktionär:innen-Kaste schäumen lässt: Wenn Wagenknecht nur einen Pups lässt, erzielt das schon mehr Resonanz, als wenn sie den ganzen Tag vor sich hin ackern.

Inhaltlich ist die Aussage von Wagenknecht so zu lesen, vor allem, wenn man die verlängerte Version im Newsletter einbezieht, denn der Schlüssel ist der Begriff „gegenwärtig“, einhergehend mit „realer Schaden“: Da die AfD, die doch generell viel schlimmer ist, derzeit nirgends (mit-) regiert, kann sie auch nicht so gefährlich sein, so ganz offensichtlich die Logik von Sahra Wagenknecht. Ob sie auch meint, die AfD würde dann eine vernünftigere Politik machen, kann man hineininterpretieren, ganz im Sinne der Hufeisentheorie, aber man weiß es nicht, es steht jedenfalls nicht da.

Allerdings ist genau diese Aussage trotzdem schwierig, wenn man bedenkt, wie die AfD im Osten die Demokratie in Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Statik bringt, und das seit Jahren. Ich muss gestehen, als ich „arrogant“ und „inkompetent“ gelesen habe, konnte ich leider nicht heftig den Kopf schütteln. Ich fand das Duo Baerbock und Habeck gar nicht so schlecht, als die beiden unverbraucht wirkend auf den Plan traten, aber Habeck habe ich recht schnell als einen der größten Klassisten in der gegenwärtigen deutschen Politik analysiert und Baerbock ist kaum anders. Außerdem hatte sie schon im Wahlkampf 2021 als Spitzenkandidatin erkennen lassen, dass sie enge Grenzen hat, die nun im Außenministerium von unzähligen Berater:innen nach bestem Wissen und Gewissen erweitert werden. Der Versuch zählt auch.

Und Habeck? Ich hatte meine Meinung ihm gegenüber schon geschärft, als er sich noch nicht so nassgemacht hat wie mit der peinlichen Gasumlage. Ich stelle mir vor, Baerbock wäre Kanzlerin geworden und Habeck Finanzminister und bin so froh, dass die Grünen sich mit ihrer Kandidatur doch noch ein Bein gestellt haben, nach einem grandiosen Lauf für das Grüne im Ganzen, einem Wiederauferstehen der Aufmerksamkeit für den Klimanotstand mitten aus der Pandemie heraus.

Es ist für mich auch nicht so, dass etwas nur deshalb falsch ist, weil Wagenknecht es sagt. Ich würde sie nicht wählen, auch wenn sie einen eigenen Laden aufmacht (der vermutlich auch heute noch die Linke in der Wählergunst abhängen würde), ich finde ihren Putinismus unerträglich und einiges mehr von dem, was sie sagt, aber ich bin heilfroh, dass doch Olaf Scholz ins Kanzleramt eingezogen ist und eben nicht Annalena Baerbock.

Er ist niemand, der die Herzen der Welt erobert und seine Verstrickungen, nun ja. Aber er hält einen vernünftigen Kurs in schwerer Zeit, und das wäre mit den Grünen an der Spitze nicht zu machen. Die Führung, besonders Robert Habeck als Wirtschaftsminister, kann froh sein, dass Kanzler Scholz jüngst von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und wenigstens mal ein Energiethema von vielen vorerst abgeräumt hat, die ein wenig verlängerte Nutzung von sage und schreibe drei Atomkraftwerken.

Vermutlich hat Habeck oder sein Freundfeind und Ministerkollege Lindner von der FDP Scholz darum gebeten, auf den Tisch zu hauen, damit die beiden ihrer jeweiligen Klientel einen Kompromiss verkaufen konnten, der nicht gerade in die Zukunft weist. Aber wir leben in der Gegenwart, und die ist schwierig geworden. Auch, weil die Grünen nicht erkennen, dass maximale Unterstützung für die Ukraine und maximaler Klimaschutz derzeit unmöglich zu vereinbaren sind. Das haben sie nicht so sehr zu verantworten wie die saumseligen Merkel-SPD-GroKos, aber das ändert nichts an den Fakten.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit sitzt nun ein gewisser Wladimir Putin und hat gar keine Lust, sich an grünen Träumen zu orientieren und weiter brav Gas zu liefern, obwohl er rhetorisch seit Kriegsbeginn besonders von jenen Grünen so bombardiert wird, wie jetzt die Ukraine leider real von ihm beschossen wird. Diese Darstellung war die Wiedergabe der zeitlichen Abfolge, ein „weil“ darf man bitte nicht herauslesen. Die deutschen Grünen waren sicher kein wichtiger Gegenstand in Putins strategischen Planungen. Höchstens in der Form, dass er sie für fähig hielt, die Bevölkerung in Deutschland wirklich frieren zu lassen und damit die Unterstützung für die Ukraine zu vermindern, obwohl doch gerade ihnen diese Unterstützung so wichtig ist. Ironie, Ironie.

Diesen Krieg zu verurteilen, ist richtig, das versteht sich von selbst, aber die Grünen albern mit Aussagen herum, die keine Substanz haben: Drohungen, mittlerweile einer ganzen Reihe von Ländern bzw. deren Regierungen gegenüber, die kein Drohpotenzial aufweisen. Das ist eine der peinlichsten Formen von Nicht-Politik zum Nachteil aller, die man sich vorstellen kann. Der Tross, der Annalena Baerbock berät, ist offenbar noch nicht weit vorangekommen. Ihre letzte Reise ist noch nicht lange her, auf der sie sich in allen bereisten Ländern Feinde gemacht hat.

Das hat uns daran erinnert, wie Wilhlem II., der auch so ein arroganter Typ war, nur wenige Jahre gebraucht hatte, um die von Bismarck sorgsam austarierte Stellung Deutschlands im Gefüge der damaligen Großmächte zu einem Störfaktor in Europa zu machen. Leider ist auch Scholz kein Chefdiplomat, daher wiegt der Fail im Auswärtigen Amt doppelt schlimm. Und, nein, es ist auch keine Diplomatie, den Ukrainer:innen mitzuteilen, man steht hinter ihnen, egal, was die Wähler:innen zu Hause denken und notabene unabhängig davon, wie die Lage sich entwickelt. Zum Glück denken viele Grünwähler recht wenig, zumindest politisch, und wählen trotzdem die Grünen. Darauf konnte sich Baerbock wohl verlassen, als sie von ihren Wähler:innen sprach. Man kennt einander eben. Neue Wähler:innen, besonders welche, die politisch ein wenig aufgeweckt sind, kriegt man dadurch aber nicht.

Hier noch einmal die Verfehlung der Sahra Wagenknecht in einem Artikel zusammengefasst:

Wagenknecht nennt Grüne „gefährlichste Partei“ – und erntet Protest | WEB.DE

Am Ende des Artikels wird Wagenknecht inhaltlich so zitiert: Es sei halt nicht so einfach, eine Partei zu gründen. Wenn man nicht in der Lage ist, mit anderen zu kooperieren, kann das in der Tat problematisch werden, aber selbst die AfD ist erstanden, so what? Man nimmt immer noch den Brandgeruch des Jahres 2018 wahr, als Wagenknecht sich nicht getraut hat, „Aufstehen“ zu einer Partei zu machen. Damals sind viele Hoffnungen ihrer Anhänger:innen in Rauch aufgegangen. Jetzt ist es in der Tat schwieriger, denn das Momentum ist nicht auf ihrer Seite, auch wenn sie es immer wieder hinkriegt, die im Moment noch eigene Partei und einige weitere Menschen aufzuregen.

Sie müsste viel schärfer als vor vier Jahren speziell mit der AfD um Anhänger:innen konkurrieren, denn viele, die ihre damals noch wohlwollend (-er) gegenüberstanden, darunter auch wir, würden niemals ihre Stimme einer Liste Wagenknecht geben, nach allem, was inzwischen passiert ist und angesichts der Tatsache, dass Wagenknecht links nicht voranbringen kann, sondern dafür sorgen wird, dass es aufgrund ihrer Einlassungen immer wieder als querfronttauglich bezeichnet werden kann. Eines würde ihre Partei aber nicht werden: die gefährlichste im Land. Dazu hätte sie nicht das Potenzial. Nicht mehr im Jahr 2022. Unser Newsletter-Abo besteht noch aus der wohlwollenderen Zeit und daher sind wir immer ganz gut darüber informiert, was Wagenknecht sagt.

Und wer ist nun die gefährlichste Partei im Land? Wir schauen in den Spiegel. Da sehe ich mich selbst und halte mich nicht für gefährlich. Dann sehe ich die Grünen. Sie richten wirklich viel Schaden an, das lässt sich überhaupt nicht leugnen. Ich glaube aber, dass die Wirtschaft und die Menschen sich davon wieder erholen werden und dass das Wahlverhalten der Menschen sich doch der Performance der Parteien anpassen wird. Die AfD wird davon dann wohl profitieren. Und das ist in der Tat noch gefährlicher als der aktuelle Auslöser für den Wiederaufstieg dieses Haufens, die herrschende Politik. Dass das eine durch das andere bedingt ist, lässt am Ende nur den Schluss zu, wenn die Domkratie den Bach heruntergeht, werden auch die „Demokraten“ einen erheblichen Anteil daran haben. Oder ist Sahra Wagenknecht in Wirklichkeit die Gefährlichste, weil sie die Spaltung und Marginalisierung der Linken vorantreibt und rücksichtslos ebenjener AfD, die für sie ja auch nicht die gefährlichste Partei ist, Menschen zutreibt?

Und wer steht da nun riesengroß hinter mir, nach diesen Überlegungen? Die große Ratlosigkeit sehe ich, sie zuckt überflüssigerweise mit den Schultern. Wen man überhaupt wählen kann oder sollte? Oh je. Und das ist das Gefährlichste von allem: Ein Mangel an tatsächlichen Alternativen. Eine linke Partei zum Beispiel, die mit profundem Klassenkampf unterwegs, nicht mit Wagenknecht befasst ist und nicht Menschen an Bord hat wie Wagenknecht, die mental gar nicht in der Lage sind, wirklich für andere etwas zu tun, weil sie, das stimmt nun wieder, ein Problem mit dem politischen Kompass haben. Wo sie hinsteuert, da ist unsere Zukunft nicht.

TH

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